Mikrobiologie - aber makroskopisch : 1000-jährige Enteneier

Begonnen von hebi19, Februar 12, 2016, 18:50:28 NACHMITTAGS

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vbandke

Hallo Timm,


das widerspricht aber der alten Schulweisheit: Chemie ist, wo es knallt und stinkt  (ist also in diesem Fall nicht gegeben), Physik ist das, was nie gelingt... Demnach fällt Dein Experiment zumindest teilweise in die Domäne Physik :)


Aber die grobe Richtung, wo es langgehen könnte, ist schon erkennbar.  Und, falls Du das Experiment wiederholen wirst, ein kurzer Hinweis hier wäre willkommen.


Mit besten Grüßen


Volker


P.S. Alle meine Bilder dürfen/sollen kommentiert, verrissen, gelobt, und zur Veranschaulichung in diesem Forum auch bearbeitet werden.

hebi19

Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

treinisch

Hallo Volker,

naja, meines Erachtens gehört die Denaturierung von Eiweiß, jedenfalls was deren ,,Chemie" angeht in die Physikalische Chemie, von daher passt ja Deine Einschätzung :-)

Ich werde den Versuch wiederholen, habe die Eier schon hier liegen. Ich werde es aber diesmal bei 10 Min Hypochlorit belassen und das Sterilium auch weglassen, das war einfach Overkill.

@Martin
gerne

vlg
Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

Oecoprotonucli

#33
Hallo Martin,

Zitat von: hebi19 in Februar 12, 2016, 18:50:28 NACHMITTAGS
In den meisten Eiern sind farnartige Wachstumsfiguren erkennbar - evtl Pilze oder was auch immer.

Ich habe folgenden Verdacht: Die Herstellung und Reifung ist rein chemisch, jedoch könnten diese Wachstumsfiguren an der Oberfläche vielleicht doch Pilze sein, die sich später gebildet haben. Kannst Du nicht mal eine Art Abstrich machen und unters Mikroskop legen? Evtl. reicht auch schon die Oberfläche unterm Stereomikroskop.

In dem von mir zitierten Paper sind ja mehrere (für Pidan zwei) Herstellungsmethoden dargestellt. Die eine ist mit dieser "Schlammpackung", die andere in Natronlauge und anderen Zutaten. Ich frage mich gerade, ob die Methode mit der Natronlauge wirklich eine traditionelle Methode ist (wird im Paper darunter einsortiert). Im Galileo-Film aus dem Link weiter oben spricht aber der alte Markthändler (der die "Schlammpackung" als Methode benutzt) davon, dass andere Hersteller "zu viel Chemie" nähmen. Ich frage mich halt auch, wie oder aus welcher natürlichen Zutat schon früher, zu chinesischen Kaiserszeiten, Natronlauge (bzw. reines NaOH?) zur Verfügung gestanden haben soll (es wird im Film auch als ursprüngliches "Arme-Leute-Essen" dargestellt). Was denkt Ihr? Gab es eine NaOH-Quelle, die einfach so den normalen Leuten zur Verfügung stand, oder ist die einzige wirklich traditionelle Methode die "Schlammpackung"?

Gereifte Grüße

Sebastian

P.S.: Martin, Du beschreibst den Geschmack als nicht schlecht (und den Chinesen schmeckt's auch) - eigentlich bin ich auch einigermaßen experimentierfreudig - aber warum fand die eine Kosterin aus der Galileo-Doku den Geschmack offenbar doch so eklig? Wer hat Recht?
Ich benutze privat:
Leitz SM-Lux mit (LED-) Durchlicht und Phaco-Ausrüstung (ca. 1975-77)
Hensoldt Wetzlar Stereomikroskop DIAMAL (1950er Jahre)

vbandke

#34
Guten Morgen, Sebastian (et al),


Vielleicht ist die Natronlauge ja nur das moderne Substitut für ein anderes, früher einfacher zu beschaffendes, alkalisches Medium.  Ich denke da etwa an den norwegischen Lutefisk (auch ein ehemals "Arme-Leute-Essen"), welches früher mit Hilfe einer Lösung aus Birkenasche hergestellt wurde, heute mit Natronlauge.


