Erzeugen Unendlich Objektive wirklich kein Zwischenbild?

Begonnen von Baldrian, Oktober 07, 2016, 00:28:34 VORMITTAG

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Baldrian

In Beschreibungen von Unendlich-Objektiven liest man sinngemäß, dass sie ohne Tubuslinse kein Zwischenbild erzeugen. Wie aber kann es denn sein, dass man trotzdem einerseits mit ihnen direkt ein Bild projizieren kann und dass man auch ohne zwischengeschaltete Tubuslinse mit einem Okular ein Bild sieht?

Tom  
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ortholux

Lieber Tom,

Unendlich-Objektive heißen so, weil Sie für die Abbildung im Unendlichen korrigiert sind. Was nicht heißt, daß mit ihnen kein reeles Bild zu erzielen ist.

Du kannst mit einer einfachen Leselupe auch nach unendlich abbilden. Dann befindet sich das Objekt im Brennpunkt. Das bedeutet nichts anders, als daß die "abbildenden" Strahlen parallel aus der Linse austreten.

Genauso kannst Du durch Defokussieren eines Unendlich-Objektivs ein echtes Zwischenbild erzeugen. Nur ist diese Abbildung nicht optimal, weil das Objektiv dafür nicht gerechnet wurde.

Wolfgang

Baldrian

Zitat von: ortholux in Oktober 07, 2016, 00:38:49 VORMITTAG
.... Das bedeutet nichts anders, als daß die "abbildenden" Strahlen parallel aus der Linse austreten. ...

Wolfgang, ich kann mir denn Sinn diese Aussage leider nicht vorstellen. Entsprechende Zeichnungen habe ich gesehen, aber wie können dann Projektionen ohne Tubuslinse auf kurze Distanz möglich sein?

Tom   
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Jens Jö

Lieber Tom,

Du hast Wolfgangs Antwort nicht gelesen:

ZitatGenauso kannst Du durch Defokussieren eines Unendlich-Objektivs ein echtes Zwischenbild erzeugen.

Verstanden ?

Gruß
Alfred

Baldrian

#4
Lieber Alfred, natürlich habe ich die Antwort gelesen, doch hilft sie mir nicht weiter.

Sehe ich mir beispielsweise die Zeichnung auf dieser Seite an, habe ich eher den Eindruck dass hier die Lichtführung einer Spotbeleuchtung dargestellt wird.

http://www.mikroskopie.de/kurse/glossar/defs/unendlich.htm

Ich füge mal hinzu. Der auf dem Endlich-Objektiv angegebene Abbildungsmaßstab wird im Zwischenbild nur bei Einhaltung der Abstands, der sich aus der Tubuslänge ergibt, eingehalten. Halte ich die Tubuslänge nicht ein, kann man trotzdem ein scharfes Zwischenbild erzeugen durch eine Änderung des Abstands zwischen Objektiv und Probe. Aber dann stimmt der angegebene Abbildungsmaßstab nicht mehr. Deshalb kann man in der Praxis 160er und 170er Objektiven am Revolver mixen. Hier ist auch klar, dass die Abbildungsleistung der Objektive für die entsprechenden Tubuslängen optimiert ist.

Beim Unendlich-Objektiv soll die beste Abbildung also im Unendlichen, also weit weg, liegen? Wie kann man dann aber einen Abbildungsmaßstab definieren? Wird denn im Objektiv quasi bereits ein Bild erzeugt, das von einem optischen Element im Objektiv nach 'ganz weit weg' projiziert wird ohne dass es sich unterwegs aufweitet? Aber dann dürfte man doch wenige Zentimeter ohne Tubuslinse kein Zwischenbild erhalten?    

Tom  

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JB

Zitat von: Baldrian in Oktober 07, 2016, 10:41:23 VORMITTAG
Wie kann man dann aber einen Abbildungsmaßstab definieren?

Hallo Tom,

Der Abbildungsmaßstab wird immer in Kombination mit der zugehoerigen Tubuslinse mit einer bestimmten Brennweite definiert (z.B. Zeiss ICS: 165 mm) https://www.microscopyu.com/microscopy-basics/infinity-optical-systems . Wird das Objektiv mit einer anderen Tubuslinse benutzt, aendert sich auch der Abbildungsmaßstab.

Zum Defokussieren hat Wolfgang schon alles gesagt. Aendert man den Abstand zwischen Objekt und Objektiv, dann entsteht das Bild mit mehr im Unendlichen sondern kann auch im Endlichen entstehen.

