Dünnschliff: Staurolith-Glimmerschiefer-Wissahickon (Pol & Elektronenmikroskop)

Begonnen von Bayer, Juni 21, 2018, 20:46:54 NACHMITTAGS

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TPL

Hallo Christian,

Peters Ansatz, kristalloptische Parameter (hier: den Gangunterschied, Symbol Gamma / Γ) mit einem Kompensator zu messen, ist zwar sicher interessant, aber für die Gesteinsbestimmung unüblich. Für die gewöhnliche Gesteinsbestimmung (Petrographie) wäre das, wie diese Sache mit den Kanonen und den Spatzen ;). Ich habe (als Geologe mit mineralogischem Interesse) während meiner gesamten Ausbildung und großen Teilen der Berufspraxis kein einziges Mal einen Kompensator gebraucht. Das war allerdings auch zu Zeiten, als diese kleinen optisch-mechanischen Präzisionsinstrumente noch sehr teuer waren und es noch keinen Gebrauchtmarkt dafür gab.

Ihre Berechtigung hatten solche aufwändigen Messmethoden vor allem zur möglichst präzisen Feststellung des Gangunterschiedes einzelner Kristalle von (üblicherweise bereits bekannten) Mineralen, um darüber Rückschlüsse auf deren Zusammensetzung ziehen zu können. Das funktioniert aber nur bei günstigen Schnittlagen. Hierzu kann Olaf wesentlich kompetenter Auskunft geben.

Eine andere Nutzung, heute, wo die Anschaffung solcher Geräte im Bereich eines Hobby-Budgets liegen, ist eher didaktisch: die Messung von Gangunterschiededen wird dadurch praktisch erfahrbar.

Viele Grüße
Thomas

Wutsdorff Peter

Grüß Dich THomas,
diese Methode wird in der Lit. beschrieben.
Gruß Peter

TPL

>>> Liebe Moderatoren: bitte gerne abtrennen, da wir mit diesen Methodik-Fragen im Mikrofoto-Forum ggf. falsch sind <<<

Grüß Dich Peter!

In der "Lit." wird Vieles beschrieben. Und dass im Rinne & BEREK der Nutzen des BEREK-Kompensators gepriesen wird, ist nicht weiter verwunderlich. Nicht ausgeschlossen, dass man Petrographie auch mit Synchrotron-Diffraktometrie betreiben kann, aber ich bleibe dabei, dass man zur Petrographie gesteinsbildender Minerale neben einem Pol-Mikroskop mit Hilfsobjekt Rot 1 keinen Kompensator braucht.

Versteh' mich bitte nicht falsch, aber die Investition in ein Pol-Mikroskop (und dessen bestimmungsgemäße Nutzung) ist oft schon Herausforderung genug. Da würde ich ungern den Eindruck aufkommen lassen, zur Petrographie bräuchte man einen Kompensator.

Gruß Thomas

Bayer

Liebe Dünnschlifffreunde,

anbei der Dünnschliff aufgenommen mit linearen Polarisator (ohne Analysator), wie von Olaf vorgeschlagen.

Manueller Weißabgleich auf 4700K (LED, voll aufgedreht), Stemi 508doc (0,63x und 2x Zoom) mit NVF 2,5x an der Nikon D850.
Die Farben sind "nahe dran" an dem Bild durchs Okular.
Kameraprogramme wurden auf Neutral gestellt, in der Nachbearbeitung nur Schärfe und Helligkeit korrigiert.
Auf fotografische Technik wie Schärfentiefe an den Rändern habe ich jetzt erst mal nicht geachtet.

Hilft das jetzt zur Bestimmung?

Beste Grüße
Christian
Stemi 508doc
AxioScope.A1
Nikon D850

Bayer

und hier noch mal Details am Stemi 508doc ganz normal im Durchlicht
Stemi 508doc
AxioScope.A1
Nikon D850

olaf.med

Lieber Peter,

Thomas hat mit seiner Einschätzung der Bedeutung des Kompensators recht. Er ist tatsächlich nur für spezielle quantitative Messungen erforderlich, nicht aber zur Diagnose von Mineralien oder der Bestimmung der Dicke von Dünnschliffen. Hier reicht die Genauigkeit der Farbtafel nach Michel-Levy (bzw. der von Raith und Reinhard vorgeschlagenen graphischen Lösung - mit der ich persönlich mich gar nicht anfreunden kann) völlig aus! Ich habe diagonal durch den Rinne-Berek geblättert, aber die von Dir erwähnte Angabe nicht gefunden. Kannst Du mir die entsprechende Stelle kurz nennen?

