optisch aktive, zweiachsige Kristalle

Begonnen von Heiko, Dezember 29, 2017, 18:20:27 NACHMITTAGS

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Heiko


Liebe Kenner von Kandis & Co.,

Quarz ist das Paradebeispiel optisch aktiver einachsiger Kristalle. Olaf lässt hier die Muster tanzen, unerreicht: ftp://ftp.min.rub.de/pub/Medenbach/Kristalloptik/spezielles.ppt

Und die Zweiachsigen? Sind die Effekte zu gering, um in's Auge zu fallen? Saccharose hat ja auch ,,asymmetrischen Kohlenstoff". Wie ist hier die Aufhellung der Isogyre im Austritt zu deuten?



Viele Grüße,
Heiko

olaf.med

Lieber Heiko,

Du reibst mit Deinem Finger in einer tiefen mit Salz gefüllten Wunde. Das Thema ist so heikel, dass es in den meisten Kristalloptik-Lehrbüchern einfach unter den Teppich gekehrt wird. Normalerweise sieht man bei den optisch aktiven, zweiachsigen Kristallen ....... nichts davon!

Das liegt daran, dass die Richtung der optischen Achsen in zweiachsigen Kristallen nicht wirklich isotrop sind, sondern aus unendlich vielen einzelnen linear polarisierten Einzelstrahlen bestehen - bitte frage mich nicht nach Details, da braucht man wohl Kenntnisse der theoretische Physik und ich bin nur einfacher kleiner Anwender und vor allem Phänemenologe mit ausreichenden Kenntnissen der Grundrechenarten  ;D.

Im Groth, P. (1905): Physikalische Krystallographie, Leipzig, p. 156 und 157 sowie 161 habe ich die einzige halbwegs ausführliche Beschreibung gefunden, die das Prinzip anspricht:





Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Heiko

Lieber Olaf,

wie bin ich froh, einen ,,Kenner der Grundrechenarten" an meiner Seite zu wissen, der die Deutungshoheit bezüglich der Spielsachen des Vorschülers auszuüben bereit ist.

Demnach steht die beobachtete Aufhellung wohl eher in verwandtschaftlicher Beziehung mit einer solchen Überlagerung:



Vielen Dank und herzliche Grüße,
Heiko

olaf.med

Lieber Heiko,

ja, dies ist eindeutig ein gestörtes Interferenzbild.

Herzliche Grüße,

Olaf

... ach ja, was wäre es so schön gewesen, wenn während meiner aktiven Laufbahn einige mehr der mit "Hochschulreife" bedachten das Interesse und die Lernbereitschaft dieses "Vorschülers" gezeigt hätten... :(
Gerne per Du!

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Heiko

Lieber Olaf,

nicht, dass der Verdacht aufkeimt, mein Altersstarrsinn manifestiere sich gerade wieder einmal, darf ich die Dünnschicht- und Dickschicht-Muster gleich noch einmal gegenüberstellen, da hier der Hund begraben zu liegen scheint.
Zentimeterdicke Zuckerplatten – etwa amorph – aber warum dann nicht gleich die Lösung?
Schon bei größeren Kristallen (1mm) aus der Zuckertüte erhalte ich keine Interferenzen mehr. Bleibt etwa doch nur die klebrige, zeitverzögerte Zucht aus der Lösung?
(Vermeintliche) Einkristalle, immergiert, 50er Objektiv: kleine Kristalle mit unauffälligen, dickere mit aufgehellten Isogyren:






Viele Grüße,
Heiko

... und ja, Zuwendung generiert Interesse  ;)

olaf.med

Lieber Heiko,

dass Du an immergierten Zucker-Präparaten keine guten Ergebnisse bekommst, wundert mich wirklich sehr. Eigentlich sind dies sehr einfach herzustellende und sehr befriedigende Präparate, da die Kristalle wegen Ihrer Morphologie überstatistisch häufig perfekt orientiert liegen. Zuckerlösungen gehen garnicht, denn sie drehen ja nur die Ebene des polarisierten Lichts und zeigen kein Interferenzbild, diese Erscheinung bleibt kristallinen Strukturen vorbehalten.

