Botanik: Die Spießtanne (Cunninghamia lanceolata) & die Transfusionstracheiden *

Begonnen von Fahrenheit, November 08, 2017, 18:03:17 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

in verschiedenen Nadelquerschnitten sind sie mir begegnet, aber besonders bei den Palmfarnen waren sie nicht mehr zu übersehen: die Transfusionstracheiden. Transfusionstracheiden gehören mit dem deutlich schwieriger zu erkennenden Transfusionsparenchym zum sogenannten akkzessorischen Transfusionsgewebe, einer Vorform der "modernen" Leitbündel, die in den Blättern der Gymnospermen noch immer in mehr oder weniger großem Umfang zu finden ist.
Erläuterungen zu dieser Gewebeform finden sich in allen Büchern zur Pflanzenanatomie. So z.B. im Esau (Histologie des Gymnospermenblattes, S. 326 ff, 1969) oder im Band Gymnosperms aus der Reihe Botany for Degree Students (Vasishta, Sinha, Kumar, S.Chand, 2005, S. 317 ff) und die Spießtanne (Cunninghamia lanceolata) wird als eine der Pflanzen mit besonders ausgeprägten Transfusionstracheiden genannt. Klar, dass ich da mal rein schauen musste. 
Die Probe stammt einmal mehr aus dem Botanischen Garten der Universität Bonn, der mich bei meinen Ausflügen in die mikroskopische Pflanzenanatomie immer sehr großzügig unterstützt. Nach der Vorstellung der interessanten Pflanze im gewohnten Format möchte ich aber auch die Transfusionstracheiden aus verschiedenen von mir bereits geschnittenen Pflanzen gegenüber stellen und vergleichen. Das wird hier also mal wieder etwas umfangreicher. :)
Starten Wir zunächst mit der makroskopischen Beschreibung der Spießtanne.


Die Spießtanne (Cunninghamia lanceolata)

Die Spießtanne (Cunninghamia lanceolata) ist die einzige Pflanzenart der Gattung Cunninghamia und auch die einzige Art der Unterfamilie Cunninghamioideae in der Familie der Zypressengewächse (Cupressaceae). Sie ist in Südasien heimisch und in China ist sie sogar eine der wirtschaftlich wichtigsten Baumarten.

Abb. 1: Eine Spießtanne in freier Natur

Quelle: Wikipedia, Manuel Anastácio, 2005, CC BY 2.0

Die Gattung Cunninghamia wurde 1826 durch Robert Brown in Achille Richard: Commentatio botanica de Conifereis et Cycadeis, 80, S. 149 aufgestellt. Sie enthält die einzige Art Cunninghamia lanceolata (Lamb.) Hook., die als Pinus lanceolata durch Aylmer Bourke Lambert 1803 erstbeschrieben wurde. Der wissenschaftliche Gattungsname ehrt den britischen Arzt und Pflanzensammler James Cunningham († 1709), der diese Pflanzenart in China entdeckte.

Es werden zwei Varietäten unterschieden:
Die Chinesische Spießtanne (Cunninghamia lanceolata var. lanceolata; (Syn.: Pinus lanceolata Lamb., Belis jaculifolia Salisbury, Cunninghamia sinensis R.Br. ex Richard & A.Richard) und die
Taiwanesische Spießtanne (Cunninghamia lanceolata var. konishii (Hayata) Fujita (Syn.: Cunninghamia konishii Hayata, Cunninghamia kawakamii Hayata)). Diese Varietät wird von manchen Autoren auch als eigene Art angesehen: Taiwan-Spießtanne (Cunninghamia konishii Hayata).

Zudem werden in China drei Kulturvarietäten unterschieden:

Cunninghamia lanceolata cv. lanceolata weist eine recht starre, gelbgrüne Benadelung auf. Das Holz ist rötlich.
Cunninghamia lanceolata cv. glauca weist relativ lange und weiche, grau- bis blaugrüne Blätter auf. Sie wächst deutlich schneller als cv. lanceolata.
Cunninghamia lanceolata cv. mollifolia weist dünne und weiche Blätter ohne spitzen Apex auf. Sie kommt in den Provinzen Yunnan und Hunan vor.