Lieber Christian,

Danke für die zusätzlichen Bilder, der Staurolith ist tatsächlich ein solcher (was ich auch vorher nicht bezweifelt hatte, und der Kristall rechts oben könnte wirklich ein Cordierit sein. Das muss aber noch bestätigt werden. Bilder dieser Minerale findest Du auf meiner Homepage unter Downloads>Mineraloptik (wo Thomas sie schon in's Spiel gebracht hat). Mit Beiträgen von mir ist über's Wochenende nicht zu rechnen - das ist keine Unhöflichkeit, sondern Netz-Abstinenz durch eine Reise.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Wutsdorff Peter

Grüß dich Olaf,
ich beziehe mich bei der Bestimmung auf die  drei R-Autoren, S.93, Abb.4-32 re oben.
die Bestimmung von Gamma (wo finde ich im Forum das gr. Alphabet?) mache ich nach der Bedienungsanleitung des Berek-Komp. cf. Burri, S. 140. Irgendwo habe ich auch gelesen, daß man Gamma auch mit einem Hilfsobjekt (RotI) bestimmen kann:
Bei der Bestimmg. der Schliffdicke folge ich den Drei R S. 27ff. mit Hilfe  von Relief u. Chagrin S. 76.
Gruß Peter

Bayer

Lieber Olaf,

wenn Du von Deiner Reise zurück bist, könnest Du uns kurz sagen, aufgrund welcher Details Du den Staurolithen erkannt hast?
Was sind die Charakteristika, nach denen Du die Bestimmung machst?
Welche Bilder sind aussagekräftig?
Parallel mache ich mich mal in den Büchern schlau.

Beste Grüße
Christian
Stemi 508doc
AxioScope.A1
Nikon D850

olaf.med

Lieber Peter,

den Wert für Γ* erhält man in weit ausreichender Genauigkeit aus der Farbtafel nach Michel-Levy ohne einen Kompensator zu bemühen. Etwas anderes kann ich auch bei den "3R-Autoren" nicht finden.

Die Bestimmung der Schliffdicke hat nichts mit dem Relif und dem Chagrin ("3R-Autoren" Seite 76) zu tun, da verwechselst Du etwas.

Lieber Christian,

bei der Diagnose im Dünnschliff nutzt man immer verschiedenste Beobachtungen gepaart mit viel Erfahrung. Daher ist das Verfahren für Untrainierte auch so schwer. Im Falle des Stauroliths sehe ich im linear polarisierten Licht einen poikilithischen (siebartigen) Phorphyroblast (im festen Gestein während der Metamorphose gewachsenen Kristall) mit hohem Relief, zartgelber Eigenfarbe und schwachem Pleochroismus. Bei gekreuzten Polarisatoren erkenne ich Anisotropie und relativ niedrige Interferenzfarben, die auf eine Doppelbrechung von Δn≈0,01-0,02 hinweisen. In Kombination mit der Kenntnis von der Art des Gesteins (Metapelit) führt dies zur richtigen Diagnose.

In anderen Bildern von Dir sehe ich Granat: gleichfalls hohes Relief, aber etwas gringer als beim Staurolith, rundliche Kristallformen, rosa Eigenfarbe, Isotropie.

Herzliche Grüße,

Olaf

* im Forum findest Du diese Schrifttypen ncht. Du kannst nur ein Word-Dokument öffnen, dort über Einfügen>Symbol das Passende auswählen und in ein leeres Dokument einfügen, von dort dann über Copy and Paste ins Forum-Schriftfeld übernehmen. Ist leichter als es sich anhört!
Gerne per Du!

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Bayer

Vielen Dank Olaf für Deine Erläuterungen - das werde ich jetzt mal mit meinen Büchern nachvollziehen.
Stemi 508doc
AxioScope.A1
Nikon D850

Wutsdorff Peter

Guten Abend Olaf,

Dein Zitat:
"den Wert für Γ* erhält man in weit ausreichender Genauigkeit aus der Farbtafel nach Michel-Levy ohne einen Kompensator zu bemühen"

Das setzt doch aber voraus, daß man weiß um welches Mineral es sich handelt, das ist mir klar, vorausgesetzt, man hat die Dicke richtig bestimmt.
Beispiel1:  es handelt sich um Korund, Dicke = 30µm, >>Gamma =240nm.
Beisp.2: Wenn ich aber nicht weiß, daß es Korund ist, und ich messe die Dicke zu 30µm und bestimme Gamma mit Berek zu 240nm, dann treffe ich bei Michel-Levy auf einen Strahl, der mich am Rand zu Korund füührt.

