Medizinische Mikrobiologie

Begonnen von Ralf Feller, Juni 16, 2018, 20:07:01 NACHMITTAGS

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Ralf Feller

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute möchte ich euch einen kleinen Einblick in die medizinische Mikrobiologie (mMb) geben.
Die mMb ist in Deutschland und den meisten anderen Ländern eine Facharztdisziplin wie
Pathologie, Gerichtsmedizin, Labormedizin, innere Medizin oder Chirurgie, um nur einige zu nennen.
Leider hat unsere Zunft, im Gegensatz zu den Kollegen aus Gerichtsmedizin und Pathologie keine
so guten Fernsehrepräsentanten wie Quincy oder Dr. Robert Kolmaar (Ulrich Mühe), was eigentlich
schade ist, denn bei uns geht es auch spannend zu.

Die mMb lässt sich unterteilen in Bakteriologie, Virologie, Mycologie und Parasitologie.
Das alles zu beschreiben ist natürlich zu viel und deshalb habe ich einen kleinen, aber
überlebenswichtigen Bereich der Bakteriologie, nämlich die Blutkulturdiagnostik,
heraus genommen. Hier spielt die Mikroskopie eine wichtige Rolle.

Eine der häufigsten Todesursachen im Krankenhaus ist die Sepsis.
Das ist ein Zustand in dem Bakterien oder Pilze aus einem Herd (Lungenentzündung,
Hirnhautentzündung, aber auch aus einem nicht behandelten Harnwegsinfekt) in das
Blut übertreten. Das führt fast immer zu hohem Fieber. Daneben kann aber auch das
Blut in den Gefäßen zu Gerinnung gebracht werden, es kann die Blutdruckregulation
gelähmt werden oder es entstehen bakterielle Absiedlungen in anderen Organen.
Die Bakterienmenge um die es hier geht ist aber normalerweise so klein, das man
keine Bakterien im Blutausstrich sehen kann. Es geht hier um 1 bis 10 Keime pro
Milliliter Blut. Um so wenige Keime nachzuweisen müssen sie angereicht werden.
Dazu werden je 10ml Blut des Fieberpatienten in zwei mit je 40ml Nährlösung
gefüllte Flaschen, eine aerobe und eine anaerobe, gebracht.

Blutkulturflaschen, der Flaschenboden ist mit einem Fluoreszenzindikator
beschichtet der über die CO2-Entwickung Keimwachstum anzeigt.
Abb. 1


Die so beimpften Flaschen kommen in einen Spezialbrutschrank der den
Wachstumsindikator abliest und eine Flasche dann als positiv meldet.
Abb.2

Abb.3


Es wird dann eine Probe von der positiven Flasche, die jetzt viele Bakterien
enthält, genommen. Davon wird:
1.   ein dicker Blutausstrich gemacht, der sofort nach ,,Gram" gefärbt wird.
Das Ergebnis, besonders ob Bakterien oder Pilze gewachsen sind,
wird direkt dem behandelnden Arzt mitgeteilt.
Abb.4


2.   ein Ausstrich auf feste Agarnährböden gemacht. Die Wuchsform
lässt eine erste Einschätzung zu ob ein oder mehrere Keime beteiligt
sind. Die Isolate dienen dann, dazu müssen sie rein sein, der entgültigen
Keim- und Resistenzbestimmung.
Abb.5: links Agar mit Schaafblut, rechts Macconkey Agar


Der mikrobiologische Arbeitsplatz braucht nur ein einfaches Mikroskop
um Kugeln von Stäbchen und rot von blau zu unterscheiden.
Am PC wird hier aber die Strategie festgelegt wie der Keim auf der
Agarplatte zu differenzieren ist, also welches Verfahren genommen wird.
Die Ergebnisse werden auf Schlüssigkeit geprüft.
Abb.6


Ja was kann man denn nun sehen?
Die Formenvielfalt ist bei Bakterien nicht gerade groß.
Die hauptsächlich als Pathogene für eine Sepsis (Blutvergiftung) bei uns
vorkommenden Bakterien sind:
a. Kugeln = Kokken,
in Kettenform = Kettenkokken, in Haufenform = Haufenkokken
oder
b. Stäbchen
Schrauben- und Kommabakterien spielen hier kaum eine Rolle.

