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Trapiche-Smaragd

Begonnen von Heiko, April 16, 2018, 22:28:28 NACHMITTAGS

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Heiko


Liebe Mineralogen,

bestimmt ist es möglich, zumindest erhoffe ich dies, für den Laien eine ,,Sprache" zu finden, die diese ,,Vokabelreihung" erklärt: ,,Trapiche-Smaragde sind Kristalle mit feinstfaserigen Einschlüssen einer Mischung aus Albit und Beryll, welche sich von einem hexagonalen Kern radial ausbreitet, um dann ein sechsspeichiges Muster zu bilden."
So gefunden hier: https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/MineralData?mineral=Trapiche-Smaragd

Der Empathiefähigkeit der/des Lehrer(s) möchte ich unterstellen, dass eine Analyse des Zitats in Einzelfragen nicht erforderlich ist.
Mir ist bewusst, dass die Transformation von Wissenschaft zu Verstehbarkeit eine hohe, oft mühsame Kunst darstellt.

Viele Grüße,
Heiko



olaf.med

Lieber Heiko,

ich bitte um etwas Geduld, da ich gerade unterwegs bin und nur eingeschränkten Zugang zum Netz habe. Spätestens Übermorgen melde ich mich zur Sache, falls es nicht zwischenzeitlich ein Anderer tut.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

olaf.med

Lieber Heiko,

mit "Rückmeldung spätestens Übermorgen" war's nichts - das Thema ist komplexer als ich zunächst dachte. Ich habe auch mit einem Freund, der sich mit sowas auskennt, Kontakt aufgenommen. Dieser meint, dass die ganze Genese der Trapiche-Bildung, die ja nicht nur beim Smaragd vorkommt, sondern auch beim Rubin und Turmalin, noch immer nicht befriedigend geklärt ist. Hier ist ein ganz ausführlicher Artikel zum Thema.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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Heiko

Lieber Olaf,

für Deine Bemühungen herzlichen Dank.
Der Inhalt des Artikels überschreitet meinen Horizont mehr als deutlich. Immerhin vermitteln einige der Abbildungen eine Vorstellung der Struktur.
Wir behalten das Thema im Hinterkopf.

Viele Grüße,
Heiko

olaf.med

Lieber Heiko,

dieser Artikel ist mehr als umfangreich und nicht leicht zu verstehen - da hast Du unbedingt recht. Vielleicht liegt dies an der in der Wissenschaft verbreiteten Taktik, Dinge, die man selbst nicht vollständig versteht, so komplex wie möglich darzustellen, damit der Leser entweder abgeschreckt wird oder vor Ehrfurcht erstarrt ob der scheinbar überragenden Kenntnis oder Genialität des Schreibers.

Meine stark simplifizierte und in Ihren Grundzügen wohl zutreffende Zusammenfassung ist die, dass es sich bei der Trapiche-Bildung um eine spezielle Art der Skelettbildung, also des sehr schnellen und turbulenten Wachstums handelt. Anders als in der üblichen Vorstellung findet dieses hier allerdings während der Metamorphose im festen Gestein statt. Dabei wird der existierende Mineralbestand durch die veränderten physikalischen Parameter (Druck, Temperatur, fluide Phasen etc.) instabil und es bilden sich neue, nun stabile Minerale. Diesen Vorgang nennt man Blastese. Der neu sprossende Kristall benötig natürlich Platz - dieser wird geschaffen, indem er die im Wege liegenden alten Minerale "verdaut", d.h. ihren chemischen Bestand einbaut, falls er in seine Struktur passt, oder sie ganz einfach beseite schiebt und in den Bereichen einlagert, die nicht so schnell wachsen mögen. Letzteres ist bei der Bildung der Trapiche-Kristalle der Fall.

Als Krönung können die Trapiche Kristalle dann in einer Phase ruhigen und langsamen Wachstums noch von einer ungestörten "Kruste" überwachsen werden, wie es einige Bilder in dem Artikel schön zeigen.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
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Heiko

Lieber Olaf,

danke für Deine verständliche sich an Alltagserfahrungen orientierende Erklärung. Die didaktische Reduktion hat sich in Art und Umfang ja dem Schüler anzupassen – Simplifizierung wird Dir deshalb nicht unterstellt werden.
In diesem Zusammenhang habe ich eine weitere Frage. Gehe ich recht in der Annahme, dass ,,das sehr schnelle, turbulente Skelett-Wachstum" lediglich relativ im Vergleich zur metamorphen Umgebung zu sehen ist?
BRAUNS hat in seiner ,,Chemischen Mineralogie" unter der Bezeichnung ,,Nachbildung der Minerale" konkrete Zeitintervalle benannt – natürlich für fixe Parameter.
Gibt es geochemische ,,Glücksfälle" – gerne jenseits auskristallisierender Salzpfützen – wo sich z.B. Skelettwachstum zeitlich fassen lässt?

Viele Grüße,
Heiko

TPL

#6
Hallo Heiko,

auch wenn ich den vermeintlich anschaulichen Teil Euer beider Diskussion angeregt verfolge, bleibe ich bei Eurem flotten Abgleiten in die luftigen Höhen der Thermodynamik höchstens interessierter Zaungast. Als solcher (und Geologe) wage ich dennoch eine Vermutung: auch wenn Olaf im Zusammenhang mit dieser besonders attraktiven Blastese ,,das sehr schnelle, turbulente Skelett-Wachstum" erwähnt, sind wahrscheinlich dennoch Intervalle gemeint, die im Alltag "geologische Zeiträume" heißen würden und auf Skalen von Millionen Jahren zu messen wären.

Aber bei der Messung liegt die Krux: es wären ja mindestens zwei unabhängige Zeitmarken vonnöten (üblicherweise geeignete und insbesondere in ausreichender Menge in den mit der Blastese gekoppelten Mineralen repräsentierte instabile Isotopen-Verhältnisse), die Anfang und Ende der Blastese irgendwie numerisch greifbar werden lassen. Diese sind aber, wenn es sie denn überhaupt gibt, mit derart großen Fehlern behaftet, dass ein daraus abgeleitetes Intervall noch einmal fehlerbehafteter wäre. Schwierig...

Als pure Übersprungshandlung zu meinem Thermdynamik-Frust habe ich mir mal den etymologisierenden Eintrag im Mineralienatlas-Lexikon angesehen:
ZitatDas Wort "trapiche" kommt aus dem Spanischen und wurde für Zahnräder benutzt, mit welchen man einst in den Kolonien Zuckerrohr ausquetschte.
Das ist eine etwas einseitige Ausdeutung des ansonsten ziemlich generischen Begriffes "trapiche" für viele Arten von einfachen Mühlen, insbesondere auch bergbauliche Mahlwerke. Trotz einer interessanten Reise des Wortes über den Atlantik (mit Station auf den Kanaren!) hat es eine ziemlich rustikale Wurzel in Südeuropa. "Mühlensmaragd" wäre also ein passender deutscher Name. Das ist sicher einfacher, als die korrekte Aussprache von "trapiche" (wie Apache, mit Betonung auf der vorletzten Silbe und einem "tsch" für das "ch"; nicht zu vergessen das kurz gerollte "r" 8)).

Ein schönes Stück. Hattest Du schon geschrieben, woher Deines stammt?

Leicht geräderte Grüße
Thomas

ds0511

Hallo Thomas,

gelegentlich findet man auch den Begriff Wagenrad-Smaragd. Obwohl er anschaulich ist finde ich ihn eher etwas abwertend.

Viele Grüße,
Detlef

olaf.med

Lieber Thomas,

ein echter Thermodynamiker wäre über die Bezeichnung Thermodynamik für die phänomenologische Diskussion an dieser Stelle, die Dich offenbar schon frustet, wirklich beleidigt  ;D . Ich denke, dass das, was wir hier diskutieren, durchaus ganz interessant ist, auch wenn, wie Du natürlich ganz richtig anführst, absolute Zahlen höchstens in seltensten Fällen erhältlich sind.

