Botanik: Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris - eine Öl Blume *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, September 12, 2016, 10:21:35 VORMITTAG

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

der Gewöhnliche Gilbweiderich ist eine mehrjährige, krautige Pflanze.

Mit ihren Ausläufern und tiefen Wurzeln trägt die Pflanze zur Festigung des Bodens bei.

Der Gilbweiderich kommt häufig wild vor. Er fehlt aber in trockenen Gebieten. Auch als Zierstaude im Garten ist die recht anspruchslose Pflanze beliebt. Sein Name soll durch seine gelbe Blütenfarbe ("Gilb-") und durch die Ähnlichkeit seiner Blätter mit Weidenblättern entstanden sein.
Die Pflanze ist in die Unterfamilie der Myrsinengewächse (Myrsinaceae) einzuordnen.

Bild 01 Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris

Foto: H.-J_Koch

Der Gewöhnliche Gilbweiderich besitzt einen aufrechten Stängel. Die Blätter stehen meist quirlig oder gegenständig.
Die Wuchshöhe beträgt 50 bis 150 cm.

Die gelbe Blüte ist fünfzählig. Über Drüsenhaare scheidet die Pflanze Öle (Lipide) aus, mit denen Insekten angelockt werden.
Die Herkunft vom Gewöhnlichen Gilbweiderich ist Europa.

Die Pflanze blüht von Anfang Juni bis Ende August.
Bei den Ausläuferpflanzen wie z. B. dem Gewöhnlichen Gilbweiderich entfalten sich Knospen des unteren Sprossteils zu langen horizontalen Trieben. Diese Seitensprosse, die in der unmittelbaren Nachbarschaft der Wurzeln stehen, dringen oft weit in die Umgebung hinein. Dort wurzeln sie an ihren meist etwas angeschwollenen Ende.
Aus ihm wächst dann im nächsten Jahr ein Trieb mit Blättern und Blüten der Sonne entgegen.

Bild 02 Seitentriebe vom Gewöhnlichen Gilbweiderich



Quelle: Ernst Michael Kranich ,,Die Formensprache der Pflanzen"; ISBN: 3 7725 0233 4
Zeichnung : Uli Winkler

Bild 03 Illustration



Quelle: Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz 1885, Gera, Germany.
Der Urheber dieses Werks ist 1925 gestorben; es ist daher gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

Besonderheiten:
Der Gilbweiderich gehört zu den wenigen Öl Blumen unserer Flora. Die Pflanze bietet ihren Bestäubern keinen Nektar, sondern Öl an.
Die Schenkelbienen (Gattung Macropis.) haben sich auf den Blütenbesuch beim Gilbweiderich spezialisiert. Sie vermengen das Öl mit Pollen. Dieser Brei haftet hervorragend an der Sammeleinrichtung ihrer Hinterbeine. Mit dem eingetragenen Öl-Pollen-Brei versorgen sie ihre Larven. Das Vorkommen der Schenkelbienen ist an die Verbreitung des Gewöhnlichen Gilbweiderichs gebunden.

Bild 04 Schenkelbiene (Gattung Macropis.)


Dieses Bild wurde als Bildnummer 3781761 bei Waarneming.nl hochgeladen, eine Quelle von Naturbeobachtungen in den Niederlanden.

Zur Aufnahme des Pollens drücken Macropis-Weibchen zunächst ihren Hinterleib auf den Staubbeutelkranz und kämmen ihn sich dann im Flug in die Beinbürsten an den beiden Hinterschienen und -fersen. Um das Öl zu sammeln, betupfen weibliche Schenkelbienen die Staubfadenröhren mit speziellen Saugpolstern aus dichtstehenden Härchen an den Innenseiten ihrer Vorder- und Mittelbeine und streichen das Öl dann in ihre Hinterbeinbürsten (Scopae), die eine ähnliche Behaarung aufweisen und in denen sich Öl und Pollen zu einem dicken Klumpen mischen. Das Larvenbrot von Macropis besteht daher aus Pollen und Blütenöl und ein wenig Nektar von anderen Pflanzen.

Der Gilbweiderich scheidet in seinen Blüten ein fettes Öl ab, dass die Biene zur Fütterung ihrer Brut nutzt.
Das Öl Sekret wird von einer palisadenartigen Epidermis abgeschieden, es ist zunächst unter einer Cuticula - Blase verborgen.

Durch die Streichbewegung eines Bienenbeines reißt in der Cuticula eine vorgebildete Dünnstelle auf und ein Öltropfen tritt heraus.
Das Pollen- Ölgemisch ist sehr kalorienreich, es dient jedoch nicht zur eigenen Ernährung, sondern wird ausschließlich an die Laven in den unterirdischen Brutzellen verfüttert.