Weil nun die Formenvielfalt nicht so groß ist, braucht es ein weiteres Kriterium
um Bakterien mikroskopisch zu differenzieren, die GRAM-Färbung.

1. Dabei wird die bakterienhaltige Flüssigkeit auf den Objektträger ausgestrichen
und luftgetrocknet (das muss nicht schön aussehen).
2. Es folgt eine 2 minütige Fixierung in 96% Ethanol.
3. Es wird eine Minute mit Kristallviolett gefärbt.
4. Das Kristallviolett wird abgegossen und es wird sofort mit Lugolscher Lösung
für eine Minute überschichtet. Das Kristallviolett bildet nun einen großen
Komplex mit dem Jod der Lugolschen Lösung. Dieser dunkelblaue Komplex
kann bei gram negativen Bakterien mit Alkohol ausgewaschen werden, die
gram positiven Bakterien halten die blaue Farbe fest.
5. Lugolsche Lösung abgießen und den Objektträger so lange in 96% Alkohol
schwenken bis keine Farbwölkchen mehr abgehen (nicht länger als 1 Min.).
Die gram positiven Bakterien sind nun blau, die gram negativen sind farblos.
6. Für eine Minute mit Safranin oder Fuchsin gegenfärben, die farblosen
gram negativen Bakterien färben sich rot, die blaue Farbe der gram positiven
Bakterien überlagert das rot, sie bleiben blau.

Wir sehen also:
Haufenkokken, Kettenkokken und Stäbchen,
blau gefärbt = gram positiv,   rot gefärbt = gram negativ

Wie bringt uns das weiter?

Aus Erfahrung wissen wir z.B. dass gram negative Zweierkokken eine
Hirnhautentzündung machen können, finde ich die in Liquor, so sind
es sehr wahrscheinlich Meningokokken. Gram positive Zweierkokken
bei einem Patienten mit Lungenentzündung sind wahrscheinlich
Pneumokokken. Hat ein Patient hohes Fieber und wir finden gram positive
Haufenkokken, so ist es wahrscheinlich der wichtigste Eiterbildner Staphylococcus
aureus. Gram positive Kettenkokken aus dem Bauchraum lassen auf
Enterokokken schließen, die dann immer resistent gegen Penicilline und
Cephalosporine sind.

Eine besondere Rolle spielen die Pilze, dabei handelt es sich fast immer um
Sprosspilze, also um Hefen, wobei der Hauptübeltäter Candida albicans ist.
Es ist lebenswichtig eine Pilzsepsis sofort zu erkennen, denn normalerweise
bekommt kein Patient routinemäßig Medikamente gegen Pilze, wohl aber
Breitbandantibiotika. Gegen Sprosspilze sind wir also meist ungeschützt.

Abb.7 gram positive Kettenkokken und gram negative Stäbchen (63 Obj),
daneben immer Reste von dem Blut das wir in die Flasche gegeben haben.


Abb.8 gram positive Haufenkokken (100 Obj)


Abb.9 gram negative Stäbchen ( 100 Obj)


Abb.10 Pseudomycel von Sprosspilzen (100 Obj)


Und wie geht es nun weiter?
Wir brauchen eine genaue Differenzierung der Bakterienart,
und wir brauchen eine Resistenzbestimmung.

Die Artbestimmung macht man bei Bakterien unter anderem mit so genannten
,,Bunten Reihen". Dabei bietet man dem Bakterium unterschiedliche Substrate als
Nährstoffe an, entweder der Keim kann das Substrat verwerten (es erfolgt ein
Farbumschlag eines zugesetzten Indikators), oder nicht. Ein sehr altes System
ist das Enterotube, die Bakterien werden mit einer Nadel zentral in die Reihe
der Nährsubstrate eingeimpft. Daneben gibt es verschiedene API-Systeme.
Diese Reaktionen werden in modernen Geräten miniaturisiert durchgeführt.

