Es braust ein Stein mit Donnerhall...

Begonnen von Dünnschliffbohrer, Februar 14, 2017, 23:58:22 NACHMITTAGS

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Dünnschliffbohrer

Es braust ein Stein mit Donnerhall, mit Scheibengeklirr und Feuerball...

Um den Jahrestag nicht zu verpassen, hier schnell mal zwei Bilder von einem kleinen Steinchen (ca. 10 mm), welches bei dem Ereignis gefallen ist. Einmal aus 111 Bilden hochgestapelt, wobei Picolay aber mit der zunehmenden Größe des Objektes beim Heranfokussieren offenbar nicht mehr richtig klar kommt, und wohl daher diesen hässlichen Saum produziert. (Falls es nicht am Programm, sondern an meiner fehlenden Erfahrung auf dem Gebiet liegt, sind Verbesserungsvorschläge sehr willkommen!)

Und dann noch einmal auf ganz gering abgeblendet normal durch das Stemi (Wild M7S) fotografiert. Am Wochenende möchte ich noch mehr zu dem Thema zeigen, insbesondere einen Schliff (aber nicht selbst hergestellt).

Ich habe das Steinchen gekauft, um mir mal eine frische Schmelzkruste ganz genau ansehen zu können. Dafür reicht schon ein ganz kleines Steinchen. Im Museum kommt man ja bei den in den Vitrinen liegenden Stücken nicht nah genug heran, und hat sie auch nicht zur Verfügung, wenn man etwas aufgelesen und nach Hause gebracht hat. Pseudometeoriten mit einer dunklen Kruste findet man ja immer wieder einmal. Mein letzter stellte sich zu Hause schnell als ein heller Sandstein mit einer schalenförmigen dunkel-glänzenden Eisen- oder Mangankruste im Sinne der so genannten Liesegang´schen Ringe dar.

Hier jetzt erst einmal die Bilder, ungestapelt:

und gestapelt:





"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

Carlos

Hallo Dünnschliffbohrer,
Da bisher keiner geantwortet hat, meine Erklärung. Wie ich lese, hast Du Bilder eines "Stereo-Mik" gestapelt. Dumme Frage: hast Du durch eines der Okulare fotografiert? Da kann man nur stapeln, wenn dies so "gekippt" ist, dass es das Objekt senkrecht betrachtet. (Das könnte den Saum erklären. Aber ich nehme an, das weist Du.)
Nichts für ungut,
Gruß Carlos

Dünnschliffbohrer

#2
Hallo Carlos und alle anderen,

danke für die Antwort. Die Ursache der Säume kenne ich, aber nicht, wie ich sie mit Picolay weg bekomme/vermeide. Die Bilder wurden mit dem Stemi mit Fototubus gestapelt, aber im axialen Strahlengang, also zur Seite zentrisch unter den Fotostrahlengang geschwenktem Objektiv. Die Säume sind auch symmetrisch, das Objekt ist beim fokussieren nicht zur Seite ausgewandert. Sie sind einfach durch die Perspektive bedingt. Der Stein ist ja in jeder Raumrichtung ca. 10 mm groß, und davon wurden bestimmt mehr als die Hälfte durch den Stapel erfasst. Es ist wie bei einem Auto, was auf einen zu fährt. Je näher es kommt, umso größer wird es.

Nur dachte ich, wenn man bei Picolay "autoalign" einstellt, dass dann automatisch alle Bildpunkte der nächsten Ebene an die richtige Stelle verschoben würden. In diesem Falle hätten also alle Bildpunkte außerhalb der Bildmitte radial etwas nach zentral verschoben werden müssen, um so die Größendifferenz zwischen den einzelnen Schichten wieder auszugleichen. Das macht aber das Programm (noch?) nicht, oder ich habe etwas falsches eingestellt. Vieleicht verschiebt "autoalign" ja nur alle Bildpunkte mit gleichem Betrag und geicher Richtung wie ein Vektor (also nicht radial), dass dann nur im Falle eines seitlichen Auswanderns des Bildes, beim Stapeln wieder alles übereinander liegt.

Vielleicht liest ja Heribert Cypionka mit, und schreibt etwas dazu?
Gibt es andere Stapelprogramme, die diese Größenänderung bei sehr hohen Stapeln ausgleichen können?

