Strudelwurm Stenostomum leucops

Begonnen von Michael, November 09, 2016, 08:58:27 VORMITTAG

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Michael

Hallo Freunde des Tümpels,

Stenostomum leucops ist der häufigste Strudelwurm in unseren Gewässern und ist deshalb wohl jedem von Euch bereits einmal untergekommen. Da die flinken, lichtscheuen Tiere nicht sonderlich leicht zu mikroskopieren sind, könnte ich mir vorstellen, dass viele von Euch – ebenso wie ich – auf Anhieb nicht viel vom Aufbau der Tiere erkannt haben und ihm auch nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt haben. Deshalb möchte ich heute diese interessanten Tiere näher vorstellen.


Bild 1: S. leucops; A: dorsal; B: lateral; PL25
A: ,,Augen"; D: Darm; Dd: Darmdrüsen; hG: Gerhirnhinterlappen; vG: Gehirnvorderlappen; P: Pharynx; pD: Pharynxdrüsen; Wg: Wimperngrube


S. leucops mit seinen ca. 500 µm Länge ist mikroskopisch leicht an den auffälligen Drüsenpaketen (Dd) in der Darmwand und den beidseitigen Wimperngruben am Kopf zu erkennen. Da das drehrunde, weiche Tier durch ein Festlegen mit dem Deckglas stark deformiert wird, habe ich (mit dem entsprechenden Ausschuss) versucht, es möglichst frei beweglich zu fotografieren.
Das große Gehirn gliedert sich in zwei stark gefurchte Vorderlappen (vG), die in direkter Verbindung mit den Wimperngruben (Wg) stehen, und in zwei glatte Hinterlappen (hG), deren hintere Ausläufer je eine auffällige, unpigmentierte Struktur tragen, die an ,,Augen" (A) erinnern. Ob diese ,,Augen" die Funktion eines Photorezeptors besitzen, ist noch nicht vollständig geklärt. Auch bei den Wimperngruben wird, zusätzlich zu ihrer Funktion als Chemo-Rezeptor, eine Lichtempfindlichkeit vermutet.
Der Mund liegt ventral in der Mitte des Tiers und mündet in einen einfachen Pharynx (P), mit dem die Nahrung eingesaugt wird. Von hier gelangt die Nahrung in den großen Darm ohne After, in dem die eigentliche Verdauung stattfindet. Die Nahrungsreste werden nach dem Verdauen wieder durch den Mund ausgestoßen. In den Pharynx münden große Speicheldrüsen (pD).


Bild 2: S. leucops; A: Hautzellen mit Rhabditen; B: ausgestoßenen Rhabditen; C: Muskelaufbau im polarisierten Licht

Die äußere Hülle des Tieres besteht aus mehreren Schichten. Alle Epidermiszellen sind bewimpert. Diese Bewimperung dient der Fortbewegung des Tieres und kann, da sie doppelbrechend ist, gut im polarisierten Licht beobachtet werden (Bild 2C, blauer Saum). Die Epidermiszellen enthalten viele quellbare, stäbchenförmige Strukturen (Rhabditen) (Bild 2A), die bei Gefahr klebrige Schleimfäden ausstoßen (Bild 2B). Unterhalb der Hautzellen liegt je eine Schicht Längs- und Ringmuskeln (Bild 2C, blau), mit denen die Körperbewegung und die Steuerung der Fortbewegung erfolgt.


Bild 3: S. leucops; A: Tierkette im Frühstadium; B: Spätstadium; C: Detail der Verbindung; D: getrennte Tiere

Fortpflanzungsorgane wurden in S. leucops sehr selten beobachtet. Zweifellos ist die Querteilung der Tiere der bei weitem häufigste Fortpflanzungsmechanismus. Dabei schnüren sich die ausgewachsenen Tiere etwa in der Mitte ein (Bild3A). Im Frühstadium sind noch keine Organe des Tochtertieres zu erkennen. Diese werden im Laufe der Zeit ausgebildet, bis zwei vollständig entwickelte Tiere vorliegen, die lediglich über eine schmale Brücke verbunden sind (Bild 3B). Der Darm des Muttertieres endet dann im Pharynx des Tochtertieres, so dass die Ernährung weiterhin über das Muttertier erfolgt. Außer Darm ist auch noch der Nephridien-Sammelkanal gemeinsam. (Bild 3B, 3C). Irgendwann trennen sich dann die beiden Einzeltiere (hier induziert durch den wachsenden Deckglasdruck) (Bild 3D).


Bild 4: S. leucops; Sammelkanal der Protonephridien

Die Ausscheidungsorgane bestehen aus einem System von Protonephridien, die in einen gemeinsamen Sammelkanal münden, der sich am Hinterenden des Tieres ins Freie entleert (Bild 4). Dieser unpaare Kanal ist ein einzigartiges Merkmal der Ordnung der Cantenulidae, zu der S. leucops gehört und ist mikroskopisch sehr schwer zu entdecken.

Ich hoffe, Euch ein wenig Lust auf Strudelwürmer gemacht zu haben.

Viele Grüße

Michael



P.S.: Nur der Vollständigkeit halber: Dieser Beitrag ist eine Zweitveröffendlichung aus dem Mikro-Tümpler-Forum

Gerne per Du

JB

Hallo Michael,

Toller Beitrag; insbesondere die Kombination in Bild 1A/B ist sehr gelungen.

Beste Gruesse, Jon

Michael

Hallo Jon,

vielen Dank für Deine lobenden Worte. Bild 1B war einfach ein Glückstreffer ("Auch ein blindes Huhn ...").
Mehr Geschicklichkeit steckt aber in der (zwar nicht so hübschen) Pol-Aufnahme (Bild 2C), über deren Aussagekraft ich mich besonders gefreut habe.

Viele Grüße

Michael

Gerne per Du