Liebe Pflanzenfreunde,
auch auf die Gefahr hin zu nerven ...

- die Wollemie hat mir keine Ruhe gelassen und nach dem Studium der Erstbeschreibung (W. G. Jones, K. D. Hill & J. M. Allen: Wollemia nobilis, a new living Australian genus and species in the Araucariaceae. In: Telopea 6, S. 173–176 (1995), ISSN 0312-9764) habe ich mich noch einmal auf den Weg in den Botanischen Garten Bonn gemacht, um mir dort das im Freiland stehende Exemplar (Bild 1) noch einmal wirklich genaue anzusehen - was ich bisher sträflicher weise versäumt hatte.
Dabei interessierten mich zunächst der nur primär verzweigte Habitus der Pflanze (Bild 27), der mir erst in der Literatur aufgefallen ist. Und natürlich auch die Eigenart der Wollemie, sich von ganzen Zweigen zu trennen, wenn diese zu alt geworden sind oder z.B. auch nicht mehr genug zur Photosynthese beitragen. Mehr dazu in den kommenden Bildern.
Bild 28: Ein Blick auf den Stamm mit den Zweigansätzen

Wie in der Literatur beschrieben, sitzen die Zweige in einer Art kegelförmigen Hülle, an der die Sollbruchstelle als feine Rinne zu erkennen ist. Dort werden sie Zweige bei Bedarf abgeworfen.
(An Anatomical Assessment of Branch Abscission and Branch-base Hydraulic Architecture in the Endangered Wollemia nobilis; G. E. Burrows, P. F. Meagher and R. D. Heady, 2006).
Wie passt das nun zum Bild 3, das ja nicht nur die Rinde einer adulten Wollemie sondern eben auch zwei aufwärts gerichtete Verzweigungen zeigt, die die oben beschriebenen Eigenarten so ganz und gar nicht zeigen? Zwar gleicht sich die Rinde, doch die Verzweigungen sind so unterschiedlich, dass die Bilder auch von einer anderen Art stammen könnten. Bei der Pflanze aus dem Botanischen Garten Bonn dürfen wir uns sicher sein, aber auch der Bildautor des Rindenbildes zeigt (hier im Thread ist es das Bild 2) die typische "Polkappe" der Wollemie, so dass das Bild 3 wohl auch von der richtigen Pflanze stammt ...
Als Lösung bietet sich die vegetative Vermehrung der Wollemie durch Sprossung an, in Bild 3 könnte es sich also um Gabelungen des Haupttriebes handeln. Sicher bin ich mir aber nicht.
Bild 29: Ein abgeworfener Zweig vom Boden unter der Bonner Wollemie

Der Zweig ist nur zwei Jahre alt geworden, stammt aber von der Rückseite der wohl zum Witterungsschutz dicht an weitere Nadelgehölze gepflanzten Wollemie. Da ist es recht dunkel und vermutlich wurden die unteren Zweige schon abgeworfen, weil sie nicht genug Licht bekommen haben. Die Blätter aus der letzten Wachstumsphase sind dabei deutlich größer als die aus der ersten. Vielleicht eine Reaktion auf die unglücklichen Bedingungen?
Bild 30: Ein sehr großes Blatt

In der Artbeschreibung werden die ausgewachsenen Blätter der Wollemie mit einer Länge von typisch 6 bis 8 cm angegeben. Das Blatt hier ist mit gut 14 cm fast doppelt so lang und stammt auch von der schattigen Rückseite der Pflanze. Der begrenzende Faktor bei der Photosynthese an beschatteten Blättern ist oft weniger das fehlende Licht sondern die zu geringe Verdunstung, sprich mangelnde Wasserzufuhr für die Photosynthesereaktion. Dem versuchen viele Pflanzen durch vergrößerte Blätter entgegen zu wirken (
Stichwort Schattenblatt).
Einmal vor Ort, habe ich noch einmal eine Probe genommen. Diesmal nicht nur ein Blatt sondern ein Stück eines Zweiges von der unauffälligen Rückseite der Pflanze. Mit den neuen Schnitten wollte ich einmal ausschließen, dass das "verquollene" Phloem ein Präparationsartefakt ist und zum anderen einen Blick auf den Spross mit den Blattansätzen werfen und bei der Gelegenheit natürlich auch einen Blick auf das Phloem des Sprosses werfen.
Bild 31: Zweig der Wollemie mit Schnittstellen