Abb. 2: Eine der drei Cunninghamia lanceolata im Botanischen Garten Bonn


Das Verbreitungsgebiet der Spießtanne erstreckt sich von China, Vietnam und Laos bis Kambodscha. Als Nutzpflanze wurde sie in Japan und China schon früh durch den Menschen verbreitet. Es wird aber vermutet, dass ihre natürliche Heimat im Tal des Jangtsekiang und dem südlich anschließenden Bergland lag.

Somit bevorzugt Cunninghamia lanceolata feucht-warme, subtropischen Klimate. Sie kommt in Höhenlagen von bis zu 1.500 m vor und benötigt Jahresniederschlagsmengen zwischen 1.200 bis 2.000 mm. man findet sie oft in Mischwälder mit Eichen (Quercus), Scheinkastanien (Castanopsis), Südeichen (Lithocarpus), Cinnamomum und Schima. Dabei ist die Spießtanne relativ winterhart: Temperaturen um -17 °C werden gerade noch vertragen.

Die Spießtanne wächst als geradestämmiger, immergrüner Baum, der Wuchshöhen von 30 bis 38 m und Stammdurchmesser von 1 bis 2,5 m erreicht. Die dunkelgrüne Krone ist anfangs pagodenförmig, im Alter aber kegelförmig und oft unregelmäßig: es werden dicht beastete und locker beastete Kronentypen unterschieden. Die Äste stehen in Quirlen zu fünf bis sechs in einem Winkel von circa 80° vom Stamm ab. Die Enden der Zweige sind hängend. Selbst freistehende Bäume sind nicht bis zum Boden beastet.
Cunninghamia lanceolata ist ein Flachwurzler, dessen Wurzelsystem sich zum Großteil in einer Tiefe von von 10 bis 50 cm befindet. Das intensivste Wurzelwachstum findet in einem Alter von 5 bis 10 Jahren statt.

Abb. 3: Rinde der Spießtanne im Botanischen Garten Bonn


Die Rinde der jungen Zweige ist grün und unbehaart. Äste und Stämme von Jungbäumen weisen eine bräunliche und raue Rinde auf, die in kleine Teilen abschlifert. Die Borke der Altbäume ist grau bis dunkelbraun oder rotbraun, dick und faserig. Sie löst sich in unregelmäßigen, aromatisch riechenden Stücken ab, und die gelbliche oder rötliche innere Rinde wird sichtbar.

Sowohl Kern- als auch Splintholz sind von hellgelber bis brauner Farbe und unterscheiden sich nur in der Farbintensität. Das leichte und zähe Holz der Spießtanne ist gleichmäßig aufgebaut, geradfaserig und verströmt einen typischen Geruch. Im alten Holz finden sich keine Harzkanäle.

Abb. 4: Belaubte Zweige von Cunninghamia lanceolata


Die oberseits dunkelgrünen, nadelförmigen Blätter sind etwa 2 bis 6 cm lang und 3 bis 5 mm breit. An der Oberseite befinden sich zwei schmale, oft nur undeutlich erkennbare Stomabänder. Die Unterseite ist hellgrün und weist zwei breite, weißliche Stomabänder entlang der Mittelrippe auf. Die Blätter sind derb ledrig und verjüngen sich gleichmäßig von der Basis zu einer scharfen und stechenden Spitze. Ihre Blattränder sind deutlich gesägt. Dabei sind sie spiralig um den Spross angeordnet. An den Seitenzweigen stehen sie dichter und die Anordnung wirkt durch eine Drehung an der Basis scheinbar zweizeilig. Auffällig ist die rotbraune Herbstfärbung durch Rhodoxanthin.

Abb. 5: Die Blattunterseite mit den beiden Stomabändern im Detail

Quelle: Wikipedia, Menchi, 2004, CC BY-SA 3.0

Spießtannen sind einhäusig (monözisch) und die Blütezeit liegt im April. Die kurzstieligen, länglich-zylindrischen männlichen Blütenzapfen werden 0,5 bis 1,5 cm lang. Sie stehen in Gruppen von bis zu 40 Zapfen an den Spitzen der jungen Zweigen.

