Nochmal Banknoten. Mitteilung 1 der Mikroskopischen Zentralbank: Der Kippeffekt

Begonnen von Horst Wörmann, Januar 03, 2016, 13:37:05 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Horst Wörmann

Liebe Freunde des Bargelds,

gerne nehme ich Heikos Anregung zur ,,Offenlegung fälschungsrelevanter ,,monetär -forensischer" Merkmale" auf. Der Draghi druckt eh' so viele Banknoten, da kommt's auf ein paar mehr nicht an.

Wie funktioniert der Kippeffekt bei der Smaragdzahl?
Beim Kippen der Banknote wird ein dynamischer Bewegungseffekt erzeugt; dabei ändert sich sowohl die Farbe von tiefblau nach smaragdgrün als auch die Position des Streifens (Bild 1). Der Effekt kann mit Kopiergeräten nicht reproduziert werden.


Bei genauer mikroskopischer Analyse im Auflicht zeigt sich, daß die ,,Druckfarbe" aus Pigmentplättchen mit etwa 15 bis 20x20 µm Fläche und sehr geringer Dicke besteht, offensichtlich Dünnschichtelemente mit einer Interferenzschicht, die winkelabhängig reflektiert.
Fährt man bei 20- bis 50-facher Vergrößerung die in Bild 1 gezeigte "1" in Längsrichtung ab, erkennt man, daß die Plättchen zur Papieroberfläche orientiert aufgebracht sind. Im hell reflektierenden Streifen liegen die Plättchen parallel zur Oberfläche (Bild 2), in den dunkleren Bereichen stehen sie schräg bis senkrecht (Bild 3). Bild 4 läßt bei stärkerer Vergrößerung die schräge Orientierung und die Kanten der Plättchen erkennen. Weil die Plättchen nicht streng ausgerichtet sind, erzielt man einen Glitzereffekt, anderfalls würde eine glänzende Fläche erscheinen.

Bild 2: glänzender Streifen in der Mitte der Ziffer


Bild 3: dunkler Bereich im oberen Viertel der Ziffer


Bild 4: wie 3, höhere Vergrößerung mit Blick auf die Kanten der Plättchen


Bild 2 und 3: Zeiss Epiplan-Neofluar 20x/0,50 Auflicht-Hellfeld unter jeweils gleichen Bedingungen. Bild 3: Zeiss Epiplan-Neofluar  50x/0,80, Auflicht-Hellfeld. Die lackierte Oberfläche der Banknote ist ein wenig störend.
Beim Kippen kommen also andere Orientierungen in Reflexionsstellung, damit erklärt sich der  blickwinkelabhängige Effekt hinsichtlich Farbe und Bewegung.

Nun weiß der Mikroskopiker, daß sich Plättchen immer in eine stabile Lage parallel zum Objektträger begeben – offensichtlich verhalten die sich in der flüssigen ,,Druckfarbe" anders. Die Lösung ist einfach: die Plättchen sind magnetisch. Das kann man ohne großen Aufwand prüfen, indem man ein winziges Partikel aus der Ziffer herauspräpariert. Das geht ohne sichtbare Beschädigung und ist für den geübten Mikroskopiker ein leichtes. Mit einem starken Magneten unter dem Objektträger kann das Teilchen leicht bewegt werden.
Man kann sich dann gut vorstellen, daß beim Druck ein Magnetfeld angelegt wird, sich die Teilchen gezielt an den Feldlinien ausrichten und beim Aushärten fixiert werden:



Das alles läßt sich durch einfache Überlegungen und genaue Beobachtungen im Mikroskop herausfinden und ist den üblichen "Experten" wahrscheinlich längst bekannt.  Verfahren zu magnetisch ausgerichteten Sicherheitselementen sind z.B. von der Firma Giesecke & Devrient patentiert (2011 und 2012). Die Patente sind öffentlich zugänglich, sie haben mir die oben beschriebenen Beobachtungen bestätigt. Auch die Magnetpigmente sind nichts wirklich Neues.

