Organismen aus Solequelle- zwei Ergänzungen

Begonnen von Michael Plewka, Oktober 23, 2016, 19:21:13 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

hallo zusammen,

Eigentlich wollten wir uns das Bauernkriegspanorama des Künstlers W. Tübke in Bad Frankenhausen im Südharz ansehen, doch zufälligerweise entdeckten wir dann noch, dass:

1. dieser Ort den schiefsten Kirchturm Deutschlands hat.
2. einige Solequellen aufweist.

Eigentlich war ich für die Probennahme garnicht gerüstet, doch fand sich in einem Gebüsch nahe der Elisabethquelle eine weggeworfene Bierflassche, die dann vorzüglich als Probengefäß diente. In dieser Wasserprobe, deren Salzgehalt zwischen 4 und 7 Prozent liegt, fanden sich einige interessante Organismen, die ich hier kurz vorstellen möchte.
Bedingt durch den hohen Salzgehalt müssen die vorgestellten Organismen dementsprechend salztolerant sein.


Der Thallus der  einzigen Grünalge, die sich in der Probe fand, ist von eine fädiger Struktur, dabei treten ab und zu Verzweigungen auf. Dabei besteht ein Faden im Querschnitt aus 3 oder mehr  Zellen, wie ich es von der Gattung Enteromorpha, die im Brack-und Meerwasser lebt, kenne:



Daneben kommen jede Menge Diatomeen vor, vor allem Achnanthes cf. brevipes und Melosira nummuloides, die ich auch vor einigen Jahren in einer benachbarten Solequelle in Artern (ebenfalls Südharz) gefunden und hier vorgestellt hatte. Hier nochmal ein Bild von M. nummuloides:





Neu für mich waren die folgenden Protisten:

1.
Loxophyllum verrucosum , ein pleurostomatider Ciliat mit einem charakteristischen Extrusomensaum. Die Extrusomen sind in Nestern angeordnet, zu jedem Nest gehört  mindestens ein ,,Stachel", der ,,nach oben" orientiert ist. ,,nach oben" steht deshalb in Anführungszeichen, weil die Stacheln zwar in diesem Bild dem Beobachter zugewandt sind, dieses aber eigentlich die rechte Seite des Ciliaten zeigt (wenn ich die Legende zu L. maleagris in Foissners Revision richtig verstanden habe):




Die linke Seite von L. verrucosum sieht hingegen so aus:





Hier noch ein Bild von dem Extrusomensaum:




2.
Ein weiterer Ciliat in der Probe war Chlamydodon triquetrus. Diese Gattung  ist durch ein durch einen Kanal charakterisiert, der den gesamten Ciliaten am Rand umgibt. Lt. Kahl ist er hohl , hat  einen ringförmigen Querschnitt  und wird durch ringförmige Spangen stabilisiert.
Die Pfeilspitze weist auf eine Ansammlung orangegelber Körnchen hin, die für die Art. C. triquetrus charakteristisch ist.




Auffällig ist auch die Mundreuse, die aus aus recht dicken Stäben besteht, so dass man ihren ringförmigen Querschnitt gut erkennen kann, und die schlitzförmige Mundöffnung umgibt:




Hier ein 100% crop, um 90 Grad gedreht:




3. Der letzte Ciliat, den ich hier vorstelle, ist ziemlich mit 90µm recht klein und  gehört zur Gattung Lacrymaria, die vielen Tümplern durch das ,,Tränentierchen" (Lacrymaria olor, Wassertropfen) bekannt ist. Lacrymaria hat einen ,,Kopf", der durch eine Furche vom Rest der Zelle separiert ist (Pfeilspitzen). Hier gezeigt ist L. salinarum:




Im vorderen Teil der Zelle befinden sich eine Menge kleiner lichtbrechender Körnchen. Das Viech bewegt sich extrem schnell vorwärts und rückwärts, kann aber den ,,Hals" nicht in der Länge variieren, so wie es bei L. olor der Fall ist.


beste Grüße
Michael Plewka

Michael L.

Hallo Herr Plewka,

tolle Bilder, wirklich excellent! Die Extremophilen solcher Fundorte sind sehr interessant wundert mich, dass keine Cyanobakterien dabei sind.

Viele Grüße,

Michael L.