Abb. 6: Im Herbst sind die männlichen Zapfen aus dem Frühjahr trocken und braun


Die grünen weiblichen Zapfen stehen einzeln an den Zweigenden und sind nach unten ausgerichtet. Häufig sind durchgewachsene Zapfen zu beobachten, bei denen oben aus dem Zapfen ein kurzer beblätterter Zweig ragt. Zur Reife im Oktober und November sind die Zapfen gelblich-braun, 2,5 bis 5 cm lang und 3 bis 4 cm dick. Die ledrigen Zapfenschuppen sind circa 1,7 cm lang und 1,5 cm breit und gestielt. Sie enden in einer stechend scharfen Spitze, die Ränder sind ungleichmäßig gezähnt. Pro Zapfenschuppe entwickeln sich meist drei Samenanlagen. Jede Samenanlage steht dabei auf einem deutlichen Wulst. Die flachen, unregelmäßig eiförmigen und dunkelbraunen Samen sind 6 bis 8 mm lang und etwa 4 bis 5 mm breit und schmal geflügelt. Sie erreichen ein Tausendkorngewicht zwischen 7 und 8 g. Die Keimlinge bilden zwei Keimblätter (Kotyledonen) aus.

Abb. 7: Der weibliche Zapfen im Herbst


Das Holz der Spießtanne ist ein wichtiges Bauholz in den subtropischen Regionen Chinas. Es findet zudem Verwendung im Brücken-, Schiffs- und Möbelbau. Schon im Altertum wurden aus dem Holz Särge hergestellt. Die Borke wird als Brennmaterial genutzt.

Abb. 8a,b: Illustrationen von Ästen mit männlichem und weiblichen Zapfen


Beide Zeichnungen aus: Philipp Franz von Siebold und Joseph Gerhard Zuccarini - Flora Japonica, Sectio Prima (Tafelband), 1870, gemeinfrei
Auffällig ist hier, dass die weiblichen Zapfen in der modernen Literatur (und auch im Foto ...) als einzeln stehend beschrieben bzw. gezeigt sind, während der Zeichner 1870 mehrere weibliche Zapfen ans Ende des Zweiges gestellt hat.


Literatur
[1] Pflanzenanatomie, Katherine Esau, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, 1969, S. 326 ff.
[2] Botany for Degree Students - Gymnosperms, Vasishta/Sinha/Kumar, S.Chand. 2008, S. 327 ff. & Abb. 12.9, S. 331


Präparation:

Geschnitten wurden jeweils frische Proben von Blatt in der Blattmitte und an der Blattspitze sowie vom jungen Spross in der Möhreneinbettung bzw. freistehend.

Nach einer Schnittfixierung in AFE für ca. 24 Stunden wurden die Schnitte in Aqua dest. überführt und für gut 90 Sekunden mit Klorix (1:4 in Aqua dest. als Ersatz für Eau de Javelle) behandelt und nach sehr gutem Ausspülen für wiederum etwa 24 Stunden mit Chloralhydrat (250g auf 100ml Aqua dest.) gebleicht.

Gefärbt habe ich mit W3Asim II nach Rolf-Dieter Müller für 7 Minuten mit einmaligem kurzen Erwärmen bis kurz vor den Siedepunkt.
Eine Beschreibung der Färbung findet Ihr hier: W3Asim II im Vergleich auf der Seite des MKB.
Nach der Färbung wurden die Schnitte in Aqua dest. für 24 Stunden mit mehrmaligem Wechsel sanft differenziert.

Eingedeckt sind die Schnitte - nach gründlichem Entwässern in reinem Isopropanol - in Euparal.


Technik:

Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem 5x NPlan sowie den 10x, 20x und 40x PlanApos entstanden. Auch ein 100x Planfluotar war im Einsatz. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch eine Smartphone App, die neben der Fernsteuerung des Auslösers auch die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich erlaubt. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.

Abb. 9: Das Leica DMLS mit der Panasonic GX7 am Trinotubus


Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.

Wie immer, wenn es etwas länger wird, trenne ich hier auf ...
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.. und schon geht es weiter ...

