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Kristalline Spielereien

Begonnen von Reinhard, Juli 07, 2017, 18:57:26 NACHMITTAGS

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Reinhard

Hallo Freunde,



Bei  der Beschäftigung  mit dem  Nachweis von Metallen-Ionen (u.a.) als charakteristische Kristalle  unter dem Mikroskop stößt man früher oder später auf die die Gruppe der Doppel- und Mehrfach-Kristalle, bei denen erst eine (meist) Zweier- oder Dreierkombination von Kationen zur der bekannten Nachweisform führt.

Ein bekannteres Beispiel sind die hier schon von Klaus, Heiko und mir vorgestellten "Tripelnitrite", die schon seit den Anfängen der Mikrochemie zum Nachweis hauptsächlich von Blei (Pb) und Kupfer (Cu) benutzt wurden und der Formel
           
     (K, Rb, Cs, Tl)2(Pb, Ba, Sr, Cd)(Cu, Ni) (NO2)6     gehorchen.

Das bedeutet, jedes der in der Formel vorkommende Kationen (Metall) läßt sich in einer Probe nachweisen, indem man jeweils ein anderes aus den beiden anderen Klammern zufügt.
So wird z.B. Pb (Blei) in einer Probe (Mineral oder Legierung z.B.) durch Zugabe von Kalium (K) und Kupfer (Cu)  als   K2PbCu(NO2)6  nachgewiesen.

Charakteristisch für die Tripelnitrite ist die kubische Form der Mikrokristalle unter dem Mikroskop.
Darüberhinaus sind die meisten der Kristalle schwarz, braun oder gelb; (m.E.) lediglich die Strontium-enthaltenden Kombinationen sind tiefgrün.

Weiteres Kriterium ist, daß die Kristalle gegenüber der prozentualen Zusammensetzung sehr tolerant sind, das heißt, innerhalb gewisser Grenzen bleiben die optischen Kristalleigenschaften unverändert.

Dagegen  ändern sich z.B. Form Größe und Farbe des folgenden Tripels aus der Gruppe der "Thiocyanatomercurate":

     (Cu, Cd, Co)(Zn) [Hg(SCN)4]

Während das Salz Co[Hg(SCN)4] eine tiefblaue Rechteckform (Bild1)



und das Zinksalz Zn[Hg(SCN)4] eine grauschwarze fedrige Gestalt aufweist, zeigen die Mischungen von beiden als "Thiocyanatomercurat" einen mehr oder weniger kontinuierlichen Übergang im Habitus des Kristalls.
Zunächst weichen die Co-Kristalle von der Rechteckform zu Verzweigungen bei weitgehendem Farberhalt auf; dann geht die Form unter Verlust der leuchtend blauen Farbe immer mehr in Richtung der stark aufgefiederten Form des Zn-Kristalls über.
(Bilder 2 - 6)















Diese Eigenart hat mich auf die Idee gebracht, zu untersuchen, ob diese "Morphogenese" nicht sogar eine gewisse quantitative Aussagekraft bezüglich der Analyse von z.B. Verbindungen von Co und Zn in Mineralen (und Legierungen) zuläßt.
Dabei ist mir bewußt, das sowohl Änderungen der Gesamtkonzentration, weiterer äußerer Bedingungen  wie auch die Anwesenheit weiterer  Ionen (im Mineral) zu Einschränkungen der Aussagekraft führen können.


Die vorausgehenden Bilder sind  die Extrakte aus vielfachen Kristallbildern unter möglichst gleichen Bedingungen (z.B. durch Herstellen von 0,1m Lösungen der Teilnehmer und Aufnahmen in der Mitte des Testtropfens in der Frühphase der Kristallisation.

Dann habe ich nach einem Mineral gesucht, daß sowohl Co wie auch Zink enthält.
Dabei finden sich neben Kobaltkoritnigit  [ (Co,Zn)(AsO3)(OH) H2O ] mit (Co0,75, Zn0,25)-Verhältnis




und Cobalt-Smithsonit kaum weitere gängige Mineralien.
Eine winzige Probe des erstgenannten Minerals wurde gelöst und mit (NH4)2[Hg(SCN)4]  auf dem Objektträger versetzt.
Sofort bilden sich blaugraue Kristalle (Bild7), die mit der "Morphogenese"-Liste (2 - 6)verglichen wurde.




