Bauchhärling Ichthydium fossae in Zwitterphase

Begonnen von Michael, Juli 01, 2018, 12:34:34 NACHMITTAGS

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Michael

Hallo Freunde des Tümpels,

in meinem Gartenteich finde ich sehr häufig den interessanten Bauchhärling Ichthydium fossae, der in den deutschen Artenlisten (noch) nicht auftaucht. Die Gattung Ichthydium zeichnet sich durch das Fehlen von Schuppen aus und erlaubt dadurch einen sehr deutlichen Einblick auf die Organe der Tiere. In einem bestimmten Alter wandeln sich Süsswassergastrotrichen in Zwitter um ("treten in die post-parthenogenetische Phase ein") und bilden zwei sekretgefüllte "Blasen" - das sog. X-Organ unbekannter Funktion - und unbewegliche Spermienbündel aus. Man nimmt an, dass diese Tiere die ansonsten unbefruchteten Eier so befruchten können und für eine genetische Durchmischung sorgen (Einzelheiten unter https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=27041.0). Zu Zeit treten diese post-parthenogenetischen Tiere gehäuft bei mir auf:


Bild 1: I. fossae in post-parthenogenetischer Phase

Ein direkter Vergleich mit den "normalen" parthenogenetischen Tieren verdeutlicht den Unterschied im Organsystem in den beiden Lebensphasen der Tiere.


Bild 2: Ichthydium fossa: Vergleich parthenogeneitsche zur post-parthenogenetischen Phase

Bei dem rechten Teilbild ist auch recht gut zu erkennen, dass bei I. fossae die Kutikula nicht glatt ist, sondern eine schwach erkennbare, rautenartige Musterung aufweist. Eine Schuppenanalyse zeigt, dass es sich hierbei nicht um Schuppen handelt sondern offensichtlich um sehr feine Falten, die die Beweglichkeit der Kutikula erhöhen. I. fossae scheint der einzige Gastrotrich aus der Gattung Ichthydium zu sein, bei dem diese Strukturen bereits licht-mikroskopisch zu erkennen sind. Wie flexibel die Kutikula der Tiere dadurch ist, wird bei scharfen Richtungsänderungen deutlich:


Bild 3: I. fossae; oben: Faltenbildung bei Richtungsänderung; unten: reifes Ei

Bei Richtungsänderung legt sich die Kutikula in ausgeprägte Falten. Bei beschuppten Arten ist dies so nie zu sehen und erleichtert sehr die Erkennung von Ichthydium. Ebenfalls beeindruckend ist die Verformung der Kutikula, die durch die großen Eier der Art hervorgerufen wird.

Viele Grüße

Michael

Gerne per Du

Michael Plewka

Hallo Michael,

Gratulation zu Deiner Entdeckung und der gelungenen Dokumentation!

Bei Deiner Beschreibung der Kutikula von Ichthydium kann man allerdings den Eindruck gewinnen, dass die  Eigenschaft der Schuppenlosigkeit  eine besonders ausgeprägte Flexibilität der Tiere bewirkt.

Nun soll es hier bestimmt nicht im die Frage "wer hat den engsten?"  (Radius) gehen, aber auch bei einigen beschuppten Gastrotrichen sind deutlich engere Kurvenradien möglich, siehe beispielsweise hier bei Aspidiophorus:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Gastrotricha/e-Gastrotricha/e-source/Aspidiophorus%20paradoxus.html

oder hier bei Lepidodermalla:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Gastrotricha/e-Gastrotricha/e-source/Lepidodermella%20squamata.html


Somit stellt sich mir die Frage,  ob die Schuppenlosigkeit der Kutikula noch andere Auswirkungen haben kann, z.B. erleichterte Diffusion o.ä.


Beste Grüße
Michael Plewka

Michael

Hallo Michael,
danke für Deine ermutigenden Worte!
Sollte ich den Eindruck erweckt haben, dass Ichthydium besonders beweglich ist, so war das ungewollt und wäre falsch! Alle Gastrotrichen sind auf ihre enorme Beweglichkeit angewiesen, da sie sich (bis auf einige semiplanktische Arten) nicht rückwärts bewegen können. Geraten sie in eine Sackgasse, würden sie ansonsten nicht mehr entkommen können. Das folgende Bild zeigt z.B. ein Lepidochaetus zelinkai, das ein leeres Rädertierei untersucht:



Die Kutikula der Gastrotrichen besteht aus zwei Lagen: die innere Endokutikula und die sehr dünne, äußere Epikutikula, die das gesamte Tier - auch die Schuppen und die Haare - überdeckt. Die Schuppen sind eine Verdickung der Endokutikula, die ansonsten nur eine geschlossene Lage über der Epidermis bildet. Bei Ichthydium fehlen die Verdickungen - die Tiere sind unbeschuppt. Bei den meisten anderen Gastrotrichen sind die Schuppen nur an der Vorderseite mit der Kutikula verbunden und überlappen an der Hinterseite mit den nachfolgenden Schuppen. Dies ergibt eine sehr beweglich, mehrlagige Überdeckung der geschlossenen kutikularen Basisschicht. Im folgenden Bild ist das für L. zelinkai recht schön zu sehen:



Die Schuppen schränken deshalb die Beweglichkeit - außer bei sehr großschuppigen Arten wie Chaetonotus macrolepidus / ophiogaster - nicht ein. Bei Ichthydium ist lediglich die "Basis-Schicht" der Schuppen vorhanden. Deshalb ist der "Faltenwurf" der Kutikula hier sichtbar und für die Gattung sehr typisch.

Viele Grüße

Michael (Müller)
Gerne per Du