Christrose (Helleborus sp.) - Blick in die Zelle (Gefrierbruch n. Tanaka, REM) *

Begonnen von Christian3000, Mai 12, 2016, 23:36:04 NACHMITTAGS

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Christian3000

Liebe Mikroskopiker,

da musste ich schon überlegen, ob die folgenden Bilder gut genug digitalisiert sind, um hier gezeigt zu werden. Sie stammen noch aus meiner Unizeit, wir haben sie damals selbst im Fotolabor entwickelt, vielleicht hatten wir das noch nicht perfekt 'raus. Nun habe ich sie eingescannt, und der Kontrast ist sehr flau, nach etwas Lightroom geht es besser, aber irgendwie haben sie nun zu wenige Tonwerte wie mir scheint.

Vielen Dank an dieser Stelle an Prof. Wanner (LMU München) für das phantastische Praktikum damals!

Eine (über-)simplifizierte Vorstellung einer Zelle ist ja, sie enthalte Cytoplasma in dem die Organellen "irgendwie" herumschwimmen. Es gibt Membransysteme, auch ein Cytoskelett, aber wie kann man sich das vorstellen ? Eine Möglichkeit dies mit dem REM zu untersuchen ist der sog. Gefrierbruch nach Tanaka: Nach dem Fixieren (Glutardialdehyd, OsO4) werden die milimetergrossen Gewebestückchen in flüssigem Stickstoff tiefgefroren und mit einer Rasierklinge innerhalb der Flüssigkeit zerbrochen, kritisch-Punkt getrocknet und mikroskopiert. (Zumindest meine ich dass dies die Reihenfolge war).

Da ich momentan mangels Ausrüstung diese Technik nicht durchführen kann, man aber doch ungewöhnliche Einblicke in eine Pflanzenzelle bekommt, zeige ich Euch hier die Bilder in der Hoffnung dass Ihr trotz der Qualität etwas Freude daran habt.

Alle Vergrößerungsangaben beziehen sich auf eine Bildbreite von 20cm.

Übersichtsbild: Aufbau des Blattes (Obere Epidermis, Palisadenparenchym, Schwammparenchym, untere Epidermis). Oben sieht man die Cuticula auf der Epidermis, auch bekommt man einen etwas räumlichen Eindruck wie die Durchlüftung des Schwammparenchyms durch die großen Interzellularräume erfolgt. Unten links ist eine durchgebrochene Spaltöffnung zu sehen. Vergrößerung: 330x.


Hier ausnahmsweise der einzige Ausreißer: nicht Helleborus, sondern Ginkgo biloba. Man sieht unten eine durchbrochene Spaltöffnung. Man erahnt auch schon den komplexen Inhalt der Zellen. 1350x.


Hier nun ein Blick in eine aufgebrochene Zelle hinein (ab hier wieder Helleborus); man sieht die Vielzahl an Organellen, teilweise sogar möglicherweise Teilungsstadien von Mitochondrien. Die Zelle ist durchzogen von fädigen Strukturen, wohl Teil des endoplasmatischen Retikulums (ER). Die größeren Objekte unten links an der Zellbegrenzung anliegend können Chloroplasten sein. Wer mag kann sich an der genaueren Interpretation versuchen, ich tue mich ehrlichgesagt recht schwer. Auf alle Fälle zeigt dieses Bild ein hochorganisiertes System. 4500x.


Etwas genauer herangezoomt, in der Mitte ein Teilungsstadium (Mito?): 13500x.


Hier ein Blick in eine Zelle der oberen Epidermis. Deutlich ist die wachsige Cuticula zu sehen. Die Vertiefungen in der Wand der Zelle sind Tüpfel, in denen Plasmodesmen Verbindung zu benachbarten Zellen herstellen. 2400x.


Jetzt verlassen wir das Zellinnere und wagen noch einen Blick auf die Blattunterseite.

An dieser Aufnahme der unteren Epidermis sieht man sehr gut die teilweise abgeplatzte Cuticula, im Hintergrund eine Spaltöffnung. 3000x.


Zum Abschluss noch eine schräge Sicht auf die untere Epidermis, sehr schön stellen sich in dieser "Hügellandschaft" die Spaltöffnungen dar. 1500x.


Viele Grüße,
Christian
Vorstellung: click

Anton Berg

Hallo Christian,

zunächst vielen Dank für die äußerst aufschlussreichen Aufnahmen. Für mich sind die Aufnahmen umwerfend. Deine Selbstkritik ehrt Dich, finde ich aber übertrieben. Es sind sämtliche Bestandteile der Zellen deutlich zu erkennen. Eine bezeichnende Ergänzung der Zellbestandteile würde ich auch sehr begrüßen. Ich wundere mich, dass es bisher noch keine anderen Kommentare zu diesem Beitrag gegeben hat.

