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zirkularpolarisation

Begonnen von Miner, Juli 20, 2009, 00:40:48 VORMITTAG

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Miner

Guten Tag.
nach der letzten, anregenden Diskussion über Verzögerungsfolie habe ich jetzt eine Frage zur Mikroskopie mit zirkular polarisiertem Licht: Kennt sich jemand damit aus? Macht das jemand? Unter http://www.zeiss.de/axioimager-pol kann man sich die Michel-Levy-Farbtafel als PDF runterladen. Und in dieser Datei sind auch viele Beispiele von Polmikroskopie mit zirkular polarisiertem Licht. Leider keinerlei Erläuterung, wie genau das geht (welche Art von Analysator, ggf. mit welcher Orientierung). Weiss hier irgendjemand mehr?
Vielen Dank im Voraus für alle Tips
Ole

Apochromat

#1
Zirkular schwingendes polarisiertes Licht entsteht im Innern doppelt brechender Körper (mit ganz bestimmten Materialeigenschaften), wenn man auf diese eine linear polarisierte Lichtwelle auftreffen lässt. Im Innern der Platte wird der linear polarisierte Wellenzug -wie in jedem doppelt brechenden Körper- in 2 senkrecht zueinander  schwingende Wellen aufgespalten. Daher der Name Doppelbrechung. Die Schwingungsrichtung des beleuchtenden linearen Wellenzuges liegt ausserdem 45° zu den Schwingungsrichtungen von den Lichtern im Körper. Beide aufgespaltene Wellenzüge haben in dem Körper unterschiedliche Geschwindigkeiten (also Brechzahlen). Die eine Lichtart folgt dem Brechungsgesetz hinsichtlich der Winkelablenkung in einer planparallelen Platte -genauso wie dies "normales", nicht polarisiertes Licht täte. Dieser Strahl heisst daher auch ordentlicher Strahl. Der zweite tut dies nicht und heisst daher ausserordentlicher Strahl. Es eilt also in dem Körper stets einer der beiden senkrecht zueinander schwingenden Strahlen dem anderen voraus.

Wählt man die geometrische Dicke der Platte für ein bestimmtes doppelt brechendes Material so, dass der Weglängenunterschied von ordentlichem und ausserordentlichem Strahl genau eine viertel Wellenlänge beträgt, so behalten die Strahlen nach Austritt aus dem Körper in Luft diesen "Gangunterschied von Lambda/ viertel" bei. Da diese senkrecht zueinander schwingenden Strahlen nun einen Gangunterschied von Lambda/4 besitzen, können Sie mathematisch auch als ein neuer Lichtstrahl (es geht letztendlich um die Feldstärkevektoren beider Strahlen) betrachtet werden. Dieser schwingt jedoch auf einer helikalen Bahn. Diese ist bei einem Gangunterschied von Lambda/ viertel im Querschnitt rund oder zirkulär, bei einem Gangunterschied von Lambda/achtel ist die Bahnspur elliptisch. Daher spricht man von zirkulär und elliptisch polarisiertem Licht. Man kan auch sagen, dass zirkular polarisiertes Licht durch Interferenz zweier senkrecht aufeinander schwingender Wellenzüge entsteht, welche einen Gangunterschied von einer Viertel Wellenlänge zueinander haben.

Technisch wird hierzu dem Linearpolarisator eine doppelt brechende Kristallschicht definierter Dicke aufgedampft (oft Magnesiumfluorid). Diese Effekte sind am wirksamsten, also die Dicke dieser Komponenten am geringsten, wenn die optische Achse der Kristallschicht unter 45° zur Polfolie orientiert ist und das linear polarisierte, die Kristallschicht beleuchtende Licht auch unter 45° zur Schicht schwingt.

Zirkular polarisiertes Licht benutzt man immer dann, wenn es wichtig ist, dass stets ein bestimmter Vektor polarisierten Lichtes wirken soll und/oder die Probe nicht gedreht werden kann/soll. Dies ist z.B. zur Untersuchung von Kunststoffteilen (z.B. Zahnräder etc) und ihrer Verspannungen im Auflicht oder von Zahnanschliffen und der Anordnung der Zahnschmelzkiställchen im polarisierten Durchlicht üblich. Dazu benötigt man einen Zirkularpolarisator (für Durch- oder Auflicht; je nach Methode) und einen Analysator (besser ist hier der drehbare). Zirkular polarisiertes Licht wird von ZEISS auch für einen patentierten, besonderen Interferenzkontrast, dem c- DIC eingesetzt, bei dem man dann das "Interferometer" gegenüber der Probe drehen kann, da es mit zirkular polarisiertem Licht beleuchtet wird und somit in jedem Bestrahlungsfalle wirksam bleibt. Der c-DIC hat den besten Kontrast bei höchster Auflösung, was diesen einzigartig macht.

