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Die Vogellunge (Histologie)

Begonnen von Ralf Feller, August 27, 2018, 22:38:31 NACHMITTAGS

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Ralf Feller

Die Vogellunge

Liebe Kollegen,
angeregt durch einen phantastischen Beitrag über die Säugetierlunge
von Ronald, wollte ich mich auch einmal an Lungengewebe wagen.
Ronald hat ja schon die Säugetierlunge perfekt dargestellt, hier noch einmal der Link:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=9640.0
und so habe ich mir die Vogellunge am Beispiel des Huhn (gallus domesticus) vorgenommen.

Die Präparation einer Vogellunge ist deutlich schwerer als beim Säugetier.
Eröffnet man den Brustkorb beim Vogel und entfernt man den großen
Brustmuskel mit dem Brustbein, so sieht man nicht wie beim Säuger auf
die Lungen, sonder auf Herz, Leber, Magen und Därme. Man muss dann der Luftröhre
vom Hals aus in den hinteren Teil des Körpers folgen um die Lungen zu finden.
Dabei, weil das Herz entfernt werden muss, ist es auch bei meinem Versuch zu
Einblutungen in die Luftwege gekommen.

Die Lungen sind beim Vogel mit ihrer Umgebung verwachsen. Eine Pleurahöhle ist nicht ausgebildet.
Von den Lungen gehen vier paarige und eine unpaare Ausstülpung, die Luftsäcke, aus. Diese breiten
sich zwischen den Eingeweiden und Muskeln aus.
Gefüllt und entleert werden sie durch Druckänderungen in der Leibeshöhle die über
Rippen-, Brust- und Bauchmuskeln vermittelt werden. Ein Zwerchfell gibt es nicht.
Die Vogellunge ist fast volumenkonstant, der Gasaustausch findet durch die wie Blasebälge
wirkenden Luftsäcke statt. Ein Teil der Frischluft gelangt bei der Einatmung in die
hintern Luftsäcke. Von hier strömt sie beim ausatmen durch die Lungen. Die Lungen werden
also beim ein- und ausatmen von sauerstoffreicher Luft durchströmt.
Vögel besitzen eine Durchströmungslunge.

Abb.1 (die Vogellunge liegt dorsal, sie wird bei der Ein- und Ausatmung von sauerstoffreicher
Luft durchstömt).


Die Luftröhre gabelt sich in zwei Bronchien, diese geben dorsale und ventrale Nebenbronchien ab,
die untereinander durch dünne Luftröhren, die Parabronchien (Lungenpfeifen) verbunden sind.
In den Parabronchien finden sich Atrien (Infundibula) als Ausgangspunkt der radiär dazu angeordneten
Bronchioli aus dehnen die Luftkapillaren (entsprchen den Alveolen beim Säuger) hervorgehen.

Abb. 2 (die Vogellunge hat keine blind endenden Alveolen wie die Säugerlunge)


Der Gasaustausch erfolgt im Bereich der so genannten Parabronchien (Lungenpfeifen),
die von einem dichten Mantel aus dicht gepackten Blut- und Luftkapillaren umgeben sind.
Anders als beim Säugetier gibt es in der Vogellunge keine blind endenden Luftwege,
also keine Lungenbläschen (Alveolen). Alle Luftwege sind an beiden Enden offen und enden
in den Luftsäcken, sodass eine sehr effektive Luftzirkulation stattfinden kann.

Abb. 3 zeigt eine Übersicht der Vogellunge im 5µ Paraffinschnitt (Mallory-Färbung).


1: Parabronchien
2: Atrien
3: glatte Muskulatur
4: Lungenarterie
5: Septum (begrenzt den Parabronchus)
6: Lungenvene

Die Parabronchen sind umgeben von einer Schicht aus glatter Muskulatur die der
Luftstromkontrolle dient. Die Luftkapillaren entspringen sackförmigen Ausstülpungen
der Parabronchien, den Atrien. Die Luftkapillaren sind radiär zu ihren Parabronchi angeordnet.

Abb. 4 zeigt das Gewebe im Technovit-Schnitt (3µ mit dem 10er Objektiv).


Abb. 5 zeigt den Feinbau eines Parabronchus (1µ, 63 PlApo, Toluidinblau)


Achtung, die Erythrozyten sind beim Vogel kernhaltig!
1.   Lumen der Parabronchien
2.   Atrien
3.   glatte Muskulatur
4.   Luftkapillare
5.   Erythrozyten

Abb. 6 wie 5, Septum zwischen zwei Parabronchi, Blut- und Luftkapillaren
mit einer kleinen Arteriole.


Abb. 7 Blut- und Luftkapillaren.