Nun zu den Schnitten

Zunächst habe ich das Blatt der Spießtanne etwa in der Blattmitte geschnitten, dann knapp unterhalb der Blattspitze, da sich insbesondere der Anteil an Transfusionstracheiden häufig zur Blattspitze hin erhöht:

Abb. 10: Schnittführung


Beginnen wir also mit dem Blattquerschnitt aus der Blattmitte:

Abb. 11a,b: Blattquerschnitt vom Blatt der Spießtanne aus der Blattmitte, Bild 11b mit Beschriftung; Vergrößerung 50x, Stapel aus je 72 Bildern



Wir sehen ein bifaziales Blatt mit einem ein- bis mehrreihigen Assimilationsparenchym an der Blattoberseite, darunter ein umfangreiches Schwammparenchym, in dem die von einer Leitbündelscheide umschlossenen Leitgewebe liegen. Das ganze ist umgeben von einer Epidermis mit recht dicker Cuticula, unter der eine einreihige, sklerenchymatische Hypodermis liegt, deren Zellen am Blattrand deutlich vergrößert sind.
Im Schwammparenchym finden wir zu jeder Seite der zentralen Leitgewebe je einen Sekretgang mit Drüsenepithel und auch innerhalb der Leitbündelscheide sehen wir unterhalb des Phloems einen großen Sekretgang. Das Leitgewebe besteht aus einem geschlossen kollateralen Leitbündel mit großen Flügeln von Transfusionstracheiden an beiden Seiten.
Wie schon die Makroaufnahme in Abb. 5 vermuten lässt, haben wir an der Blattunterseite rechts und links der Mittelrippe je ein breites Stomafeld. Diese Felder finden wir deutlich schmäler auch an der Blattoberseite.   
Informationen zu den Abkürzungen im Bild 11b sowie den folgenden beschrifteten Bildern findet Ihr wie immer auf der Webseite des MKB: Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen.

Einige der angesprochenen Strukturen kann man auch in den ungefärbten, frischen Schnitten gut erkennen, andere zeigen sich besser in der Detailaufnahme.

Abb. 12a-d: Bilder 12a & b frischer Schnitt, Bilder 12 c & d nach W3Asim II gefärbter Schnitt, Bilder 12a und c mit Beschriftung. Vergrößerung 100x, Stapel aus je 42 bzw. 67 Bildern 





Neben den bereits oben angesprochenen Details erkennen wir nun auch im Schwammparenchym eingelagerte Faserbündel (sklF) und die beidseitig neben dem mittig angeordneten Xylem (oben) und Phloem (unten) liegende Transfusionstracheiden besser als in der Übersichtsaufnahme.
Bevor wir uns diese genauer ansehen, werfen wir noch einen Blick auf den Blattrand und die Stomata in den vier Stomafeldern auf der Blattober- und -unterseite.

Abb. 13a-d: Der Blattrand, Bilder 13a & b im frischen Schnitt, Bilder 13c & d in W3Asim II Färbung; Vergrößerung 200x, Stapel aus je 34 bzw. 37 Bildern





Auffällig hier die am Blattrand deutlich vergrößerten Zellen der Hypodermis.

Abb. 14a-d: Stomafelder an der Blattober- und -unterseite, Bilder 14b und d mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus je 31 bzw. 33 Bildern





Wir sehen dicht an dicht sitzende Stoma vom Coniferales-Typ, die wir uns im Folgenden noch etwas genauer ansehen:

Abb. 15a-d: Stomata im frischen, ungefärbten Schnitt (15a,b) und im mit W3Asim II gefärbten Schnitt (15c,d); Bilder 15b und d mit Beschriftung. Vergrößerung 400x bzw. 1000x, Stapel aus je 40 bzw. 10 Bildern





In den Bildern 15a und b sehen wir viele meist rhomboedrische Calciumoxalatkristalle außen an den Zellwänden der Zellen des Schwammparenchyms, wie wir es z.B. auch von Welwitschia mirabilis kennen.

