Botanik: Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata *

Begonnen von Hans-Jürgen Koch, März 28, 2018, 17:24:20 NACHMITTAGS

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Hans-Jürgen Koch

Liebe Pflanzenfreunde,

diese kräftige, frostharte Horst - Staude stammt aus Südeuropa und der Türkei.
Das Wort ,,Horst" findet in der Botanik, insofern Verwendung, weil damit einzelne Pflanzenhorste beschrieben werden, an denen sich Tochterpflanzen rund um eine Mutterpflanze gebildet haben.
Der unverzweigte Stängel erreicht eine Höhe von 1 Meter und trägt, mittelgrüne Blätter. Jeweils vier Blätter sitzen an einem Wirtel und gehen am oberen Teil des Stängels, der im Sommer unzählige, leuchtend-gelb, 25 mm große Blüten trägt, in Blütenblätter über.
Als Wirtel wird in der Botanik eine Anordnung von Blättern bezeichnet, bei der zwei oder mehr Blätter an einem Knoten ansetzen. Bei drei oder mehr Blättern wird auch von Quirl gesprochen.
Die Blätter sind unterseits dunkel punktiert.
Die lanzettlich-eiförmigen Blätter sind ca. 7-10 cm lang, 1- 3cm breit und quirlständig. Sie sind dabei sehr kurz gestielt und dicht behaart.

Bild 01 Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata

Urheber: Ruesterstaude

Bild 02 Blüten, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata

Urheber: sarefo
Die Blütezeit ist von Juni bis in den August hinein.
Der Gilbweiderich gehört zu den Ölblumen.

Der Weiderich weißt eine große Besonderheit auf. Er produziert in erheblichen Mengen fette Öle, welche einen viel höheren Nährwert als Nektar haben. Daher haben sich bestimmte Insekten (Weibchen der Schenkelbienen) fest an den Weiderich als Nahrungslieferanten gebunden, d.h. sie fliegen fast nur noch diese Pflanze an.
Die Schenkelbienen besitzen spezielle Saugpolster an den Beinen, mit denen sie Öl von der Blüte abtupften.
Bei dem Besuch des Weiderichs nehmen diese Bienen also Pollen und fette Öle mit, aber keinen Nektar, da dieser vom Gilbweiderich nicht gebildet wird.
Wir können hier einen Blütenbesuch durch Bienen mit sehr enger Wirtswahl beobachten, was sonst sehr selten ist.
In Drüsen an den Haaren des Weiderichs wird das Öl gebildet, welches von den Bienen mit den Vorder- und Mittelbeinen aufgenommen wird. Der Rest des Körpers nimmt ganz normal die Pollen auf. Nach dem Verlassen der Blüte streichen die Bienen das Öl dann in kleine Taschen an den Hinterbeinen. Das Gemisch aus Pollen und Öl (,,Larvenbrot") dient zur Ernährung der Brutzellen.
Das Larvenbrot wird neben der Aufzucht, auch zum Abdichten der Insektenbrutzellen genommen, um diese damit gegen Feuchtigkeit zu schützen.

Bild 03 Schnitt durch Blüte mit Staubblättern, Fruchtknoten und Stempel, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata

Urheber: Frank Vincentz

Systematik:
Ordnung: Heidekrautartige (Ericales)
Familie: Primelgewächse (Primulaceae)
Unterfamilie: Myrsinengewächse (Myrsinoideae)
Gattung: Gilbweiderich (Lysimachia)
Art: Punktierter Gilbweiderich
Wissenschaftlicher Name: Lysimachia punctata
Volkstümliche Bezeichnung: Punkte-Gilbweiderich, Goldfelberich, Tüpfelstern, oder Drüsiger Gilbweiderich
Englischer Name: dotted loosestrife

Bild 04 Illustration, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Mehrjährige krautige Pflanze. Mit Wurzelstock, sehr kurze Ausläufer.
Die Verbreitung des Gilbweiderichs erfolgt neben Samen durch unterirdische Sprosse.
Illustration aus Plantarum indigenarum et exoticarum icones ad vivum coloratae, oder Sammlung nach der Natur gemalter Abbildungen inn- und ausländlischer Pflanzen, für Liebhaber und Beflissene der Botanik
Quelle: https://www.flickr.com/photos/biodivlibrary/16064515406
Urheber: Lukas Hochenleitter und Kompagnie.
Von den etwa 170 Arten der Gattung der Gilbweideriche wachsen 14 in Europa und zwei Arten gehören zum indigenen Pflanzenbestand Finnlands.
In Deutschland ist er mehr in den südlichen Bereichen heimisch. In den Bergen sieht man den Gilbweiderich bis ca. 1000 Meter Höhe.

