Botanik: Der Tulpenbaum Liriodendron tulipifera *

Begonnen von Carsten Wieczorrek, Mai 27, 2017, 14:26:14 NACHMITTAGS

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Carsten Wieczorrek

Hallo,

wie blind kann man denn sein - oder - man sieht immer wieder etwas neues, selbst vor der eigenen Haustüre! Ich wohne im Kölner Norden, fast schon am Stadtrand. Von meinem Gartentor sind es etwa 100 m zu einem kleinen Marktplatz. Dort stehen ein paar Bäume, vor allem Ahörner und Linden. Hinter dem Marktplatz ist mein Brötchen-Bäcker. Ein Weg, den ich sicherlich schon tausend mal gegegangen bin. Vor ein paar Tagen ging mir dort ein komischer Gedanke durch den Kopf: "Merkwürdig, hier hat ja irgend jemand an diesem Ahorn an allen Blättern die mittlere Spitze weggeschnitten!". Kann natürlich nicht sein. Bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass der stattliche Baum auch blühte: gelb-rote Blüten in der Größe einer Kinderfaust. So etwas hatte ich noch nicht gesehen, jedenfalls nicht in Köln. Google brachte mich schnell zu http://www.blattbestimmung.de/ und von dort gelangt man mit nur drei klicks zu Liriodendron tulipifera.

Nachdem Jörg uns hier oft und viel über die Welwitschie und die Wollemie erzählt hat, freue ich mich, Euch hier auch mal ein "lebendes Fossil" vorstellen zu können.


Einleitung
Der Tulpenbaum ist eine der beiden Arten der Gattung Liriodendron in der Familie der Magnoliengewächse (Magnoliaceae). Er ist in Nordamerika verbreitet, der Großteil der Bestände befindet sich in den Appalachen und auf den Piedmontflächen von Pennsylvania bis Georgia.

Der Tulpenbaum ist ein sommergrüner, laubwerfender Baum. In der Natur wird er bis zu 40m, in Einzelfällen bis zu 60 m hoch. Er gilt als der größte Laubbaum Nordamerikas. Bei alten Bäumen steht der Stamm auf einem halbkugeligen Fundament, das sich aus dem Wurzelwerk bildet. Die Laubblätter bestehen aus Blattstiel und Blattspreite. Der Stiel wird bis zu 12 Zentimeter lang. Die Blattform erinnert stark an ein Ahornblatt, bei dem der Mittellappen gerade oder leich schräg abgeschnitten wurde. Junge Blätter sind an der Achse zusammengefaltet. Die Blattspreite erreicht Längen von bis zu 15 Zentimetern und Breiten von bis zu 20 Zentimetern.

Laut Wikipedia liegt die Blütezeit zwischen April und Mai. Die Blüten stehen einzeln an Zweigenden. Die Blüten sind zwittrig. Die Früchte sind geflügelt und erinnern ebenfalls an eine Ahorn-Frucht. Alle Pflanzenteile sind für den Menschen giftig. Die Giftwirkung soll im wesentlichen auf das Alkaloid Glaucin zurück zu führen sein.

Nach Untersuchungen des Genoms der Mitochondrien zählen diese Bäume zu den ursprünglichsten aller lebenden Blütenpflanzenarten. Als "echtes" Fossil ist dieser Baum seit 100 Millionen Jahren nachweisbar.


Baumfotos
Bild 1 zeigt den Tulpenbaum auf meinem Marktplatz, Bild 2 zeigt ein Laubblatt. Bild 3 zeigt eine Blüte. Leider war hier aufgrund der Höhe (ca. 6m) keine Makroaufnahme möglich, hier musste das Tele herhalten. Bild 4 schließlich zeigt die Rinde dieses Baumes.