Nebenbei gesagt, schmeckt (mir) der Lutefisk exzellent


Mit besten Grüßen


Volker



P.S. Alle meine Bilder dürfen/sollen kommentiert, verrissen, gelobt, und zur Veranschaulichung in diesem Forum auch bearbeitet werden.

hebi19

Zitat von: Oecoprotonucli in März 17, 2016, 09:04:17 VORMITTAG
P.S.: Martin, Du beschreibst den Geschmack als nicht schlecht (und den Chinesen schmeckt's auch) - eigentlich bin ich auch einigermaßen experimentierfreudig - aber warum fand die eine Kosterin aus der Galileo-Doku den Geschmack offenbar doch so eklig? Wer hat Recht?

Hallo Sebastian

ich will nochmal auf meine Erinnerung hinweisen:
"Dinge, vor welchen sich ein Mensch "ekelt", [werden] bis zum Alter von 4 Jahren - also in der sogenannten Prägephase - festgelegt"

und wie ein Lebensmittel schmeckt, ist mitnichten hauptsächlich "vom Geschmack" abhängig. Das Visuelle spielt genauso eine entscheidende Rolle.
Und mit allem verbunden die PRÄGUNG in der Frühphase........
Die allermeisten Chinesen haben ja ähnliche Probleme mit Käse - für sie schier ungenießbar.

zu den Wachstumsfiguren. Die sind im zweiten Bild ganz gut zu erkennen. Da sie eher aus dem Inneren zu kommen scheinen, glaub ich nicht an Pilze:



Vielleicht komme ich am Wochenende dazu das mal unters Mikroskop zu legen. Sollte ich am 02. April zum Treffen nach Würzburg kommen nehme ich auf alle Fälle ein Ei mit. Dort sind ja genügend Pilzler, die werden dem schon zu Leibe rücken.....

Grüße
MArtin
Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

Jürgen Boschert

Hallo Martin,

Zitat... und wie ein Lebensmittel schmeckt, ist mitnichten hauptsächlich "vom Geschmack" abhängig. Das Visuelle spielt genauso eine entscheidende Rolle.
Und mit allem verbunden die PRÄGUNG in der Frühphase........ ...

Das kann ich nur unterstreichen. Beruflich habe ich ja des öfteren mit Patienten zu tun, die ihr Riechvermögen komplett verloren haben. Beim Essen fällt dies vielen nicht auf, solange sie sehen, was sie essen. Es werden dann einfach die entsprechenden Erinnerungen abgerufen und sozusagen zum visuellen Eindruck zugeschaltet. Etwa,das wie eine Erdbeereaussieht, schmeckt dann eben auch wie eine. Man muss diesen Menschen dann oft bewußt machen, dass Sie reine Riechempfindungen in kritischen Situationen nicht mehr haben, z.B., das Anbrennen eines Bügeleisens eben nicht mehr registrieren bevor Flammen auflodern.

Gruß !

JB
Beste Grüße !

JB

Oecoprotonucli

#37
Hallo Martin,

Zitat von: hebi19 in März 17, 2016, 18:52:30 NACHMITTAGS
zu den Wachstumsfiguren. Die sind im zweiten Bild ganz gut zu erkennen. Da sie eher aus dem Inneren zu kommen scheinen, glaub ich nicht an Pilze:

Na gut, vielleicht entsteht so eine Figur ja auch beim Denaturieren der Proteine oder überschüssiges Salz fällt aus und kristallisiert etc. (womit wir dann ja bei anderen Themen wären, die kürzlich das Forum bewegten, wie Kristalle, Tropfen-Trocknung etc...). Aber nimm auf jeden Fall solche Eier zu Deinem Mikro-Treffen mit und berichte!

Ich würde auch gerne mal so ein Ei kosten, natürlich isst das Auge mit, aber wenn es erst mal im Mund ist, traue ich mir schon zu, zu entscheiden, ob mir das schmeckt oder nicht, auch wenn durch die Optik ein gewisser Ekel möglich wäre (so schlimm finde ich es aber nicht, sieht doch "dekorativ" aus - naja, ich müsste es vor mir haben, um das besser zu beurteilen). Vor allem würde ich ja auch mal die Zubereitung gerne nachvollziehen - aber dazu müsste man ja noch besagtes Problem der Beschaffung von Natronlauge lösen. Sicher würde es Wege geben, um an die Chemie zu kommen - aber ich dachte ja, dass man bei einem Lebensmittel nicht gerade bei Roth, Merck & Co. bestellen muss...

Übrigens erinnert die dritte Methode, die im Paper beschrieben ist, doch an Sol-Eier, welche es ja auch in Berlin gibt.

