Histologie Culexlarve Abdomen Acridinorange

Begonnen von Jürgen H., Juni 21, 2017, 15:42:07 NACHMITTAGS

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Jürgen H.

Liebe Mitmikroskopiker,

Ralf Feller hat mir netterweise vor einiger Zeit eine von ihm eingebettete Mückenlarve zugesandt. Die Larve ist in einem AFD Gemisch fixiert und in Paraffin eingebettet worden. Ich habe die Einbettung in Xylol gelöst und die Larve neu in Paraffin eingebettet, weil ich keine Möglichkeit hatte, das Einbettröhrchen von Ralf mit einem Dremel aufzuschneiden. Bei der Neueinbettung habe ich den Kopf vom Abdomen getrennt, weil mich hauptsächlich der Darm interessierte. Das so eingebettete Abdomen ist quer geschnitten. Zunächst habe ich eine Übersicht in Hämatoxylin Ehrlich/Azophloxin gefärbt:



Der Darm erscheint im Schnitt zentral, von einigen Malphigischen Gefäßen umgeben. Schon auf den ersten Blick fallen die vielen Darmzilien auf, die ins Darmlumen hereinragen, weiterhin, dass der Darminhalt von den Darmwänden absteht, weil er von der sogenannten peritrophischen Membran umgeben ist, in der er wie in einem Korb liegt. So kann er von den Verdauungssäften erreicht werden, ohne dass er die Darmwand schädigen kann.

Der Aufbau wird in einer stärkeren Vergrößerung vielleicht noch deutlicher, insbesondere die Cilien werden so deutlich sichtbar, ebenso das dünne quergeschnittene Häutchen der peritrophischen Membran, deren siebartige Struktur allerdings lichtmikroskopisch nicht auflösbar ist:



Weil ich die Azanfärbung liebe, habe ich auch eine entsprechende Färbung vorgenommen:



Es fällt die fast absolute Leere zwischen der peritropischen Membran und der Darmwand auf. Daher stellte sich mir die Frage, unter welchen Umständen und wie Mikrobionten, insbesondere Bakterien die peritrophische Membran überwinden. 

In diesem Zusammenhang habe ich Acridinorangefärbungen untersucht. Gemeinhin ist bekannt, dass Mundschleimhautbakterien, die mit Acridinorange behandelt werden, bei Blaulichtanregung orange leuchten, während die Epithelzellen sich grün gefärbt darstellen. Ein erster Versuch in diese Richtung ergab bei mir jedoch ein einheitlich grünes Bild. Weitere Versuche machten mir deutlich, was ich hätte wissen sollen: Die orangene Bakterienfärbung tritt erst bei einer entsprechenden Konzentration der Acridinorangelösung ein. Sobald ich die Lösung aber zu hoch konzentrierte, ergab sich hinwiederum ein einheitlich orangenes Bild von allen Zellen. So jedenfalls, solange ich eine sörensengepufferte Lösung verwendet habe. In dem Moment jedoch, in dem ich die AO Lösung auf etwa ph3 eingestellt hatte, ergab sich auch mit der höheren Konzentration das gewünschte Bild: Epithelzellen grün Bakterien orange.

Eine Färbung des Larvenquerschnitts mit AO führt zu folgenden Bildern:




Die peritrophische Membran habe ich hier mit PM gekennzeichnet. Auch hier sehen wir zwischen der Membran und der Darmwand keinerlei Bakterien. Bei den kleinen grün leuchtenden bötchenartigen Gebilden im Darminhalt handelt es sich wohl um Hefezellen, mit denen Ralf seine Larven gefüttert hat.

So weit bin ich zunächst. Es ergeben sich folgende Fragen:

Wie ist der Färbungszusammenhang bei AO? Offenbar spielen die Komponenten saures oder neutrales Milieu und die Konzentration ein Rolle. Aber warum?

Klar ist, dass einige Mikrobionten durch die peritrophische Membran hindurchkommen. Sonst hätten wir einige böse Erkrankungen nicht. Aber was ist mit den Darmbakterien? Befinden sie sich gegebenenfalls nur innerhalb des Membrankorbes? Auch dort habe ich sie mit meinen Mitteln des histologischen Schnittes allerdings nicht festgestellt.

Kürzlich erschien nun in der FAZ  ein Hinweis auf einen fachwissenschaftlichen Artikel, nach dem einige Insekten zur Verdauung keine symbiotischen Bakterien benötigen. http://www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/wie-insekten-ohne-darmflora-leben-15058519.html

Ich meine mich auch zu erinnern gelesen zu haben, dass die Besiedelung mit Bakterien, wenn sie denn vorkommt, gegen Ende des Larvendaseins vom entstehden Insekt weitgehend beseitigt werden kann, finde aber die Fundstelle nicht mehr. Weiß jemand aus dem Forum mehr über die Zusammenhänge?

Schöne Grüße

Jürgen



Jürgen H.

Mittlerweile habe ich den Artikel aus dem Netz gefischt, nach dessen Inhalt unter anderem culex sich beim Übergang aus dem larvalen Stadium von Bakterien befreien kann:
http://www.bioone.org/doi/abs/10.1603/0022-2585-38.1.29?journalCode=ment

Das scheint ein ganz interessanter Artikel zu sein. Denkbar ist immerhin, dass eine entsprechende "Darmreinigung" am Ende des aquatischen Lebens für die Zukunft erforderlich ist. Die Larve, die ich geschnitten habe, wies im Kopf bereits sehr deutliche fast perfekte Antennen auf.

Zu bedenken sind allerdings auch meine sehr begrenzten Untersuchungsmittel u n d -methoden, die zu falschen Ergebnissen führen können.

Schöne Grüße

Jürgen

Jürgen H.

Soweit an diesem doch schon sehr speziellem Thema Interesse besteht: Ich habe gerade festgestellt dass der oben als abstract verlinkte Artikel im Netz auch vollständig zu haben ist:





http://s3.amazonaws.com/academia.edu.documents/40152544/Meconial_Peritrophic_Membranes_and_the_F20151118-6682-iizm1v.pdf?AWSAccessKeyId=AKIAIWOWYYGZ2Y53UL3A&Expires=1498065325&Signature=f0PwNPhV90lTr7YGAEuBpITsNXE%3D&response-content-disposition=inline%3B%20filename%3DMeconial_Peritrophic_Membranes_and_the_F.pdf

Ich staune immer wieder über die morphologische und funktionelle  Vielfalt, die mir die kleinen Insekten zeigen.

Frohes Schwitzen, bei mir sinds 36 Grad im Schatten

Jürgen

Ronald Schulte

Jürgen,

Sehr schöne Bilder und ich freue mich schon das ich endlich an meine Rente Zeit anfangen kann. Bis Ende August muss ich noch Vollgas, dann kommt die Histologie wieder und werde ich gleich mal anfangen mit eine Zucht und die Tiere in Technovit 8100 und 7100 einbetten. Ich bin sehr gespannt wie das mit Insekten gehen wird.
Was mir auch auffallt ist die gute Färbung von das Acridin.

Gruße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Holger Adelmann

Wieder ein spannender Beitrag, lieber Jürgen- Kompliment.

Viele Grüsse,
Holger

Jürgen H.

Lieber Ronald, lieber Holger,

ziemlich verspätet, aber um so herzlicher bedanke ich mich für eure Worte!

Ronald, wir werden hoffentlich Dein künftiges Rentnerdasein hier im Forum mit vielen Bilderen genießen!

Schöne Grüße

Jürgen