Bild 1 : Baum in totale



Bild 2 : Blatt des Tulpenbumes



Bild 3 : Blüte des Tulpenbumes



Bild 4 : Rinde des Tulpenbumes



Präparation
Von dem Baum wurde ein etwa 5 mm dickes Ästchen geschnitten und davon frisch Schnitte mit dem Handmikrotom hergestellt. Geschnitten wurde mit Leika-Einmalklingen etwa 30 µm. Die Schnitte wurden 30 min in AFE fixiert und über 50% Ethanol in Wasser überführt. Gefärbt wurde mit WAsim I und II sowie Etzold blau. Gefärbt wurde etwa 6 Minuten bei 60°C. Nach Auswaschen der Schnitte in Wasser, Differenzieren (40 sec. in Ethanol 50%) und Entwässern wurde direkt aus Isopropanol in Euparal eingedeckt.


Mikrofotos - Technik
Wenn nicht anders angegeben, wurde die Fotos mit PICOLAY gestackt. Das Übersichtsbild wurde mit Microsoft Image Composite Editor erstellt, die zoombare Ansicht mit Hilfe von zoomify. Alle Bilder sind mit Helicon Filter geputzt und korrigiert (Weißabgleich, Helligkeit und Kontrast).


Mikrofotos
So, kommen wir nun zu den Mikrofotos. Bild 5 zeigt eine Übersicht über den ganzen Schnitt. Gefärbt wurde hier mit Etzold blau. Das Bild ist gestacked und gestitched. Die Originalgröße des Bildes liegt bei 27500 x 23400 pixel. Zu dem Bild gibt es eine zoombare Ansicht.


Bild 5 : Übersicht über den ganzen Schnitt
zoombare Ansicht : http://www.rheinflut1995.de/s_tulpenbaumzoom.html


Leider hat Etzolds blau die korkigen Rindenzellen völlig überfärbt.


Details
Die Bilder 6 und 7 zeigen das selundäre Xylem, gefärbt mit Etzolds blau, Bild 6 zeigt dabei den Übergang zum Kambium / den Leitbündeln, Bild 7 den Übergang zum Mark. Bild 8 zeigt einen vergleichbaren Ausschnitt wie Bild 6, hier aber gefärbt mit WAsim II. Bild 9 zeigt ein Leitbündel in Etzold blau und Bild 10 eine Nahaufnahme des sek. Xylems

Bild 6 : sek. Xylem mit Übergang zum Kambium



Bild 7 : sek. Xylem mit Übergang zum Mark



Bild 8 : sek. Xylem mit Übergang zum Kambium



Bild 9 : Leitbündel



Bild 10 : sek. Xylem Detail



Weitere Details
Bild 11 zeigt das sek. Xylem mit zwei Holzstrahlen im polarisierten Licht. Man kann gut erkennen, das die Holzstrahlen hier aus 2 Zellen gebildet werden.

Die Bilder 12, 13 und 14 zeigen ein Leitbündel, gefärbt mit WAsim I. Zu sehen ist in dieser Reihenolge : Polarisation mit fast gekreuzten Filtern, normales Durchlicht, Auflichtfluoreszenz mit 470 nm Blauanregung.

Bild 15 zeigt einen vergleichbaren Ausschnitt wie Bild 11, aber hier in Auflichtfluoreszenz mit 470 nm Blauanregung.

Zum Abschluss noch ein Bild (16) der Epidermis mit vielen Korkzellen, hier gefärbt mit WAsim I.


Bild 11 : Holzstrahlen, polarisiertes Licht (nicht gestackt)



Bild 12 : Leitbündel, polarisiertes Licht (nicht gestackt)



Bild 13 : Leitbündel, normales Durchlicht (nicht gestackt)



Bild 14 : Leitbündel, Auflichtfluoreszenz (nicht gestackt)



Bild 15 : Holzstrahlen, Auflichtfluoreszenz (nicht gestackt)



Bild 16 : Epidermis und Kork (nicht gestackt)



Und nun viel Spaß beim Betrachten und weiterhin sonniges Wetter,
Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

Hans-Jürgen Koch

Hallo Carsten,

ein sehr interessanter Beitrag zum Tulpenbaum.
Auffällig ist der unterschiedliche Helligkeitsgrad (Bild 5 – Übersicht). Im unteren Drittel ist das Bild wesentlich dunkler.
Wenn Du mit den Aufnahmen einige Tage wartest und das Euparal ausgehärtet ist, verschwinden auch die kleinen Luftblasen aus dem Markparenchym.