Das Ergebnis zeigt nicht nur, daß mit dem Reagenz gleichzeitig zwei Kationen in Form eines Mischkristalls nachgewiesen werden können, sondern darüberhinaus eine Abschätzung des Mischungsverhältnisses derselben möglich ist.
Im vorliegenden Fall weisen Farbe und Form der Probe auf ein Mischungsverhältnis eher im Bereich von 1:1 hin. Da die Mineralstufe verschiedene Pink-Farbintensitäten aufweist, läßt sich der Nachweis hier auch nur für die winzige Entnahmestelle durchführen.

mikrochemische Grüße

Reinhard
seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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www.mikrochemie.net

Heiko

Hallo Reinhard,

mit großem Interesse habe ich Deine Dokumentation gelesen. Neulich hattest Du mich mit den Tripelnitriten ja geradezu infiziert. Nun kommst Du mit Verbindungen des Mercuriums gleich komplex quantitativ ambitioniert daher.
Nun beschreiben JANDER/BLASIUS und EMICH die Zink-Mischspecies als hellblau. Was ist hiervon zu halten?
Ist diesem Farbeindruck zu folgen, wenn ,,tiefblau" und ,,schwarzgrau" mischkristallin zusammenfinden?

Viele Grüße,
Heiko

Reinhard

Hallo Heiko,

einen Mischkristal, der heller blau ist als das "Ausgangsmaterial"  Co-Thiocyanatomercurat, halte ich für nicht möglich.
Auch die Beschreibung im sonst hervorragenden Buch: "Handbook of Chemical Microscopy" von Chamot u. Mason (II) ist aber m.E. unscharf.
Die leuchtend blauen Co-Salze gehen farblich nahtlos mit zunehmendem Zinkanteil in die grauschwarze Farbe des reinen Zinksalzes über.
Dieser Zusammenhang ist deutlicher als die Veränderungen der Kristallform, die in gewissen Grenzen, abhängig überwiegend von der Konzentration
der Teilnehmer, überlappt.
Eine Colorimetrie könnte somit wahrscheinlich ein ziemlich genauer Indikator für die Zusammensetzung der Mischkristalle sein.

Ähnliche Quantifizierungsversuche habe ich mit den Kupfer-Zink-Thiocyanatomercuraten versucht.
Hier bilden sich aber überwiegend Mischungen vom gelben Cu-Salz und dem schwarzen Zinksalz, ohne daß ich eine ausreichende Gesetzmäßigkeit hätte ausmachen können.

alchemische Grüße
Reinhard
seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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Heiko

Hallo Reinhard,

danke für Deine Antwort.
Meine ,,Quecksilber-Erfahrungen" gehen praktisch gegen Null – aber vielleicht ist die Hemmschwelle jetzt so weit erniedrigt, dass ...

Noch einmal zum Zinktetrathiocyanatomercurat(II) und dessen Farbe. Makroskopisch sollten die Kristalle doch weiß sein, denke ich. Hier z.B. http://www.mikrohamburg.de/Kristalle_2/AAA_Kristalle_03.pdf sieht die Sache dann natürlich auch schon etwas anders aus.
Nun weiß ich nicht, ob da vielleicht eine Lichtempfindlichkeit bestehen könnte, die schnell zur Kontrastierung führt?

Viele Grüße,
Heiko

Reinhard

Hallo Heiko,

die Erklärung findet sich im "Handbook of chemical microscopy" von E.M.Chamot und C.W.Mason, Vol.II 1940: Seite 137 (aber auch im "Geilmann")

" zinc yields an almost instantaneous precipitation of pure white (colorless) feathery crosses and branching feathery aggregates which appear black by transmitted light."   und:
" under the conditions which usually obtain in testing upon an object slide skeleton and dendritic cristals predominate..."

viele Grüße
Reinhard
seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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Heiko

Danke Reinhard,

demnach ist die dendritische Struktur als Ursache verstärkter Absorption anzusehen.

Viele Grüße,
Heiko