Botanik: Der Klassiker mit Wurzel, Blatt und Spross - Zea mays *

Begonnen von Fahrenheit, Juli 29, 2018, 18:28:23 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

in der Mittagspause gönne ich mir immer einen kleinen Spaziergang, der mich an einem Maisfeld vorbei führt, dessen Pflanzen trotz der derzeitigen Trockenheit mittlerweile sicher 3,50 Meter hoch sind. Am Feldrand kann man erkennen, dass sich an den ersten beiden oberirdischen Nodien dichte ringe von Stützwurzeln (sprossbürtige Wurzeln) bilden. Diese sind gut 5 bis 6 mm dick und bieten eine gute Gelegenheit, einmal eine Maiswurzel zu schneiden. Also mit einem scharfen Messer schnell ans Werk, die Proben kommen in einen zip-Beutel mit angefeuchtetem Küchenpapier, um bis zum Abend durch zu halten. Und wo wir schon dabei sind: ein Stück Blatt muss auch mit.
Das Ergebnis der Schnippelei möchte ich Euch heute vorstellen, zusammen mit Bildern vom Spross des Klassikers zur Anatomie der Monokotyledonen von einem Präparat, das mir Leopold Aichinger vor ein paar Jahren geschenkt hat. Und natürlich gibt es auch diesmal wieder was zu entdecken. :)

Zum Mais (Zea mays) gibt es hier im Forum schon einige Threads, die ich ohne Anspruch auf Vollständigkeit gerne verlinke (ältester Thread zuerst):

Botanik: Maisblatt und das C-4-Syndrom, von Detlef Kramer zum C4 Stoffwechsel
Botanik: Mais (Zea mays) , von Hans-Jürgen Koch
Botanik: Zea mays, Wurzel quer, die Wurzel von Muschelblümchen


Wie immer zuerst etwas zur Pflanze selbst

Mais (Zea mays), in Österreich und Teilen Altbayerns auch Kukuruz (aus dem Slawischen) genannt, ist eine Pflanzenart innerhalb der Familie der Süßgräser (Poaceae). Das Getreide stammt ursprünglich aus Mexiko und ist eine einhäusig getrenntgeschlechtige C4-Pflanze.

Bild 1: Das Maisfeld in der Nähe meiner Arbeitsstädte

Selten habe ich so große Maispflanzen gesehen. Diese sind sicher an die 3,50 Meter hoch.

Kulturmais ist eine kräftig gebaute, sommergrüne, einjährige, krautige Pflanze, die Wuchshöhen von einem bis zu drei Metern (und mehr!) erreicht. Der runde, nicht oder nur selten verzweigte Halm ist auf ganzer Länge von glatten Blattscheiden bedeckt. Er ist innen markhaltig und kann am Grund einen Durchmesser von bis zu fünf Zentimetern aufweisen. Die zahlreichen Knoten stehen insbesondere bodennah in dichter Folge. Aus ihnen entwickeln sich Stützwurzeln (sprossbürtige Wurzeln), die - sobald sie den Boden erreichen - der Wasser- und Nährstoffaufnahme, vor allem aber auch der Standfestigkeit der Pflanze dienen.

Bild 2: Die jungen Stützwurzeln, Ausgangspunkt meiner Präparation

Wir sehen den zweiten oberirdischen Knoten, weiter unten haben die Stützwurzeln des ersten Knotens den Boden schon erreicht.

Die Laubblätter sind wechselständig am Halm angeordnet. Das drei bis fünf Millimeter lange Blatthäutchen (Ligula) ist zerschlitzt oder bewimpert. Die einfache, leicht raue, mitunter zerstreut behaarte, dunkelgrüne Blattspreite ist bei einer Länge von bis zu einem Meter und einer Breite von vier bis zehn Zentimeter flach und zum Rand hin wellig. Sie zeigt eine ausgeprägte, weißliche Mittelrippe, in der jedoch kein einzelnes großes, sondern wie bei den Monokotyledonen üblich, viele kleinere Leitbündel in einem Parenchym eingebettet liegen. Parallelnervig aufgebaut, zeigen auch an den Seiten der Mittelrippe hellere Streifen die Lage weiterer Leitbündel an. Erstaunlich: das sehr große Blatt hat in der Fläche oft nur eine Dicke von 150 bis 250 µm.

Bild 3: Der Maiskolben - die weibliche Blüte

Die langen Stempel sind bereits eingetrocknet und bleiben als Schopf an der Kolbenspitze stehen

Zea mays ist einhäusig getrenntgeschlechtig (monözisch). An der Sprossspitze befinden sich die endständigen männlichen rispigen Blütenstände, die sie sich an den Rispenästen aus paarweise angeordneten Ährchen mit jeweils zwei männlichen Blüten zusammensetzen. Ein bis drei weibliche Blütenstände wachsen in Blattachseln am unteren bis mittleren Bereich des Halmes. Diese seitenständigen, kurz gestielten Kolben werden vollständig von Hüllblättern (Lieschblätter, auch genannt Lieschen) umhüllt und tragen paarweise Ährchen in 8 bis 16 Längszeilen. Dabei enthält jedes Ährchen zwei Blüten, von denen aber nur eine voll entwickelt ist. Der Fruchtknoten ist mit drei Millimetern sehr klein, jedoch zur Anthese mit 20 bis 40 Zentimeter langen Griffeln ausgestattet. Später ragen die vertrockneten Griffel als bräunliches Bündel aus der Spitze des Kolbens zwischen den Blattscheiden hervor. Da sich die Deck- und Vorspelzen der weiblichen Blüten nicht weiterentwickeln, können sich die Früchte unbespelzt vorwölben.
Mais wird wie viele Gräser durch den Wind bestäubt. Dabei blühen die weiblichen Blüten einer Pflanze vor den männlichen Blüten, um eine Eigenbestäubung möglichst auszuschließen.

Bild 4: Der männliche Blütenstand


Der kolbenförmige Fruchtstand enthält zur Reifezeit Maiskörner (Karyopsen), die je nach Sorte weißlich, goldgelb, rot oder auch schwarzviolett sein können, das Tausendkorngewicht beträgt 250 bis 400 Gramm.

Bild 5: Illustration eiens Ziermaises aus Wikipedia, der ursprüngliche Autor ist nicht dokumentiert

Ziermais. A Unterer Teil der Pflanze. B Spitze der Staude mit männlicher Blütenrispe. C Mitte des Halmes mit weiblichen Blütenkolben. D Fruchtkolben. 1 Zwei zusammengehörige Ährchen; 2 ein Ährchen geöffnet; 3 Pollenkörner; 4 weibliche Blüten mit Deck- und Vorspelze; 5 Pistill mit Griffel ohne Hüllen; 6 Frucht von der Achse aus gesehen; 7 Frucht im Längsschnitt; 8 Stärkekörner. A, B, C, D verkleinert; 1, 2, 3, 8 vergrössert; 4, 5, 6, 7 natürliche Grösse.

Wirtschaftlich bedeutend ist die Unterart (Subspezies) Zea mays subsp. mays. Bei der Weltgetreideernte nimmt Mais mit über einer Milliarde Tonnen (2016) vor Weizen und Reis den ersten Platz ein. Über 60 Prozent davon wird, zu Maissilage verarbeitet, an Nutztiere verfüttert. Dazu kommt der Einsatz von Energiemais als nachwachsender Rohstoff für die Erzeugung von Bioethanol und Biogas.
Der Körnermais ist eines der Grundnahrungsmittel der Bevölkerung Afrikas und Lateinamerikas. Das glutenfreie Getreide ist zudem auch für Personen mit Überempfindlichkeit gegen Klebereiweiß (Zöliakie) tauglich.
Neben der Verarbeitung in der Lebensmittel- und Tierfutterindustrie wird die aus Mais gewonnene Stärke als nachwachsender Rohstoff für die Herstellung von biobasierten Kunststoffen eingesetzt.
Genaueres zur wirtschaftlichen Nutzung findet sich im oben verlinkten Artikel von Hans-Jürgen.