Abb.11 Enterotube zur Differenzierung von Enterobakterien wie E. coli


Eine moderne Variante ist der MALDI-TOF,
Matrix-assistierte Laser-Desorption-Ionisierung, dabei werden Bakterien
von der Kulturplatte mit einem Zahnstocher auf eine Metallplatte getupft.
Ein Laser in dem Gerät verdampft die Keime und ein angeschlossenes
Massenspektrometer analysiert die Fragmente innerhalb von Sekunden.

Abb.12 MALDI-TOF


Letztlich fehlt nur noch die Resistenzbestimmung.
Dazu beimpft man eine Nähragarplatte so das ein dichter Bakterienrasen
entsteht. Vor dem Wachstum kommen Plättchen mit den Antibiotika
auf die Platte. Die Größe der Hemmhöfe sagt RESISTENT oder SENSIBEL.
Daneben gibt es noch Verfahren wo das in Flüsssignährböden unterschiedlicher
Antibiotikakonzentration erfolgt.

Abb.13 Agardiffusionstest


Der Beitrag ist nun etwas lang geworden, aber vielleicht veranschaulicht er
ein wenig wie man die Mikroskopie in der Bakteriologie einsetzt. Es sind
keine sich selbst erklärenden Bilder wie in der Pathologie zu erwarten, aber
trotzdem geht es ohne das Mikroskop nicht. Man muss immer hinsehen, denn
füllt man in ein System zur Identifizierung von gram negativen Stäbchen
versehentlich gram positive Kokken ein, so kommen völlig falsche Keime
heraus. Und auch ein MALDI-TOF bringt nur richtige Resultate wenn die
passende elektronische Bibliothek eingestellt ist, sonst wird vielleicht aus
dem Staphylokokkeninfekt die Beulenpest.

Viele Grüße aus Mülheim, Ralf


Herbert Dietrich

Hallo Ralf

vielen Dank für Deinen interessanten und informativen Beitrag.
Den werde ich wohl nochmals in aller Ruhe genau lesen müssen.
Aber er gibt einem Laien schon mal eine erst Vorstellung über den Ablauf einer mikrobiologischen Ursachensuche.

Herzliche Grüße

Herbert

ds0511

Hallo Ralf,

mich als Laien wundert wie wenig "Handarbeit" noch benötigt wird. Andererseits bei dem Aufkommen an Blutuntersuchungen täglich geht das vermutlich gar nicht mehr anders. Und dazu muss es ja auch noch schnell gehen, wenn eine lebensbedrohliche Situation existiert.

Danke für den Einblick.

Viele Grüße
Detlef

Peter V.

#3
Hallo Detlef,

in der Mikrobiologie herrscht aber noch vergleichsweise viel "Handarbeit" und direkte Arbeit am Probenmaterial. Dann müsstest Du Dir mal ein Labor für Klinische Chemie anschauen, an dem der gesamte Ablauf voll automatisiert ist. Dort gibt es praktisch keinerlei "Handarbeit" mehr - außer dem Umsetzen von "Racks" (quasi großen metallenen Regaenzglasständern) von einem Automaten in den anderen. Wobei selbst das bei ganz großen "Strassen" nicht mehr erforderlich ist, bei denen alle Arbeitsschritte vom Einsetzen der unzetrifugierten Probe bis zur Darstellung des Analyseergebnisses auf dem Rechner samt Befunddruck vollautomatisiert ablaufen. Die weitere Tätigkeit der MTAs besteht aus dem Nachfüllen von Reganzienbehältern in den Automaten und Arbeiten am Computer, Dokumentation etc.

Hier sieht man die typischen Arbeitsabläufe in einem mittelgroßen modernen klinisch-chemischen Labor:

https://www.youtube.com/watch?v=Pt6u4r04SJM

Diese beiden Filme zeigen den ganz aktuellen Stand eines Großlabors für Klinische Chemie. Wirkt spacig, sieht aber tatsächlich so aus (allerdings wohl eheer selten in so stilvollen Gemäuern wie im zweiten Film). Mit dem, was sich Viele unter einem "Labor" vorstellen, hat das nicht mehr viel zu tun.


https://www.youtube.com/watch?v=6P-jaC3_d3o


https://www.youtube.com/watch?v=EF6aIn2rn9I

In einem solchen Labor hat man übriegns tatsächlich auch die Geräuschkulisse einer Fabrik.