1.   Pneumozyten Typ I (bilden die Kapillaren)
2.   Pneumozyten Typ II (bilden Surfactant)
3.   kernhaltige Erythrozyten

Abb. 8 mit dem 100x PlFluotar


1.   Pneumozyten Typ I (spindelförmiger Zellkern)
2.   Pneumozyten Typ II (Zellkerne ragen in das Lumen der Kapillaren)
3.   Makrophagen

Präparation:
Fixierung: 10% Formaldehyd, 2% Glutaraldehyd in
0,1M Sörensen-Puffer pH 7,3
Mikrotom: Reichert-Jung SuperCut 2050
Technovit 7100 Kit von Morphisto

Viele Grüße aus Mülheim-Ruhr, Ralf

Kommentare und Berichtigungen sind willkommen.

reblaus

Hallo Ralf -

Glückwunsch dass Du dir dieses Objekt vorgenommen hast und zum Ergebnis! Die "Konstruktion" und Wirkungsweise der Vogellunge hat mich schon in jugendlichem Alter fasziniert als ich davon las.

Viele Grüße

Rolf

Dr. Jekyll

Moin Ralf,

Sehr schön! Wieder einmal ein sehr gelungener Beitrag, Danke👍
Beste Grüße
Harald

Jürgen H.

Lieber Ralf,

Danke für die schönen Bilder und Deine Erläuterungen dazu. Ich habe viel Neues gelernt!

Ich sehe, dass auch die Vogellunge ein sehr schwammiges Gebilde sein muss. Die Tracheen der Insekten sind dagegen doch Dank der Taenidia sehr stabil. Wie schafft man es, die Lunge entfaltet in den Paraffin- oder Technovitblock zu bekommen?

Histologie macht Spaß oder?

Schöne Grüße

Jürgen

Rawfoto

Hallo Ralf

Danke, man lernt immer was neues, das schätze ich sehr👍

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Ronald Schulte

Ralf,

Zuerst mal Gratuliere mit das Resultat. Aber weil ich fast nur Sauger nehme muss das für dich doch keine bremse sein um auch mal eine Maus zu Fixieren.

Ein Vogel aber ich auch sehr Interessant sehe ich. Schön um zu sehen ist das bei dir auch ein schönes Detailreichtum zu sehen ist in das Technovit. Ich kenne den Schnitt natürlich nicht aber es sieht aus alsob das doch prima gelungen ist. Hast du diesen Schnitt mit die neue ,C' Schliff oder die alten ,D' Schliff Messer geschnitten?

Siehe Abbildung 4: Ich nehme an das hier die Parabronchien quer geschnitten sind und die Septums sieht man dann wie die schwarze Linien von B und C. Stimmt doch denke oder?

Was ist den Zellhaufen bei A?




Gruße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Ralf Feller

Liebe Kollegen, danke für Euer Interesse

@Rolf
Ja die Vogellunge ist schon eine tolle Konstruktion, sie wird oft als effektivste aller Lungen beschrieben und interessant ist auch die Entwicklungsgeschichte über Saurier und Reptilien. Der Energiemetabolismus im Vogel ist wohl auch viel anspruchsvoller als im Säugetier. Die Körpertemperatur liegt höher und in einem Artikel las ich, dass ein Vogel im Flug wohl herunterfallen würde wenn er eine expiratorische Sauerstofflücke hätte. Leider habe ich im Netz nur sehr wenig gute Histologie gefunden.

@Harald
Danke, bald kommen auch in Technovit umgebettete Wacker-Blöckchen.

@Jürgen
Lieber Jürgen, verglichen mit der Säugerlunge ist die Vogellunge ein erstaunlich festes Organ, von der Konsistenz fast wie Leber. Sie erinnert mich in ihrem Aufbau ein wenig an den Wasserkühler in meinem Auto. Zur Präparation habe ich die Lunge über die Luftröhre mit Fixans gefüllt und später in 3mm dicke Scheiben geschnitten (für die Infiltration mit Technovit). Diese Lunge ist an den großen Energiebedarf beim Flug angepasst, ähnlich wie das durch ein anderes Prinzip bei deinen Insekten ist, nur sind hier die Wege die der Sauerstoff zurücklegen muss kürzer. Das begrenzt die Größe der Insekten. Züchtet man Insekten bei größerer Sauerstoffkonzentration, so werden sie viel größer. Zeig doch mal etwas über die Sauerstoffversorgung der Flugmuskulatur bei Insekten.

@Gerhard
Lieber Gerhard, ich habe bei der Recherche zu diesem kurzen Assay auch sehr viel gelernt, man lernt eben am meisten, und es macht auch mehr Spaß wenn man Wissen teilen kann. Und so schätze ich an unserem Forum auch sehr, dass es Wissen schafft, und nicht nur für Foristen. Man nutze nur einmal die Google-Suche und findet zahlreiche Beiträge von hier. Dafür noch einmal Dank an die Kollegen die das möglich machen.

