Botanik: Zellen des Campanula-Blattes im TEM, mit etwas Zuckerrohr versüßt *

Begonnen von Christian3000, Juni 18, 2016, 17:16:43 NACHMITTAGS

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Christian3000

Liebe Mikroskopiker,

heute zeige ich einige TEM-Bilder aus der Zeit meines Praktikums (ca. 1996) mit ein bisschen Unterhaltung zum Wochenende.

Es handelt sich um Schnitte durch Blätter einer Glockenblume (Campanula sp., Campanulaceae) aus dem Botanischen Garten in München. Weiterhin sind 2 Aufnahmen des Zuckerrohrblattes (Saccharum officinarum, Poaceae, gleiche Quelle) dabei.

Für Interessierte kurz die Methode:
Fixierung mit Glutaraldehyd 2.5% in Cacodylatpuffer (75mM, 2mM MgCl2, pH 7.1, weiter als "Puffer" abgekürzt) für 2h, waschen in Puffer (3x15min), Nachfixierung in 1% OsO4 in Puffer (2h), waschen in Aqua dest (4x 15min). Kontrastieren und Entwässern (jeweils 20 min in: 10% Aceton; 1% Uranylacetat in 20% Aceton; 40%, 60%, 80%, 100% Aceton). 100% Aceton p.a. 2x wechseln. Einbetten für die Ultramikrotomie in Stufen (Aceton:Harz 2:1, dann 1:2, dann reines Harz) je 2-3h, über Nacht auspolymerisieren bei 65°C. Dann Blöckchen trimmen und schneiden (max. 80nm dicke Schnitte). Übertragen auf Netzchen und mikroskopieren im TEM.

Ein TEM wäre natürlich ein schönes Spielzeug, aber die Präparation zu Hause zu machen ist einerseits aufwendig, andererseits kommt hochgiftige Chemie ins Spiel. Da müsste man schon fertige Blöckchen oder Schnitte von einem befreundeten Institut bekommen.

Nun zu den Bildern, die Vergrößerungsangaben beziehen sich auf eine Bildgröße von 18x24cm. Als TEM kam ein Zeiss EM-9 (Produktionsstart 1956) zum Einsatz. Die Fotos wurden vom Elektronenstrahl direkt auf Film, der sich mit im Vakuum befand, belichtet und im Fotolabor manuell auf Fotopapier vergrößert.

Campanula sp., Blatt, Zellkern, 25900x.
Meine Interpretation: Man erkennt im Interphasen-Kern die dunklen Flecken aus Heterochromatin. Dies sind Orte, die an Histone angelagerte, verdichtete (spiralförmige) DNA enthalten, die nicht aktiv ist (sie wird nicht abgelesen). Durch die Verdichtung erscheinen diese Bereiche elektronendichter, also dunkel. Die hellen Bereiche des Kerns enthalten das Euchromatin, als "ent-wickelte" DNA, die abgelesen werden kann. Der grosse, graue Fleck in der Kernmitte ist wohl der Nucleolus, der hier vollständig sehr fibrillär strukturiert erscheint. Er ist der Bildungsort von rRNA, also derjenigen RNA die Bestandteil der Ribosomen ist. Warum der Nucleolus hier so vollständig filbrillär erscheint konnte ich nicht herausfinden, vielleicht war die Zelle besonders stoffwechselaktiv? Weiß hierzu vielleicht jemand von Euch mehr?
Was weiterhin gut zu sehen ist, ist die doppelte Kernmembran.


Nachvergrößerung desselben Bildes, (rotiert). Die vielen kleinen schwarzen Pünktchen auf einigen dieser Aufnahmen sind Artefakte die wohl Schwermetallniederschläge darstellen (Osmium), da war die Präparation nicht perfekt.


Eine weitere Nachvergrößerung (allerdings bereits im Bereich der "leeren" Vergrößerung, wie die Unschärfe beweist) zeigt oben links sehr schön eine Kernpore durch die u.a. die oben erwähnte rRNA sowie mRNA aus dem Kern heraus gelangt.


Campanula sp., Chloroplast und Dictyosom, 68300x.
Im Chloroplasten sind die Stroma- und Grana-Thylakoide zu erkennen. Es handelt sich bei den Granathylakoiden um Membranstapel, die u.a. die Photosysteme I und II beherbergen, also den hauptsächlichen Sitz der Photosynthese darstellen. Die beiden dunklen Flecke sind Plastoglobuli (Lipidtropfen). Der Chloroplast zeigt eine Doppelmembran. Links oben neben dem Chloroplasten ist ein weiterer "Stapel" aus Membranen zu sehen, ein Dictyosom. Es gehört zum Golgi-Apparat, einem Membransystem in dem Enzyme, andere Proteine und Bausteine von Membranen synthetisiert werden.


Zuckerrohr, Chloroplast, 70000x.
Zwar von einer anderen Pflanze, hier ein Chloroplast des Zuckerrohrblattes. Er scheint hauptsächlich aus Grana-Thylakoiden zu bestehen und weist einige große Plastoglobuli auf.


Campanula sp., Mitochondrium, 113300x.
Mitochondrien sind ja entwicklungsgeschichtlich in die "Ur-Eukaryontenzelle" eingewanderte Bakterien, die bis heute symbiontisch darin leben und u.a. die Aufgabe der "Energieproduktion" übernommen haben. In ihnen sitzt die Atmungskette, die als universelle "Energiewährung" ATP bildet. Die Tatsache daß sie eine Doppelmembran besitzen wird als Folge der "Einwanderung" gewertet: Eine Bakterienzelle mit einer einfachen Membran wird von einer weiteren einfachen Membran der aufnehmenden Zelle "umflossen", das ergibt die Doppelmembran. Weiterhin besitzen Mitochondrien eigene, bakteriell strukturierte DNA, sowie eigene Ribosomen. Wir alle sind also auf zellulärer Ebene Symbionten. Die Pflanzen sogar doppelte, denn für die Chloroplasten gilt dasselbe: Doppelmembran, eigene bakterielle DNA etc. Die Endosymbiontentheorie ist zwar nicht neu, ich finde sie aber immer wieder erstaunlich. Auf dem Foto erkennt man sehr klar die Doppelmembran, deren innerer Teil sich in das Mito in Form von Cristae einstülpt.


Zuckerrohr, Tüpfel, 38500x.
Eine Pflanzenzelle bildet zunächst als Abgrenzung zur Nachbarzelle die Mittellamelle, eine gelartige Struktur, sowie die darauf aufgelagerte Primärzellwand aus. Deren Elastizität erlaubt weiteres Wachstum der Zelle. Wenn die Zelle ausgewachsen ist, bildet sie zur Verstärkung die Sekundärwand, die nicht mehr so elastisch ist. In ihr verbleiben Aussparungen, die sogenannten Tüpfel, in denen sich Verbindungskanäle zu den Nachbarzellen befinden, die Plasmodesmen. Dies sind Schläuche aus Plasma, umgeben von der Plasmamembran. Vereinfacht gesagt, Pflanzen bestehen also aus einem großen Netzwerk, das Plasma der Zellen ist untereinander verbunden. Auf dem Foto sieht man die Primär- und Sekundärwand mit einem Tüpfel. Die Mittellamelle ist allenfalls auf der rechten Seite zu erahnen. Innerhalb des Tüpfels sind drei Plasmodesmen zu sehen.


Campanula sp., Plasmodesmen, 74900x.
Auf gewundenen Wegen schlingen sich die Plasmodesmen durch die Zellwand, diesmal wieder bei der Glockenblume. Man erkennt an den unteren Kanälen, daß sie wirklich bis hinter die Plasmamembran reichen. Es ist kein Kanal komplett zu sehen, sie sind teilweise mehrfach angeschnitten, da sie auf ihrem Weg auch oberhalb und unterhalb des Schnittes liegen.


Ich hoffe, die Aufnahmen gefallen Euch und motivieren Euch wie mich auch dazu, mal wieder etwas Zellbiologie nachzulesen, es gibt so viele neue Details und man vergisst mit der Zeit ja doch einiges, zumindest mir geht es so.

Viele Grüße,
Christian
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Fahrenheit

Lieber Christian,

vielen Dank für die Einblicke, die man sonst nur aus Lehrbüchern kennt!

Ich habe den Thread unter "Zelle" in die Übersichtsliste Botanik aufgenommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Klaus Henkel

Zitat von: Christian3000 in Juni 18, 2016, 17:16:43 NACHMITTAGS
Liebe Mikroskopiker,

heute zeige ich einige TEM-Bilder aus der Zeit meines Praktikums (ca. 1996) mit ein bisschen Unterhaltung zum Wochenende.

Danke, sehr interessant.
Aber das nächste Mal bitte vorher die Bilder verkleinern. JPG ist ausreichend am Bildschirm. So wie Sie es jetzt gemacht haben, ergibt das irre Ladezeiten, trotz schnellem PC.
Grüße
KH

Christian3000

#3
Lieber Herr Henkel,

stimmt, die Bilder waren jeweils etliche MB groß, ich habe sie nun auf 1280 Pixel (lange Seite) verkleinert.

Vielen Dank für den Hinweis!

Viele Grüße,
Christian

PS: @Jörg, vielen Dank für das Listen!
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