Am meisten "Handarbeit" gibt es tatsächlich noch in der Histologie, lediglich das Färben und oftmals auch das Eindecken sind automatisiert. Zuschnitt der Gewebe gemeinsam durch Arzt und TA, Einbetten und Schneiden durch die TA sind noch echte "Handarbeit".

https://www.youtube.com/watch?v=DkWT5l-GEBo

https://www.youtube.com/watch?v=eweSaybEz40

@Ralf: Vielen Dank für Deinen schönen Beitrag. Wieso sind Blutkulturen eigentlich so selten positiv?

zu MALDI-TOF: Hier sieht man übrigens gut einen typischen Schwachsinn unseres Gesundheitwesens: Methoden, die längst etabliert sind, werden erst nach Jahrzehnten(!) offiziell in den Leistungskatalog aufgenommen und können somit bis dahin nicht abgerechnet werden. Der Leistungskatalog (EBM) kennt die MALDI-TOF Methode gar nicht, sondern nur die alten Verfahren. Das führt dazu, dass Labore sich die teuren MALDI-Apparate anschaffen, weil sie gute Ergebnisse erzielen möchten, diese aber nicht abrechnen können. Wer nun glaubt, dass man wegen der deutlich besseren und moderneren Methode auf die alten Verfahren verzichtet - weit gefehlt! Um den Leistungsinhalt des EBM zu erfüllen und keinen "Abrechnungsbetrug" zu begehen, muss völlig sinnfrei die alte Methode ebenfalls mit durchgeführt werden - auch, wenn das Ergebnis direkt in die Tonne kann und die Kosten für die Materielien und Arbeitszeit komplett für die Katz sind.
So ist es zumindest meines Wissens bei Mikrobiologischen Laboren, die auch nach EBM abrechnen.

Herzliche Grüße
Peter


Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

liftboy

Hallo Peter,

aber das ist doch überall so: "never touch a running engine". Solange mit dem alten Kram auch nur noch eine Mark verdient werden kann, wird nichts geändert. Das ist in der Medizin auch nicht anders.
Beispiel:
Mein alter Herr (94) hat Altersdiabetes und muss den Blutzucker messen. Also traditionell mit stechen und so; hat die Kasse auch immer fleißig bezahlt. Auf Grund seines Zustandes muss er nun in halbstündlichem Abstand messen; das geht mit stechen einfach nicht mehr! Also Sensor an den Arm gesetzt und alles gut..... oder? Da hat die Kasse doch echt eine Igel in der Tasche! Die Sensorkosten (auch nicht höher als die Stecherei) werden von der Kasse nicht bezahlt. Also nichts mit "Änderungen die dem technischen Fortschritt dienen".

Nun zum Beitrag:
Eine gelungene straff gehaltene Dokumentation, die mal einen Einblick in ein doch ziemlich unbekanntes Gebiet gestattet.
Dank dafür.

Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Peter Reil

Hallo Ralf,

ein prima Beitrag und gut erklärt, besten Dank!

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

HDD

Hallo Ralf

Herzlichen Dank für den hervorragenden, anschaulichen Bericht.

Viele Grüße
Horst-Dieter

treinisch

Hallo,

danke! Sehr sehr spannender Beitrag!

Eine Nachfrage hätte ich:

ZitatDie so beimpften Flaschen kommen in einen Spezialbrutschrank der den
Wachstumsindikator abliest und eine Flasche dann als positiv meldet.

Was ist der Wachstumsindikator?

Wie lange dauert es von der Blutabnahme bis zur bestimmten Resistenz/Sensitivität bei modernster Vorgehensweise?

Wie lange dauert es von der Blutabnahme bis zur Bestimmung des Erregers bei modernster Vorgehensweise (Das wird die Variante mit MALDI-TOF sein?) ?