Lambda-Viertel Folien sind auch Bestandteil von ANTIFLEX- Beleuchtungen zur Ausschaltung von am Innern von Linsensystemen entstehenden Reflexen und zur Bebachtung sehr schwach reflektierender Strukturen im Auflicht (z.B. Kohle, Zellmembranen etc), wozu es bei ZEISS spezielle ANTIFLEX-Platten gibt (Lambda-Viertel-Platten).

Miner

Hallo Apochromat,
vielen Dank für die kleine Einführung. Aber ich hätte eigentlich gerne konkrete Informationen wie: Welchen Typs ist der Analysator? Linear oder zirkular? Wenn linear, wie ist er orientiert zum Linearpolarisator, der ja Besandteil des Zirkularpolarisators ist? Wenn zirkular, dann mit gleichem oder entgegengesetztem Drehsinn? Offenbar hast du dieses Verfahren schon mal benutzt, oder?
Ole

Apochromat

Das hatte ich ja oben schon geschrieben, der Analysator kann fest oder drehbar sein, je nach Methode. Man braucht zum Beispiel für die Beleuchtung von transparenten Proben in Durchlicht- Zirkularpolarisation einen Polarisator drehbar in Einheit mit Lambda/ Viertel- Platte, drehbar (sog. Zirkularpolarisator) und Analysator dest. Polarisator und Analysator müssen gekreuzt werden und die Lambda/Viertel- Platte muss in 45° Stellung zur Polarisatorschwingungsrichtung stehen. Bei ANTIFLEX sitzt die Lambda/Viertel- Platte unmittelbar vor oder im Objektiv und muss genauso eingedreht werden, hier ist es vorteilhaft auch den Analysator drehen zu können, je nachdem was man sehen möchte. Beim C-DIC hat man 2 Lamba/Viertel- Schichten je eine auf Polarisator und Analysator aufgetragen (was Sie mit Zirkularanalysator beschrieben haben) und so weiter je nach Anwendung. In der Stereomikroskopie ist es noch verwickelter (bei den KOAXIAL- Auflichtbeleuchtungen). Hierzu gibt es bei ZEISS auch Kurse  ;).

Da ich Ihre konkrete Applikation nicht kenne, kann ich auch nur so antworten, hoffe aber Ihnen geholfen zu haben.

Gruss
MZ

Miner

Hallo Apochromat,
jetzt bin ich noch nicht viel schlauer. Können Sie vielleicht ein konkretes Beispiel geben, z.B. für den Fall dass meine Anwendung ein Gesteinsdünnschliff ist (so wie es auch in der Broschüre von Zeiss seht)? Dann geht es, von der Lampe aus kommend, los mit einem (linearen) Polarisator (E-W-Ausrichtung), direkt darauf eine lambda/4-Folie mit den Hauptachsen SW-NE und NW-SE. Dann hat man zirkular polarisiertes Licht. Das fällt durch den doppelbrechenden Kristall als zwei gleichstarke Teilwellen, die beim Eintritt einen Gangunterschied von lambda/4 haben, beim Austritt irgendeinen anderen. Dann ist das Licht elliptisch polarisiert und die Ellipse liegt i.A. irgendwie im Raume. Und nun?
Eine Anwendung habe ich nicht konkret, ich stolperte bloß über das Verfahren und war neugierig, besitze ich doch nun auch ein kleines Stück Zirkularpolfolie. Und da dachte ich, dass es eine nette Ergänzung zur Linearpolarisation sein könnte.
Ole

Bernhard Lebeda

#5
Hallo Ole

aber Apochromat hat doch konkrete Beispiele für die Anwendung von Zirkularpolarisation gegeben! Ein weiteres wäre noch bei der Untersuchung von biologischen Objekten (bot. Schnitte, Stärkepräparate ) die Erkennung ALLER doppelbrechenden Elemente OHNE Drehung des Tisches (oder Objektes) . Mit dem lambda/4 Plättchen kann man hier auch kleinste Gangunterschiede messen ( bzw. auch das optische Vorzeichen), meist nach der Sénarmon Methode. Bei Gesteinsdünnschliffen kommt Zirkularpolarisation wohl eher weniger zum Einsatz. Bei Deiner "im Raum stehenden Ellipse  ;D " wird halt nur zum Gangunterschied des anisotropen Kristallschliffes der Eigengangunterschied von lambda/4 , also etwa 140nm addiert (entsprechend die Interferenzfarben erhöht) . Und nun? Sonst nichts!