Schauen wir uns zunächst noch einmal ein zweijähriges Blatt an. Blatt? Ja, auch wenn die Blätter der Wollemie nadelförmig sind, Nadeln sind sie nicht, den diese zeigen einen unifacialen mehr oder weniger symmetrischen Aufbau, während die Blätter der Wollemie bifacial mit deutlich erkennbarer Oberseite (Assimilationsparenchym) und Unterseite (Schwammparenchym) sind.
Die Präparation nach dem Schnitt der frischen Probe habe ich diesmal so sanft gestaltet, wie das bei den sehr harzhaltigen Blättern nur möglich war. Fixiert habe ich nur in Ethanol 70% mit etwas Formaldehyd, also ohne die quellend wirkende Essigsäure im AFE. Anschließend habe ich kurz (etwa 60 Sekunden) mit Klorix (1:4 in Aqua dest) gebleicht, um das Harz ein wenig in den Griff zu bekommen, das Chloralhydrat habe ich weg gelassen. Gefärbt habe ich dann mit W3Asim II, um auch hier eine Alternative zu haben - allerdings kommt in beiden Färbungen Acridinrot zum Einsatz.
Die Schnitte sind ein wenig "zugekleistert", da das Harz nicht vollständig entfernt wurde.
Bild 32a,b: Frischer Schnitt durch eiens der Leitbündel des 2-jährigen Blattes, Bild 32b mit Beschriftung; Vergrößerung 400x, Stapel aus je 15 Bildern

Um es kurz zu machen: auch hier ist schon das bekannte, deformierte Phloem zu erkennen. Auch treten wieder Calciumoxalat-Kristalle auf, die im einjährigen Blatt nicht vorhanden waren.
Wollemienblätter haben in der Regel 8 bis 9 parallel verlaufende Leitbündel. Hier sind 5 davon: trotz der geänderten Präparation das bekannte Bild.
Bilder 33a-g: Leitbündel aus dem Querschnitt des 2-jährigen Wollemienblattes, Bilder 33b & f mit Beschriftung; Färbung W3Asim II, Vergrößerung 400x, Stapel aus 11 bis 15 Bildern








Es fällt auf, dass die jeweils äußeren Leitbündel (33a,b & g) ein wenige stark deformiertes Phloem mit einem höheren Anteil an durchlässigen Siebröhren haben. Ansonsten das gleiche Bild wie in den vorangegangenen Präparationen vom 1- bzw. 4-jährigebn Blatt. Ein Präparationsartefakt ist damit aus meiner Sicht, auch mit Blick auf die frischen Schnitte, ausgeschlossen.
Wie bereits in der Unterschrift der Bilder 32 angesprochen: im 2-jährigen Blatt finden wir wieder jede Menge Calciumoxalat-Rhomben:
Bilder 34a-d: Querschnitt durch das 2-jährige Blatt, Bild 34b mit Beschriftung, Bild 34c & d (SW) im Polarisationskontrast, Vergrößerung 100x, Stapel aus 24 bzw. 21 Bildern



Im Vergleich mit den Bildern 20a&b fällt auf, dass die Kristallablagerungen im 2-jährigen Blatt denen im 4-jährigen Blatt in nichts nachstehen, während das Mesophyll im 1-jährige Blatt auch am Ende der Vegetationsperiode quasi frei von Calciumoxalat ist.
Werfen wir nun einen Blick auf den 2-jährigen Spross.
Bilder 35a-d: Der frische ungefärbte Spross, Bilder 35b & d mit Beschriftung, Vergrößerungen 50 und 200x, Stapel aus je 18 und 24 Bildern




Erläuterungen in den folgenden gefärbten Bildern.
Den Spross habe ich wieder in gewohnter Weise mit Dujardin Grün gefärbt, nach Fixierung in AFE und Reinigung bzw. Bleiche mit Klorix und Chloralhydrat.
Bilder 36a,b: Übersicht mit Blattansatz, Bild 36b mit Beschriftung, Vergrößerung 50x, Stapel aus je 28 Bildern


