Spielzeug! Machine Vision - die etwas andere Mikroskopkamera

Begonnen von sushidelic, Oktober 10, 2018, 11:51:27 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

sushidelic

Hallo zusammen,

nach langer Zeit mal wieder ein Beitrag... Aus verschiedenen Gründen kam ich in letzter Zeit nicht so häufig hinter das Mikroskop.

Aber einer Idee habe ich mich gewidmet - ich wollte schon lange mit einer monochromen Mikroskopkamera spielen, ohne Bayerpattern, mit ordentlicher Empfindlichkeit über das ganze Spektrum (und darüber hinaus).
Zugegeben, ich hätte mir auch einfach eine DMK oder ähnliches besorgen können, aber irgendwie arten solche Sachen bei mir immer aus.

Los ging es damit, dass ich mich in einen Chip verguckt habe - den Kodak/OnSemi KAI 29050. Vollformat, Microlinsen, 29 Megapixel mit 5,5µm, ordentliche Quanteneffizienz (bei 365nm noch fast 30%). Leider kostet der Chip als Retail schon locker 5000€, deswegen habe ich mir einen Grade 1 davon auf Ebay für einen Zehner geschossen. Der Plan war, mir mit FPGA und Co. eine Ansteuerungselektronik zu basteln, aber selbst meine Schwarzgurt-Elektroniker-Freunde haben bei dem Projekt abgewunken.
Dann ist mir auf Ebay die Vieworks VA 29MC über den Weg gelaufen. "Mein" Chip verbaut, Mini-Gehäuse, CameraLink Schnittstelle, 12bit RAW mit 6 Bildern pro Sekunde, Binning, ROI... Kurz später war die Kamera aus Südkorea zu mir unterwegs, Active Silicon Firebird Framegrabberboard aus Amiland, Hirose Stecker von Conrad...

Ich war so naiv zu denken, dass ich das einfach alles zusammenstöpsel und los geht es mit der Knipserei, aber die Hersteller der Framegrabber geben einem einen SDK mit und erwarten, dass man die Softwareanbindung selbst programmiert, bestenfalls gibt es teilweise bereits Treiber für (sündhaft teure) Analyseprogramme zur maschinellen Bildverarbeitung. Dann gibt es noch Geschichten wie den GenIcam Standard und und und... CameraLink ist eben Industriestandard und für Machine Vision, und nicht einfach USB3.
Aber am Ende hat es nach gefühlt hunderten Versuchen funktioniert. Nachdem ich es geschafft habe, der Grabberkarte sämtliche Sensor- und Kameraparameter "aufzuzwingen", obwohl sie eigentlich gar nicht erkannt wurde, kam endlich ein Bild über die im Treiber enthaltene, simple Anzeigesoftware.

Hier der erste Schnappschuss (Einzelbild) - aus einem Diatomeen -Testpräparat von Anne, gefiltert mit 480nm, Olympus 60x/1.42 Planapo, 2x Vergrößerung im Strahlengang, also 120x auf dem Sensor. Für das Forum um etwa 10% verkleinert.
Kein Vergleich zu meiner Nikon D800, sowas von rauscharm bei blauem Licht, der Auflösungsgewinn durch das fehlende Bayerpattern ist viel deutlicher, als ich mir es vorgestellt habe.
Mein Fazit: Mega Aufwand, aber das war es wert. Hoffentlich meine ultimative Diatomeen-Kamera, die Zukunft wird's zeigen. Und einen Ersatz-Chip habe ich ja auch noch rumliegen.

Ich hoffe, ich habe Euch nicht allzusehr mit meinen Ausführungen gelangweilt :).

LG Michael

knipser009

hallo Michael

da kann ich nur noch suuuuuper sagen.

Dieses Motiv dann noch gestackt und dann ist es fast wie REM
Viele Grüße aus dem SaarPfalzKreis

Wolfgang
gerne per "Du"

wilfried48

Hallo Michael,

das ist eine schöne Aufnahme !
Aber mir erschliesst sich der Sinn des Einsatzes dieses Superchips noch nicht.
Kannst du bitte mal eine Vergleichsaufnahme mit deiner Vollformat Nikon einstellen ?

Ich dachte bisher immer, dass gerade bei hohen Vergrösserungen immer das Mikroskopobjektiv die Begrenzung darstellt und nicht die Kamera (siehe Peter Höbels fantastische Auflösungsbilder mit einer preiswerten 5 Mp Monochrom DMK).

Beim Mikroskop hat man ja, zumindest im Hellfeld immer genug Licht, sodass das Rauschen
kein Problem darstellen kann.

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

sushidelic

Danke für die Antworten!

@Wilfried
der Chip der DMK ist sehr klein, damit ist das in einem Bild aufzeichenbare Feld ebenfalls sehr klein. Da ich fast immer mit Objektiven mit FN 26.5mm fotografiere, komme ich bei einem Vollformatchip beinahe auf das maximal aufzeichenbare Bildfeld (mit Vignette links und rechts). Das gibt mir die Möglichkeit, auch größere Probanden in einem Bild abzulichten. Und das ist genau mein Interesse - ultrascharfe Mikroskopbilder im Großformat, bereit für's Poster :).
Das die Rauschfreiheit im Hellfeld keine allzugroße Bedeutung hat, stimmt natürlich. Aber ich arbeite auch gerne mit Kontrastverfahren und Beleuchtungsspielereien, bei denen ich schnell mal auf ein paar Sekunden Belichtungszeit komme, und da kommen dann wieder andere Faktoren zum Tragen, wie zum Beispiel das "Blooming" - Verhalten, oder die Full Well Kapazität. Beide Werte sind bei diesem Chip absolut ok, um es dezent auszudrücken. Und ich kann 12bit RAW ausgeben, da ist noch Luft in der Nachbearbeitung.
Dass natürlich die mögliche Auflösung ein entscheidender Faktor ist, stimmt natürlich auch. Da ich mir die Kamera auch speziell in Hinblick auf das Beleuchten mit UV-Licht besorgt habe, gilt hier nach Abbe 365/2.8 = ~130nm als maximal trennbare Distanz. Bei 120X Vergrößerung auf dem Sensor (60x 1.42 und 2x Optovar) entspricht dann ein 5.5µm Pixel 5500/120 = 45.8nm. Wenn man dann noch das Nyquist-Kriterium miteinbezieht, sollte der Sensor bei 105.4nm Auflösung ausgereizt sein. Da habe ich also mit meinen theoretisch maximal möglichen 130nm doch recht wenig leere Vergrößerung. Wenn ich mit dem 60er direkt auf den Chip projeziere, sollten nach Nyquist die Pixel sogar noch etwas kleiner sein.

Hier mal ein Beispiel anhand eines schnellen Testes - Amphi-Streupräparat von Anne mit 480nm Filter / gekreuzte Polfilter / 120x auf dem Sensor. Zuerst ein auf 400% vergrößerter Crop und danach der komplette Sensor (6576x4384). Die Schärfe ist über das komplette sichtbare Feld innerhalb der Vignette gleich gut, das passt schon fast für's Poster, und das bei 120x. Ich würde mir eben gerne mal ein paar Diatomeen groß ausdrucken und über's Sofa hängen (wenn die Regierung mitspielt).

Den Vergleich mit der Nikon kann ich leider gerade nicht machen, aber ich bin mir sicher, dass ich eine Amphipleura so noch nie davor aufgelöst habe,

LG Michael

anne

Hallo Michael,
tja was soll ich sagen - das hast Du gut gemacht!
Ich bin völlig begeistert, auch wenn ich vieles von dem was Du schreibst nicht verstehe, aber was ich sehe ist phänomenal!!!!

Du bist jemand der Dinge immer bis an die Grenze ausreizt und so sieht das für mich hier wieder einmal aus - klasse.


lg
anne

Bob

Hallo Michael,
der Aufwand hat sich gelohnt, das sind wirklich beeindruckende Bilder!

Ich bin schon gespannt, was wir von Dir hier noch an Diatomeen-Fotos gezeigt bekommen!

Viele Grüße,

Bob

sushidelic

#6
Hallo Anne & Bob!

Danke für Eure Aufmunterung - ich bleibe dran ;). Ist auf jeden Fall noch eine Beta, wenn nicht Alpha - Angelegenheit. Stacking ist gerade das größte Poblem, da ich noch nicht mit externen Triggern für die Aufnahme arbeiten kann. Das heißt, ich kann zwar den Fokus per Knopfdruch weiterdrehen, dann muss ich allerdings mit der Maus die Aufnahme auslösen und das Bild mit "save as" abspeichern und einzeln benennen. Das macht bei meinen klassischen 100+ Bilderstacks noch nicht wirklich Freude und kann maximal als Meditationsübung durchgehen. Naja, immerhin habe ich ein Bild, und solche Automatisierungsgeschichten sollten sich mit dem SDK weit weniger kompliziert gestalten als eine Treibereinbindung.

Aus purer Experimentierlaune heraus habe ich einmal einen der genialen Histo-Dünnschnitte von Ronald, das hier bereits bekannte Ovarium der Heuschrecke, mit drei verschiedenene Wellenlängen mit dem Olympus Uplanapo 20x/0.70 im Dunkelfeld abgelichtet, einmal Blau mit ~420nm, Grün mit 550nm und Rot mit 650nm, als quasi extrem weit gefächertes RGB, und dann "Konfokal-Style" wieder zusammengebaut. Wissenschaftlich zweifelhaft, aber immerhin bunt. So wird's dann vieleicht nächstes Jahr was bei den Small Worlds (oder ich mache einfach Macro, das liegt ja voll im Trend).

Beste Grüße,
Michael

PS: Und noch ganz kleinlaut hinterher auch Gratulation an Anne für ihre diesjährige Auszeichung ;) - aber dafür gibt's besser noch einen eigenen Beitrag!

anne

#7
Hallo Michael,

dieses Bild ist soooo cool!
Super.

lg
anne

P.S. Danke :). Das Thema Nikonsmallworld wird hier nach meiner Erfahrung von vielen recht kritisch gesehen und erhält daher wohl wenig Aufmerksamkeit bzw. eher unterschwellige Kritik.
Die Bilder sind in diesem Jahr, nach meinem Empfinden, durchweg besonders / überragend.
Sehr bunt und viel Makros, aber das scheint Nikon einfach anders auszulegen.
Nächstes Jahr knackst Du diese Nuss!
Frank ist auch wieder vertreten - Glückwunsch Frank!

hugojun

Hallo Michael,
wenn Du mit mehr als 3 Wellenlängen Aufnahmen machst, kannst Du Dir mit diesem Programm
https://engineering.purdue.edu/~biehl/MultiSpec/

die best-mögliche Kontrastvariante berechnen lassen und dann als RGB Bild berechnen lassen.

Jürgen


Bayer

Stemi 508doc
AxioScope.A1
Nikon D850

Bob

Hallo Michael,
klasse Foto!
Es gibt übrigens kleine Progrämmchen, mit denen man Tastatur und Maus-Operationen automatisieren lassen kann. Die fortlaufende Nummer müsstest Du evtl. aus einer Tabelle herauskopieren. Ich habe sowas ewig nicht gebraucht, aber die Suchbegriffe "macro-recorder" und "key-recorder" dürfte etwas zutage bringen.

Viele Grüße,

Bob

sushidelic

Hallo!
Danke für die Antworten - wir haben gerade Kunden im Büro und alles ist ein bisschen stressig.
@Jürgen: MultiSpec habe ich gleich mal ausprobiert, da muss ich mich aber wohl noch etwas einarbeiten. Sieht auf jeden Fall sehr interessant aus.
@Bob: Auf die Idee bin ich noch nicht gekommen, das wäre evtl. eine Lösung. Als nächstes wollte ich mich auch etwas mehr mit der "Software-Trigger" Funktionalität auseinandersetzen. Momentan starte ich die Kamera noch über ein anderes Tool als das, mit dem ich die Bilder dann aufnehme. Da sollte es auch viel schönere Lösungen geben, mit denen ich wohl auch das kameraseitige 7-Sekunden-Belichtungslimit umgehen kann, wenn ich die Kamera mal ans Teleskop hängen will, oder ganz geringe Fluoreszenzen aufzeichnen will. Wenn das klappt, sollte mit einem Makro die Bildaufnahme wirklich nur noch ein "Klick" sein :).
Ich hab das RGB-Komposit nochmal etwas abgestimmt - leider hat der Blaukanal schon ordentlich rumfluoresziert...
LG Michael

koestlfr

Liebe Grüße
Franz