Mikro-Themen: Unendlich-Optik - wie funktioniert das?

Begonnen von Christian Linkenheld, November 05, 2008, 19:25:49 NACHMITTAGS

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Christian Linkenheld

Hallo,

ich werde ab jetzt immer einmal wieder Themen aus der mikroskopischen Gerätetechnik aufgreifen und etwas mehr oder weniger Sinnvolles dazu schreiben.
Einen Anfang möchte ich mit dem Begriff "Unendlich-Optik" machen und hoffe damit etwas zur Klärung dieser System-Architektur beizutragen.


Zunächst einmal soll eine einfache Sammellinse betrachtet werden.






Man sieht, dass bei der Sammellinse untereinander parallele Strahlen die Brennebene in einem gemeinsamen Punkt durchstoßen. Wenn die Strahlen zusätzlich zur optischen Achse (der gepunkteten Linie in der obigen Darstellung) parallel verlaufen gehen sie zudem durch den bildseitigen Brennpunkt F' der Linse. Je stärker die Strahlen gegen die optische Achse geneigt sind, desto weiter vom Brennpunkt F' entfernt passieren sie die Brennebene. Strahlengänge sind umkehrbar. Deshalb verlaufen alle von der Brennebene ausgehende Strahlen nach der Linse untereinander parallel.


Man kann nun zwei Sammellinsen so kombinieren, dass die von der objektseitigen Brennebene der Linse 1 kommenden Strahlen sich in der bildseitigen Brennebene der Linse 2 wieder schneiden.






Wichtig an der vorausgegangenen Darstellung ist, dass ein Objekt, das sich in der vorderen Brennebene der Linse 1 befindet in der bildseitigen Brennebene der Linse 2 abgebildet wird. Der Abbildungsmaßstab ergibt sich aus dem Verhältnis der Brennweiten f2/f1. Zwischen beiden Linsen verlaufen die zur Abbildung beitragenden Lichtstrahlen untereinander parallel. Dies bedeutet, dass durch die Linse 1 alleine vom Objekt O ein Bild erzeugt wird, das in der Bildweite "Unendlich" entsteht. Dies ist das Grundprinzip der "Unendlich-Optik". Die Linse 1 ist hierbei das Objektiv und die Linse 2 die sog. "Tubuslinse", die letztlich das reelle Zwischenbild in ihrer Brennebene erzeugt. Der Bereich zwischen Objektiv und Tubuslinse wird auch "Unendlich-Strahlenraum" bezeichnet.

Bei Carl Zeiss beträgt die Brennweite der Tubuslinse etwa 160mm. Wie groß muss nun die Brennweite des Objektivs sein, wenn im Zwischenbild ein Abbildungsmaßstab von 10:1 vorliegen soll? Der Abbildungsmaßstab ergibt sich ja aus f2/f1. Durch einfaches Umformen ergibt sich f1 (gesuchte Brennweite des Objektivs) für den vorliegenden Fall aus dem Quotienten 160mm/10 = 16mm.

Die nachfolgende Darstellung zeigt nun den Strahlengang im klassischen Endlich-System und einem Unendlich-System.






Welche Vorteile haben nun Unendlich-Systeme gegenüber Endlich-Mikroskopen?

(Übersehen Sie bei der folgenden Darstellung nicht den "weiter-Button" rechts)






Der erste Vorteil liegt somit darin, dass planparallele Bauelemente - z.B. die Filtersysteme in der Fluoreszenzmikroskopie, problemlos in den Strahlengang eingebracht werden können. Sie stören die Bildentstehung in keiner Weise!

Bei Endlich-Mikroskopen kann man diese Bauelemente nicht einfach in den Strahlengang einbringen ohne die Bildentstehung zu stören. Man muss für diese vielmehr einen speziellen Zwischentubus verwenden und sie dort zwischen einer Zerstreuungs- und einer Sammellinse einfügen. Dies ist letztlich ein in den Strahlengang des Endlich-Systems eingefügter Unendlich-Bereich - eine ziemlich aufwändige Angelegenheit, die das System weniger flexibel macht und in einem gewissen Umfang auch die Bildqualität mindert. Letztlich muss so etwas auch den Preis nach oben treiben.


Nachfolgende Darstellung:
Die Distanz zwischen Objektiv und Tubuslinse bei einem Mikroskop mit Unendlich-Optik ist in einem gewissen Bereich flexibel. Man kann also - wenn nötig - mitunter doch relativ leicht noch Bauelemente einfügen.






Ein weiterer Vorteil der Unendlich-Optik muss noch besonders hervorgehoben werden. Bei einem Endlich-Mikroskop erzeugt das Objektiv ein Zwischenbild mit einem bestimmten Abbildungsfehler, der sog. chromatischen Vergrößerungsdifferenz. Dieser durch Farbsäume gekennzeichnete Abbildungsfehler wird dann erst durch die Okulare ausgeglichen bzw. kompensiert. Man nennt diese Okulare auch "Kompensationsokulare". Bei der Unendlich-Optik ist das durch Objektiv und Tubuslinse erzeugte Zwischenbild bei praktisch allen Geräten (Ausnahme:einige Geräte im Einsteiger-Sektor) frei von chromatischer Vergrößerungsdifferenz. Dies hat enorme Vorteile für alle modernen Dokumentationsverfahren, da man das Zwischenbild direkt und ohne weitere Korrektur beispielsweise auf einen entsprechend dimensionierten CCD-Chip fallen lassen kann.


Sind Unendlich-Mikroskope prinzipiell besser?

Unendlich-Mikroskope spielen ihre Vorteile besonders in den gehobenen Leistungsklassen aus. Sie sind viel flexibler anpassbar und wesentlich besser für die Adaption moderner Dokumentationssysteme geeignet. Im Einsteigersegment (einfache Hellfeld-, Dunkelfeld-, aber auch Phasenkontrastmikroskopie) kommen diese Vorteile nicht wirklich zur Geltung. Hier sind Endlich-Geräte zumindest vom Prinzip her genauso gut geeignet.

Christian Linkenheld

NicLi

Hallo Herr Linkenheld,
danke für diese tollen Animationen. Jetzt verstehe auch ich es ;)
Ich hatte mich das schonmal gefragt...
Das war vor 1/2 Jahr, erst vor ein paar Wochen habe ich es dann ganz verstanden. Mit der Animation wäre es bestimmt schneller gegangen :)
Jetzt können auch die Anfänger das schnell verstehen!
Nur funktioniert bei vielen Animationen das interaktive Verschieben der Schieberchen nicht! Bei mir spult es sich automatisch in einer Endlosschleife ab.
Freundliche Grüße,
Nicolas

Christian Linkenheld

Hallo Nicolas,

das mit der Endlosschleife sollte eigentlich nicht sein. Was für eine Kombination Browser/Betriebssystem verwendest du?

viele Grüße

Christian

NicLi

#3
Hallo Herr Linkenheld,
ich verwende Windows XP mit Firefox 2.0.0.17.
Für mich hat es keinen Nachteil, aber wenn es vielleicht bei anderen auch so ist..?
Was ist es denn für eine Animation? Java oder ähnliches? Ehrlich gesagt, kenne ich mich damit gar nicht aus.
Hallo Bernhard,
Ja, mein Flash-Player ist veraltet. Da ich keinen eigenen PC mit Admin-Rechten habe >:(, hoffe ich also, dass mein Vater diesen bald runterlädt und installiert...

Es bleibt also, zu hoffen...
Freundliche Grüße,
Nicolas

Bernhard Lebeda

Hallo Nico, Christian

ich hab die gleiche Konfiguration und bei mir funktioniert die Animation tadellos (ohne Endlosschleife).

Vielleicht ist Dein flashplayer veraltet?


Bernhard



Franz

Meine zwei Fragen:

1. Kann man an ein Nikon-Mikroskop mit Unendlich-Optik auch Objektive eines anderen Herstellers (von Unendlich-Optik) anschliessen? Hätte dies einen Sinn?
2. Welcher Hersteller liefert solche Objektive? Ich bräuchte noch ein 60er oder ein 100er. (Bei Nikon sind sie mir viel zu teuer).