Viele Grüße
Horst

the_playstation

Hallo Horst.
Danke für deine tollen Detailfotos.
ZitatNun weiß der Mikroskopiker, daß sich Plättchen immer in eine stabile Lage parallel zum Objektträger begeben.
Leider haben das einige meiner Diatomeen noch nicht gehört. ;) :) Ich versuche es ihnen immer noch vergeblich beizubringen.

Liebe Grüße Jorrit.
Die Realität wird bestimmt durch den Betrachter.

Schrodt

Hallo Horst,

vielen Dank für den interessanten Beitrag.

Liebe Grüße
Jürgen aus Hemer

Heiko

Hallo Horst,

prima Erklärung und tolle Fotos.

Die Fünfer und Zehner gehören ja auch zur neuen Serie, siehe http://www.neue-euro-banknoten.eu/Euro-Banknoten/Sicherheitsmerkmale/KIPPEN/DIE-ERSTE-SERIE-%3Cbr-%3E10-%E2%82%AC-Banknote/Hologramm

Da lohnt sich das Kippen ebenfalls – hier einmal ein GIF aus dem Hologramm-Streifen:



Viele Grüße,
Heiko

Klaus Herrmann

Lieber Horst,

super dein Beitrag über die magnetischen Effektpigmente. Ich hätte ihn gerne ergänzt mit einem Bild einer Lackierprobe aus alten Tagen, die uns Nippon Paint vor ca 15 Jahren gebracht hat als tolle Designidee. Eine Metallic-Effektlackierung in der ein Mercedesstern mit einem Durchmesser von ca 20 cm durch gezielte Orientierungsbeeinflussung entsteht. Ein Elektromagnet unterhalb des Bleches hat das Bild erscheinen lassen. Nach Aushärtung war das Bild dann dauerhaft stabilisiert. Dass das natürlich nur mit nicht ferromagnetischem Blech geht hätte man noch tolerieren können, wir hatten ja schon Alu-Motorhauben. Aber eine Lackreparatur ist ausgeschlossen und daran scheiterte der Einsatz. Irgendwo in meinen Unterlagen muss ich das Unikat noch haben, aber leider noch nicht gefunden.

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Horst Wörmann

Liebe Kollegen,

vielen Dank für's Lob!
Lieber Heiko, ein eindrucksvolles Bild des Hologramm-Kippeffekts! Habe Dir ein PN dazu geschickt, Frage paßt hier nicht zum Thema.

Mit so schönen Bildern kann ich nicht dienen, wohl aber mit einer Erklärung.
Bei hoher Vergrößerung - sieht man nämlich die Gitterstreifen, die durch Interferenz die positionsabhängigen Farben erzeugen.
Hier ein Ausschnitt aus dem Durchsichts-Hologramm der 20-Euro-Note.

Hellfeld-Auflicht, Objektiv Zeiss Epiplan-Neofluar 100x/0,90 in Verbindung mit Optovar 1,6x, also förderliche Vergrößerung zum Messen überschritten. Die Messung an den parallelen Strukturen oben ergibt 1200 Linien pro mm, entspricht also einem optischen Gitter mit ganz ordentlicher Auflösung. Leider stört die Lackierung der Banknote, ich konnte deshalb auch kein gutes DIK-Bild erzeugen. Im unteren Teil erkennt man ein feines rechteckiges Raster. Der Rest des Durchsicht-Hologramms ist wesentlich komplexer, eben Hologramm-typisch.

Viele Grüße aus Bonn
Horst

Heiko

Lieber Horst,

Dein Foto ist vielleicht nicht schön im trivialen Sinn – dafür aber hoch interessant in Verbindung mit der Erklärung und technisch (für mich unerreichbar) anspruchsvoll.