Beste Gruesse,

Jon

wilfried48

#6
Hallo Tom,

jedes Objektiv egal ob endlich oder unendlich ist vereinfacht ausgedrückt eine Linse mit einer bestimmten Brennweite.

Ob das Objektiv als ein endlich oder ein unendlich Objektiv wirkt hängt davon ab, in welchem Abstand sich das Objekt befindet.

Befindet das Objekt genau in der Brennweite vor dem Objektiv so werden alle Strahlen die vom Objekt ausgehen hinter der Linse parallel zur Achse weiter verlaufen, sich also erst im Unendlichen wieder schneiden. Das heisst es entsteht kein reeles Zwischenbild. Dies entsteht erst wenn man mit einer zweiten Linse (Tubuslinse) wieder ein reelles Zwischenbild in der Brennebene dieser Tubuslinse erzeugt. Der auf dem Objektiv aufgedruckte Abbildungsmassstab stimmt dann nur für die richtige Brennweite dieser Tubuslinse. Bei deinem Zeiss Axioskop also für 165 mm.

Wenn du bei diesem, für unendlich gedachten und auch nur für dieses Abbildungsprinzip gut korrigierten, Objektiv das Objekt etwas vor die Brennweite legst bekommst du natürlich auch ohne Tubuslinse ein reelles Zwischenbild. Und je nach Abstand von der Brennweite mit unterschiedlichen Vergrösserungen die aber nichts mehr mit dem aufgedruckten Wert zu tun haben. Und da die Korrektion der Abbildungsfehler
für den unendlich-Betrieb gerechnet wurde treten diese um so deutlicher hervor je weiter man von dem undendlich Strahlengang abweicht.

Die gleichen Überlegungen gelten natürlich auch für endlich Objektive nur anders herum, wenn man die im unendlich Strahlengang betreibt. Also das Objekt, das normalerweise vor der Brennebene liegt, genau in die Brennebene schiebt, sodass kein reelles Zwischenbild mehr in einer bestimmten Tubuslänge entsteht. Dann könnte man mit einer Tubuslinse auch hier wieder ein reelles Zwischenbild erzeugen. Das wäre natürlich aber dann auch stark fehlerbehaftet und die auf dem Objektiv aufgedruckte Vergrösserung würde nicht mehr gelten.

viele Grüsse
Wilfried

vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

ortholux

Winfried war schneller - dennoch...

Tom,

such Dir mal Informationen über geometrische (Strahlen-)optik. Stichwort "dünne Linse". Das ist der Idealfall und am einfachsten zu beschreiben. Und lass das Mikro-Objektiv zunächst weg. Das irritiert.

Ich glaube, Du stolperst über das "unendliche".

Wenn sich ein Objekt in der Brennebene befindet, wird es nach unendlich abgebildet. Das ist natürlich keine Abbildung mehr, weil sich die Strahlen nicht mehr vereinigen. Man nennt es halt so.

Geom. Optik: Brennstrahlen werden Parallelstrahlen.

Entfernst Du das Objekt weiter von der Linse, wandert die Abbildung vom unendlichen immer näher an die Linse. So lange bis Dein Objekt in Unendlichen liegt, und das Bild in der Brennebene.

Geom. Optik: Parallelstrahlen werden Brennstrahlen.

Jedes Linsensystem (also auch ein Mikro-Objektiv) kann man zum Verständnis vereinfachend als dünne Linse sehen. Somit gelten - vereinfacht - auch die Gesetze der geometrischen Optik.


"Der auf dem Endlich-Objektiv angegebene Abbildungsmaßstab wird im Zwischenbild nur bei Einhaltung der Abstands, der sich aus der Tubuslänge ergibt, eingehalten."

Stimmt.

"Beim Unendlich-Objektiv soll die beste Abbildung also im Unendlichen, also weit weg, liegen? Wie kann man dann aber einen Abbildungsmaßstab definieren? "

Bei Abbildungen nach unendlich gilt: Vergrößerung = 250/Brennweite. (Lupenvergrößerung)
Kombination: s. Jons Antwort

Wolfgang

Piper

Hallo Tom,

in Ergänzung zu den "Vorrednern" ein kleiner Hinweis zur Veranschaulichung:

Fall 1:
Ich kann ein ENDLICH-Objektiv mit hinreichend langem Arbeitsabstand, beispielsweise gerechnet für 160 oder 170 mm Tubuslänge, auch an ein Unendlich-Mikroskop schrauben. Wenn der Arbeitsabstand gegenüber dem sonst üblichen verringert wird, entsteht auch im Unendlich-Mikrokop ein scharf fokussiertes Bild. Die Vergrößerung liegt aber etwa 50 Prozent höher, als sonst.
Beispiel: Ein 10x Trockenobjektiv wird so zu einem etwa 16x vergrößernden Objektiv, wobei der Arbeistabstand geringer ist, als bei 10-facher Vergrößerung an einem "konformen" Endlich-Mikrokop.