Teil 1 Spross, Querschnitt, 25 µm, W-3A-Färbung nach Wacker

Meine Probe stammt aus dem Arboretum Bad Grund im Harz.
http://www.bad-grund-harz.de/exotenwald.html


Zunächst einmal sechs Bilder von ungefärbten Schnitten.


Bild 05 Negativ - Aufnahme, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 06 Vergrößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 07 Vergrößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 08 Vergrößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 09 Dunkelfeld, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 10 Dunkelfeld, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau) modifiziert

Arbeitsablauf :
1. Schnitte liegen in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Vorfärbung Acridinrotlösung  6 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Acriflavinlösung (differenzieren bis gerade keine Farbwolken mehr abgehen - Lupenkontrolle) ca. 12 Sekunden !!!.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Nachfärbung Astrablaulösung 2 Minute.
Bei der Nachfärbung mit Astrablau eine Mischung aus Astrablau und Acriflavin im Verhältnis  4 : 1
verwendet (blau + gelb = grün).
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
9. Entwässern mit 2x gewechseltem Isopropylalkohol ( 99,9 % ).
10. Einschluss in Euparal.
Ergebnis :
Zellwände blaugrün bis grün, verholzte Zellwände leuchtend rot, Zellwände der äußeren Hypodermis orangerot, Cuticula gelb, Zellwände der innenliegenden Hypodermis tiefrot.
Fotos: Nikon D5000.

Bild 11 Übersicht, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata

Die grau-grünen Stängel sind gefurcht und mit dichten Haaren besetzt. Im oberen Pflanzenteil ist der Stängel unverzweigt. Die Blütenstiele sind dicht behaart, jedoch ohne Drüsenhaare.

Bild 12 Vergrößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 13 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata

MP = Markparenchym, PXY = Protoxylem, XY = Xylem, PH = Phloem, SK = Sklerenchym, CU = Cuticula, EP = Epidermis, RP = Rindenparenchym, T = Trichom

Die ringförmige Anordnung der Markparenchym – Zellen habe ich sonst nur bei dem Gewöhnlichen Gilbweiderich Lysimachia vulgaris gesehen.
Die Sklerenchymzellen dienen hier zur Festigung (Druckfestigung) des dünnen Sprosses.

Bild 14 Vergrößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 15 Vergrößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata
[/img]
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Hans-Jürgen Koch

#1
Bild 16 Vergrößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 17 Markparenchym, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 18 Ringförmige Anordnung des Markparenchyms, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Teil 2 Spross, Acridinrot, Alciangrün, Chrysoidin – Färbung

Mit dieser Färbung hat Jörg das Blatt der Wollemie (Wollemia nobilis) eingefärbt.
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=31127.0

Arbeitsablauf :
1. Probe liegt in 30 % Ethanol.
2. Aqua dest. 3x wechseln je 1 Minute.
3. Acridinrotlösung 5 Min.
4. 1x auswaschen mit Aqua dest. .
5. Alciangrün 10 Min.
6. 2 x auswaschen mit Aqua dest..
7. Chrysoidin 7 Minute.
Chrysoidin zieht besser auf, wenn während des Färbeprozesses auf ca. 50 0 C erhitzt wird.
8. Auswaschen mit Aqua dest. bis keine Farbstoffreste auf dem Objektträger verbleiben.
Schnitte ohne überschüssiges Wasser in Isopropylalkohol überführen
9. In 100 % Isopropylalkohol, sorgfältig entwässern, 2 X wechseln
1. Stufe = 30 Sekunden
2. Stufe = 3 Minuten
3. Stufe = 5 Minuten
10. Einschluss in Euparal.

Bild 19 Übersicht, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 20 Vergrößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 21 Vergrößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 22 Vergrößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 23 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Vergrößerung,  Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF.

Bild 24 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Vergrößerung,  Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF.


Teil 3 Junge Wurzel, Querschnitt, 25 µm


Zuerst acht Bilder von ungefärbten Schnitten.

Bild 25 Übersicht, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 26 Vergrößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 27 Vergrößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 28 Vergrößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 29 Dunkelfeld, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 30 Dunkelfeld, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 31 Xylem, schiefe Beleuchtung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 32 Xylem, schiefe Beleuchtung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


W-3A-Färbung nach Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)

Bild 33 Übersicht, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 34 Vergrößerung aus der Übersicht mit Beschriftung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata

M = Mark (noch nicht verholzt), XY = Xylem, PH = Phloem, K = Kambium, R = Rinde, RH = Rhizodermis, EX = Exodermis
Zellschichten von außen nach innen:
Die äußerste Schicht heißt Rhizodermis (entsprechend der Epidermis bei Blatt und Spross).
Darauf folgt die Exodermis; das Füllgewebe zwischen diesen beiden äußeren Schichten nennt man Wurzelrinde.
Die Körner in den Rindenzellen sind Stärkekörner. Die Wurzel besitzt hier kein zentrales Leitbündel.