Abb16a,b: Blattquerschnitt im polarisierten Licht mit hell aufleuchtenden Calciumoxalatkristallen, Bild 16b mit Beschriftung; Vergrößerung 100x, Stapel aus je 48 Bildern



Der Anteil der Transfusionstracheiden nimmt zur Blattspitze hin nur wenig zu, wie die folgenden Bilder zeigen:

Abb. 17a,d: Blattspitze in der Übersicht (17a,b) und deren Mittelrippe im Detail (17c,d), Bilder 17b und d mit Beschriftung, Vergrößerung 50x bzw. 100x, Stapel aus je 45 bzw. 32 Bildern 





Aus den gestreckten Transfusionstracheiden-"Flügeln" von der Blattmitte werden eher gedrungene mit weniger Zellen.Ansonsten ist der Aufbau des Blattes an der Spitze und in der Blattmitte identisch.

Nun also zu den Transfusionstracheiden. Bei diesen handelt es sich um sklerenchymatische, also abgestorbene Zellen mit großen Hoftüpfeln in den Zellwänden. Wie der Name schon andeutet, dienen Sie dem Wassertransport im Gewebe und stellen so quasi eine Vorstufe der Tracheiden und Tracheen in den Leitbündeln da. Sie werden in aller Regel von einem Transfusionsparenchym begleitet, das auch hier vorhanden ist, dessen Zellen sich aber im Präparat nicht bzw. nur sehr schwer von denen der Leitbündelscheide unterscheiden lassen. Daher habe ich es in den vorliegenden Bildern auch nicht benannt.
Gemeinsam bilden die Transfusionstracheiden und das Transfusionsparenchym das sogenannte (akkessorische) Transfusionsgewebe, wie wir es im Thread zu Rumpfs Palmfarn (Cycas rumphii) bereits diskutiert haben.
Transfusionsgewebe findet sich in wechselnden Anteilen in den Blättern oder Nadeln aller Coniferales, was zeigt, dass diese entwicklungsgeschichtlich vergleichsweise früh einzuordnen sind.
Mit der W3Asim II Färbung erhalten die Transfusionstracheiden eine orangerote Färbung und in den Detailaufnahmen sind auch die riesigen Hoftüpfel, von denen oft nur 2 bis 4 in eine Zellwand liegen, sehr gut zu erkennen. 

Abb. 18a-d: Leitbündel und Transfusionstracheiden an der Blattspitze im frischen und gefärbten schnitt, Bilder 18b und d mit Beschriftung; Vergrößerung 200x, Stapel aus je 45 bzw. 42 Bildern





Abb. 19a-d: Etwas näher heran: Xylem, Phloem und Transfusionstracheiden in der Blattmitte und an der Blattspitze, Bilder 19b und d mit Beschriftung; Vergrößerung 400x, Stapel aus je 29 bzw. 36 Bildern





Zwischen den Zellen des Phloems und Xylems auf der einen Seite und den Transfusionstracheiden auf der anderen finden wir eine kleine Gruppe parenchymatischer Zellen, die sich keiner der drei vorgenannten Zelltypen zuordnen lassen. Diese würde ich als Transfusionsparenchym ansprechen.

Abb. 20a,b: Quer geschnittene Transfusionstracheiden im Detail, Bild 20b mit Beschriftung; Vergrößerung 1000x, Stapel aus je 19 Bildern



Die großen Hoftüpfel sind besonders in den parallel zur Schnittebene liegenden Zellwänden gut zu erkennen, Weiterhin sehen wir in der Mitte der Zellgruppe eine Zelle mit nicht sklerifizierten, also grünen, Zellwänden. 

Oben hatte ich geschrieben, dass wir Transfusionsgewebe und somit auch Transfusionstracheiden nur in den Blättern, nicht aber im Spross der Coniferales finden. Den Beweis möchte ich nun mit einigen Bildern vom Spross der Spießtanne im Querschnitt antreten:

Abb. 21a-d: Leitgewebe im Spross der Spießtanne in der Übersicht und im Detail, Bilder 21b und d mit Beschriftung. Vergrößerung 100x bzw. 200x, Stapel aus je 36 bzw. 45 Bildern





Wir finden eine klassischen Sprossanatomie: im inneren ein Markparenchym, gefolgt vom primären Xylem und dem nur aus Tracheiden bestehenden Xylem. Daran schließt ein Cambium an, dem das Phloem auf sitzt. Weiter außen dann das Rindenparenchym mit einer Vielzahl an Sekretgängen und in den Bildern 21a und b auf etwa 1 Uhr auch eine Blattspur.
Wie zu erwarten, finden keine Zellen, die wir als Transfusionstracheiden ansprechen müssten.