So, aber jetzt zurück zum Meteoriten:
Hier noch zwei Fotos der Schmelzkruste. Sie ist ja nur sehr dünn, denn die Hitze hat während dem kurzen Fall gar keine Zeit in das Innere des Steines fortgeleitet zu werden und dort Schaden/Veränderungen anzurichten. Erstaunlich fand ich die viele Gasblasen in der Schmelzkruste, fast wie Bimsstein. Das manche Meteoriten viel Wasser enthalten, besonders betimmte kohlige Chondriten, hatte ich bereits gelesen. Aber Chelyabinsk ist ein hundsgewöhnlicher LL5-Chondrit, bei dem ich weniger "aufschäumende" flüchtige Bestandteile erwartet hätte. Ob es nun Wasser ist, oder CO2, oder gar Gase als Folgeprodukte des Sonnenwindes? Jedenfalls können diese Blasen vieleicht behülflich sein, um um eine echte Schmelzkruste von terrestrisch entstandenem Wüstenlack zu unterscheiden? Das könnte ein erfahrener Meteoritenjäger wahrscheinlich sagen. Mir ging es jedenfalls, wie in der Eingangsnachricht beschrieben darum, ein Vergleichsstück zur Verfügung zu haben.

Hier jetzt die beiden Bilder, bei denen es - bei nur geringer Stapelhöhe - keine wahrnehmbaren  perspektivischen Größenänderungen  (und damit Säume um das Objekt) gab:



"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

Ulrich S

#3
Moin,
bezüglich der Schmelzkruste kann ich den folgenden Link empfehlen:
http://www.meteorite-recon.com/home/meteorite-documentaries/meteorite-fusion-crust
und wer auf der Site noch etwas weiter sucht findet auch viele Infos zum Chelyabinsk-Meteoriten (bitte nicht Tscheljabinsk-Meteorit, ist zwar auch eine mögliche Transliteration des Namens der Stadt, aber der Meteorit heißt nunmal Chelyabinsk)
Grüße
Ulrich
Es kommt immer anders wenn man denkt

Dünnschliffbohrer

#4
Hallo Ulrich,
vielen für den sehr interessanten Verweis auf den Beitrag zu den Schmelzkrusten. Ich hatte bisher nur mit irdischen Gesteinen zu tun, und in meinen wenigen Büchern, die Meteorite thematisch berühren oder sogar behandeln steht da nicht soviel dazu drin. Ich selbst beschäftige mich mit dem Thema auch erst seit ein paar Wochen. Den Namen hab ich deinem Hinweis entsprechend geändert. Einen schönen Abend noch!
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

Heribert Cypionka

ZitatVielleicht liest ja Heribert Cypionka mit, und schreibt etwas dazu?

Leider lese ich das Forum nicht täglich, aber wie immer bin ich sehr gern bereit, mir den Bilderstapel anzusehen. Ich lerne immer was dabei, und oft kann ich das Ergebnis etwas verbessern. Gibt es eine Möglichkeit, mir die Bilder irgendwo hochzuladen (evtl. auch verkleinert per mail bis 20 MB).