Wie gesagt hoch spannender Einblick, vielen Dank!

vlg
Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

Ralf Feller

#8
Liebe Kollegen,
danke für das so positive Echo!

@ Peter,
Wieso sind Blutkulturen eigentlich so selten positiv?
Ich denke, lieber Peter, das liegt an Deiner guten Therapie!
Aber im Ernst, im Krankenhaus sind Blutkulturen leider oft positiv wegen der Kontaminationen bei der Blutentnahme. Die Haut wird nicht lange genug desinfiziert wenn man die Vene punktiert, oder es gelangt ein kleiner Hautzylinder mit in die Probe. Man findet dann Hautkeime wie den Staphylokokkus epidermidis.

@Timm und zum Thema Automatisierung,
mir ist die Automatisierung im mikrobiologischen Labor noch nicht weit genug fortgeschritten und das nicht etwa weil ich Automatisierung mag, nein ich mag diese Automatisierung überhaupt nicht.

In der Mikrobiologie spielt Zeit aber eine wichtige Rolle.
Bei einem Sepsispatienten steigt pro Stunde ohne Antibiose das Sterberisiko um 7 bis 8%

Und jetzt kommen wir zu den Handarbeitsschritten in der Diagnostik, dabei ist zu berücksichtigen, dass die meisten MiBi-Labore nicht 24h durcharbeiten.

Eine Blutkulturflasche wird positiv gemeldet weil sich durch Keimwachstum CO2 bildet welches durch den Indikator im Flaschenboden detektiert wird.
Wenn das um 8 Uhr morgens passiert liegt das gram-Präparat um 9 Uhr vor und der Stationsarzt wird über gram positive / negative Keime oder Pilze informiert.
Ebenfalls zwischen 8 und 9 Uhr ist eine Nähragarplatte angelegt worden, die kann im günstigsten Fall nach 8 Stunden schon so viel Keimmaterial tragen das die MALDI-Analyse gemacht werden kann. Auch das ist mit Handarbeit verbunden, aber nach 30 Minuten kann der Keim identifiziert sein. Das erlaubt schon eine Abschätzung möglicher Resistenzen.
Parallel zur MALDI-Analyse ist im Idealfall eine Resistenztestung angelegt worden, die braucht aber immer bis zum nächsten Morgen.

Also im Idealfall zum Beispiel:
Flasche ist Montagmorgen positiv, Montagabend kennen wir den Keimnamen, Dienstagmorgen haben wir das Resistogramm.

Jetzt werden die meisten Flaschen aber nicht morgens um 8 Uhr positiv, sondern in der Zeit davor oder danach. In der Nacht ist das Labor nicht besetzt, wie schön währe jetzt ein Roboter der die positiven Flaschen aus dem Automaten nimmt und eine Plattenkultur anlegt.

Realität:
Flaschen werden in der Nacht positiv,
werden am Morgen auf Agarplatten ausgestrichen, wenn jetzt kein Spätdienst da ist, erfolgt die Keimidentifizierung erst einen Tag später und das Resistogramm ist erst an Tag 3 vorhanden.

Die Keimbestimmung mit dem MALDI-TOF System ist dabei arbeitsaufwendiger als bei Benutzung des alten "Bunte Reihe" Systems weil die alten Systeme nur eine Einimpfung für Identifizierung und Resistenz verlangen. Arbeitet man mit dem MALDI-TOF, so hat man zwar die Keimidentifizierung schneller, die Resistenztestung bleibt aber langsam und man muss die Keimidentifizierung wieder mit dem Resistogramm zusammen bringen.

Ideal währe also in der Mikrobiologie eine 24h Arbeit, die will aber keiner und die ist zu teuer.
Also beleibt nur das warten auf neue Roboter.

Ich hoffe das war ein wenig anschaulich.

viele Grüße, Ralf

Nachtrag:
Es ist auch möglich den Keim ohne Plattenkultur, direkt aus der Blutkulturflasche zu bestimmen und die Resistenzgene über die PCR zu bestimmen, aber das beschäftigt eine Person den ganzen Tag.