Mais ist eine sehr alte Nutzpflanze und wurde zuerst von den spanischen Conquistadores nach Europa gebracht - war aber auch in China schon bekannt - sicher ein Beleg für die Erkundungsreisen der Chinese. Die Botanischen Zeichner mussten sich zunächst wohl mit den mitgebrachten trockenen Proben begnügen, daher hat die Pflanze auf der folgenden Illustration aus dem Jahr 1542 mehrere Halme, was sie etwas fremd erscheinen lässt:

Bild 6: Illustration aus "De historia stirpium commentarii insignes" von Albrecht Meyer, 1542, gemeinfrei



Präparation:

Geschnitten habe ich die frische Stützwurzel freistehend und das frische Blatt in Möhreneinbettung auf dem Handzylindermikrotom (Tempelchen) mit Leica Einmalklingen im SHK Halter.
Die Schnittdicke beträgt bei der Wurzel etwa 60, beim Blatt etwa 50 µm.

Von einigen schnitten habe ich vor der Fixierung noch Aufnahmen vom ungefärbten Frischmaterial gemacht, um die Verteilung der Chloroplasten zeigen zu können.

Nach einer Schnittfixierung in AFE für ca. 12 Stunden war das Chlorophyll in den Blattquerschnitten noch immer nicht gänzlich entfärbt, sodass sich diese noch auf ein 24-stündiges Bad in Chloralhydrat freuen durften. Anschließend wurden beide Schnitte gut mit Aqua dest. ausgespült.

Gefärbt habe ich mit W3Asim II nach Rolf-Dieter Müller für 7 Minuten mit einmaligem kurzen Erwärmen bis kurz vor den Siedepunkt.
Eine Beschreibung der Färbung findet Ihr hier: W3Asim II im Vergleich auf der Seite des MKB.
Nach der Färbung wurden die Schnitte in Aqua dest. für 24 Stunden mit mehrmaligem Wechsel sanft differenziert.

Eingedeckt sind die Schnitte - nach gründlichem Entwässern in reinem Isopropanol - in Euparal.


Technik:

Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem 5x NPlan, den 10x, 20x und 40x PlanApos und dem 100x PlanNeofluar entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser, die mechanischen Modelle haben keien Sensortaste und halten maximal 1500 Auslösungen durch. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.

Mal wieder zu viel geschrieben, gleich gehts weiter ... :)
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Fahrenheit

#1
Wie angedroht ... ;)

Nun zu den Schnitten

Beginne wir mit der Stützwurzel! Diese passt mit ihrem Durchmesser von gut 7 mm nicht ganz aufs Bild, weswegen bereits am Anfang eine Detailansicht steht.

Bilder 7a,b: Übersicht der Stützwurzel im Querschnitt, Bild 7b mit Beschriftung. Alle Aufnahmen gestapelt.



Die Wurzel der Maispflanze ist polyarch, enthält also unterhalb des Perizykels einen Leitgewebering in dem sich Xylem mit großen Tracheen und Phloem vielfach abwechseln. Schauen wir einmal etwas genauer hin.

Bilder 8a-h: Ungefärbte, frische und gefärbte Aufnahmen im Wechsel, die Bilder 8b,d,e & g jeweils mit Beschriftung, alle Aufnahmen gestapelt.









Die Bilderserie zeigt schön die abwechselnde Anordnung von Xylem und Phloem unterhalb des Perizykels und somit den Lehrbuch-mäßigen Aufbau einer ployarchen Wurzel. Auffällig sind die großen Tracheiden zum Ableiten des aufgenommenen Wassers. Die primäre Endodermis liegt direkt auf dem Perizykel und ist noch nicht besonders gut zu erkennen. Auffällig: sowohl in der Wurzelrinde (RP) als auch in den Zellen des Markparenchyms (Wurzelmark) finden sich Chloroplasten.
Informationen zu den Abkürzungen in den beschrifteten Bildern der Serie 8 sowie den folgenden beschrifteten Bildern findet Ihr wie immer auf der Webseite des MKB: Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen

Werfen wir nun noch einen Blick auf die Exodermis der Wurzel:

Bild 9a,b: Nichts besonderes zu sehen , oder?


Die beiden Aufnahmen zeigen die Exodermis mit darunter liegendem Hypodermis und der Wurzelrinde. Wieder mit den bereits oben angesprochenen Chloroplasten. Soweit so gut.

In den gefärbten Bildern schaut das schon anders aus:

Bilder 10a-d: Exodermis und Wurzelrinde, Bilder 10b & d mit Beschriftung, alle Aufnahmen gestapelt.




Alles wie oben. Aber was ist das für ein blauer "Schmodder" auf der Exodermis? Den haben wir in den ungefärbten Bildern ja gar nicht gesehen ...
Erst beim Betrachten der gefärbten Bilder ist mir die blau gefärbte Schicht aufgefallen und ich habe mich daran erinnern, dass sich die Wurzelstücke bei der Probenahme seltsam "seifig" angefasst haben. Beim Bearbeiten der Bilder vom ungefärbten Schnitt habe ich den "Schmodder" sträflicher Weise einfach weg retouchiert.

Der Klassiker: man sieht nur was man kennt - besonders beim Blick auf ungefärbte Schnitte. Böse Falle! Hier zeigt sich, dass man immer genau beobachten und hinterfragen sollte, was man sieht.
Gut, dass ich die gesamte Bearbeitungskette sichere, somit konnte ich den Fehler beheben:

Bild 11: Der ungefärbte Schnitt durch Exodermis und Wurzelrinde, wie er sein soll: mit Schmodder.


Aber was ist das nun für ein Sekret auf der Wurzeloberfläche? Ich bin mir nicht ganz sicher, denke aber, dass es sich um ein Gleitmittel handelt, dass es der Wurzel erlaubt, die Epidermis und die sklerenchymatische Hypodermis des Sprossknotens zu durchbrechen.

Der Ausschnitt aus Bild 2 lässt zumindest erahnen, dass sich die Wurzeln gewaltsam Bahn brechen. Ich habe die Tage noch mal nachgefühlt: zwischenzeitlich sind die Wurzeln trocken, was natürlich auch am Wetter liegen kann.

Bild 12: Die Wurzeln durchbrechen die Epidermis des Knotens, Ausschnitt aus Bild 2


Wer hier mehr weiß: bitte gerne kommentieren!

Nun zum Blatt!

Zea mays ist eine C4 Pflanze. Bei diesen Pflanzen, zu denen viele Gräser mit guter Trockenanpassung gehören, gibt es eine räumliche Trennung zwischen der Fixierung des Kohlendioxids aus der Luft und dem Aufbau der für die Pflanze nutzbaren Kohlehydrate im Calvin-Zyklus. Die Vorfixierung findet in den Chloroplasten der Zellen des Assimilationsparenchyms statt, dabei wird Oxalacetat gebildet, das im Gegensatz zum bei den C3-Pflanzen gebildeten D-3-Phosphoglycerat 4 Kohlenstoffatome aufweist (C3 und C4 ... :) ). Das Oxalacetat wird auf symplastischem Weg in die Leitbündelscheiden (LBS) weitergeleitet und in den dort vorhandenen, sehr großen Chloroplasten in den Calvin-Zyklus überführt. 
Aber wozu das Ganze? Durch Energieeinsatz aus dem Sonnenlicht reichen C4 Pflanzen Kohlendioxid aktiv an, was zu einer höheren Photosyntheserate – besonders unter Wassermangel und der daraus resultierenden Verengung der Spaltöffnungen – führt. Es wird also für den gleichen Stoffumsatz weniger Wasser benötigt, es handelt sich also, wie eingangs gesagt, um eine Anpassung an trockene Klimate.
Wer mehr wissen will, wird in Detlefs Thread fündig, den ich oben verlinkt habe.

Wir erwarten in den Blattquerschnitten also Leitbündelscheiden mit auffallend großen Zellen um die Leitbündel. Na dann schauen wir mal ...

Bilder 13a-d: Querschnitt des Maisblattes in der Übersicht, Bilder b & d mit Beschriftung, alle Aufnahmen gestapelt.




Die ungefärbten Querschnitte zeigen den erwarteten Aufbau mit den von den vielen Chloroplasten satt grünen, großen Zellen der Leitbündelscheiden. Dazwischen finden wir im Mesophyll das Assimilationsparenchym, ebenfalls mit Chloroplasten. Das Maisblatt ist, typisch für Monokotyledonen, parallelnervig und so finden wir zwischen den größeren Leitbündel (mit nicht ganz so auffälligen Leitbündelscheiden) viele kleinere Leitbündel. Das Blatt wird auf beiden Seiten von einer einlagigen Epidermis begrenzt, deren Cuticula auf der Blattoberseite stärker ausgeprägt ist. Stomata finden wir auf beiden Seiten des Blattes, dabei sind sie auf der Blattunterseite häufiger anzutreffen. Wikipedia meint, etwa 95 (Oberseite) zu 160 (Unterseite) pro Quadratmillimeter Zea mays bei Wikipedia.
Das zentrale große Leitbündel zeigt den charakteristischen Aufbau, den wir auch beim Maisspross finden: Unterhalb eines Xylems mit flankierenden sehr großen Tracheiden liegt ein Phloemfeld, oberhalb finden wir im ehemaligen primären Xylem eine mehr oder weniger stark ausgeprägte, bei der lebenden Pflanze mit Wasser gefüllte, lysigene Lakune, in der oft noch die Versteifungsringe einer früheren Tracheide zu finden sind. In den Bildern 13c&d sehen wir auf der linken Seite den Übergang zwischen zwei Tracheiden. Das zugehörige Leiterfeld ist leider nicht zu erkennen.

Bilder 14a-f: Detail vom Blattquerschnitt, Bilder 14a&b ungefärbt, Bilder 14b,d & f mit Beschriftung. Alle Aufnahmen gestapelt. 






Die Serie 14 zeigt uns die oben beschriebenen Merkmale noch einmal im Detail. Interessant ist eine Querverbindung zwischen zwei parallelen Leitbündeln in den Aufnahmen 14c&d sowie eine Reihe von bulliformen Zellen (Bul) in den Bildern 14a,b,e & f. Deren Vakuole ist mit Wasser gefüllt und sie dienen üblicherweise dazu, das Blatt bei zu großer Sonneneinstrahlung einzufalten. Dies geschieht durch Volumenverlust aufgrund einer erhöhten Verdunstungsrate. Wenn man Lage und Größe der Zellgruppen mit der Situation z.B. beim Strandhafer vergleicht und schaut, wie der Mais bei der grade anhaltenden Trockenheit aussieht, scheinen die heutigen Zuchtpflanzen diese Funktionalität verloren zu haben. 

Bevor wir uns dem Spross zuwenden, noch einmal ein genauerer Blick auf eines der großen Leitbündel:

Bilder 15a-d: Ein großes Leitbündel aus der Blattspreite im ungefärbten, frischen Schnitt (Bilder 15a & b) sowie im gefärbten Präparat (Bilder 15c & d). Bilder 15b & d mit Beschriftung. alle Aufnahmen gestapelt.




Hier noch einmal im Detail: die Verteilung der Chloroplasten in den Bildern vom frischen schnitt, der Übergang zwischen zwei Tracheiden rechts in den Bildern vom gefärbten schnitt sowie die große Lakune mit dem übrig gebliebenen Verstärkungsring in allen Bildern.

Der Vollständigkeit halber werfen wir nun noch einen schnellen Blick auf den Spross. Die aufnahmen habe ich von einem mit Etzold Grün gefärbten Präparat von Leopold Aichinger gemacht.

Bilder 16a,b: Detail des Sprosses, Bild 16b mit Beschriftung, alle Aufnahmen gestapelt.


Typisch Monokotyledonen: die Leitbündel liegen alle eingebettet in das Rindenparenchym und sind - ausgewachsen - etwa gleich groß. Zum Rand hin finden sich kleinere Leitbündel. Ein sekundäres Dickenwachstum wie bei den Dicotyledonen finden nicht statt. Muss der Halm mehr Wasser transportieren, werden einfach neue Leitbündel "angebaut". Begrenzt wird der Halm durch eine sklerifizierte Epidermis, unter der ein ebenfalls sklerifiziertes Hypodermis liegt, dass nur unterhalb der Spaltöffnungen unterbrochen ist.

Bilder 17a,b: Stomata im Detail, Bild 17b mit Beschriftung, alle Aufnahmen gestapelt.


Leopolds Präparat lässt sehr schön die Stomata erkennen, hier ein offenes und ein geschlossenes direkt nebeneinander. Da hat es sich doch gelohnt, das Öl raus zu holen und das 100er Objektiv zu aktivieren. :)

Allen, die es bis hierhin geschafft haben vielen dank fürs lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen. Insbesondere wenn jemand etwas zum "Gleitmittel" auf den Stützwurzeln zu sagen weiß.   

Herzliche Grüße
Jörg

30.07.2018 - Korrektur: Hypocotyl (das Stück zwischen Wurzel und den Keimblättern) war hier falsch, der korrekte Begriff ist Hypodermis. Sorry, da hat die Autokorrektur zugeschlagen, ich muss mein Dictionary anpassen.
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hajowemo

Lieber Jörg,
wieder ist dir eine ausgezeichnete Dokumentation gelungen.
Ich habe wieder dazulernen dürfen.
Herzlichen Dank für die Arbeit die investiert wurde.
Liebe Grüße
Jochen
Vorstellung
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Gerne per "Du"
Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.

Detlef Kramer

Lieber Jörg,

ich sage nur: Lehrbuchreif! Oder anders: ich kenne kein Lehrbuch, in dem das alles so klar und schlüssig dargestellt ist. Eine kleine Anmerkung zu Abb. 10: Wo ist die Rhizodermis? Die Antwort ist aber klar erkennbar: Da, wo Du die Exodermis beschriftet hast, erkennt man die kollabierten Reste der Wurzel-Epidermis = Rhizodernis. Bravo!

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Fahrenheit

Lieber Jochen, lieber Detlef,

vielen Dank für Euer großes Lob, das mich sehr freut!

Lieber Detlef,

könnte die sich auflösende Rhyzodermis für die seifig-schmierige Textur der Stützwurzel verantwortlich sein? Die blaue Masse ist ja völlig strukturlos und schleimig.  Zumindest bei Leo's (Muschelblümchens) Wurzelschnitt ist die Rhizodermis auch blau und unvollständig, allerdings sind da noch Reste der Wurzelhaare zu erkennen. Auch wäre klar, woher der "Schmierstoff" kommt. Sekretzellen sind ja keine zu erkennen.
Für Deine Interpretation spricht aber auch die bräunlich-rote Färbung der Exodermis, deren Zellen ja oft leicht verkorkt sind.

Alternativ wäre die Exodermis die Rhizodermis und die Exodermis ginge in der sclerenchymatischen Hypodermis auf ... Dann stellt sich aber um so mehr die Frage, woher der Schmodder kommt.

Herzliche Grüße
Jörg

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Detlef Kramer

Lieber Jörg,

1. in Abb. 10, vor allem in 10c/d und der entsprechenden Ausschnittvergrößerung sind die kollabierten Rhizodermis-Zellen noch recht gut erkennbar. Wurzelhaare darf man in dem Zustand der Wurzel nicht erwarten. Die entwickeln sich erst, wenn die Wurzel den feuchten Boden erreicht. Und dann entsteht auch das Aerenchym in der Rinde durch Auflösung von Rindenzellen. Über den blauen, völlig strukturlosen Schmodder sollterst Du Dir nicht allzuviele Gedanken machen. Es kann eingetrockneter Schleim sein, der beim Durchbrechen der Wurzel durch die Blattscheiden entstanden ist. Ist aber spekulativ. Ich denke, ansonsten ist alles in bester Ordnung, außer: irgendwo im Text hast Du m. W. Endodermis mit Exodermis verwechselt - such mal! ;)

Herzliche Grüße
Detlef
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Hans-Jürgen Koch

Lieber Jörg,

beinahe hätte ich Deinen interessanten Beitrag übersehen.
Ich wundere mich, dass bei einer Schnittdicke von 50 µm die Farben nicht kräftiger aufziehen.
Eine perfekte Dokumentation.

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

#7
Lieber Detlef,

vielen Dank für Deine Unterstützung, dann würde das Ganze also so aussehen?



Lieber Hans-Jürgen,

auch Dir vielen Dank für Dein Lob!

Euch beiden herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Detlef hat per PN bestätigt, Bilder im Thread oben angepasst.
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Fahrenheit

#8
Lieber Hans-Jürgen,

eben sehe ich, dass ich vergessen haben, Dir auf deine Anmerkung zur Farbintensität zu antworten.

Nach dem Färben spüle ich einige Male mit Aqua dest. durch und lasse dann das destillierte Wasser für bis zu 24 Stunden auf den Schnitten stehen, bevor ich mit reinem Isopropanol entwässere. In dieser Zeit geht alle überflüssige Farbe ab, eine Überfärbung wird also sicher vermieden, ohne dass z.B. durch die Verwendung von Ethanol die Gefahr besteht, wichtige Bereiche zu entfärben.
Aber wo Licht ist, ist auch Schatten: lässt man die Schnitte zu lange im Wasser, werden sie - besonders bezüglich des Acridinrots - etwas blass. Das lässt sich leider nicht immer vermeiden, da Schlaf und Arbeit die Präparation doch empfindlich unterbrechen. :)
Hier beim Mais hätten es 18 bis 20 Stunden auch getan.

Herzliche Grüße
Jörg
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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

besser spät als nie! Schon Anfang September hat mich Detlef auf einen Artikel in der FAZ hingewiesen, der sich mit der Stickstofffixierung bei einigen Maisarten beschäftigt:
FAZ Artikel "Stickstoffernte aus der Luft" vom 31.08.2018

Dort werden Maissorten beschrieben, die an ihren sprossbürtigen Wurzeln eine Schleimhülle absondern, in der symbiontische Bakterien siedeln, die die Pflanze bei der Stickstofffixierung unterstützen.
Der Artikel geht auf eine Arbeit von Wissenschaftler um Allen Van Deynze von der University of California in Davis und Pierre-Marc Delaux von der University of Wisconsin in Madison zurück:

Van Deynze A, Zamora P, Delaux P-M, Heitmann C, Jayaraman D, Rajasekar S, et al. (2018) Nitrogen fixation in a landrace of maize is supported by a mucilage-associated diazotrophic microbiota. PLoS Biol 16(8): e2006352. https://doi.org/10.1371/journal.pbio.2006352

Der Artikel ist unter CC-BY 4.0 erschienen, daher erlaube ich mir hier ein Bild daraus zu posten, dass die Schleimhülle um die Wurzeln zeigt:

Bild 18: Schleimhülle um die Sprossbürtigen Wurzeln einer der untersuchten Maissorten

Bild unter Cc BY 4.0, Autorenschaft siehe Artikelzitat oben.

Im Artikel werden 3 Sorten mit ihren Trivialnahmen vor Ort genannt: Rojo, Piedra Blanca, and Llano. Sie zeichnen sich unter anderem durch eine Wuchshöhe von bis zu 5m aus.

Das Ganze passt meines Erachtens recht gut zu den Bildern 10 weiter oben im Thread. Auch mein Probemais war erstaunlich hoch (ich habe ihn seinerzeit auf 3 bis 4 Meter geschätzt) und die Erklärung für die vorgefundene Schleimschicht scheint der oben zitierte Artikel zu liefern. Nun war diese bei meinen Schnitten bei weitem nicht so umfangreich, wie im Bild 18 gezeigt. Dies wird sicher daran liegen, dass es sich um eine andere Maissorte handelt und ich denke, man kann davon aus gehen, dass auch die Trockenheit im Sommer 2018 eine Rolle gespielt hat.

Grundsätzlich scheint die Fähigheit zur Bildung entsprechender Schleimhüllen aber in vielen Maissorten vorhanden zu sein.

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MikroTux

Zitat von: Fahrenheit in Oktober 20, 2018, 11:24:11 VORMITTAG
Das Ganze passt meines Erachtens recht gut zu den Bildern 10 weiter oben im Thread. Auch mein Probemais war erstaunlich hoch (ich habe ihn seinerzeit auf 3 bis 4 Meter geschätzt) und die Erklärung für die vorgefundene Schleimschicht scheint der oben zitierte Artikel zu liefern. Nun war diese bei meinen Schnitten bei weitem nicht so umfangreich, wie im Bild 18 gezeigt. Dies wird sicher daran liegen, dass es sich um eine andere Maissorte handelt und ich denke, man kann davon aus gehen, dass auch die Trockenheit im Sommer 2018 eine Rolle gespielt hat.
Grundsätzlich scheint die Fähigheit zur Bildung entsprechender Schleimhüllen aber in vielen Maissorten vorhanden zu sein.