Fall 2:
In umgekehreter Weise kann ich auch ein UNENDLICH-Objektiv an ein Endlich-Mikrokop schrauben, welches beispielsweise für 160 oder 170 mm Tubuslänge konzipiert ist. Nun muss das Objekt weiter entfernt werden, als am Unendlich-Mikroskop, der Arbeitsabstand vergrößert sich also, und die Vergrößerung verringert sich um schätzungsweise ein gutes Drittel, wenn ein scharf fokusiertes Bild entstehen soll. Hier wird also z.B. ein 10-faches Unendlich-Objektiv zu einem 5- oder 6-fachen "Übersichtsobjektiv".

Im Fall 1 wirkt also ein Endlich-Objektiv wie ein Unendlich-Objektiv, entwirft also ein Zwischenbild im Unendlichen, welches erst durch die Tubuslinse im Okular betrachtbar wird. Im Fall 2 "arbeitet" das Unendlich-Objektiv wie ein Endlich-Objektiv.

Da in  beiden Fällen die Objektive anders eingesetzt werden, als es ihrer optischen Rechnung entspricht, werden sich (meist) "suboptimale" Bildergebnisse einstellen.

Im Tutorium zur Mikroskopie (findest Du auf einem Forums-Link) gibt es auch eine animierte Graphik, welche die Unterschiede beider Objektivtypen visuell sehr gut erklärt.

Viele Mikrogrüße

Jörg




Baldrian

#9
Danke für eure Antworten. Ich muss sie sacken lassen und ein bischen mit einigen Objektiven herumspielen. Hoffentlich kapiere ich es dann.

Tom
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Werner

Hallo Tom!

Um eine fehlerfreie Abbildung zu erhalten, muß der Konstrukteur einige Bedingungen einhalten. Eine davon ist die "Sinusbedingung". Das bedeutet grob, daß die objektseitige Hauptfläche eine Kugelschale mit Radius im Brennpunkt ist. Bei endlich korrigierten ist die bildseitige Hauptfläche auch eine Kugelschale mit Radius 160 oder 170 mm. Bei unendlich korrigierten Objektiven ist dieser Radius unendlich, d.h. diese Hauptfläche wird zur Ebene.
Auch damit kann man durch Defokussieren ein Bild im Endlichen erhalten, aber eben nur mit Zonenfehlern.

Bei Planobjektiven muß zusätzlich noch die Petzvalsumme (die Summe der Radien aller brechenden Flächen) Null sein, damit auch ein scharfes Bild über die ganze Bildebene ohne Zonenfehler erscheint. Das ist nur mit zusätzlichen Linsen möglich.

Bei hochgeöffneten lichtstarken Objektiven für z.B. Vermessungs-Lufbildkameras können die Bedingungen für eine ebene Bildfläche nicht mehr eingehalten werden. Hier läßt man eine gewisse Bildfeldwölbung zu und saugt den Planfilm mit Vakuum an eine Filmauflage mit genau diesem Radius an. Die Filmgröße liegt bei 200 mm, also schon mehr als bei einer Vollformatkamera.

Gruß   -   Werner


Stuessi

Hallo,

Kombinationen von 2 Fotoobjektiven sind häufig gute Makroobjektive.
Verwendet man an der Kamera ein 200mm Objektiv (auf unendlich eingestellt) und davor umgedreht montiert ein 50mm  Objektiv, so erhält man einen Abbildungsmaßstab von 4:1.
Das 200mm Objektiv ist die Tubuslinse und das 50mm Objektiv ist dann ein  Unendlich-Objektiv.
Statt 50mm Objektiv kann ich auch 4x Unendlich-Objektiv sagen. Ein 25mm Objektiv wäre dann ein 8x Objektiv.

Gruß,
Rolf

Baldrian

Rolf, vielen Dank! Auf die Erklärung habe ich gewartet. Wenn niemand ihr widerspricht, habe ich den Stoff verstanden.

Tom
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Baldrian

Tja Adi, deine Antwort hat mich nun zu deinen Beschreibungen geführt. Auch sehr aufschlussreich. Was ist das für ein Schlitten mit Mikrometerverstellung unter deinem Makroschlitten?

Tom 
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