Lieben Gruß

Heribert Cypionka

Dünnschliffbohrer

So, hier jetzt die angekündigten Dünnschliffbilder. Zunächst aber erst einmal ganz kurz etwas zur Einteilung der Meteorite, für alle, die mit dem Thema weniger vertraut sind.
Grundsätzlich werden drei Hauptgruppen von Meteoriten unterschieden:
1) Eisenmeteoriten aus Nickeleisen, bekannt sind die Widmannstätten-Figuren die nach dem Anätzen mit Salpetersäure sichtbar werden, und wegen der zu ihrer Bildung erforderlichen langen Zeiträume nur in Meteorischem Eisen gefunden werden können.
Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Meteorit von Treysa, von dem kein geringerer als der damals in Marburg tätige Alfred Wegener die Flugbahn anhand der Augenzeugenberichte berechnete. Der Meteorit wurde ein Jahr später im Wald nicht sehr weit entfernt vom kalkulierten Aufschlagspunkt gefunden, und liegt heute im marburger mineralogischen Museum.
2) Eisensteinmeteorite. Hierzu gehören A) die Pallasite, bei denen in Nickeleisen sehr große Olivin-Kristallaggregate eingeschlossen sind. Benannt sind sie nach dem Naturforscher Peter Simon Pallas, der im übrigen auch der Erstbeschreiber des Lanzettfischchens ist.
B) Die Mesosiderite, die selbst durch ein Einschlag auf einem Meteoritenmutterkörper (d.h. einem Asteroiden) entstanden sein sollen.
3) Steinmeteorite, die die häufigsten Fälle (aber nicht unbedingt der Funde) von Meteoriten repräsentieren. Diese werden in Chondrite (benannt nach den kugeligen Chondren) und die seltenen Achondrite unterteilt. Chondrite sind durch Aggregation ursprünglicher Materie im Zuge der Entstehung des Sonnensystems entstanden, während die Achondrite bereits einen Aufschmelzungs- und Differentierungsprozess in einem Himmelskörper hinter sich haben.
Der bei Tscheljabinsk gefallene Meteorit Chelybinsk ist ein gewöhnlicher Chondrit, und wird wie bereits in dem Eingangsbeitrag kurz erwähnt als LL5-Chondrit bezeichnet.
Chondriten werden nach ihrer chemischen  Zusammensetzung in drei Hauptgruppen, H, L und LL unterteilt. H-Chondrite haben einen hohen Gehalt an Eisen (vergleichsweise Nickel-armen), und zwar überwiegend an metallischem Eisen. Ihre silikatischen Minerale (im wesentlichen Olivin und Orthopyroxen) stellen dagegen die Eisenoxid-armen und Magnesium-reichen Endglieder der jeweiligen Mischristallreihen dar. L-Chondrite haben einin niedrigeren Gehalt an metallischem (Nickel-reicheren) Eisen und Eisenoxid. LL-Chondrite haben kaum noch metallisches Nickel-reiches Eisen, und das Eisenoxid ist in die Silikate eingebaut, was zu verhältnismäßig Eisen-reichen Mischkristallen führt (Prior´sche Regel).

Die Zahl hinter der Buchstabenkombination gibt den petrographischen Typ an. 1 & 2 kommen m.W. nur bei kohligen Chondriten vor. Typ 3 hat u.a. wohl ausgebildete Chondren, die mit aufsteigender Zahl (bis 7) immer schlechter erkennbarer werden, was durch eine zunehmende metamorphe Überprägung in der Tiefe des Mutterkörpers erklärt wird. Bei dem hier vorliegenden  Typ 5 sind die Chondren, die im Schliff (nicht mehr?) sehr zahlreich erkennbar sind, teilweise ziemlich "angefressen". (Es gibt hierzu aber noch eine ganze Reihe weitere Unterscheiidungsmerkmale, auf die ich an dieser Stelle erst einmal nicht weiter eingehen  möchte.)

Insgesamt 3 radialstrahlige Pyroxen-Chondren waren in dem Schliff zu finden.
Im linear polarisierten Licht:

Und bei gekreuzten Polaren:


Eine weitere, bei der durch die Schnittlage der strahlige Aufbau nicht so gut erkennbar ist:


Hier eine nur noch fragmentarisch erhaltene strahlige Pyroxen-Chondre:




Hier offenbar ein Rest einer einer Balken-Olivin-Chondre. Von dem ursprünglich runden Umriss ist überhaupt nichts mehr übrig geblieben:




Hier der Rand mit der Schmelzkruste:




Und hier  noch eine andere Stelle:




Die Chondren zeigen in der Regel ein Skelett-artiges Kristallwachstum, was auf eine schnelle Kristallisation (wie im Beispiel Schneeflocke) hinweist. Es soll aber auch homogen-glasige Chondren im manchen Chondriten geben. Insgesamt sieht das Gefüge in Chelyabinsk ziemlich chaotisch aus, das Gestein hat offensichtlich  - wohl bereits vor dem Fall - schon einiges durchgemacht (Impakt?). Die bunten Mineralkörner dürften ganz überwiegend Olivine sein. Es sind aber außer Olivin und Orthopyroxen als Hauptbestandteile eine Reihe weitere Minerale aus Chelyabinsk bekannt, die mir zumindest nicht in dem Durcheinander aufgefallen sind. Ich konnte auf die Schnelle nur einiges kurz anreissen. Außerdem bereitet es mir Schwierigkeiten, einzelne Mineralkörner zu Identifizieren, wenn sie sehr klein sind, und keine Kristallkanten oder Spaltrisse zum Messen der Auslöschungsschiefe mehr zeigen. Ein erfahrener Mineraloge kommt da sicherlich sehr viel weiter. Deshalb sind Ergänzungen und Berichtigungen sehr willkommen.



PS. (Für Heribert): ich hab ´n Emil mit dem Bilderstapel im Gepäck rübergeschickt.

"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]