Noch eine Frage zu diesen Hologrammen. Die Interferenzen entstehen im Schräglicht – besonders ,,satte" Farben erhält man aber bei ganz strengem Streiflicht:



Gibt es dafür eine einfache Erklärung?

Viele Grüße,
Heiko

Horst Wörmann

Lieber Heiko,

ja, eine Erklärung gibt es. Nein, einfach ist die nicht.
Aber bevor ich mich aus dem Fenster lehne: kannst Du mir den Versuchsaufbau beschreiben (am besten per PN, ist für die meisten Leser nicht von Interesse).
Sollten wir für diese Effekte nicht einen neuen Faden aufmachen? Das Thema hat's nämlich in sich.

Viele Grüße
Horst

Heiko

Lieber Horst,

ich habe jetzt – nach Deiner Anfrage zum ,,Versuchsaufbau" noch einmal etwas systematischer mit einer Taschenlampe ,,herumgefuchtelt" und einen ganz simplen Erklärungsvorschlag.
Bei einem Einstrahlwinkel von etwa 45° treten starke Reflexionen auf (vielleicht von einer ,,Versieglungsschicht"?) – die Interferenzfarben werden überstrahlt. Neigt man die Lichtquelle weiter auf sagen wir 5°, werden die Reflexionen vermieden und die Interferenzfarben kommen gut zur Geltung.

Viele Grüße,
Heiko


Nachtrag

Eine Gitterstreifung habe ich nach Deiner Instruktion jetzt auch entdeckt – viel ,,grobschlächtiger", die feinere liegt ,,darunter" – wofür ich etwas Licht seitlich unter das 40er quetschen musste:



plaenerdd

Hallo Horst und Heiko,
ich habe schon seit einiger Zeit keinen so interessanten Faden verfolgt. Wenn Ihr davon mehr habt: Bitte weiterstricken! Ich finde das Thema ungemein spannend und habe ja auch schon verschiedene "Glitzerdinger" hier gezeigt, aber die Erklärung mit dem Magnetfeld zur Einregelung der Plättchen hat mir doch ein lautes "AHA" entlockt.
Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Horst Wörmann

Lieber Heiko,

siehste - geht doch! Das Gitter ist doch gut erkennbar! Zu den winkelabhängigen Effekten muß ich mir noch ein Experiment überlegen, als Beweis, sonst zerreißen mich die Cracks hier im Forum, wenn's nicht stimmt. Bitte um Geduld.

Lieber Gerd,
es wird weitergestrickt, sowohl an den Glitzerdingern als auch an der Physik und Chemie der Banknote. Danke für den Zuspruch!

Viele Grüße aus Bonn
Horst



Klaus Herrmann

Hallo zusammen,

zum Glück hat mich meine Frau freundlich aufgefordert mal eine Ecke aufzuräumen. In dieser Ecke habe ich meine ganzen Vorträge gefunden, die ich auf Kongressen gehalten habe und die verschollene Lackierprobe mit dem magnetischen Effektpigment tauchte dabei auch auf. Der Mercedes-Stern und der Schriftzug wurde durch einen Elektromagneten erzielt, der hinter dem Aluminium-Blech platziert war. Die ferromagnetischen Pigment-Plättchen richten sich im flüssigen Lack aus und das wird auch im Einbrennofen noch aufrecht erhalten. Nach dem Aushärten ist das Bild dauerhaft fixiert.
Das Bild war nicht ganz einfach, weil der Klarlack hochglänzend ist, aber der Effekt ist deutlich zu sehen.

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Heiko

Glückwunsch zum Wiederfund, lieber Klaus.

Oft allerdings – und in meinem Gemischtwarenladen ist das definitiv so – sind solche Erfolgserlebnisse teuer erkauft, da andere Haushaltungsgegenstände die Ordnungsaktion zum Anlass nehmen, um unauffindbar zu sein und bleiben zu wollen ...

Viele Grüße,
Heiko