Ronald Schulte

@Peter, danke für die gute Link Tipps.

@Ralf,
Sehr schöne und besonders Instruktiven Beitrag (das musste es mehr geben).

Du schreibst: ,,Man findet dann Hautkeime wie den......". Was meinst du mit Hautkeime? Ist das z.B. eine Bakterie die sich dann rasch in mehrere teilt?
Wenn das nur eine Bakterie ist dann ist eine völlige Reinigung von z.B. die Haut doch fast nicht möglich. Da bleiben doch immer ziemliche Risikos?

Wiki schreibt: ,,MacConkey-Agar ist ein Selektivnährboden zur Isolierung von gramnegativen........".
Was aber ist die Selektivität in Schaafs Blut? Und warum vom Schaaf?

Gruße Ronald und nochmals; ein prima Beitrag!
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

ImperatorRex

Hallo Ralf,
wirklich ein sehr interessanter Einblick in die med. Mikrobiologie!

Zitates geht hier um 1 bis 10 Keime pro Milliliter Blut.

Hätte nicht gedacht, dass da nur so wenige Keime im Blut sind, als Laie hätte ich da gedacht, der Körper bzw. die Immunabwehr steckt das locker weg.

viele Grüße
Jochen

Fahrenheit

Lieber Ralf,

vielen Dank für den spannenden und informativen Berucht, den ich mit großem Interesse gelesen habe.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

plaenerdd

Hallo Jochen,
ZitatZitat

    es geht hier um 1 bis 10 Keime pro Milliliter Blut.

Hätte nicht gedacht, dass da nur so wenige Keime im Blut sind, als Laie hätte ich da gedacht, der Körper bzw. die Immunabwehr steckt das locker weg.

Ich bin jetzt nicht der Fachmann dafür. Ralf wird sicher auch noch antworten, aber ich denke die Keime sind nicht wirklich im Blut "zu Hause", sondern in anderen entzündeten Organen. Die sind doch meist nur ausgeschwemmt, aber im Blut findet man sie eben. In den betroffenen Organen sind sicher ganz andere Keimzahlen anzuteffen.
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Ralf Feller

Liebe Kollegen,

@Ronald,
unsere ganze Haut, und noch viel mehr die Schleimhäute, sind von nicht pathogenen Bakterien besiedelt, der sogenannten residenten Flora. Das sind Koagulase negative Staphylokokken (die Koagulase bringt Blut zur Gerinnung, verhindert so die Abwehr und ist ein Pathogenitätsfaktor des gelb wachsenden Staph. aureus), vergrünenden Streptokokken, Corynebakterien und anderen. Diese Bakterien besetzen die Haut und Schleimhäute, so dass krank machende Keime keinen Halt finden. Diese Keime sind auf der Haut völlig ungefährlich, und wenn man sie durch Desinfektion, zu häufige Reinigung oder Antibiose vermindert, so schafft man Eintrittspforten für pathogene Keime. Gelangen diese Keime aber an Orte die sonst steril sind (Schädelinneres, Bauchraum), so können sie doch Schaden anrichten. Ein Beispiel: Ein Mensch fällt auf die Nase. Kurze Zeit später tropft die Nase wie bei Schnupfen, es ist aber kein Schnupfen. Hier kann ein Bruch des Siebbeins (die Riechbahn gelang hier ins Gehirn) zu einem Übertritt der in der Nase ungefährlichen Bakterien ins Gehirn führen wobei eine Hirnhautentzündung entstehen kann. Daran kann man auch durch Hautkeime sterben. Entnehme ich nun Material aus dem ZNS (Liquor) und finde ich darin diese Keime, dann kann das eine Verschleppung von der Haut, durch die ich ja stechen muss, sein oder es ist tatsächlich ein Infekt. Im letzterem Fall finde ich immer auch Entzündungszellen!