Zur Herstellung dickerer Schliffe deutest Du ja schon die Lösung am Anfang dieses Beitrags an: Kandis gibt es in ausreichender Größe und die Kristalle sind z.T so perfekt ausgebildet, dass die Orientierung sehr leicht fällt. Der Zucker hat ja die angenehme Eigenschaft, dass eine der optischen Achsen fast genau senkrecht zur größten Fläche, dem Pinakoid (100), steht. Zudem gibt es eine gute Spaltbarkeit parallel zu dieser Fläche. So kann man leicht Platten in der gewünschten Dicke erzeugen, indem man ein Messer mit der Schneide an der entsprechenden Stelle und der Klinge parallel zur Fläche ansetzt und mit einem kleinen Hammer beherzt zuschläcgt. Es entstehen planparallele Platten und der Ausschuß wandert in die Teetasse. Die Platten müssen nun noch geschliffen und poliert werden, was bei Zucker sehr einfach ist. Das Schleifen geschieht mit Naßschleifpapier wie es die Autolackierer benutzen, wobei man auf einer harten planen Unterlage (z.B. Glasplatte) arbeitet und statt mit Wasser mit Petroleum anfeuchtet. Die Körnungen 400, 800 und 1000 nacheinander sollten dazu ausreichen. Poliert wird auf einfachem Schreibpapier, das man mit einer homöopatischen Menge Wassers anfeuchten kann, dann geht's schneller und besser.

Bei dickeren Platten findet man evtl. den Achsenaustichpunkt nicht sofort, da schon wenigen Winkelminuten neben dem Achsenausstichpunkt wegen der Dicke das Weiß höherere Ordnung erreicht wird. Hier hilft ein Objektiv niedriger Apertur.

Herzliche Grüße,

Olaf

... ach ja, die Zuwendung ließe sich noch erheblich intensivieren, wenn Du einmal ins Ruhrgebiet kämst, das so viel besser ist als sein Ruf. Wir könnten tagelang in Interferenzen schwelgen...
Gerne per Du!

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Heiko

Lieber Olaf,

für die ,,zuckersüße Anleitung" vielen Dank, ist in die Reihe ,,Gute Vorsätze" aufgenommen, denn z.B. eine solches ,,Husemann-Muster" tät ich gerne einmal selbst fabrizieren: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=12900.msg96771#msg96771

Die Liste des ,,zweiachsig-aktiven Ungemachs" ist laut Literatur ja etwas länger, sodass ich mich noch bei wenigstens zwei der dort aufgezählten Kandidaten vergeblich bemühen werde. Schließlich ist die eigene Erfahrung die letzte Autorität.

Mandelsäure jedenfalls – übrigens kein Listengänger – verhält sich unauffällig-fotogen:


Komme Du gut über's magische Datum,
Heiko

olaf.med

Lieber Heiko,

hier ist einmal ein Zucker-Präparat, ca. 6 mm dick und die dazugehörigen Interferenzfiguren bei verschiedenen Aperturen - quick und dirty im wahrsten Sinne des Wortes, der Dreck in der hinteren Brennebene ist mir peinlich :(. Im ersten Interferenzbild sieht man die Erscheinung mit dem 40x/0.65. Bei der Schliffdicke kann man die Apertur beleuchtungsseitig nicht ausleuchten, und der Fokussierbereich meiner Bertrand-Linse reicht nicht ganz aus. Hier hätte ich die gesamte Fotoeinrichtung noch etwas aus dem Tubus ziehen müssen, um eine befriedigende Schärfe zu erhalten. Ich wollte aber die Erscheinung so zeigen, wie man sie normalerweise sieht.

Das zweite Interferenzbild ist mit dem 10x/0.25 Objektiv aufgenommen. Hier ist die Apertur voll ausgeleuchtet, aber das Interferenzbild ist so groß, dass es den Ausschnitt meiner Kamera sprengt. Fotografiert man dies monochromatisch, erhält man etwa das Husemannsche Bild.







Auch von mir einen guten Rutsch und der Wunsch nach vielen schöne Interferenzbildern aus Deiner "Feder" im nächsten Jahr,

Olaf
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Heiko

#8
Lieber Olaf,

eine eindrucksvolle ,,Zielscheibe" gibst Du zu bestaunen.
Die Aufhellung im ,,Epizentrum" ist ausschließlich Folge der laut GROTH ,,sehr schwachen" Dispersion?
Hätte die optische Aktivität einen Anteil, sollte durch Anpassung der Polarisatorstellung die Isogyre wieder deutlicher erscheinen ... ist das zumindest theoretisch zutreffend?