Mit freundlichem Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

limno

Hallo Carsten,
kleine Korrektur am Rande: Das was Du als "Rinde" bezeichnest ist eine Borke, Sie besteht aus abgestorbenem Gewebe, Rinde aber lebt! Die heimische Rotbuche z.B. hat nur wenig Borke und ist gegen starke Sonneneinstrahlung empfindlich.
Abendgrüße von
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Carsten Wieczorrek

Hallo Heinrich,
der Unterschied zwischen Rinde und Borke war mir tatsächlich nicht bewusst,  danke.
Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

Fahrenheit

Lieber Carsten,

Deine Schnitte werden immer besser! Vielen Dank für den interessanten Thread zum Tulpenbaum, den ich gerne gelistet habe.

Nochmal kurz zu Rinde und Borke:

Als Rinde bezeichnet man üblicherweise alles, was ausserhalb des Zentralzylinders (= des Holzteils oder Xylems und des Cambiums) liegt. Das Phloem sind da mit eingeschlossen und somit hat Heinrich Recht.
Die Borke ist das teritäre Abschlußgewebe einer Pflanze, das auf Rindenparenchym und Epidermis (primäres Abschlußgewebe) und Periderm (sekundäres Abschlußgewebe) folgt. Sie entsteht, wenn sich das Periderm innerhalb des Rindenparenchyms und nicht direkt unterhalb der Epidermis bildet und/oder wenn im Rahmen des sekundären Dickenwachstums ein weiteres Periderm unterhalb des ersten angelegt wird. Sie kann je nach Pflanzenart aus abgestorbenen Zellen des Rindenparenchyms, des Pholems und den Korzellen des neuen Periderms (Phellem), ggf. in jeweils mehreren Schichten bestehen:
http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/borke/10075

Siehe auch Esau 1969, Kapitel Das Periderm, S. 248.

Der kleine Ast hier ist bereits im zweiten Jahr: das Bild 5 zeigt schön eionen Jahresring im Xylem. Somit hat das sekundäre Dickenwachstum bereits eingesetzt. Wenn ich mir Bild 16 ansehe, sieht das für mich so aus, als ob sich unter der bereits abgestorbenen Epidermis mit der noch intakten Cuticula bereits ein Periderm mit mehreren Lagen Phellem und je einer Lage Phellogen und Phelloderm gebildet hat. Dabei ist die alte Epidermis noch nicht eingerissen. Ich würde vermuten, dass das Ästchen eine leicht graue Farbe gehabt hat.
Bild 5 zeigt ja neben einigen Lentizellen auch oben einen abgeflschten Bereich mit stark verdicktem Periderm. Ich würde vermuten, dass dort die Epidermnis bereits eingerissen ist.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Klaus Herrmann

Hallo Carsten,

ich hab den Tulpenbaum täglich vor Augen. Geblüht hat er in den vielen Jahren allerdings selten. Die Blüten sind auch nicht so auffällig. Er wächst wie der Teufel. Jedes Jahr lassen wir oben ca 1 m stutzen.

ZitatLeider hat Etzolds blau die korkigen Rindenzellen völlig überfärbt.

dagegen hilft: 1:1 verdünnen und kürzer färben. Ich habe eine meiner ersten Schnittversuche mit Färbung an einem Zweig gemacht. Ergebnis war nach meiner Erinnerung zum wegwerfen schlecht und auch zu stark gefärbt. Sollte ich glatt mal wiederholen.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken