Botanik: Spross-Längsschnitte der Zaunwinde *

Begonnen von Detlef Kramer, August 21, 2009, 22:49:47 NACHMITTAGS

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Detlef Kramer

Hallo Freunde der Pflanzenanatomie,

mir ist heute einmal danach, zu provozieren. Natürlich nicht im negativen Sinne. Wir werden seit Wochen mit immer schöneren Querschnitten von Spross und Blattstielen beglückt und die Fotos sind zum größten Teil berückend schön und auch entsprechend informativ. Aber: was ist eigentlich mit Längsschnitten? Da traut sich keiner ran, oder wie? Dabei sind die ästhetisch zwar ziemlich uninteressant, bieten aber eine Fülle von Informationen, die für das Verständnis, vor allem der Funktion, unerlässlich sind. Ich habe einmal versucht, mit einer kleinen Serie das Interesse daran zu wecken.

Zum Objekt: die gewöhnliche Zaunwinde Calystegia septium Warum die, wird hier noch nicht verraten, ist auch nicht wichtig.

Technik: kurze, ca. 10 mm lange Stängelabschnitte, die in Ethanol (ca.70%) und etwas Glycerol fixiert worden waren, wurden längs halbiert und mit Sekundenkleber auf ein Buchen-Kantholz aufgeklebt (Methode von Klaus Herrmann). Dann wurde dieses in die Spannzange eines Jung-Hand-Mikrotoms eingespannt und mit dem bekannten Einmalklingenhalter und Leica/Jung-Klingen längs geschnitten, anschließend in Etzold (klassisch, von Chemlab) gefärbt und in Includal CB eingeschlossen.

Fotos wurden mit einer Nikon-Coolpix 990 an einem Zeiss (W) Standard mit Apochromaten und einem 10 x KPL aufgenommen.

Als erstes eine Übersicht mit dem 10 x -Objektiv aufgenommen. Inder Mitte erkennt man, als prominentestes Detail, eine große Netz-Trachee aus dem sekundären Xylem. Das sind die weitlumigen Gefäße, durch die im ausgewachsenen Spross die Hauptmenge an Wasser und Nährstoffen transportiert werden.

Die verwaschenen Zellen unmittelbar darüber sind das Kambium, aus dem die sekundären Elemente von Xylem und Phloem entstehen. Darüber Phloem, d. h. Siebröhren und Geleitzellen, aber dazu später mehr.

Unterhalb der großen Netztrachee erkennt man Xylemparenchymzellen mit Hoftüpfeln in Aufsicht und darunter primäre Tracheen und evtl Tracheiden mit typischen Spiralverdickungen.


Kommen wir jetzt zum Phloem, das ja immer besondere Interpretationsschwierigkeiten bietet:


Hier habe ich gleich die Erklärungen eingefügt. Zu beachten ist, dass die Querwand der Geleitzelle genau über der Siebplatte steht. Das kommt daher, dass Siebröhren und Geleitzellen aus einer Zelle, der Siebröhrenmutterzelle hervorgehen. Nur dadurch kann man eine Geleitzelle, am Längsschnitt, eindeutig von anderen Phloemparenchymzellen unterscheiden. Die Geleitzellen können sich aber aber über die Länge eines Sibröhrengliedes nochmals mehrmals teilen, so dass an einem Siebröhrenglied mehrere Geleitzellen liegen.

Hier, zum Abschluss noch ein Längsschnitt, der das Ganze illustriert: eine Siebröhre mit den typischen Siebplatten und darüber angeordneter Geleitzelle:



Ich gebe zu, das ist vielleicht ein wenig kompliziert. Ich bin gerne bereit, das zu vertiefen und freue mich auf Fragen.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Segu

Hallo Detlef

die Längsschnitte finde ich sehr informativ.

Kannst du dein erstes Bild einmal mit Polarisation und Rot-1 Kompensator (geht auch ein Stück Plexiglas) betrachten. evtl. sogar hier anfügen.
Dadurch sieht man die Spiralverdickungen der Tracheen um einiges besser, vorallem die gegeläufige Wuchsrichtung der Spiralen.
mit freundlichen Grüssen

Michel Siegrist

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Fahrenheit

Lieber Detlef,

vielen Dank für Deine spannenden Bilder und Erläuterungen. Davon gerne mehr!

Habe ich das im Eschrich richtig verstanden, dass die Geleitzellen eine Rolle beim Stoffaustausch zwischen dem Phloem und seiner Umgebung spielen (Stichwort Phloembeladung und -entladung)?

Herzliche Grüße
Jörg
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Detlef Kramer

Lieber Jörg,

angesichts der späten Stunde dennoch eine einigermaßen erhellende Antwort.

Ich gebe hier die gängige, allerdings nicht völlig unwidersprochene Lehrmeinung wider:

Phloembeladung im Blatt: Durch Fotosynthese werden Zucker produziert und als Saccharose aus den Chloroplasten heraus in das Cytoplasma transportiert und von da aus der Zelle hinaus in den Apoplasten. Die Geleitzellen nehmen die Saccharose aktiv auf und transportieren sie in die Siebröhren. Dadurch entsteht hier ein osmotisches Potential, das Wasser nach saugt. Dadurch steigt der Druck in den Siebröhren, der Überdruck führt zu einem Massenstrom hin zu den Verbrauchs-Organen, nämlich Wurzel und Vermehrungsorganen usw.

Ich bin gerne bereit, diese Diskussion weiter zu führen, aber jetzt gehe ich in's Bett.

Gute Nacht

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Fahrenheit

Hallo Detlef,

vielen Dank für Deine Antwort zu so später Stunde!

Als ich Deinen Thread gesehen habe, habe ich "schnell mal" den Eschrich zum Thema Phloem quer gelesen (da bin ich noch nicht ...), da mich Deine Erläuterungen zur Bildung der Siebzellen an die Bildung der Blattspalte erinnert hat. Auch Dort entstehen die Schliesszellen-Mutterzelle durch inäquale Längsteilung(en) bei gleichzeitiger Bildung von Nebenzellen. 
Meine Frage beruhte auf dem, was dabei bei mir hängen geblieben ist. 

Wenn ich mich mal an eigene Längstschnitte gewagt habe, kommen bestimmt noch mehr Fragen auf. ;)

Herzliche Grüße
Jörg
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