Im konoskopischen Bild verschwinden bei Zirkularpolarisation die Isogyren. Das dürfte auch keinen grossen diagnostischen Wert haben. Denn gerade die Lage der Isogyren gibt Auskunft über Ein-oder Zweiachsigkeit, Schnittlage, eventuell Achsenwinkel etc.pp.

Das ist zumindest mein momentaner Verständnisstand, eventuell sagt Thomas(PL) als Profi noch was dazu.


Viele zirkuläre Grüsse

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Miner

Hallo Bernhard
Zitat von: Bernhard Lebeda in Juli 20, 2009, 18:47:32 NACHMITTAGS
aber Apochromat hat doch konkrete Beispiele für die Anwendung von Zirkularpolarisation gegeben!
Ja, aber mir ging es mittlerweile ja nicht mehr um konkrete Beispiele für Anwendungen, sondern um die konkrete Durchführung bei meiner anvisierten Anwendung: dem Betrachten von Dünnschliffen, oder auch kleinen, einzelnen Kristallen. Da weiß ich noch immer nicht, wie der Polarisator zu liegen hat und wie der Analysator auszusehen hat

Zitat von: Bernhard Lebeda in Juli 20, 2009, 18:47:32 NACHMITTAGS
Bei Gesteinsdünnschliffen kommt Zirkularpolarisation wohl eher weniger zum Einsatz.
Und doch findet sich gerade dieses Beispiel im Anhang der Michel-Levy-Farbtafel von Zeiss. Darum kam ich ja überhaupt erst auf die Idee.
Zitat von: Bernhard Lebeda in Juli 20, 2009, 18:47:32 NACHMITTAGS
Bei Deiner "im Raum stehenden Ellipse  ;D " wird halt nur zum Gangunterschied des anisotropen Kristallschliffes der Eigengangunterschied von lambda/4 , also etwa 140nm addiert (entsprechend die Interferenzfarben erhöht) . Und nun? Sonst nichts!
Nun, das sehe ich nicht so. Wie ich schon schrieb, bin ich davon überzeugt, dass die beiden Teilwellen im Kristall IMMER gleichstark sind, unabhängig von der Stellung des Kristalls auf dem Poltisch. Das ist ein Riesenunterschied zur normalen Polarisationsmikroskopie, wo die Intensität der Teilwellen sehr wohl von der Stellung des Kristalls abhängt.
Zitat von: Bernhard Lebeda in Juli 20, 2009, 18:47:32 NACHMITTAGS
Im konoskopischen Bild verschwinden bei Zirkularpolarisation die Isogyren. Das dürfte auch keinen grossen diagnostischen Wert haben. Denn gerade die Lage der Isogyren gibt Auskunft über Ein-oder Zweiachsigkeit, Schnittlage, eventuell Achsenwinkel etc.pp.
Stimmt, die Isogyren sind weg. Die optischen Achsen sind aber immer noch zu erkennen als Zentrum der Isochromaten, und sie sind darum abzählbar und ihr Winkel dürfte sich genauso messen lassen wie wenn die Isogyren zu sehen sind (siehe besagte Zeiss-Datei).
Zitat von: Bernhard Lebeda in Juli 20, 2009, 18:47:32 NACHMITTAGS
Das ist zumindest mein momentaner Verständnisstand, eventuell sagt Thomas(PL) als Profi noch was dazu.
Ja, was sagt der denn dazu?
Viele elliptische Grüße
Ole

Frank D.

#7
Hallo Ole,

da ich wohl mit dem Versand der Zirkularfolie ein ? hab stehen lassen, möchte ich dieses gerne in ein ! umwandeln und Bernhards Hinweis auf das Verschwinden der Isogyrenkreuze aufgreifen.
Denn vielleicht ist genau das gewollt, um damit die genaue Position der Lichtaustrittspunkte (Front der Teilwellen) des Kristalls auf eine kugelförmige Oberfläche zu übertragen.
In Klebers "Einführung in die Kristallographie" wird diese, den Kristall umschließende, gedachte Kugel, Skidromenkugel genannt, aus deren zweidimensionaler Darstellung auf einem Blatt Papier die ellipsen- und hyperbelförmigen Isogyren abgeleitet werden können.

Frag mich aber bitte nicht wie diese Ableitungen konstruiert werden :-[

Schön Dich wieder zu lesen, Bernhard.