Viele Grüße

Sebastian
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treinisch

Hallo Sebastian,

falls Du welche selbermachen willst: Ich wollte gerade ein Kilo gebrannten Kalk wegwerfen, kannst Du gegen Porto haben, müsste noch einwandfrei sein. Melde Dich, falls Bedarf besteht.

vlg

Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

Oecoprotonucli

Hallo Timm,

meinst Du, das geht anstelle von NaOH? Ist das Zeug "lebensmittelecht" oder vom Baumarkt?

Abgesehen davon: Wenn es ähnlich schwer ist, wie Käse herzustellen, könnte es natürlich sein, dass das Ergebnis nicht so wohlschmeckend ist (was man dann aber auf den Koch und nicht auf die Chinesen im Allgemeinen schieben sollte).

Vielleicht kramt ja Safari doch noch sein Rezept heraus, oder wir erfahren von China-Reisenden die geheimen Originalrezepturen...

Viele Grüße

Sebastian
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hebi19

Zitat von: Oecoprotonucli in März 18, 2016, 14:45:06 NACHMITTAGS
Ist das Zeug "lebensmittelecht" oder vom Baumarkt?

kann es Brandkalk "lebensmittelecht" überhaupt geben??  Ich gehe davon aus das wäre für die Ei-Zubereitung eh egal.
Aus Brandkalk, Salz und Kiefernnadelasche wird die Pampe/der Teig für die Originalrezepte zusammengerührt. Damit werden die Eier eingepackt und zur "Handhabung" in Reisstrohspelzen gewendet.

Da ich inzwischen davon ausgehe, dass tatsächlich keine Mikroorganismen beteiligt sind und die Schale intakt bleibt dürfte die lebensmittelechte Reinheit der Zutaten nicht die Rolle spielen.

Zum anderen ist auch die Herstellung von Käse nicht gar so schwer - und damit meine ich "richtigen Käse" - keinen Frischkäse. Mit einigermaßen Hygiene ist mir z.B. ein Camenbert recht wohlschmeckend gelungen. Ich hatte während meiner Stationierung auf Sardinien Anfang der 80er die Möglichkeit, einem Schafhirten in seiner Hütte beim Pecorino machen zu zu sehen. Nach EU-Richtlinien inzwischen wahrscheinlich verboten - leider. Aber die damalige Hygiene trau ich mir in meiner Küche alle Mal zu......

Ich hab nochmal etliche Soleier Rezepte durchgesehen. Wenn die chinesischen Eier alkalisches Milieu mit ph ab 11 aufwärts benötigen, dann sind Soleier wirklich was anderes - Salz, Zwiebelschalen, in einem Rezept sogar Essig - nirgends etwas, das eine "alkalische Garung" erlauben würde.

Soweit - jetzt geh ich wieder in den Sonnenschein auf meine Terasse
Martin
Grüße von
Martin alias hebi19

Motic BA-300, div Lomo, Stereo-Mikroskop noname

treinisch

#41
Hallo Sebastian,

nein, ich meine für das alte Rezept, wie Martin es geschrieben hat, geht auch mit Asche aus dem Grill und Sägespänen statt Reisspelzen. Sägemehl könnte ich auch mitliefern :-)

Bei gebranntem Kalk stellt sich die Qualitätsfrage nicht. Der wird immer aus natürlichen Vorkommen erbrannt und ist für diese Anwendung immer geeignet. Es handelt sich aber um Rezeptursubstanz von Caelo, geeigneter wirds nicht.
Muss aber auch nicht, war bloß ein Angebot :-)

vlg
Timm

Edit: Der große Unterschied zu Soleiern ist doch vor allem, dass die Schale heile bleibt, oder? Ich meine bei Soleiern wird doch die Schale zerbröselt, oder? Mal abgesehen davon, dass bei Soleiern doch thermisch denaturiert wird und nicht chemisch?
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

hebi19

Zitat von: treinisch in März 18, 2016, 15:31:57 NACHMITTAGS
Ich meine bei Soleiern wird doch die Schale zerbröselt, oder? Mal abgesehen davon, dass bei Soleiern doch thermisch denaturiert wird und nicht chemisch?

Zerbröselt ist vieleicht etwas übertrieben - die Schale wir angeknackst, so dass etliche Sprünge vorhanden sind. An den Sprüngen bildet sich dann durch die Farbstoffe der Zwiebelschalen das typische Netzmuster.
Und "thermisch denaturiert", landläufig auch einfach mit "gekocht" ausgedrückt werden Soleier in allen Rezepten, die ich bisher gefunden habe.