Viele Grüße,
Heiko

Nachtrag

das sehenswerte ,,Auge des Orkans" – Ausschnitt aus Olafs Aufnahme:


olaf.med

Lieber Heiko,

ich konnte ja wirklich nicht ahnen, dass Du mein schnelles Bild gleich für weiterreichende Interpretationen nutzen würdest, sonst hätte ich es gleich in der richtigen Orientierung und nicht in willkürlicher Lage aufgenommen. Nur dann kann man wirklich etwas diagnostisches erkennen. Hier nun die richtigen Bilder, gleichfalls hochgezogen wie Dein "Orkanauge":



Man erkennt in Diagonalstellung deutlich die Dispersion der optischen Achse an der farblich gesäumten Isogyre. In Normalstellung würde man die geneigte Dispersion erkennen, wenn man den zweiten Achsenausstichpunkt zum Vergleich sehen könnte. Geneigt muss die Dispersion sein, da die Achsenebene mit der monoklinen (010)-Ebene übereinstimmt.

Die Drehung des optisch aktiven Kristalls kann man nur monochromatisch messen. In den Bildern bei 546 nm sieht man in Normalstellung eine Aufhellung der Isogyre im Zentrum, nach Drehung des Analysators wird sie tatsächlich tiefschwarz.

Dank Deiner Fragen habe ich dies nun nach 50 Jahren Kristalloptik zum ersten Mal wirklich gesehen - Danke  :) :) :)!

Mit herzlichen Grüßen,

Olaf
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Heiko

Sehr eindrucksvoll, lieber Olaf,

und bei dieser Abbildungsqualität dem Quarz zumindest insofern ebenbürtig, als Du für die zweiachsig-aktiven Kristalle ein Referenzbeispiel vorweisen kannst.

Viele Grüße,
Heiko

Heiko

Lieber Olaf,

vorhersagegemäß gibt es Schwierigkeiten, das Phänomen mit meinen Bordmitteln nachzustellen. Kann es schon als Indiz gelten, dass der zentrale Isogyren-Steg bei ca. 20° Analysator-Drehung noch in ursprünglicher Deckung vorhanden ist?



Viele Grüße,
Heiko

olaf.med

Lieber Heiko,

ich befürchte das ist nicht das gewünschte Phänomen. Es ist ganz sicher nur mit einem sehr strengen Monochromatfilter zu sehen, da es eine Dispersion des spezifischen Drehungsvermögens gibt, und Dein Filter sieht nicht sehr monochromatisch aus. Außerdem ist das spezifische Drehungsvermögen in Richtung dieser Achse laut Literaturangabe nur ca. 2°/1mm, man benötigt also wirklich dicke Präparate, um den Effekt zu sehen.

Mit herzlichen Grüßen,

Olaf
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Heiko

Danke, lieber Olaf,

nicht alle Blütenträume reifen bzw. kristallisieren eben störungsfrei ...

Apropos Störungen: liegt es an der Kandissorte (dies hoffe ich so lange, bis ich mit einer weiteren scheitere) oder an meiner Schleiferei, von HUSEMANN und MEDENBACH bin ich noch ,,isogyrenweit" entfernt:



Hierzu bitte gleich noch eine Frage: HUSEMANN zeigt schwarzen, MEDENBACH und HEIKO dagegen aufgehellten zentralen Isogyren-Steg. Verzweiflungs-Stirnrunzeln Deinerseits lasse ich nicht gelten, denn Du lehrtest mich, auf Nuancen zu achten ...

Viele Grüße,
Heiko

olaf.med

Lieber Heiko,

nun forderst Du mich aber wirklich, jedoch vermute ich, dass Du in die falsche Richtung ermittelst. Die Husemannsche Interferenzfigur im monochromatischen roten Licht wird von der Kamera wegen der (Un)Empfindlichkeit des Sensors heillos überbelichtet. Man muss also mit Photoshop/Photopaint/anderem Bildbearbeitungsprogramm nacharbeiten. Nun liegt das Ergebnis an der Geschicklichkeit (und der Wunschvorstellung) des Bearbeiters. Darin bin ich leider nicht sehr versiert, aber hier doch einige Ergebnisse:



Fazit: Traue nur einem Foto, das Du selbst bearbeitet hast!

Herzliche Grüße,

Olaf
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