Freundliche Grüße
Frank

Bernhard Lebeda

Zitat von: Miner in Juli 20, 2009, 22:10:33 NACHMITTAGS



Nun, das sehe ich nicht so. Wie ich schon schrieb, bin ich davon überzeugt, dass die beiden Teilwellen im Kristall IMMER gleichstark sind, unabhängig von der Stellung des Kristalls auf dem Poltisch. Das ist ein Riesenunterschied zur normalen Polarisationsmikroskopie, wo die Intensität der Teilwellen sehr wohl von der Stellung des Kristalls abhängt.


Hallo Ole

Du hast völlig recht, ich gestehe meinen Denkfehler ein. Ich hatte nur schnell die Position der lamda/4 Platte als Hilfsobjekt hier getestet Für zirkular polarisiertes Licht muss die lambda/4 Platte natürlich zwischen Polarisator und Objekt und dann zeigen alle Kristallschnitte die höchste Interferenzfarbe unhabhängig von der Lage zu den Polarisatoren.
Übrigens hatte ich mir diese Geschichte auf der Zeiss Seite auch schon mal durchgelesen und mich gefragt wozu das in der Dünnschliffmikroskopie gut sein soll. In den vielen Büchern die ich zur optischen Mineralogie hab, steht nichts über die Anwendung zirkular polarisierten Lichts.

Warten wir also die Experten ab.

Viele Grüsse

Bernhard


P.S. @Frank: Danke für den Gruss und ebenfalls salve an das andere Ende des Ruhrpotts

Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Miner

Guten Tag Bernhard und Frank und alle anderen,
der Grund, warum in Mineralogiebüchern nichts über Mikroskopie mit zirkular polarisiertem Licht steht, dürfte der sein, dass das Verfahren vermutlich recht neu ist (ich schätze, dass Breitband-Zirkularpolarisatoren vor 30 Jahren noch nicht erhältlich oder bezahlbar waren). Und da das Verfahren wohl so neu ist, hatte es vermutlich kaum eine Chance, zu einem gebräuchlichen Mikroskopieverfahren zu werden, ist doch der Bedarf an neuen Verfahren gering (normale Polmikroskopie ist ja schon kompliziert genug), und die Blütezeit der optischen Mikroskopie ist wohl vorbei. Blieben vielleicht nur noch die Hersteller selbst, die sich um solche neuen Verfahren kümmern. Nur so eine Vermutung.
Versuch macht klug: Ich habe also die Zirkularpolfolie von Frank (danke!) durch eine Linearpolfolie betrachtet: Schnell gefunden war die Seite, aus der das Licht vermutlich linear polarisiert rauskommt. Denn wenn man diese Seite zur Linearpolfolie hält, so nimmt die Intensität alle 180° stark ab, geht allerdings nicht auf 0, wenn man die beiden Folien gegeneinander verdreht. Das ist freilich nicht so gut. Die andere Seite der Zirkularpolfolie ist dann also die, aus der das Licht zirkular rauskommt. Dreht man die beiden Folien in dieser Konstellation gegeneinander, so bleibt die Intensität scheinbar gleich, doch ändert sich die Farbe.
Diese Seite der Zirkularpolfolie nach oben weisend habe ich die Folie auf die Leuchtfeldblende gelegt, den normalen Polarisator rausgeschwenkt und ein Glimmerplättchen mit eingeschobenem Analysator (linear) betrachtet. Dreht man den Tisch, so bleibt das Objekt immer hell (genau wie in der Zeiss-Broschüre), allerdings änderte sich die Farbe (anders als bei Zeiss). Das ist wohl nicht überraschend, nach oben gesagtem.
Und dann habe ich Konoskopie gemacht, und man sieht in der Tat alle Isochromaten und keinen Isogyren. Man kann also, wie Frank schon schrieb, die optischen Achsen sehr viel besser sehen als bei linearer Polarisation. Zum Vergleich habe ich dann nämlich auch den normalen Polarisator eingeschwenkt, und siehe da, die Farben waren deutlich anders als bei zirkularer Polarisation. Fazit bis jetzt: Ich weiß auch nicht, was Zirkularpolarisation bei kleinen Kristallen IN DIESER KONFIGURATION bringt. Man kann zwar im konoskopischen Strahlengang das Objekt besser ausrichten (weil die Isogyren nicht stören), aber orthoskopisch kann man das doch eh noch besser. Vielleicht sollte ich mal 1000 € nehmen und zu einem Zeiss-Kursus gehen :-)