Viele Grüsse
Franz


Detlef Kramer

Hallo Franz,

beide Fragen kann man nur so beantworten: äußerst unwahrscheinlich! Ich weiß es jedenfalls nicht.

Herzliche Grüße

Detlef Kramer
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Frank S.

Hallo Herr Linkenheld,
eine wirklich anschauliche Erklärung - absolut lehrbuchreif!

Eine Frage habe ich noch dazu:
Nach der Erklärung spielt der Kondensor bezüglich dem Unterschied Endlichoptik/Unendlichoptik keine Rolle. Er bildet ja lediglich die Lichtquelle in die Präparate-ebene ab. Ein Kondensor für Endlichoptik kann also prinzipiell für Unendlichoptik verwendet werden.
Ist dem so?

Viele Grüße
Frank Schwarzkopf

Detlef Kramer

Hallo Herr Schwarzkopf,

dem ist so, alles, was unterhalb des Objektivs stattfindet hat mit der Frage Endlich/Unendlich nichts zu tun.

Herzliche Grüße

Detlef Kramer
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Eckhard F. H.

Hallo Herr Linkenheld,
zweckmäßig wäre gewesen, noch beiläufig zu erwähnen, daß sogenannte Unendlich-Objektive auch als ganz normale Endlich-Objektive ohne Tubuslinse genutzt werden können. Allerdings mit Verlusten an Bildqualität, weil dann von der vorgesehenen Objektweite abgewichen werden muß.
Gruß - E. Nowack

Klaus Herrmann

Hallo Herr Nowack,

Zitatzweckmäßig wäre gewesen, noch beiläufig zu erwähnen, daß sogenannte Unendlich-Objektive auch als ganz normale Endlich-Objektive ohne Tubuslinse genutzt werden können. Allerdings mit Verlusten an Bildqualität

ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig verstanden habe. Aber ich habe für Klaus Yde einen Test gemacht, weil er mit dem Gedanken gespielt hat ein Planneofluar 2,5 x unendlich von CZ, das hier gerade mit 6 anderen Planneos angeboten wird, an einem CZ-Standard (endlich) einzusetzen.

Ich hab das bei mir mal kurz probiert: da sieht man überhaupt nichts - man ahnt höchstens einen Schatten!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Eckhard F. H.

Hallo Herr Herrmann,
das wundert mich. Ich habe wochenlang mit einem ´Unendlich`-Objektiv ohne Tubuslinse gearbeitet. Das sowas geht, ist an für sich logisch. Denn wenn man das Objekt, welches bei `Unendlich´- Objektiven in der dingseitigen Brennebene steht, weiter wegrückt, verlassen die Strahlen das Objektiv nicht mehr parallel, sondern konvergent und vereinigen sich zum reellen Bild wie beim ´Unendlich´-Objektiv. Umgekehrt müßte ein ´Endlich´-Objektiv mit Tubuslinse analog umgekehrt funktionieren, wenn das Objekt in die Brennebene gestellt wird. So stelle ich mir das jedenfalls vor.
Gruß - E. Nowack

Eckhard F. H.

Hallo Herr Herrmann,
ich nochmal. Habe eben ´Endlich´-Optik (100er) + Tubuslinse probiert: Geht genauso. Merke keinen gravierenden Qualitätsunterschied. Allerdings ist mein Mikro total verstaubt, weil Dauerbaustelle.
Gruß - E. Nowack

Klaus Herrmann

Hallo Herr Nowack,

dann machen Sie diesen Versuch mal mit einem <10x Objektiv (unendlich) an einem Stativ für 160 mm.

Das sollte eigentlich zu ähnlichen Ergebnissen führen wie bei meinem Versuch.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Eckhard F. H.

Hallo Herr Herrmann,
geht nicht! Mein schwächstes ´Unendlich´ ist 20x. Außerdem kommuniziere ich gerade mit Rotwein.  :)
Gruß - Eckhard