An Nährböden verwenden wir in der Mikrobiologie meist 5 Nährböden:
1. Blutagar: darauf wächst fast alles und die Hämolyse der Erythrozyten gibt Hinweise auf Pathogenität.
2. Blutagar mit Nalidixinsäure, die hemmt die gram negativen Keime. Es wachsen nur gram positive Keime.
3. Kochblutagar, darauf wachsen die empfindlichsten Keime, man sieht aber keine Hämolyse denn durch das Kochen sind die Erys schon hämolysiert.
4. MacConkeyagar: darauf wachsen nur gram negative Keime, wenn sie Lactose verwerten können wie E. coli, wachsen sie rot.
5. Schädleragar für anaerobe Keime

Schafblut verwendet man traditionell, man kann die Tiere gut halten und sie sind dann nicht so antibiotikaversäucht wie unser Schlachtvieh (ausgenommen natürlich Bio vom ehrlichen Bauern).

Hämolyse auf Blutagar



@Jochen,
ja Gerd hat recht, die Keime werden ausgeschwemmt.
Ich versuche einmal einige wichtige Herde aufzuzählen:
-Hirnhautentzündung, kann nicht nur durch hoch pathogene Keime wie Meningokokken entsteken, sondern auch durch ein gebrochenes Siebbein oder eine Mittelohrentzündung die durch den Knochen bricht.
-Lungenentzündung durch hoch pathogene Keime wie Pneumokokken, aber auch nach Lungenembolie durch Darm- oder Wasserkeime, besonders wenn der Patient beatmet wird.
-Entzündung im Bauchraum (Peritonitis) nach geplatztem Blinddarm, Divertikeln, durch Krebsmetastasen oder eine undichte Darmwand nach Chemotherapie.
-der Harnwegsinfekt, der vom alten, diabeteskranken Menschen, der wegen seiner Gelenkbeschwerden viele Schmerzmittel nimmt, nicht bemerkt wird.

Dabei sind gram negative Keime besonders gefährlich weil sie die Gefäßmuskulatur lähmen können. Wenn alle Blutgefäße in unserem Körper weit gestellt sind, reicht unser Blutvolumen für die Organversorgung nicht aus (septischer Schock). Daneben kommt es zur Gerinnung in den Gefäßen mit der Folge von Thrombosen. Dadurch werden aber die Gerinnungsfaktoren verbraucht, und an anderer Stelle kann es Bluten (Verbrauchskoagulopathie).

Das einzige was uns jetzt noch helfen kann sind Antibiotika.
Die neue Herausforderung die sich heute zeigt sind die "Resistenten Keime"
Einer der häufigsten Eiterbildner, der Staphylokokkus aureus, konnte immer mir dem Antibiotikum Oxacillin (= Methicillin in Amerika) behandelt werden. Jetzt werden immer mehr Stämme resistent,
= oxacillin resistenter S. aureus (ORSA = MRSA).
Enterokokken aus dem Darm, die immer mit Vankomycin behandelt wurden sind jetzt oft resistent,
Vankomycin resisterter Enterokokkus (VRE).
Und auch harmlose Darmbakterien (gram negative Keime) werden auf immer mehr Antibiotika resistent =MRGN (Multi resistente gram negative). Hier sind Resistenzgene beteiligt, die oft aus anderen Teilen der Welt kommen und sich verbreiten. So konnten wir kürzlich ein Resistenzgen aus Indien in einer Patientin aus diesem Kontinent nachweisen : New Delhi metallo-beta-lactamase (NDM-1) die auch gegen die neuesten unserer Antibiotika resistent macht.

Bitte entschuldigt den etwas weitschweifigen Beitrag, aber hoffentlich habe ich ein wenig Interesse bei Euch für dieses spannende Gebiet geweckt.
Für den Mikroskopiker besonders spannend sind die Parasiten und die Schimmelpilze. Gerade die Schimmelpilze können mikroskopisch viel bieten.
Im Netz möchte ich die WIKIBooks medizinische Mikrobiologie und Pathologie empfehlen.
https://de.wikibooks.org/wiki/Regal:Medizin

viele Grüße, Ralf



Jürgen H.

Zitathoffentlich habe ich ein wenig Interesse bei Euch für dieses spannende Gebiet geweckt

Oh, ja lieber Ralf, und ganz herzlichen Dank dafür!

Jürgen