Trichophrya astaci - ein Sauginfusor

Begonnen von steffenclauss, Februar 14, 2018, 21:58:20 NACHMITTAGS

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steffenclauss

Hallo Foristen,

Suktorien zählen für mich zu den bizarrsten und interessantesten Mikroorganismen. Gezielt danach zu suchen ist schwer, da sie in der Natur selten in Massen auftreten. Die besten Erfolge erzielt man mit ausgehängten Objektträgern oder aufgelegten Deckgläsern bei dezenten Heuaufgüssen, welche mit detritusreichen Teichwasser oder Filterschlamm angesetzt wurden. Ich habe es mir recht einfach gemacht und Kulturen mit Belebtschlamm aus einer Kläranlage angeimpft. Belebtschlamm beherbergt oft gleich mehrere Arten an Suctorien wie Tokophrya, Trichophrya und Acineta. Dazu wurden  mehrere große Petrischalen mit Nährmedium (Prescott&James) sowie Zusätzen von Erdextrakt und etwas klein gehackten, ausgekochten Salatblätter angesetzt. Nachfolgend direkt Ciliaten aus einen Heuaufguss sowie ein paar Belebtschlammflocken zugesetzt. Schon nach wenigen Tagen findet man viele Suktorien auf der Kahmhaut (Deckgläser auflegen). Die Bakterienentwicklung darf infolge der hohen Sauerstoffzehrung keinesfalls zu stark sein.
So hatte ich genügend Material die Viecher genauer zu betrachten. Mit Hilfe eines Inversmikroskopes kann man sie auch direkt selektieren und mit einer dünn ausgezogenen Pipette auf den OT überführen. Bei der hier gezeigten  Art handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Trichophrya astaci.

Maßbalken = 20µm






Die Suktorien sind stiellos, relativ flach und haben mehrere beulenförmige Vorsprünge, welche zwischen 10-25 Tentakel tragen. Die Größe reicht von 40µm bis 250µm (Kultur). Das Zellplasma ist leicht bräunlich und enthält sehr viele kleine gefüllte Nahrungsvakuolen. Der Makronucleus ist granuliert, gelappt und verzweigt. Der Mikronucleus liegt oft direkt daneben. Es können mehrere Mikronuklei vorhanden sein, sie sind jedoch bei großen Exemplaren schwer zu erkennen, da oft viele granulierte Nahrungsvakuolen das Zellplasma füllen. Die 4-10 kontraktilen  Vakuolen sind randständig.

Tentakel: Maßbalken=20µm





hier ein gepresstes Exemplar:  CV=kontraktile Vakuole  Ma= Macronucleus  Mi=Mikronucleus  Maßbalken=10µm


Gut gefütterte Exemplare bilden nach kurzer Zeit Bruthöhlen (circumvaginativ), in welcher sich der Schwärmer ausbildet und nach ca. 2h die Bruthöhle verlässt. Nicht selten können sich bis zu fünf Bruthöhlen zeitgleich ausbilden. Die flinken Schwärmer sind ca. 35µm groß und besitzen sechs Cilienreihen (Bestimmungsrelevant). Nach  ca. 15-45 Minuten bilden sie ihre Cilien zurück und gleichzeitig neue Tentakel aus.

Schwärmerbildung aus Bruthöhle:


Schwärmer in Dorsal- und Lateralansicht mit Fokus auf die Cilienreihen.  Maßbalken=20µm


Die Art der Suctorien bevorzugt als Beute scheinbar die hypotrischen Ciliaten wie Euplotes sp., wobei Paramecien trotz mehrmaligen Kontakt mit den Tentakeln bzw. Haptocysten nicht angegriffen wurden.




viele Grüße
Steffen

Gerald

Hallo Steffen,

was für ein toller Bericht. Super Fotos und besonders die Dokumentation der Schwärmerbildung ist erstklassig. Vielen Dank.

Leider konnte ich noch nie Sauginfusorien beobachten, aber ich hoffe das ändert sich.

Viele Grüße

Gerald

Michael

Hallo Steffen,

da kann ich mich nur anschließen - super!
Durch Deine Dokumentation von Mikro- und Makronukleus und den Schwärmern wird mir erstmals die Verwandtschaft zu den Ciliaten klar!