@Ronald
Hallo Ronald, der dickere Schnitt ist mit Kulzer C-Messer gemacht, die anderen mit deinem D-Messer, das geht viel besser. Die Messer stelle ich immer etwas mehr schräg (3 Grad) als von Kulzer angegeben wird. Bei den dünnen Schnitten zeigte das Mikrotom 0,75µ, trotzdem sind mir die Pneumozyten und Makrophagen nicht so gut gelungen wie bei dir, warum? Ich werde sicher auch mal eine Maus untersuchen, es reizt mich aber auch etwas Neues wie der Vogel, um Unterschiede zu sehen. Ich habe auch noch Duodenum und Pancreas, Herz, Gehirn und viele andere Gewebe, wir können ja mal mit der Maus vergleichen. Auch bei der Maus gab es immer wieder interessantes, ich denke nur an die Megakaryozyten in der Milz. Meine erste Vogellunge war ja nicht gelungen, ich hatte dir ja Bilder geschickt. Die Zellen waren wie Luftballons aufgebläht. Das lag an der Fixierung mit 4% Formalin, ich hätte nicht gedacht dass das so einen Unterschied macht. Mit den Septen hast du Recht, die Linien die du zeigst sind die Begrenzungen der Parabronchien. Der dichte Bereich von A findet sich immer in der Nähe von Gefäßen, es ist glatte Muskulatur, die hier dick getroffen ist. Es gibt in meiner Lunge Bereiche mit weiten Blutkapillaren, die aber nur eine dünne Wand haben und von Muskulatur umgeben sind. Ich hätte gerne einen Atlas der Vogelhistologie, habe aber im Netz keinen gefunden.



Das Bild zeigt so einen Bereich wie in A. Er ist so dunkel wegen der Muskelzellen und der mit kernhaltigen Erythrozyten gefüllten Gefäße. Es gibt viel Muskulatur in dieser Lunge.

Viele Grüße aus Mülheim, Ralf

Dr. Jekyll

Beste Grüße
Harald

Ronald Schulte

Ralf,

Das bei meine Mauslungen die Pneumozyten etwas besser dargestellt werden habe ich auch gesehen. Das kann selbstverständlich mehrere Ursachen haben aber eins ist sehr wichtig, und das hast du ja schon bemerkt, ist die Fixierung. Alle Stufen in die Einbettung sind wichtig aber die Fixierung ist die wichtigste von allen. Selbstverständlich kann man ein schlecht entwässertes Gewebe oder ungenügend Infiltriertes Gewebe usw nicht oder schlecht schneiden, das muss auch alles in Ordnung sein aber gute Fixierung ist top Priorität.
Siehe mal wie die Lunge aussieht wenn man Perfusion Fixiert und Sekundär Osmiert hat: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=31889
Das finde ich ein Fantastische Fixierung und in diesen Schnitt sind die Makrophagen usw dann auch gut erkennbar.
Aber was mir auch schon aufgefallen ist das in meine Fixierte Lungengewebe auch große Unterschiede gibt wenn ich Immersion Fixiere. Manchmal ist ein Block fast Perfekt und das andere Block ist grausam. Dann sieht es aus ob alle Alveoli zusammen gepresst und geschrumpft sind und kann man wenig Freude am Schnitt habe. Aber warum, wusste ich das nur.
Darum auch werde ich im Herbst ein Fixier Test machen mit verschiedene Fixativen und verschiedene Gewebe Sorten aber alle Gewebe von dasselbe Tier. Dann kann ich ziemlich fehlsachen ausschließen denke ich.

In deine Abbildung im Roten Kreis ist doch ziemlich schönes zu sehen meine ich. Dass die Erythrozyten ganz anders aussehen das ist dann eben so.

Oh ja ein ,Huhnerbuch' im Netz finden wird noch ein Ding werden denke ich. Darum auch bleibe ich besser beim Sauger. Dazu ist alles reichlich vorhanden.
Obwohl ich doch ein Buch habe was vielleicht was für dich wäre. Siehe mal hier: https://www.amazon.com/Funktionelle-Histologie-Hauss%C3%A4ugetiere-V%C3%B6gel/dp/3794526929
Seite 273 und 274 beschreibt dann das ,,Bronchialsystem und Gasaustausch der Vögel".




Grusse Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Jürgen H.

Lieber Ralf,

ZitatIch hätte gerne einen Atlas der Vogelhistologie, habe aber im Netz keinen gefunden.

Da kann Dir vielleicht geholfen werden. Guck mal hier:


http://www.histology-of-birds.com/galleries.php



ZitatZeig doch mal etwas über die Sauerstoffversorgung der Flugmuskulatur bei Insekten.

Aber bitteschön, bezüglich Syrphus, einer Schwebefliege, ein altes Bild von mir:



Hier sind die Tracheen quer zur Richtung der Flügelmuskulatur in umfangreicher Zahl angeordnet, und erscheinen daher als runde Kreise.  Ihre Vielzahl zeigt den hohen Sauerstoffbedarf der ständigen relativ hochfrequenten Muskelbewegungen  an. Die rot gefärbten Kerne der Muskelzellen sind in den Muskelsträngen perlenschnurartig aufgereiht.

Schöne Grüße

Jürgen






Ralf Feller

Lieber Jürgen,
hab vielen Dank für den Tipp und die schöne Darstellung der Insektentracheen.
Wustes Du das Insekten bei höherer Suerstoffkonzentration in der Luft viel größer werden,
ich hab das in einem Filmbeitrag, der auch hier im Forum verlinkt war, gesehen und
fand es sehr interessant.

viele Grüße, Ralf