Transfusionstracheiden bei verschiedenen Pflanzenarten

Wie schauen die Transfusionsgewebe bzw. die Transfusionstracheiden nun bei anderen Pflanzen aus der Ordnung Coniferales und Cycadales aus? Wagen wir einen Blick!

Die Gattung Cycas
Zunächst schauen wir einmal bei der Gattung Cycas vorbei. Sie gehört in der Familie der Cycadaceae in die Ordnung der Palmfarne (Cycadales). Wie schon in meinen Threads zu den Palmfarnen beschrieben, gehört die Gattung zu den entwicklungsgeschichtlich ältesten Palmfarnen und weist in ihren Fiederblättchen eine Besonderheit auf: das Transfusionsgewebe und somit auch die Transfusionstracheiden gehen senkrecht vom Leitbündel in der Mittelrippe weg. Somit erscheinen sie in Querschnitten der Fiederblättchen längs angeschnitten, was eine schönen Blick auf den Bau dieser Zellen ermöglicht.
Hier zeige in dieser Reihenfolge ich Beispiele von Cycas revoluta (dem Japanischen Sagopalmfarn), Cycas debaoensis (dem Debao Palmfarn) und Cycas rumphii (Rumpfs Palmfarn), letzteren im Quer- und Längsschnitt.

Abb. 22a-d: Beschriftete Schnitte der Fiederblättchen von Cycas revoluta, Cycas debaoensis und Cycas rumphii. Alle Bilder mit Ausnahme des letzten im Querschnitt, die Vergrößerung beträgt jeweils 200x.





Dioon edule
Der Mexikanische Doppelpalmfarn (Dioon edule) ist ein modernerer Vertreter der Ordnung Cycadales aus der Familie Zamiaceae. Hier fehlt den Fiederblättchen die nur bei den Cycadaceae vorhandene Mittelrippe und die Transfusionstracheiden finden sich in kleinen Gruppen oder Einzelzellen neben dem Xylem, eine Verteilung, die wie im gezeigten Beispiel nicht immer symmetrisch ausfallen muss.

Abb. 23: Leitbündel im Fiederblättchen von Dioon edule mit Beschriftung, Vergrößerung 400x


Zamia furfuracea
Noch ein Vertreter aus der Familie der Zamiaceae: der Karton-Palmfarn (Zamia furfuracea). Hier haben wir ein ähnliches Bild wie beim vergleichsweise nahe verwandten Dioon edule, nur dass diesmal auf beiden Seiten des Xylems Transfusionstracheiden zu finden sind. Diese allerdings ein wenig vom Xylem abgesetzt, bei den Zellen dazwischen könnte es sich um Transfusionsparenchym handeln.

Abb. 24: Leitbündel im Fiederblättchen von Zamia furfuracea mit Beschriftung, Vergrößerung 200x


Macrozamia communis
Wir bleiben noch bei den Palmfarnen: auch der Burrawang (Macrozamia communis), ebenfalls aus der Familie der Zamiaceae, zeigt grundsätzlich den gleichen Aufbau wie bei den bereits gezeigten Zamiaceen, allerdings erscheinen die Transfusionstracheiden hier nur noch vereinzelt - dafür aber besonders groß. 

Abb. 25: Leitbündel im Fiederblättchen von Macrozamia communis mit Beschriftung, Vergrößerung 400x


Wollemia nobilis
Auch die Wollemie (Wollemia nobilis) aus der Familie der Araucariaceae in der Ordnung Coniferales zeigt Transfusionstracheiden, diesmal jedoch in zur Blattspitze hin größer werdender Anzahl links und rechts neben und oberhalb des Xylems. Hier ein schnitt nahe bei der Blattspitze.

