Berühmte Wissenschaftler und ihre Mikroskope

Begonnen von Michael Plewka, Februar 17, 2016, 23:38:46 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Michael Plewka

hallo zusammmen,

jedem halbwegs biologisch interessierten Mikroskopiker ist sicherlich Ernst Haeckel ein Begriff.  U.a. sind seine hervorragenden Zeichnungen von Mikroorganismen und die daraus hervorgegangenen ,,Kunstformen der Natur" weltberühmt und beeindrucken auch heute noch wegen ihrer Präzision und des Detailreichtums.
Nun sind aber nicht alle Zeichnungen, die man heute in Lehr- oder Bestimmungsbüchern findet, von ebendieser Qualität. Hier fällt mir als einem, der sich in die Literatur der Rädertiere einzulesen versucht, als erstes das Buch von Donner zu den bdelloiden Rädertieren ein, das auch heute, mehr als 50 Jahren nach Erscheinen, immer noch das Standard-Bestimmungswerk für diese Tiergruppe gelten muss. Dort befinden sich Zeichnungen von hanebüchener Schlampigkeit, welche Donner -in Ermangelung besserer Zeichnungen- von anderen Forschern übernehmen musste.

So stellt sich mir die Frage: was genau konnten die Forscher mit denjenigen Instrumenten, die ihnen  zur konkret Verfügung standen, wirklich sehen? Wohlgemerkt: es geht nicht darum, was beispielsweise im Jahr 1880 technisch möglich war, sondern darum, was diese  Forscher bei ihrer täglichen Arbeit benutzt haben.

Während diese Frage für den o.a. E. Haeckel relativ einfach zu beantworten sein müsste (schließlich arbeitete er ja in Jena), ist mir  von anderen Forschern,  so auch denjenigen, die sich mit Rädertieren beschäftigt haben, nichts davon bekannt, mit welchen Mikroskopen diese gearbeitet haben. So habe ich beispielsweise  2 Dissertationen aus der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts, in welchen die Präparation der Organismen detailliert beschrieben ist; aber es finden sich keinerlei Angaben zu den verwendeten Mikroskopen.
Auch die Suche im www. erbrachte keine Ergebnisse

Insofern nun die Anfrage, ob jemand hierzu Informationen hat. Vielleicht hat sich ja schon jemand intensiv mit diesem Thema beschäftigt.
Ich könnte mir auch einen entsprechenden Dauer-Thread vorstellen, in welchem berühmte (und weniger berühmte) Wissenschaftler ihren Mikroskopen gegenübergestellt werden.

beste Grüße
Michael Plewka

Bernhard Kaiser

#1
Hallo Herr Plewka,

genau diese Frage habe ich mir seit Jahren auf Bezug zu den Moosen gestellt. Leider habe ich in der mir zugänglichen Fachliteratur des 19. Jahrhunderts nur 1 mal einen Hinweis auf das verwendete Mikroskop finden können.

Gottsche (1808-1892) verwendete zur Beobachtung der Cuticula bei Scapania aequiloba ein Mikroskop von Plößl.

Cottsche, Dr. C. M.(1866): Über die Cutícula bei Scapanla-Arten.
Hedwigia 5.Band. S.16.

,,für diejenigen Lebermoosfreunbe, welche ihre Exemplare
untersuchen wollen, fuehre an, daß ich mich hierbei mit einem großen
Plößt (Obiect. 5 + 6 + 7 und Ocular 1 = 820/1 und Ocular 2
= 500/1) bedient habe, und daß zum Theil evtl bis Unterfucbungen
mit einer noch stärkeren Vergrößerung (1/12 Scbröder'scbe Stipp
linse und Ocul. 3) controlirt sind;"

Vielleicht gibt es noch weitere Hinweise.

Freundliche Grüße
Bernhard Kaiser

CMB

Moin in die Runde,
mit dieser Frage habe ich mich ein wenig beschäftigt...