Blütenöl ist ca. achtmal kalorienreicher als Nektar, dient allerdings auch dazu, in feuchter Umgebung Nester wasserdicht zu machen.

Kaum jemand kennt den Gilbweiderich, dabei ist er eine recht vielseitige Heilpflanze, die früher ihren festen Platz im Repertoire der Naturheilkundler hatte.

Seine herausragendste Wirkung ist die adstringierenden und blutstillenden Fähigkeiten, was den Gilbweiderich zu einem Mittel der Wahl bei Zahnfleischbeschwerden und Mundentzündungen macht.

Droge:
Lysimachia-vulgaris-Kraut, das getrocknete Kraut. Inhaltsstoffe.: β-Sitosterol, Stigmasterol, Rutin, Quercetin, Kämpferol, Myricetin.

In der Volksheilkunde wird der Gilbweiderich bei Skorbut sowie gegen Durchfallerkrankungen; in der Kosmetik werden Extrakte aus der Droge für Haut- und Haarpflegemittel eingesetzt.


Systematik:
Ordnung: Heidekrautartige (Ericales)
Familie: Primelgewächse (Primulaceae)
Unterfamilie: Myrsinengewächse (Myrsinoideae)
Gattung: Gilbweiderich (Lysimachia)
Art: Gewöhnlicher Gilbweiderich
Wissenschaftlicher Name: Lysimachia vulgaris
Volkstümliche Bezeichnung: Rispen-Gilbweiderich, Gewöhnlicher Felberich, Gemeiner Felberich, Gold Weiderich
Englischer Name: Yellow Loosestrife


Spross, Querschnitt, Schnittdicke: 30 Mikrometer


Bild 05 Schnittstelle: Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris



Bei eine Schnittdicke unter 30 µm ist das Markparenchym leider zerrissen.


Bild 06 Ungefärbter Schnitt, Übersicht, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris



Abschlussgewebe mit Trichome


Bild 07 Ungefärbter Schnitt, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris




Bild 08 Vergrößerung, ungefärbter Schnitt, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris




Bild 09 Vergrößerung, ungefärbter Schnitt, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris





3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Arbeitsablauf :

1. Schnitte  liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung  8 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca. 15 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest.
7. Nachfärbung Astrablaulösung  1 Minuten, 30 Sekunden.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis  4 : 1 verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10. Als letzte Stufe vor dem Eindecken Xylol einsetzen.
11. Einschluss in Entellan

Ergebnis:
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.

Fotos: Nikon D5500

Bild 10 Übersicht, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris




Bild 11 Vergrößerung, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris




Bild 12 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris



MP = Markparenchym, PXY = Protoxylem, XY = Xylem, PH = Phloem, SK = Sklerenchym, CU = Cuticula, EP = Epidermis, RP = Rindenparenchym

Die ringförmige Anordnung der Markparenchym - Zellen habe ich sonst noch bei keiner Pflanze gesehen.

Die Sklerenchymzellen dienen hier zur Festigung (Druckfestigung) des dünnen Sprosses.


Bild 13 Leitbündel, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris




Bild 14 Vergrößerung, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris




Bild 15, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris




Bild 16 Vergrößerung, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris




Bild 17 Vergrößerung, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris



Die Zellwände der Markzellen werden zum Xylem hin immer dickwandiger und sind von zahlreichen Tüpfelkanälen durchbrochen. Hier enthält das Markparenchym zahlreiche Stärkekörner.


Bild 18 Markzellen, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris




Bild 19, Vergrößerung, Trichom, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris




Bild 20, Vergrößerung, Trichom, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris



Bei den Drüsenhaaren handelt es sich um modifizierte Trichome. Somit stellen sie wie alle übrigen Haare Sonderbildungen der Epidermis dar und können demzufolge an sämtlichen nicht verholzten oberirdischen Teilen der Pflanze vorkommen.

Bild 21 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris


Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10

Bild 22 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris



Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 520, Erregerfilter BP 436/10

Hier liegen mehrere Zellschichten übereinander (30 µm).


Quellenangaben und verwendete Literatur:

,,Was blüht denn da?", ISBN: 978-3-440-11379-0

,,Die große Enzyklopädie der Arzneipflanzen und Drogen", ISBN: 978-3-89996-508-7

Ernst Michael Kranich ,,Die Formensprache der Pflanzen"; ISBN: 3 7725 0233 4


Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen

Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

eine interessante Pflanze zeigst Du uns da, die ich bei uns noch nie bewusst gesehen habe - ich werde die Augen offen halten!