Wir sehen hier den gleichen Schnitt wie in den Bildern 35a & b, nur gefärbt und finden eine Holzteil mit einem Jahresring, der vom Aufbau her dem Holz der Eiben sehr ähnelt, das gilt auch für das oben liegende Blatt, dass hier noch komplett mit dem Spross verwachsen ist. Auffällig ist die Blattspur links unten (BS), aus der sich erst später die bis zu 9 parallelen Leitbündel des Blattes bilden.
Auch wieder dabei sind zahlreiche Sekretgänge (SG) mit ihrem innen liegenden Drüsenepitel (DEp)sowohl im Spross als auch im Blatt. Sklerifizierten Idioblasten und die sklerenchymatischen Fasern oberhalb des Phloems sind ebenfalls zu entdecken. Das Phloem des Sprosses sieht bei dieser Vergrößerung schon etwas deformiert aus, aber da müssen wir genauer hin sehen.
Bilder 37a-d: Xylem, Cambium und Phloem des Sprosses, Bilder 37b & d mit Beschriftung; vergrößerung 200 bzw. 400x, Stapel aus je 18 bzw. 16 Bildern




Wir finden einen klassischen Aufbau: auf das Xylem folgt das nun am Ende der Wachstumsphase direkt zwischen aus differenzierten Zellen liegende Cambium, darüber das Phloem, teils gefolgt von einem rötlich angefärbten disfunktionalen Teil und dann die die sklerenchymatischen Fasern. Den Abschluss nach oben hin bildet ein Rindenparenchym.
Auch hier sehen wir deformierte Phloemzellen, wie wir sie vom Blatt her kennen. Im Bild 37d sind einige besonders schöne Exemplare mit Pfeilen gekennzeichnet.
Der Blattansatz zeigt die selbe Anatomie wie die Querschnitte der Blätter selbst:
Bilder 38a,b: Blattansatz im Detail, Bild 38b mit Beschriftung; vergrößerung 100x, Stapel aus je 22 Bildern


Schön zu sehen die hier längs getroffenen, knochenförmigen Stomata und die stark ausgeprägte Cuticula auf Epidermis und teils sklerifizierter Hypodermis. Darunter ein schwach ausgeprägtes Assimilationsparenchym und eingelagert in das Mesophyll drei Leitbündel (natürlich mit deformiertem Phloem ...), Sekretgänge und Idioblasten.
Um das Bild abzurunden, noch einige Details:
Bilder 39a,b: Blattspur im Rindenparenchym, Bild 29b mit Beschriftung; Vergrößerung 100x, Stapel aus je 23 Bildern


Auffällig ist hier der große Anteil des - wenn auch deformierten - Phloems im Vergleich zum Xylem.
Bilder 40a,b: Markparenchym, Bild 40b mit Beschriftung; Vergrößerung 100x, Stapel aus je 20 Bildern


Auch im Markparenchym finden wir sklerifizierte Idioblasten. Umgeben ist das Mark von Primären Xylem und auf 8 und 2 Uhr lassen sich die Anfänge zweier Blattspuren erkennen.
Das Fazit bis hier hin:
- Viele Siebröhren des Phloems in Blättern beliebiger Altersstufen und des Sprosses sind deformiert,
die Zellen der Siebröhren wirken wie zugequollen.
- Im Vergleich der unterschiedlichen Präparationsgänge und mit den frischen Schnitten ist
ein Präparationsartefakt quasi ausgeschlossen
- Die Einlagerung von Calciumoxalat erfolgt anscheinend schon in der zweiten Wachstumsphase eines
Blattes, danach ist nur noch wenig Änderung erkennbar.
Was bleibt zu tun?
Ich hoffe, bald die Arbeit zur Blattanatomie der Wollemie zu bekommen:
Australian Journal of Botany 47(5), 1999, S. 795 - 806
"Leaf Anatomy of Wollemi Pine (Wollemia nobilis, Araucariaceae)"
Geoffrey E. Burrows and Suzanne Bullock
und bin gespannt, was die Autoren zum Phloem sagen.
Und natürlich: wie schon von Detlef vorgeschlagen, werde ich im kommenden Frühjahr frische junge Blätter schneiden und auch schauen, ob die beobachtete Deformation des Phloems in den älteren Blättern vielleicht reversibel ist. Dies würde dann auf einen Witterungsschutz in der Ruhephase hindeuten.
Von Längsschnitten erwarte ich mir keine neuen Erkenntnisse, werde sie aber bei Gelegenheit nachliefern.
Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.
Herzliche Grüße
Jörg