Un einem Buch von Frison(Titel liefere ich nach) wird dieser Frage speziell für die Diatomisten de 19. Jahrhunderts nachgegangen.( was konnten die Mikroskope , was hatte er für ein Mikroskop, was hat er gesehen entlang von Zeichnungen)

Wer sich mit Artbeschreibungrn im 19. Jahrhundert beschäftigt kommt insbesondere in der ersten Hälfte nucht um die Einbeziehung der Instrumente herum.

Geüsse sendet
CMB

Gunther Chmela

Liebe Historiker,

das Werk Gerlach, D., Geschichte der Mikroskopie, Frankfurt/M. 2009 enthält sehr viele Hinweise und konkrete Angaben zu dieser Thematik. Es müßte sich jemand allerdings die Mühe machen, in dem schwergewichtigen Buch (Großformat, über 1000 Seiten) gezielt danach zu suchen. Allein das Personenverzeichnis (ohne Autoren der Quellen) umfaßt 19 Seiten!
(Vielleicht versuche ich es irgendwann einmal - im Moment allerdings fehlt mir dazu der Antrieb.)

Schöne Grüße
Gunther Chmela

Gunther Chmela

Hier wenigstens ein erstes kleines Zeichen meines guten Willens:

Robert Koch (1843 - 1910) arbeitete zunächst mit einem Instrument von Hartnack (Stativ VII), dann mit einem von Seibert. Später wohl aber mit Zeiss-Mikroskopen, denn er war einer der ersten überzeugten Anwender des Abbeschen Beleuchtungsapparates und auch der von Zeiss gefertigten Ölimmersionen.
Quelle: Das von mir im vorigen Beitrag erwähnte Werk von D. Gerlach.

Gunther Chmela

Michael Plewka

hallo zusammen,

vielen Dank für die Rückmeldungen! ich hatte befürchtet, dass meine Frage vielleicht entweder sehr trivial sei bzw. dass dieses -an sich naheliegende- Thema hier im Forum schon mal aufgegriffen worden ist und ich das übersehen hatte. Beides scheint aber wohl nicht der Fall zu sein. Das ist es gut zu wissen, dass sich auch andere Foristen leider mit derselben Problematik herumschlagen müssen. Für den Hinweis auf die und aus der Literatur möchte ich mich bei Herrn Chmela und CMB bedanken. Aus Herrn Chmelas Kommentar  entnehme ich allerdings , dass es so etwas wie eine übersichtliche LIste / Tabelle nach dem Schema: ,,Name (des Wissenschaftlers) / Fachgebiet/ Mikroskop" auch in dem von ihm genannten Buch nicht gibt  Vielleicht weiß ja jemand, der sich als Mikroskopiker in einen Spezialgebiet gut auskennt, noch etwas über die Wissenschaftler dieses Fachgebiets und ihre Mikroskope.

beste Grüße
Michael Plewka

CMB

#6
Moin Herr Plewka,

detaillierte Informationen kann ich über die Mikroskope Robert Kochs in seiner Breslauer Zeit,  van Heurck, traugott Kützing, Ehrenberg, Möller usw. beitragen.

Es lohnt auch in die Zeitschrift "le micrograph preparateur" hineinzuschauen, in der über praktisch alle während des erscheinens der Zeitschrift verstorbenen Wissenschaftlern  Nachrufe enthalten sind und diese auszuwerten. Dort finden sich häufiger ausführliche Hinweise auf die besessenen Mikroskope. Die Zeitschrift lohnt auch aus einem anderen Grund:

Eine Vielzahl von Beobachtungen mit dem Mikroskop aus sehr vielen Gebieten sind dort mit exzellenten Zeichnungen dokumentiert. Sehr häufig enthalten die Bände im Anhang eine Vielzahl kleiner Briefumschläge in denen Herbarmaterial/selektierte Diatomeen usw als Vergleichsmaterial der gedruckten Aufsätze enthalten sind. Man kann so bequem die Zeichnungen der Aufsätze mit dem beigegebenen Material vergleichen und gewinnt so einen realistischen Eindruck davon, was man damals sehen und umsetzen konnte und was mit heutigen Mikroskopen darüber hinaus sichtbar wird.

Grüsse sendet
CMB

Bernhard Kaiser

Lieber Herr Chmela,

besten Dank für Ihren Hinweis auf das Werk Gerlach, D., Geschichte der Mikroskopie, Frankfurt/M. 2009.

In der Hoffnung wenigstens bei Hustedt etwas über Diatomeen zu finden, wurde ich leider enttäuscht.
Bei bisher nur oberflächlicher Suche bin ich immerhin bei
Ludwig Rabenhorst zwar nicht auf ein verwendetes Mikroskop, aber auf die originelle Aussage: "nicht jeder der ein Mikroskop hat, kann durch dasselbe sehen." gestoßen. (S.360).

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Kaiser

vbandke

Sehr geehrter Herr Kaiser,

Zitat von: Bernhard Kaiser in Januar 17, 1970, 21:25:58 NACHMITTAGS
Nicht jeder der ein Mikroskop hat, kann durch dasselbe sehen.


Das kommt in meine Zitaten/Signaturensammlung.  danke!


Mit besten Grüßen

Volker
P.S. Alle meine Bilder dürfen/sollen kommentiert, verrissen, gelobt, und zur Veranschaulichung in diesem Forum auch bearbeitet werden.

Jürgen Ibs

Hallo,

es gibt vielfältige Quellen von unterschiedlichem Wert zu dieser Fragestellung. Dazu ein paar kleine Hinweise:
Bekanntlich hat die Firma Leitz berühmtern Wissenschaftlern jeweils Spitzenmikroskope geschenkt. Aber ob die überhaupt benutzt wurden, muss erst nachgewiesen werden.
Timo Mappes hat hier schon Mikroskope aus dem Besitz von Wissenschaftlern vorgestellt. Das ist natürlich eine sehr verdienstvolle Arbeit und hervorragende Art der Erkenntnis.
Es wurde schon auf Robert  Koch hingewiesen, der mehre Instrumente ausprobierte, um zu seinen Erkenntnissen zu gelangen. Er hat auch Einfluss auf die Entwicklung der Instrumente ausgeübt und Forderungen an die Mikroskophersteller gestellt. (A. Berg, Robert Koch, in: Geschichte der Mikroskopie, hrsg. v. H. Freund u. A. Berg, 1965) Da er besonders hochauflösende Mikroskope für seine Forschung brauchte, hat er auch die Immersionsobjektive von Zeiss und den Abbeschen Kondensor benutzt, der über ihn überhaupt erst Verbreitung gefunden haben soll.  Koch hat nach Berg ja auch erhebliche Verdienste für die Entwicklung der Photographie als wissenschaftlicher Nachweisform. Solche Photos zeigen dann ja auch deutlich auf, was gesehen wurde.
Zeiss und dann auch Leitz haben begonnen, mit Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten, um an das Erkenntnisinteresse angepasste Mikroskope und Objektive zu bauen. Hier bieten die Firmengeschichten und firmengeschichtliche Archive einen Ansatz.
Eine weitere Quelle können auch Bilder und Photographien sein, auf denen sich Mikroskopiker mit ihren Instrumenten darstellen ließen.
Dazu ein Beispiel: Otto Zacharias, Begründer der Biologischen Station in Plön, Vorlaufer des dortigen Max-Planck-Instituts, hat eng mit Zeiss zusammengearbeitet. Zeiss hat seinem Institut auch Mikroskope gespendet. Zacharias hat in der Planktonforschung einige Entdeckungen gemacht.
Auf einem Bild ist Zacharias mit einem Zeiss-Mikroskop dargestellt. Kenner werden es sicher identifizieren können. Es ist jedenfalls nicht unwahrscheinlich, dass das dargestellte Mikrokop das Mittel war, das Zacharias bei seinen Forschungen zumindest zeitweise einsetzte.