Abb. 26: Leitbündel im Blatt von Wollemia nobilis mit Beschriftung, Vergrößerung 400x


Araucaria araucana
Auch die Chilenischen Araukarie (Araucaria araucana) stammt aus der Familie der Araucariaceae in der Ordnung Coniferales. Hier liegen die Transfusionstracheiden oberhalb des Xylems der Leitbündel, nur getrennt von einigen parenchymatischen Zellen (vermutlich Transfusionsparenchym). Insgesamt nimmt das Transfusionsgewebe mehr Raum ein, als das "klassischen" Leitbündel aus Xylem und Phloem. 

Abb. 27: Leitbündel im Blatt von Araucaria araucana mit Beschriftung, Vergrößerung 400x


Pinus monophylla
Mit der Einblättrigen Kiefer (Pinus monophylla) hier nun die dritte Conifere, diesmal aus der Gattung Pinus. Hier kann man gut erkennen, dass das Transfusionsgewebe innerhalb der Leitbündelscheide liegt, auf deren Zellen die Caspary-Streifen schön hervortreten. Wie bei der Spießtanne tragen die Transfusionstracheiden hier wenige aber sehr große Hoftüpfel.

Abb. 28: Leitbündel in der Nadel von Pinus monophylla mit Beschriftung, Vergrößerung 400x


Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen. Diesmal möchte ich Euch auch bitten, eigene Bilder von Schnitten zu zeigen, in denen die Transfusionstracheiden zu erkennen sind, um den hier begonnenen Überblick etwas abzurunden. Gerne auch von Pflanzen, zu denen ich hier schon Bilder gezeigt habe.

Herzliche Grüße
Jörg
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Schrodt

Hallo Jörg,

eine tolle Dokumentation. Danke für das Zeigen.

Herzliche Grüße
Jürgen aus Hemer

koestlfr

Liebe Grüße
Franz

HDD

Lieber Jörg

Ein exzellenter Bericht und super Bilder. Danke fürs zeigen.

Herzliche Grüße
Horst-Dieter

Ronald Schulte

Jörg,

Mensch, da hast du ja wieder ein aussagekräftigen Beitrag hin geschrieben mit prima aufbau und für mich deutlichen Text. Auch die meisten Bilder sind pünktlich so scharf. Ich weiß, so wie viele hier natürlich, wie unwahrscheinlich schwierig das ist aber das Problem hast du wirklich prima im Griff. Die POL Bilder mag ich auch sehr gerne.

Ich habe noch eine Frage zu ZK. Meist sehe ich in Pflanzenschnitten kein oder wenig Kerne, hier aber ist das anders. Mir fällt auch auf das die Kerne meist am Rand sichtbar sind und nicht in die Mitte von den Schnitt. Auch sehe ich am Rand das da die Zellwände mehr sichtbar (dicker) sind wie in die Mitte. Ist es dann so dass die Kerne dort mehr sichtbar sind weil dort den Schnitt dicker ist wie in den Mitteleren Zone und darum nicht ganz Leer gespült ist in die Dehydration fase?

Gruße Ronald
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anne

Hallo Jörg,
ich habs ja normalerweise nicht so mit den Pflanzenschnitten, bin wohl noch traumatisiert von meinem Botanik Praktikum und der Nutzpflanzenkundevorlesung aus der Studienzeit.
Aber das hier sind wirklich fantastische Bilder und wunderbare Färbungen.

lg
anne

Fahrenheit

Liebe Freunde,

vielen Dank für Eure freundlichen Kommentare und das Lob!
Ich freue mich immer sehr, wenn meine Beiträge gerne gelesen werden.

Lieber Ronald,

ja, das mit den Zellkernen ist so eine Sache. Nach meiner Erfahrung bleiben sie bei den Gymnospermen oft besser erhalten als bei den Angiospermen, auch wenn sie nicht immer so schön Farbe annehmen, wie bei der Spießtanne. Das sieht man auch bei den Bildern 22a und 23, wo die Kerne zwar erkennbar sind, aber wenig oder kaum Farbe angenommen haben.
In der Botanik nehmen wir ja meist Mehrfachfärbungen, die die unterschiedlichen Typen der Zellwände sauber heraus arbeiten, mit echten Kernfärbungen wäre da sicher mehr drin.

Die Kerne liegen meistens am Rand, weil alle Pflanzenzellen eine mehr oder weniger große Vakuole haben und das Zellplasma mit den Zellorganellen bis auf einige Plasmastränge regulär an der Zellwand anliegt. Bei der Fixierung und anschließenden Präparation wird diese Organisation meist zerstört und die kleineren Organellen gehen unter. Erhalten bleiben im Assimilationsparenchym oft die Chloroplasten (die manchmal hauptsächlich durch Acridinrot bräunlich angefärbt werden) und eben die Zellkerne, die dann vermutlich durch Reste des Zellplasmas mit der Zellwand verkleben. Erscheinen sie in der Mitte der Zelle, liegen sie in der Regel einer Zellwand parallel zur Schnittebene an. Der genaue räumliche Eindruck geht ja durch das Stacking verloren.

Liebe Anne,

es freut mich natürlich besonders, wenn ich auch eigentliche Botanik-Abstinenzler begeistern kann. :)

Allen herzliche Grüße
Jörg
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Levitron

Lieber Jörg,

eine großartige Abhandlung und wunderbare Bilder! Danke!

Herzliche Grüße,
Johannes
Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=29887.0

Ausrüstung:
- Reichert Biovar
- Canon EOS 700D

Fahrenheit

Lieber Johannes,

auch Dir vielen Dank für Dein großes Lob!

Herzliche Grüße
Jörg
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Ronald Schulte

Jörg,

Wenn aber die Zelle durch die notwendige chemische stufen so angegriffen werden könnte vielleicht ein Gefriermikrotomschnitt viel schonender sein?
Kennst du das oder warst du schon mal in die Gelegenheit um das zu probieren, oder schreibe ich jetzt unsinniges?

Gruße Ronald
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Fahrenheit

Lieber Ronald,

so wie ich das sehe, würde das Gefriermikrotom ganz am Anfang der Präparation das Zylindermikrotom ersetzen. Da ist noch nichts passiert. Ich schneide ja in aller Regel die frische, unfixierte Probe, da Pflanzenzellen im Gegensatz zu tierischem Gewebe nicht gehärtet werden müssen, weil sie durch die festen Zellwände genug Eigenstabilität haben. Ausserdem habe ich so die Möglichkeit, das Gewebe in natürlichem Zustand zu fotografieren.
Erst dann geht es ins AFE, Klorix, Chloralhydrat und W3Asim II. Dann noch Isopropanol und ab auf den Objektträger. Das ist im Prinzip die Standardprozedur für pflanzliches Material: Fixierung, Bleiche, Färbung, Entwässern, Einschluss.

Wobei das Ziel der Präparation von Pflanzenmaterialien die möglichst natürliche Erhaltung der Zellwände mit einer für das jeweilige Wandmaterial typischen Färbung ist. Bleiben Zellorganellen erhalten ohne das Gesamtbild des Präparates zu stören, ist das ein willkommenes Addon und keine Pflicht, wie bei zoologischen Materialien.

Unsinn hast Du trotzdem nicht geschrieben. Es schadet nicht, immer wieder zu überdenken, wie man präpariert und ob es nicht besser geht. Von daher vielen Dank!

Herzliche Grüße
Jörg
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bernd552

Hallo Jörg,

obwohl ich von Botanik keine Ahnung habe, bin ich platt, wie schön angefärbte Qurschnitte aussehen können.

Die Mühe und die Ausführlichkeit Deines Beitrages ist ja der "Hammer", der bringt ja einen der Botanik (mit der ich bisher nicht viel anzufangen wußte) viel näher!!

LG
Bernd

Fahrenheit

Lieber Bernd,

auch Dir vielen Dank für Dein Lob! Schön, dass Dir der Beitrag gefällt und ein wenig Interesse geweckt hat.

Herzliche Grüße
Jörg
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liftboy

Hallo Jörg,

mittlerweile hab ich auch eine schöne Färbung hinbekommen: gelb vor Neid :-)
Eine Top Dokumentation, die nur noch von den Bildern übertroffen wird.
by the way... wann veröffentlichst Du eigentlich? Das reicht doch mittlerweile für ein kleines Buch!

Viele Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr