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Papiermikroskopie

Begonnen von Rolf-Dieter Müller, September 06, 2018, 18:03:24 NACHMITTAGS

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Rolf-Dieter Müller

Auf dem Dörnbergtreffen 2018 hatten wir neben vielen interessanten Vorträgen und Workshops auch einen Workshop zur Präparation von Papierfasern, das ich hier in einer kurzen Darstellung wiedergeben möchte.

Wenn für die Präparation normales Zeitungspapier für die Gewinnung von Papierfasern genommen wird, sie färbt und in Harz einschließt, erhält man recht ansprechende Dauerpräparate.

Am besten nehmen wir von einer Tageszeitung den unbedruckten Rand und weichen ihn mit Wasser auf. Eine kleine Menge (ca. 1 cm²) des zu untersuchenden Papiers wird herausgerissen(!), mit den Fingern zu einer Kugel geknetet, in einem Reagenzglas mit demineralisiertem Wasser aufgeschüttelt und kurz über Brennspiritusflamme aufgekocht. Dann das Reagenzglas mit einem Stopfen verschließen und so lange schütteln, bis das Fasermaterial vollständig vereinzelt ist.

Bei Tageszeitungspapier erhält man so ganz gut eine Suspension mit einzelnen Papierfasern. Wenn sich bei anderen Papieren die Fasern nicht so gut vereinzeln, erwärmt man die Probe unter Zugabe von ein paar Tropfen bzw. in 1%ige Natronlauge. Danach wiederum aufschütteln. Bitte hier wegen Siedeverzug sehr sorgfältig vorgehen, am besten nimmt man statt eines Reagenzglases ein kleines hochwandiges Becherglas.

Die Fasern werden über Sieb (ca. 5.000 Maschen pro cm³) ausgewaschen.

Es geht aber auch ohne Sieb, in dem man die Fasern im Glas absetzen lässt, den Flüssigkeitsüberstand abgießt und reichlich Fasern mit einer breitschaufligen Pinzette entnimmt. Durch leichtes Pressen wird Restwasser abgezogen. Diese Prozedur kann auch auf einem Objektträger vorgenommen werden. In einigen Tropfen Wasser wird ausgewaschen. Hierbei die Fasern mit Präpariernadeln in Wasser vereinzeln und dann wiederum mit der Pinzette verdichten und Restwasser auspressen und abziehen. Das ganze mindestens 3x wiederholen. Faserverlust soll uns nicht weiter stören, es wird genügend übrig bleiben.

Eigentlich kann man jetzt schon die Fasern mikroskopieren. Hellfeld reicht, aber Phako, Pol und Fluoreszenz ist auch recht interessant.

Weiterhin können die Papierfasern mit den in der Papiermikroskopie üblichen Standardreagenzien in Hauptgruppen wie Holzstoff, Zellstoff oder auch Hadern differenziert werden. Die Standardreagenzien sind Pholorglucin-Salzsäure (Holzstoff scharf rot), Lugolsche Lösung (Holzstoff gelb, Zellstoff ungefärbt) und Chlorzinkjodlösung (Holzstoff gelb, Zellstoff blau, Hadern rot). Die Reaktion der Standardreagenzien ist nicht haltbar.

Für die farbliche Darstellung und Herstellung von Dauerpräparten sind prinzipiell alle aus der botanischen Mikrotechnik bekannten Färbungen geeignet, besonders die lignifizierte und nicht-liginifizierte Zellwände zeigende Färbungen, wie zum Beispiel Etzold, Dujardin und Wacker.

Wir haben ja mit den Holzstofffasern lignifizierte Pflanzenfasern, die beim Zellstoff von Lignin befreit sind.

Sehr einfach ist die Anwendung der Etzold-Färbung in der als Simultanfärbung die Farben Fuchsin, Chrysoidin und Astrablau enthalten sind.

Nach dem Auswaschen werden die Papierfasern in 2 bis 3 Tropfen Etzold FCA für ungefähr 5 Minuten gefärbt, länger schadet nicht. Die Farbe wird mit Wasser ausgewaschen, mehrmals wechseln bis keine Farbe mehr abgeht. Auch dieses kann im Behelf auf dem Objektträger geschehen.

Ein wenig gefärbte Fasern werden auf einem frischen Objektträger in einem Tropfen Wasser mit Präpariernadeln fein verteilt und dann einfach getrocknet. Schneller geht die Trocknung auf einer Wärmeplatte bei 50° Celsius.

Wenn die Fasern auf dem Objektträger eingetrocknet sind, kommt darauf ein Tropfen Harz (Euparal, Malinol, Kanadabalsam) und darüber das Deckglas.

Übrigens nehme ich hierfür gerne Malinol oder Kandabalsam, da diese Harze eine eventuelle metachromatische Farbwirkung eines Farbstoffs halten, die ansonsten durch Einwirkung von Alkohol verloren geht. Euparal enthält Alkohol.

Nachstehend das Ergebnis der Etzold-Färbung. Es zeigt recht gut die Papierfasern-Hauptgruppen Holzstoff (rot) und Zellstoff (blau).


Papierfasern einer Tageszeitung, gefärbt mit Etzold FCA, Einschluss in Malinol. 5x Plan-Apochromat.

Für dieses Dauerpräparat habe ich bewusst Tageszeitungspapier genommen, da in unserem Wirtschaftsgebiet dieses Papier in der Regel vielfältig aus Holzstoff (Nadelholz, gewöhnlich Fichte), Zellstoff und Altpapierbeimengung besteht. Genauso gut kann man aber jedes andere Papier nach dem oben beschriebenen Verfahren aufbereiten, mikroskopieren und / oder zu Dauerpräparaten verarbeiten.

Abschließend noch Zeitungspapierfasern mit der Wacker-Simultanfärbung W3AsimII gefärbt. W3AsimII enthält die Farbstoffe Acridinrot, Acriflavin und Alcianblau. Sie zeigt ebenfalls Holzstofffasern (rot) und Zellstofffasern (grünlich bis blau). Bei der Anwendung dieser Färbung muss aber nach dem Auswaschen der Farblösung noch mit 30% Ethanol differenziert werden.


Papierfasern einer Tageszeitung, gefärbt mit W3AsimII, differenziert mit 30% Ethanol, Einschluss in Malinol. 5x Plan-Apochromat.


Viele Grüße,
Rolf-Dieter Müller

knipser009

hallo Rolf

vielen Dank für die ausführliche Beschreibung.

falls Du an den kommenden trüben Herbsttagen Langeweile hast ;) :

Ein Brief mit ca 30 Papierschnipseln aus aller Welt und aus alter Zeit ist an Dich unterwegs.
Viele Grüße aus dem SaarPfalzKreis

Wolfgang
gerne per "Du"

RainerTeubner

Hallo Rolf,

vielen Dank für Deine Ausarbeitung. Ich schick Dir morgen zwei Proben "Wespenpapier" (= Wespennest-Material), einmal die Waben und dann das Wandmaterial.

Bei der Präparation besteht allerdings das Problen, daß die Probe schwer benetzbar ist und das Wasser nur langsam aufnimmt. Aber da kann man mit der Einweichzeit steuern.

Viele Grüße

Rainer
Mikroskop: Carl Zeiss Standard Universal
Bildbearbeitung: Gimp, Helicon focus und picolay
Kamera: Canon EOS 5D II

Rolf-Dieter Müller

Hallo Rainer,
Hallo Wolfgang,

ganz herzlichen Dank, ich bin hochinteressiert warte mit Spannung auf Eure Papiersendungen.


Ich habe noch ein schönes Bild mit einem interessanten Detail. Für den Vortrag ,,Papiermikroskopie" hatte ich für alle Dörnberg-Teilnehmer je ein Präparat vorbereitet. In einer dieser Präparate waren schöne Fenstertüpfel zu erkennen. Michael (Kallmeyer) zeigte sie mir, und ich habe gleich ein Foto gemacht. Es zeigt eine Zellstofffaser (= mit Etzold in Blau gefärbt) aus Nadelholz. Anschließend wurde am Abend unter Anleitung von HDD in seinem Bildverarbeitungsworkshop noch einiges an Details herausgeholt:


Zellstofffaser aus Nadelholz (Parenchymzelle mit Fenstertüpfel), gefärbt mit Etzold FCA, Einschluss in Malinol. 40x Plan-Neofluar


Viele Grüße,
Rolf-Dieter

Klaus Henkel

Guten Tag Herr Müller!

Siehe auch:

Handbuch der Mikroskopie in der Technik
hrsg. von Dr. Hugo Freund, Wetzlar
unter Mitwirkung zahlreicher Fachwissenschaftler

8 Bände.
Band V
Mikroskopie des Holzes und des Papiers
Teil 1
Mikroskopie des Rohholzes und der Rinden.

Umschau Verlag Frankfurt am Main, 1970
306 Seiten. DM 145,--
und
Band V
Teil 2
Mikroskopie in der Technik der Holzverarbeitung und Holzzersetzung.
Umschau, 1970. DM 125,--
380 Seiten.

Beide Bände jeweils mit sehr vielen Mikroskopischen Aufnahmen, viele farbig,
mit Angabe der Färbevorschriften. Umfangreiche Register.

In Band 2:
Mikroskopie der Holz- und Papierfasern.
Bestimmung der Faserlänge von Pflanzenstoffen und Zellstoffen
Die Mikr. des Papiers und seiner Rohstoffe

Usw.

MfG
KH


Fahrenheit

Lieber Rolf-Dieter,

danke für die kompakte und informative Darstellung Deines Vortrags und Workshops auf dem Dörnberg - und natürlich auch für die Präparate, die Du für die Teilnehmern vorbereitet hast.

Ich nehme an, du hast nichts dagegen, wenn ich den Text für den Bericht zum Treffen auf der MKB-Seite übernehme. :)

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Rolf-Dieter Müller

Hallo Herr Henkel,

vielen Dank für Ihren Literaturhinweis ,,Handbuch der Mikroskopie in der Technik, Band V". Besonders Abbildungen wären recht interessant, denn hiervon findet man in der sonstigen Literatur zur Papiermikroskopie doch nicht so viel.

Recht gut als Einführung ist der Abschnitt ,,Untersuchung von Papier" in ,,Mikroskopie im Alltag" von Dieter Krauter. Im Übrigen eines der besten Mikroskopierbücher, nach meiner bescheidenen Meinung. Besonders wenn es um grundlegende Präparationsbeschreibungen zu verschiedensten Objekten geht, noch immer unübertroffen.

Es gibt natürlich auch Fachliteratur, wovon W.Herzberg, Papierprüfung (1932) und Werner Franke, Prüfung von Papier, Pappe, Zellstoff und Holzstoff. Band 2 – Mikroskopische und photometrische Verfahren (1993) recht umfangreich sind. Im letzteren sogar ein ausführlicher Teil zur Rasterelektronenmikroskopie (Präparation und Anwendung).

Da wir uns hier aber mit lichtmikroskopischer Anwendung beschäftigen, werde ich mich um die von Ihnen empfohlenen Bände ebenfalls bemühen.


@Jörg, selbstverständlich sind o.a. Beschreibung und alle Bilder auch für die MKB-Seite.


Ich habe heute noch in einen meiner ,,Dörnberg-Präparate" ein schönes Beispiel für Leitelemente gefunden. Die Papierfasern stammen aus Zeitungspapier (,,Express" vom 27. August 2018), gefärbt mit W3AsimII (Acridinrot, Acriflavin und Alcianblau). Es zeigt in Bildmitte zwei nicht getrennte Holzstofffasern. Typisch für Holzstoff sind eventuell vorhandene nicht getrennte Fasern und die Rotfärbung durch W3AsimII. Typisch für Nadelholz sind die Hoftüpfel der unteren Faser (= Leitelement) und auf Fichte weisen die Poren der oberen Faser. Ansonsten zeigen die blau angefärbten Fasern auf Zellstoff (ligningfrei) hin.


In Bildmitte zwei ,,W3AsimII"-gefärbte Holzstofffasern mit Leitelement für Nadelholz (Hoftüpfel). Die Poren der oberen Faser verweisen auf Fichte.


Viele Grüße,
Rolf-Dieter