Martin
Grüße von
Martin alias hebi19

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Oecoprotonucli

#43
Hallo Martin und Timm,

Zitat von: treinisch in März 18, 2016, 15:31:57 NACHMITTAGS
Bei gebranntem Kalk stellt sich die Qualitätsfrage nicht. Der wird immer aus natürlichen Vorkommen erbrannt und ist für diese Anwendung immer geeignet.

Gegen ein reines Produkt hätte ich nichts einzuwenden, auch wenn es sowohl für den Bau als auch fürs Kochen verwendbar ist. Mein Misstrauen ist halt nur, dass bei Baumaterialien halt doch irgendwelche Recycling-Schlacken oder ähnliches in Anteilen beigemischt werden. Und die Eischale würde garantiert nicht vor allen schädlichen Stoffen schützen, sonst würde ja die Methode an sich auch überhaupt nicht funktionieren, wenn da kein Austausch bestünde.

Du meintest also die "alte Methode", Timm. Naja, ich könnte es ja mal ausprobieren. Aber diese Umhüllung trocknet doch sicher total schnell aus, oder? Und wohin mit den Eiern, welche Lagerungstemperatur...? (Also ich spiele mit dem Gedanken, den Kalk zu nehmen, denke aber, dass es vielleicht herausgeworfenes Geld und Zeit ist - ein Ergebnis wie in Deinem Chemie-Versuch ist ja wohl noch nicht wirklich essbar und schmackhaft - oder hast Du?)

Martin: Mir ist Käse leider noch nie richtig gelungen. Die heutige Milch gerinnt ja auch nicht mal richtig*. Ungeöffnet ist sie rätselhafterweise durchaus 1 1/2 Monate oder ähnliche Zeiten haltbar, und auch geöffnet noch sehr lange. Wenn man sie dann stehen lässt, wir sie eher bitter etc., als erst einmal einen vernünftigen Frischkäse zu ergeben. Vielleicht wäre Rohmilch besser (aber da schreien die Hygieniker), oder eben wenigstens solche Milch wie früher (die war auch pasteurisiert + homogenisiert, hielt sich aber trotzdem nicht so lange, ergab aber leicht eine essbare "Dickmelk" - funktioniert heute nicht mehr).


Zitat von: treinisch in März 18, 2016, 15:31:57 NACHMITTAGS
Edit: Der große Unterschied zu Soleiern ist doch vor allem, dass die Schale heile bleibt, oder? Ich meine bei Soleiern wird doch die Schale zerbröselt, oder? Mal abgesehen davon, dass bei Soleiern doch thermisch denaturiert wird und nicht chemisch?

Klar besteht ein echter Unterschied zu "Pidan". Aber bei "Xiandan" (siehe Paper) ist die Lake zum Einlegen ähnlich wie bei Soleiern, obwohl natürlich richtig ist, dass letztere zuerst gekocht werden.

Viele Grüße

Sebastian

* Du hast wahrscheinlich für Deinen Camembert Lab benutzt?
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Leitz SM-Lux mit (LED-) Durchlicht und Phaco-Ausrüstung (ca. 1975-77)
Hensoldt Wetzlar Stereomikroskop DIAMAL (1950er Jahre)

treinisch

#44
Hallo,

das mit den Zuschlägen stimmt! Ein sehr undurchsichtiges Gebiet! Baumarkt-Kalk würde ich da auch nicht verwenden, hast recht.

Zitat von: Oecoprotonucli in März 18, 2016, 17:28:09 NACHMITTAGS
ein Ergebnis wie in Deinem Chemie-Versuch ist ja wohl noch nicht wirklich essbar und schmackhaft - oder hast Du?)

Ich war, als ich noch Chemiker war, mit Proteindenaturierung befasst und habe mehrfach Pidan als Forschungspraktikum herausgegeben. Wenn nicht Dinge wie Natriumazid in der Lauge waren, haben wir die Dinger durchaus auch verkostet. Mit der NaOH Methode kannst Du definitiv essbare Pidan herstellen, ich finde sie sogar sehr lecker, denn die Pidan aus dem Mörtel-Mantel haben – für meine Geschmacksnerven – doch häufiger bittere Noten.

Du musst die NaOH Pidan halt eine Woche liegen lassen, bis sie auf einen konsumfreundlichen pH von 10 herunter sind.

Vlg

Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.