Spannend finde ich das "luftige" Markparenchym mit den vielen großen Lumina, wie man es sonst eher bei Wasserpflanzen kennt. Das war sicher nicht einfach zu schneiden.
Dein Bild 7 vom ungefärbten Schnitt gefällt mir besonders gut, aber auch die gefärbten Schnitte sind bestens gelungen.

Unter Gilbweiderich findest Du Deinen Beitrag in der Liste :)

Herzliche Grüße
Jörg 
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Klaus Herrmann

Lieber Hans-Jürgen,

schöne Dokumentation wie immer dieses "Gartenunkrauts". Bei uns wird er immer üppiger. Bei uns ist er allerdings jetzt verblüht, so dass man den netten Kniff nicht wiederholen kann: Blütenblatt falten und die Drüsenzellen anschauen. Hatte ich vor Jahren hier mal gezeigt; finde den Beitrag allerdings nicht mehr. Es war aber die Variante Punktata mit den schwarzen Punkten auf den Blättern (Gunther Chmela als versierter Kenner hatte mich damals darauf aufmerksam gemacht. Hier habe ich aktuell nochmal Bilder gezeigt:

https://mikroskopie-forum.at/index.php/Thread/1873-Lysimachia-punctata-Gilbweiderich/
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

danke.
Die ungefärbten Schnitte habe ich immer nur in Wasser gelegt, Deckglas drauf und fotografiert.
Störende Lufteinschlüsse waren an der Tagesordnung.
Diese Präparate sind alle in Entellan eingeschlossen, das Ergebnis gefällt mir wesentlich besser.

Lieber Klaus,

auch Dir möchte ich danke sagen.
Deine Bilder gefallen mir gut.

Gruß
Hans-Jürgen
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Klaus Herrmann

Lieber Hans-Jürgen,

das habe ich noch vergessen: ich bin wie Jörg auch überrascht, dass das flusige Markparenchym so schön gehalten hat. Du hast ja frisch gescnitten und auch nicht vorher fixiert. Wie dick waren die Schnitte ungefähr?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Hans-Jürgen Koch

Lieber Klaus,

die Pflanzenproben (Sprosslänge: 20 mm) haben etwa 8 Tage in Alkohol-Formol-Eisessig-Gemisch (AFEIII) gelegen, um sie etwas zu härten.
Die Schnittdicke beträgt 30 Mikrometer.

Gruß nach Neuhausen

Hans-Jürgen
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Klaus Herrmann

Lieber Jürgen

dann ist die Welt wieder in Ordnung! Hast du mit Einmalklingen geschnitten, oder mit einem sehr scharfen C-Messer?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Hans-Jürgen Koch

Lieber Klaus,

ich habe beide Varianten probiert.
Das beste Schnittergebnis lieferte die Einwegklinge ,,Leica 818".

Gruß
Hans-Jürgen
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Wutsdorff Peter

Guten Morgen Hans-Jürgen,
das ist mal wieder ein klassischer Hans-Jürgen!!!
Gratulation zu der super tollen Arbeit.

Kann es sein, saß ich diese Pflanze auch im Berner Oberland  auf CAD. 1600 - 1700 m Höhe gesehen habe?Auf welchen Böden wachsen sie?
In  habe ich preiswert (24CSFR.) eine dicke Schwarte in einer Buchhandlung erstenden. : Laube, Wagner: Flora des Kantons Bern, Haupt, 3.Auf. 1993.
Das Buch ist ähnlich aufgebaut  wie die "Flora ". Um eine Pflanze zu identifizieren, ist es etwas mühsam, da die Bilder nicht nach Farben geordnet sind. Aber in Verbindung mit dem  als Einstieg, kommt man dann weiter.

Gruß vom . Peter aus Dorsch

Hans-Jürgen Koch

Guten Morgen Peter,

danke für Dein Lob.

Der Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris ist eine anspruchslose Pflanze.
Sie fehlt aber in trockenen Gebieten. Der Gewöhnliche Gilbweiderich ist ein boreales und mediterranes Florenelement. Er ist in Europa und Teilen Nordasiens verbreitet.

In Österreich tritt der Gewöhnliche Gilbweiderich in feuchten Gebüschen, Niedermooren, Sumpfwiesen und Erlenbruchwäldern auf der kollinen bis montanen Höhenstufe in allen Bundesländern häufig auf.

Ich könnte mir schon vorstellen, dass die Pflanze auch im höher gelegenen Teile des Kantons Bern in der Schweiz anzutreffen ist.
Die Blütezeit (Anfang Juni bis Ende August) ist leider zu Ende und die Bestimmung wird etwas schwieriger.

Mit freundlichem Gruß
Hans-Jürgen
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