Vielen Dank

Michael
Gerne per Du

sushidelic

Ein toller Bericht, besonders interessant fand ich die Informationen zur Kultur. Aber auch die Bilder sind einfach überzeugend, der Zeiss Jena DIC ist einfach eine Augenweide, und das Dunkelfeldbild phänomenal!
Ich hatte noch nie einen Sauginfusor unter dem Objektiv, anhand Deines Berichtes muss ich mich wohl mal in das Anlegen von Kulturen hineinarbeiten.

LG Michael

Manfred Melcher

Hallo Steffen,

ein hervorragender Beitrag mit tollen Fotos.
Vielen Dank dafür!

Liebe Grüße
Manfred

Bernhard Lebeda

Hallo Steffen

tja ist eigentlich schon alles gesagt außer von mir  ;)

DIK ist immer toll, aber das DF Bild ist wirklich der Hammer!

Und schön mal wieder von Dir zu lesen. Ich hab eine Belebtschlammanlage direkt vor der Haustür, aber ich bekomme da nie einen an die Strippe um mal einen Termin zu vereinbaren. Ich denke Dein Bericht inspiriert mich, da mal öfters nachzuhaken

Viele Mikrogrüße

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

steffenclauss

Hallo Zusammen,

vielen Dank für Euer Feedback! Das Dunkelfeldbild ist leider kein echtes Dunkelfeld, sondern ebenfalls DIK in der absoluten Dunkelstellung mit etwas zugezogener Kondensorblende.

@ Bernhard
Für den Kontakt der Belebtschlammanlage drücke ich Dir die Daumen, nach meiner Erfahrung sind die Mitarbeiter auch Dankbar, wenn sich jenmand für ihre (überaus wichtige!) Arbeit interessiert. Notfalls kannst Du auch am Nachfluter, also an der Stelle wo das geklärte Abwasser in das angrenzende Fließgewässer abgelassen wird, Proben nehmen.

viele Grüße
Steffen

Ole Riemann

Hallo Steffen,

auch von mir herzlichen Dank - toll, wie Du präzise Dokumentation, erläuternden Text und Ästhetik zusammenbringst. Freue mich auf weitere Beiträge!

Viele Grüße

Ole


anne

Hallo Steffen,
vielen Dank für diesen tollen Beitrag!
Er hat mir als Laien geholfen die unbekannten Objekte in meiner Moosprobe zuzuordnen und die Beobachtung des Fangs eines Euplotes zu verstehen.
Meine Exemplare sind wesentlich kleiner aber doch recht häufig und gute Jäger.

lg
anne

Kurt

Hallo Steffen,

sehr interessanter Beitrag mit tollen Jenaval-DIK Bildern!
Hat mich inspiriert auch wieder mal ein paar Deckgläser auf meine Tümpelproben zu legen um dann nach lange nicht mehr gesichteten Objekten zu suchen...

VG
Kurt

Martin Kreutz

#10
Hallo Steffen,

ich habe Deinen tollen Beitrag leider erst jetzt gesehen. Es ist schön, dass Du hier mal einen Ciliaten vorstellst, der meines Wissens noch nie in vivo fotografiert wurde und den ich selber (leider) auch noch nie gefunden habe. Am besten finde ich die vorletzte Aufnahme, wo Du die 6 Cilienreihen des Schwärmers festhalten konntest, dem entscheidenden Bestimmungsmerkmal zur Abgrenzung von Trichophrya epistylidis. Ich kann mir vorstellen, dass Dich dieses Foto etwas Nerven gekostet hat. Ich kenne das Problem nur zu gut, an frei beweglichen Ciliaten ein Bestimmungsmerkmal bei hoher Vergrößerung einzufangen.

Dein Beitrag hat mich dazu animiert auch mal wieder einen Beitrag einzustellen, über eine Begegnung mit dem parasitisch lebenden Suktor Sphaerophrya stentoris.

Martin

steffenclauss

Hallo und vielen Dank für die positiven Rückmeldungen!

Es freut mich besonders, dass der Beitrag das Interesse an den Suctorien geweckt hat und zu eigenen Versuchen animiert!

Viele Grüße
Steffen