Martin Kreutz

Hallo Michael,

ich sollte wohl auch immer eine Bierflasche dabei haben, wenn ich irgendwo hinfahre! Nur vorsichtshalber! Wie immer grandiose Aufnahmen von 3 Ciliaten, die ich allesamt noch nicht gesehen habe. Besonder Chlamydodon triquetrus ist interessant, wegen der seltsamen "Schlauchstruktur". Ich habe zu dessen Funktion in der mir vorliegenden Lit. nichts gefunden. Ist Dir da mehr bekannt? Kahl gibt noch einen "hypothetischen Querschnitt" von C. triquetrus zum Besten (S. 231, Abb. 36 e), das die "Röhren" seitlich nicht geschlossen sind. Man könnte sich vorstellen, das Chlamydodon damit fädige Cyanobakterien "greift" und sich an diesen entlang bewegt, um das Ende des Fadens zu finden. Nur so eine Idee!

Martin

Ole Riemann

Hallo Michael,

sehr interessante Funde, die ich allesamt noch nie bewusst gesehen habe. Kannst Du noch etwas dazu sagen, wie diese Quellen entstanden sind bzw. woher der Salzgehalt stammt? Hat das was mit dem geologischen Untergrund zu tun? Und gab es auch Rädertiere des marinen Bereiches (wie z.B. Encentrum marinum)?

Danke und viele Grüße

Ole

the_playstation

Hallo Michael.

Die Ciliatenbilder sind klasse geworden. Danke fürs Zeigen.

Liebe Tümpel-Grüße Jorrit.
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.

Bernhard Lebeda

Hallo Michael

absolut fantastische Funde!!

Es lebe die Bierflasche!  ;D

Viele Mikrogrüße

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Heribert Cypionka

Lieber Herr Plewka,

Glückwunsch zu den wunderbaren und wie immer lehrreichen Bildern - ein Genuss! Dennoch kann ich mir ein kleine Bemerkung, die ich schon vor Zeiten einmal gemacht habe, aus gegebenem Anlass nicht verkneifen ;). Aus der Wissenschaft kenne ich die Einheiten µl, µg und auch µm, den griechischen Buchstaben allein jedoch nur aus der Umgangssprache im Sinne von Deut ('kein µ nachgegeben...') - also ohne wirklich quantifizierbaren Wert. Wenn ich mir nun das drittletzte und vorletzte der schönen Bilder anschaue, scheint das auch von Ihnen so genutzt zu werden. Die Maßbalkendicke korreliert mit der Mundreusengröße, für die -länge und die Beschriftung gilt das weniger. Wir merken uns: winzig klein ;D und toll fotografiert!

Herzliche Grüße

Heribert Cypionka

Michael Plewka

hallo zusammen,

ich freue mich über das Interesse an den Viechern und dem Biotop, in dem sie gefunden wurden.
Ich möchte nochmals betonen, dass sowohl die ,,Entdeckung" als auch die Probenentnahme spontan, zufällig  und damit recht unprofessionell erfolgte. Meine Informationen bezüglich der Quelle beschränken sich also auf Google bzw. wikipedia-Wissen, u.a. diese Quelle:
http://www.bad-frankenhausen.de/kur-tourismus/kur/kurpark/quellgrund/.

Das linke Bild zeigt dort die Elisabethquelle. Nachdem das Wasser dieses Bauwerk verlassen hat, fließt es in einem künstlich angelegten Kiesbett ca 50m durch den Kurpark, bevor es unter einem Weg verschwindet.  An einer Stelle befand sich ein Bündel der gezeigten Grünalgen; dieses wurde mit Detritus als Probe gesammelt.

@ Michael:
abgesehen von dem Salzgehalt, dessen Minimalwert  4% und somit in etwa Meerwassersalinität entspricht, erscheint das Gewässer aber nicht besonders ,,extrem".  Insofern würde ich dort keine ,,Extremophilen" erwarten. Hierbei bin ich aber überrascht, dass Cyanobakterien (allgemein?) als extremophil angesehen werden. Wie ist das gemeint? Gibt es dafür Beispiele?

@ Martin (+Bernhard):
Bierflaschen auf Exkursionen sind nie verkehrt (erst voll, dann leer)....    ;-)
davon abgesehen: ich hab gerade nochmal ein paar Fotos gemacht: C.t. ist ein Diatomeenfresser. Insofern ist die Funktion dieses einzigartigen Organells weiterhin (m.W.) ungeklärt:




Hier noch eine Detailaufnahme des Bandes:




@ Ole:
zu deine Fragen bezüglich der Geologie verweise ich auf wikipedia (s.o.).
Als Rädertier-Fan habe ich natürlich gehofft, in der Probe eine fette Ausbeute vorzufinden. Zwar kenne ich Encentrum marinum, seltsamerweise allerdings aus einem eutrophen, aber keineswegs salzhaltigen Tümpel bei uns in der Nähe:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Encentrum%20marinum.html
In der Probe aus der Solequelle fand sich aber nur eine Lecane-Art (in Form zweier toter aber noch nicht verwester Exemplare). Mit der gebotene Vorsicht könnte es sich um   L. arcuata handeln:




@ Herrn Cypionka:

Vielen Dank, dass Sie  auf den Fehler in der Größenkennzeichnung hingewiesen haben. Ich habe es korrigiert ;-)

beste Grüße
Michael Plewka

Michael L.

Hallo Michael,

Hinsichtlich der Cyanobakterien meinte ich nicht, dass diese generell Extremophile sind, sind sie natürlich nicht, aber an jedem Extremstandort ist die Wahrscheinlichkeit dass Cyanobakterien dominant sind sehr hoch. Aber der Standort schein ja nur moderat salzig zu sein.

Viele Grüße,

Michael

plaenerdd

Hallo Ole,
die Geologie rund um den Kyffhäuser ist recht komplex. Eine gute Einführung bietet Wagenbreth/Steiner: "Geologische Streifzüge". Salzschichten wurden beim Herausheben des Kyffhäusers mitgekippt und nahezu senkrecht gestellt. Sie werden vom Sickerwasser ausgelaugt, was immer wieder zu Erdfällen führt. Salzhaltiges Wasser tritt in mehreren Quellen zu Tage, unter anderem in der bekannten Solequelle Artern, aber auch in Bad Frankenhausen. Hier mal eine Grafik aus dem oben genannten Buch (farbliche Hervorhebung der Salzschichten von mir):

Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Michael Plewka

hallo Gerd,

zwar war ich nicht angesprochen, habe mir die Karte aber trotzdem angeschaut ;-)

Recht herzlichen Dank für deinen Beitrag, der hilft uns sicherlich weiter!
beste Grüße
Michael Plewka

plaenerdd

Hallo Michael,
Ole hatte ja ausdrücklich danach gefragt und die von Dir verlinkte Seite fand ich nicht besonders aussagekräftig, was die Frage nach dem Ursprung der Salinität angeht. Es gibt in der Gegend übrigens einige Quellen mit recht ordentlichem Salzgehalt. Ich habe selber bei einer Radtour vor 2 Jahren auch durch Zufall noch eine Salzquelle entdeckt, zu der es auch ein Schautafel gibt, die ich morgen vielleicht mal noch nachreichen könnte, aber das Foto ist auf einem anderen Rechner. Was ich mit meinem Reisemikroskop dort gesehen habe hat mich stark an Artern erinnert u.a. auch wieder die schönen Kolonien von Bacillaria.
LG
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Ole Riemann

Hallo Gerd,

vielen Dank für die instruktive Karte und die Erläuterungen - nun kann ich mir die geologische Situation besser vorstellen.

Viele Grüße

Ole

Michael Plewka

#13
hallo zusammen,

nach der Anfrage von Ole Riemann bezüglich Encentrum marinum habe ich die Probe nochmals genauer untersucht und habe tatsächlich noch zwei Exemplare gefunden, welche sich interessanterweise in ihrem Fressverhalten deutlich unterschieden. Das eine Tier konnte beim Fressen von  ungefärbten Flagellaten  (?? Bodo sp. ??) beobachtet werden:




Der Verdauungstrakt des anderen Exemplars war gelbgrün gefärbt, und das Tier zupfte an verrottenden Enteromorpha-Trichomen. Beide wiesen die für E. marinum charakteristischen lichtbrechenden Körperchen neben dem Gehirn auf (Pfeilspitze):




Ich habe verdunstetes Wasser in dem Präparat durch demineralisiertes Wasser ersetzt, was für die Viecher ziemlich letal war. Interssanterweise traten hierdurch  bei dem zuvor schon gezeigten Chlamydodon die Ringe des  quergestreiften Bands deutlich zutage:




Ebenso ließen sich die Kinetiden des Cortex zumindest im DIK ebenfalls deutlich sichtbar machen (vielleicht Ersatz für die Silberimprägierung?) :




beste Grüße
Michael Plewka