Viele Grüße

Jürgen


Ein freundschaftliches "du" ist immer willkommen - nicht nur dadurch ist das benachbarte Skandinavien vorbildlich.

Meine Vorstellung:
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34.0

CMB

Moin Herr Kaiser,

Das Mikroskop von Hustedt steht nach meiner Erinnerung in einer Vitrine des AWI in Bremerhaven.

Gruss
CMB

wilfried48

Zitat von: Michael Plewka in Februar 17, 2016, 23:38:46 NACHMITTAGS
...
So stellt sich mir die Frage: was genau konnten die Forscher mit denjenigen Instrumenten, die ihnen  zur konkret Verfügung standen, wirklich sehen? Wohlgemerkt: es geht nicht darum, was beispielsweise im Jahr 1880 technisch möglich war, sondern darum, was diese  Forscher bei ihrer täglichen Arbeit benutzt haben.
...

Hallo Michael,

diese Mikroskope gibt es doch noch, und vorrausgesetzt, dass die Optik nicht delaminiert oder getrübt ist (was sich mit einem Hilfsokular leicht überprüfen lässt) haben sie auch noch die Leistungsfähigkeit von damals.
Falls du also deine Rädertiere mal unter so einem Mikroskop zum Vergleich betrachten willst kann ich dir gerne eins ausleihen.

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Michael Plewka

hallo CMB, hallo Herr Ibs, hallo Wilfried,


vielen Dank für die  konkreten Hinweise zur Nutzung von Mikroskopen und die neuerlichen Hinweise, wie man an Informationen diesbezüglich herankommen könnte.

Robert Koch ist m.E.  in dieser Hinsicht sicherlich ein Sonderfall, da sich seine Forschung  direkt positiv auf die Menschen ausgewirkt hat und er somit ein ,,Klassiker" für die fruchtbare Zusammenarbeit von Biologie/Medizin einerseits und Physik/Technik andererseits ist und insofern diese Zuasammenarbeit immer wieder deutlch herausgestellt wird. Schließlich geht es dabei ja auch um die Außendarstellung der deutschen Ingenieurskunst im 19. u. 20 Jahrh.  (Ich erinnere mich, schon als ca 14jähriger ein Buch von einem ?Schenziger? in die Hände bekommen zu haben, in dem etwas über Zusammenarbeit von Abbe'/Zeiss und Koch zu lesen war.).

Leider erlaubt es mir mein Zeitbudget (noch) nicht, so tief in die Materie einzusteigen wie es wohl notwendig wäre.

Wie schon erwähnt von dem Interesse an Rädertieren herkommend, könnte ich spontan ca. 10 Protagonisten nennen, die die Forschung an dieser Organismengruppe vorangetrieben haben. Über deren Mikroskope ist mir nichts bekannt, obwohl ich eine Menge Originalliteratur einsehen konnte.

Ich war nun davon ausgegangen, dass diese Situation bei der ,,Rotiferologen"ein Sonderfall sei und hatte gehofft, dass unter den Foristen die Liebhaber spezieller Gruppen -bleiben wir mal bei den Organismengruppen, die im ,,Wassertropfen" genannt sind als Beispiel-  seien es jetzt Nematoden oder Desmidiaceen oder was auch immer, spontan ein paar Wissenschaftler nennen könnten, über deren Mikroskopbenutzung etwas bekannt ist.

Aus dem Beispiel, das Herr Kaiser bezüglich der Moose angeführt hat, ziehe ich mal vorsichtig den Schluss, dass es aber auch in anderen Organismengruppen deutliche weiße Flecken in der ,,Mikroskopbenutzungslandschaft" zu geben scheint, deren Beseitigung wohl auch in diesem Forum nicht so ganz einfach ist.


@ Wilfried:
vielen Dank für das Angebot, das ich zu gegebener Zeit (s.o.) wahnsinnig gerne einmal annehmen würde;-)

beste Grüße
Michael Plewka