Mit Relief und Chagrin hast Du natürlich recht.

Gruß Peter

olaf.med

Lieber Peter,

andersrum wird ein Schuh daraus. Der Gangunterschied ist ja gleich der Interferenzfarbe die man beobachtet, auch ganz ohne dass man weiß um welches Mineral es sich handelt!

Die Formel lautet:

Γ=d●Δn

Es ist also eine einfache lineare Gleichung. Von dieser ist eine Größe bekannt, nämlich die Dicke d. Den Gangunterschied Γ (=Interferenzfarbe) erhält man durch Aufsuchen des Mineralschnitts mit der höchsten Interferenzfarbe dieses zunächst unbekannten Minerals im Dünnschliff. Bei zwei bekannten Größen kann man nun die dritte, nämlich die Doppelbrechung Δn, berechnen oder aus der graphischen Darstellung (Farbtafel nach Michel-Levy) entnehmen. Das führt in Deinem Beispiel dann zum Korund.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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Bayer

Liebe Dünnschlifffreunde,

anbei noch ein paar Daten zum Dünnschliff.

Datierung laut Robert Gill ist das Kambrium (da fehlen mir alle Kenntnisse um das zu bestätigen)

- Periode vor ca. 541 – 485,4 Millionen Jahre
- Kambrische Explosion = Entstehung fast aller heutiger Tierstämme durch veränderte Umweltbedingungen (u.a. erhöhter Sauerstoffanteil im Meer) – d.h. früheste Fossilienfunde
- durchschnittlich 7 Grad heißer als heute, nur 63% des heutigen Sauerstoffanteil aber das 12-fache des Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre

Glimmerschiefer (hell- bis dunkelgrau, durch Verwitterung bräunlich / rötlich) = geschieferte Metamorphite
- Schieferung = (engständige) lagige, planare Struktur (Parallelgefüge); Ergebnis tektonischer Vorgänge, die das Gestein mit hohem Druck und Temperatur beeinflussen) - die größten Flächen der Minerale stehen senkrecht zur Richtung des gerichteten Drucks (dann sind die Kanten – die Bereiche mit dem größten Kristallwachstum - dem geringsten Druck ausgesetzt)
- Metamorphite = durch Gesteinsmetamorphose unter hohen Druck- und Temperaturbedingungen tief in der Erdkruste entstanden aufgrund z.B. Gebirgsbildung oder Plattentektonik – durch die Umwandlung entstehen neue Minerale und Mineralaggregate – Ausrichtung der Mineralkörner im Gestein, die wiedergibt, aus welchen Richtungen der größte Druck erfolgte – neues Gesteinsgefüge / -textur
- Schist = mittel- bis grobkörnige Schiefer mit relativ hohem Metamorphosegrad – Mineralkörner oft mit bloßem Auge erkennbar, in manchen Fällen mehrere Zentimeter lang
- Vorkommen: oft in den Innenzonen von Gebirgen

Staurolith
- Kreuzstein, Inselsilikat, hier Eisenstaurolith (Eisen 8%, kein Zink, aber etwas Magnesium 4%), Hauptbestandteile Aluminium (38%) und Silizium (37%)
- Kristallisieren im monoklinen Kristallsystem und entwickeln überwiegend prismatische bis tafelige Kristalle und charakteristisch-kreuzförmige Kristallzwillinge, aber auch körnige bis massige Aggregate in rotbrauner bis braunschwarzer Farbe
- Mohshärte 7-7,5; Dichte 3,65-3,83 g/ccm; unvollkommene Spaltbarkeit; Bruch muschelig, uneben, spröd; Brechnungsindizes über 1,7; zweiachsig positiv
- Eisenhaltige Staurolithe sind gelblich-braun
- Die Symmetrie der Staurolithstruktur ist nicht kubisch, sondern monoklin <Stabstruktur – nadelige Kristalle, radialstrahlartige aber auch körnige bis massive Mineral-Aggregate oder krustige Überzüge> (geneigt in einem Winkel ungleich 90 Grad – Punktgruppe, die in genau einer Richtung eine zweizählige Dreh- oder Drehinversions- bzw. Schraubenachse besitzen)

Beste Grüße
Christian


Stemi 508doc
AxioScope.A1
Nikon D850