Wenn der Bauer auf deinem Feld genügend mit Stickstoff gedüngt hat, was anzunehmen ist, dann verwenden die Pflanzen höchstwahrscheinlich ihre Energie nicht um damt Bakterien durchzufüttern, von denen sie Stickstoff bekommen können, weil sie keinen  mehr brauchen.
Ich habe von Leguminonsen dieses Verhalten so gehört, und denke daß Mais seine Resourccen da vergleichbar effizient einsetzt.

Fahrenheit

Lieber Frieder,

das könnte natürlich sein, obwohl wir da über zwei völlig unterschiedliche Familien und Ausprägungen von Symbiosen reden.

In wie weit auf dem Acker gedüngt wurde, weiß ich nicht und ich kenne auch den Landwirt nicht. Die oben zitierte Arbeit beschreibt auch nur die Schleimbildung mit Inhaltsstoffen und die Funktion, nicht aber deren Verhalten bei unterschiedlicher Stickstoffverfügbarkeit.

In Pflanzenkörpern passiert das meiste über Konzentrationsgefälle der beteiligten Stoffe. Wenn du recht hast, müsste es also auf molekularer Ebene eine Stickstoff- oder Nitrat- gesteuerte Reaktionskette geben, die die Schleimproduktion bewirkt und bei hoher Stickstoffverfügbarkeit abebbt ...

Da ist wohl noch viel Luft für Forschung.

Herzliche Grüße
Jörg
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Detlef Kramer

Hallo,

ich denke, man muss einfach davon ausgehen, dass die Mais-Pflanzen grundsätzlich ihre Adventiv-Wurzeln mit Schleimhüllen umgeben können, unabhängig davon, ob sie darin symbiotische Bakterien züchten (wollen). Darum ging es ja bei dieser Frage.

Herzliche Grüße
Detlef
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MikroTux

Zitat von: Fahrenheit in Oktober 21, 2018, 07:13:11 VORMITTAG
Da ist wohl noch viel Luft für Forschung.


Ja, in der Tat. je mehr man sich mit der Natur beschäftigt, umso mehr Rätsel tun sich einem auf.
Wobei ja gesagt wird -die Details seien endlos, aber an Prinzipien gibt es nur wenige, die allerings vielfach variiert.

Zu dem Maisbestand, auf den Bildern läßt sich jedoch sagen, daß die Pflanzen zumindest nicht nach Stickstoff hungern. Dann wäre er nicht über 3m und würde anders aussehen, mehr so wie auf den Beispielen der Mangelsymptome:

http://www.kali-gmbh.com/dede/fertiliser/advisory_service/deficiency_symptoms/maize-n.html

PS: Beim 2 durchsehen ist mir erst aufgefallen wie super das Stromatabild mit Auf und Zu nebeneinander ist.

Fahrenheit

Lieber Detlef,

ja, das sehe ich auch so: die Anlage ist da und wird in den unterschiedlichen (ja meist vom Menschen durch Zuchtwahl hervorgebrachten) Sorten in unterschiedlicher Ausprägung aktiv. Ob es da noch eine irgendwie geartete Steuerungsmöglichkeit im einzelnen Individuum gibt, wäre zu beweisen.

Lieber Frieder,

danke für Dein Lob, das war einer der glücklichen Zufälle bei der Präparation.

Der Mais auf "meinem" Acker hat sich im Sommer erstaunlich gut geschlagen. Der war nicht nur sehr hoch gewachsen, er zeigte auch gegen Ende der Wachstumsphase kaum vertrocknete Pflanzen, obwohl auch dort ein gewisser Trockenstress erkennbar war. Im Vergleich zu anderen Feldern in der Region aber gar kein Vergleich. Leider aber das einzige Feld in direkter Umgebung.
Ich denke, das war eine andere Sorte als die, die bei uns üblicherweise auf die Felder kommen und der Landwirt dürfte darüber recht glücklich gewesen sein ...

Herzliche Grüße
Jörg
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