Bild 35 Vergößerung, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 36 Rindenparenchym, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 37 Dunkelfeld, Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata


Bild 38 Xylem, Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Vergrößerung,  Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF.

Bild 39 Auflicht – Fluoreszenzaufnahme, Vergrößerung,  Punktierter Gilbweiderich Lysimachia punctata

Fluoreszenzaufnahmen mit Anregungswellenlänge RoyalBlue mit 455 nm, 3 Watt LED, Sperrfilter LP 519 IF.

Hier noch zwei Fotos vom Gewöhnlichen  Gilbweiderich Lysimachia vulgaris - eine der wenigen Öl -Pflanzen vom September 2016.
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=26825.0

Bild 40 Übersicht, Gewöhnlicher Gilbweiderich Lysimachia vulgaris


Bild 41 Vergrößerung, Gewöhnlicher  Gilbweiderich Lysimachia vulgaris

Der Stängel ist nicht  gefurcht und zeigt sehr wenige Haaren.

Quellen und weiterführende Informationen:
Wikipedia; Freie Enzyklopädie
Botanika, ISBN: 3-8290-0868-6
KOSMOS, ,,Was blüht denn da" ?, ISBN: 978-3-440-11379-0

Die Informationen für Beschreibungen werden von mir selbst aus verschiedenen Quellen
zusammengetragen. Dabei benutze ich sowohl Bücher als auch Internet Quellen. Texte werden
anschließend individuell von mir selbst verfasst.
Für konstruktive Kritik bin ich ebenso offen wie für lobende Worte.
Doch zunächst einmal wünsche ich viel Freude beim Lesen.

Hans-Jürgen


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Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

wieder ein Genuss! Die Dujardin Grün Färbung ist Dir sehr gut gelungen. Hast du mit dem neuen Acliangrün von Klaus gefärbt oder ist das noch der alte Ansatz?

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Natürlich habe ich den Beitrag gelistet.
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

danke.
Seit zwei Jahren stelle ich meine Färbungen selbst her.

Es ist aber sicher vorteilhafter die Farben von Klaus Herrmann zu beziehen, denn der Aufwand ist riesig. Von der Herstellung der Mikroskopie – Färbungen in der Wohnung kann ich nur abraten.
Die Chemikalien färben fast alles.
Zitat von Rolf-Dieter Müller:
Bei der von mir geschätzten Dujardin-Färbung reicht es, wenn man statt in der Reihenfolge Astrablau – Acridinrot/Chrysoidin einfach die Vorfärbung mit Acidinrot/Chrysoidin beginnt und mit Alciangrün nachfärbt. Hierbei ist aber eine Nachfärbung mit Chrysoidin vorteilhaft, wenn man die schönen Orange- bis Rottöne herausarbeiten möchte.

Gruß
Hans-Jürgen
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Fahrenheit

Lieber Hans Jürgen,

ja, nach Rolf-Dieter Müllers Rezept färbe ich ebenfalls. Für mich ist die Dujardin Grün Färbung eine der schönsten botanischen Färbungen überhaupt.

Hüte Dein Alciangrün, das ist ein echter Schatz, zumal das neben dem Aclianblau benötigte Alciangelb wohl nicht mehr hergestellt wird! Beim Ansetzen der Farben hast du Recht: man braucht eine sehr ruhige Hand. Wenn Das Farbpulver neben der Flasche landet, hat es die Tendenz sich überall zu verteilen und erst beim nächsten Wisch mit einem feuchten Tuch wieder unangenehm in Erscheinung zu treten.
Wenn ich Lösungen selbst ansetze, mache ich das auf einem alten Kantinentablett, das ich nacher nass putze, um sicher zu gehen, alles aufgenommen zu haben.

Herzliche Grüße
Jörg
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koestlfr

Hallo Hans-Jürgen!

Toller umfangreicher Beitrag, wie immer sehr spannend!
Liebe Grüße
Franz

Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

dass der Farbstoff Alciangelb nicht mehr hergestellt wird habe ich nicht gewusst.
25 g Alciangelb stehen noch gut gehütet bei mir im Schrank.


Hallo Franz,
danke für Dein Feedback.

Gruß nach Österreich
Hans-Jürgen
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