Lieber Heiko,

leider habe ich den Groth nicht greifbar, kann also im Moment nur "aus dem Bauch heraus" argumentieren. Die Wachstumsgeschwindigkeit hängt wohl in erster Linie von der Kinetik ab (entschuldige lieber Thomas, wieder ein Begriff aus der Thermodynamik, den wir aber hier wieder nur ganz phenomenologisch verwenden  :) ). Damit wird nur die Beweglichkeit der Bausteine im Medium beschrieben, die natürlich unmittelbar mit der Viskosität zusammenhängt. Bei magmatischen Gesteinen ist diese leicht fassbar. Sie hängt unmittelbar mit der chemischen Zusammensetzung der Schmelze zusammen und grob kann man sagen: je mehr Silizium, desto zäher, da das Silizium sich bereits in der Schmelze zu [SiO4]4--Tetraeder-Netzwerken zusammenschließt. Eine SiO2-arme Schmelze ("basisch bis ultrabasisch") hat dabei eine Viskosität wie etwa Glycerin und eine SiO2-reiche ("saure") Schmelze wie ein zäher Kuchenteig.

Basische Schmelze, die an der Erdoberfläche ausfließen, kühlen in Stunden oder spätestens Tagen ab, wobei durchaus massenhaft Kristallskelette entstehen können. Hier hat man es also mit einem extrem schnellen Wachstum im geologischen Sinne zu tun. Bleiben diese Schmelzen in der Erdkruste stecken, liegt die Abkühlungsrate größenordnungsmäßig bei 1°C/1000 Jahre. Dabei entstehen keine Skelettbildungen. Hier hat man also eine ganz, ganz grobe Vorstellung über die Wachstumsgeschwindigkeiten.

In metamorphen Gesteinen ist die Sache naturgemäß sehr viel schwieriger und das Vorstellungsvermögen ist schnell überfordert. Die Kinetik wird hier vor allem durch Fluidphasen kontrolliert. Dies sind winzige Mengen von meist H2O und/oder CO2, die in allen Gesteinen in den winzigen Porenvolumina zirkulieren. Diese übernehmen den Materialtransport "vor Ort" über kleine Strecken. Man muss sich das so vorstellen, dass an dem instabil gewordenen Kristall kleine Mengen in Lösung gehen und am nächstgelegenen Porphyroblasten abgelagert werden. Man kann sich nun unmittelbar vorstellen, dass die Geschwindigkeit dieses Prozesses extrem von der Zusammensetzung und der Menge dieser Fluidphasen abhängt, über die wir aber leider nur schwer etwas erfahren, wenn wir das Gestein in den Händen halten. Hier helfen höchstens Fluideinschlüsse, das sind Poren in den Kristallen, die beim Wachstum wie Fallen wirken und "Mutterlösung" einschließen.

Lange Rede kurzer Sinn: schnelles Wachstum in Metamorphiten ist sicher um viele Größenordnungen langsamer als in Magmatiten, aber numerisch nur abschätzbar, wenn man alle Randbedingungen kennt - und das tun wir in der Regel nicht!

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Heiko

#9
Hallo Thomas, lieber Olaf,

Euere Antworten entsprechen meiner laienhaften Neugier ungemein, herzlichen Dank.
Innerhalb dieser Thematik bedarf es für mich keiner ,,absoluten Wahrheiten", was ich übrigens unter vorteilhaft verbuche, denn immerhin hat es sich schon vielfach als vernünftig erwiesen, sich in dieser Hinsicht abhold zu zeigen.
Danke für die Argumente und Beispiele – egal, ob ich sie richtig, falsch oder überhaupt nicht verstehe, um einmal mit Max Frisch zu sprechen ...

Viele Grüße,
Heiko

PS:
Ein Kolumbianer, Thomas


derda

Hallo Heiko,

ZitatInnerhalb dieser Thematik bedarf es für mich keiner ,,absoluten Wahrheiten", was ich übrigens unter vorteilhaft verbuche, denn immerhin hat es sich schon vielfach als vernünftig erwiesen, sich in dieser Hinsicht abhold zu zeigen.

Ich musste erst mal "abhold" nachschlagen   ::)

Viele Grüße

Erik



Heiko