Herzliche Grüße, Anton
Mit freundlichen Grüßen,   Anton

Oecoprotonucli

Hallo Christian,

ich finde diese räumliche Darstellung auch sehr gut und informativ!

Gibt es Unterscheidungskriterien zwischen Mitochondrien und "irgendwelchen" Vesikeln?

Nach Betrachtung einiger Botanik-Aufnahmen hier frage ich mich gerade, warum die Spaltöffnungen doch bei den verschiedensten Pflanzen so ähnlich aussehen, es liegt wohl am Mechanismus ("siehe Schulunterricht"  ;) ). Und sind sie immer parallel ausgerichtet? Aufgrund der Entwicklung oder aufgrund der Funktion?

Viele Grüße

Sebastian
Ich benutze privat:
Leitz SM-Lux mit (LED-) Durchlicht und Phaco-Ausrüstung (ca. 1975-77)
Hensoldt Wetzlar Stereomikroskop DIAMAL (1950er Jahre)

Christian3000

Hallo, Anton,

vielen Dank für die netten Worte! Auf meinem Tablet sehen die Bilder auch viel besser aus, auf dem Monitor des Computers scheinen sie viel weniger Grautöne zu haben, man sieht statt fliessenden Gradienten direkt diskrete "Bänder", da muss ich mal nachforschen woran das liegt.

Hallo Sebastian,

vielen Dank für Dein Interesse! Ich tue mich auch schwer die einzelnen Organellen sicher zu identifizieren, das REM zeigt ja nur die Oberfläche. Man bräuchte noch TEM Aufnahmen von Schnitten desselben Objekts, dann könnte man zumindest zu einem Teil der Bestandteile mehr sagen.

Schau' mal diese Aufnahmen an, beim mehligen Salbei sind die Spaltöffnungen nicht gleich ausgerichtet:
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=25922.0
Es gibt auch verschiedene Grundtypen (Wikipedia https://de.m.wikipedia.org/wiki/Stoma_(Botanik) ). Unser Helleborus der REM Aufnahmen zeigt sogar einen nach ihm benannten Grundtyp, der der verbreitetste ist.

Viele Grüße,
Christian
Vorstellung: click

Fahrenheit

Lieber Christian,

vielen Dank für die interessanten Gefrierbrüche vom "Standardblatt"! :)
Der Zoom auf das Zellinnere mit der noch erkennbaren komplexen Struktur ist faszinierend, auch wenn er nur eine Momentaufnahme des fixierten und getrockneten Materials sein kann.
Cytosklett impliziert ja etwas festes mit starrer Struktur. Das dies nicht so ist, kann man mit entsprechendem apparativen Aufwand z.B. an der klassischen Zwiebelzelle beobachten:
AVEC DIC - Allen Video Enhanced Contrast DIC - MKB

In Gerhard Wanners Mikroskopisch-Botanischem Praktikum sind z.B. auch an vielen Stellen Gefrierbrüche zu sehen. Ich finde, sie erlauben insbesondere wegen der scheinbaren Dreidimensionalität der Bilder einen sehr guten Einblick in den Bau der Gewebe.

Bei mir auf den Rechnern erscheinen die Bilder übrigens auch "Streifenfrei" in guter Auflösung mit fein abgestuften Grautönen.
Es scheint sich also tatsächlich um ein Problem auf Deinem Computer zu handeln.

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Ich habe den Thread unter dem Stichwort "Schneerose" in die Liste der Botanischen Artikel aufgenommen. Für das "Botanik:" am Anfang des Threadtitels hat der Platz nicht gereicht, da ich die Überschrift nicht ändern wollte.
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Christian3000

Hallo, Jörg,

vielen Dank für den Link zu dem Film, absolut faszinierend.

Ich habe heute nochmal nachgelesen (auch im genialen Praktikumsbuch von Prof. Wanner), und versuche einige Strukturen des Gefrierbruches näher zu bezeichnen:

C = Chloroplast
P = Peroxisom ("oft vergesellschaftet mit Chloroplasten" [aus G.Wanner, Mikroskopisch-Botanisches Praktikum])
M = Mitochondrium
ER = Endoplasmatisches Retikulum

Interessant ist auch dieser Artikel über Mitochondrien:
http://www3.mpibpc.mpg.de/groups/hell/other_publications/MPInews_dec04_Jakobs.pdf

Es wird beschrieben, dass Mitochondrien nicht nur einzeln auftreten, sondern oft zusammenhängende Netzwerke bilden, andeutungsweise kann man das in den Gefrierbrüchen ganz gut erkennen in Form von kleinen kugel- bis eiförmigen Organellen, die teilweise zusammengewachsen erscheinen.




Viele Grüße,
Christian

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