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Coleps hirtus viridis

Begonnen von Michael, Oktober 07, 2018, 12:42:01 NACHMITTAGS

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Michael

Hallo in die Runde,

da es hier öfters ein Thema war, wie man Ciliaten zum Fotografieren ruhig stellen kann, möchte ich über eine bequeme Möglichkeit berichten.
Der Ciliat Coleps hirtus viridis war einer der ersten Ciliaten, die ich als Tümpler-Anfänger überhaupt gesehen habe. Seit damals versuche ich immer wieder mal, dieses quirlige und schnelle Wimperntier vernünftig zu fotografieren - leider meist ohne Erfolg. Freischwimmend ist dieser Ciliat viel zu schnell, um vernünftige Fotos zu machen. Der einzige Ausweg (außer Fixierung) ist das Festlegen des Tieres mit dem Deckglas. Da der Ciliat einen "starren" Außenpanzer trägt, ist mir das aber nie "zerstörungsfrei" gelungen.
In meinen Mikroaquarien finde ich immer wieder Ciliaten mit symbiontischen Grünalgen. Dabei ist mir aufgefallen, dass diese Wimperntiere am Anfang der Beobachtung - wenn das Präparat direkt aus der relativen Dunkelheit der Aufbewahrungsbox kommt - meist reglos sind. Erst nachdem die Ciliaten einige Sekunden von der Mikroskoplampe beleuchtet werden, beginnen sie wieder aktiv zu werden und flitzen wie gewohnt umher. Offensichtlich geht den Tieren bei Dunkelheit der "Treibstoff" aus und wird erst bei Helligkeit von den Algen nachgeliefert.
Diesen Effekt kann man zur Beobachtung von Coleps hirtus viridis ausnutzen. Wenn man die Tiere bei sehr dunkler Beleuchtung beobachtet, bleiben sie still im Präparat liegen und können auch freischwimmend mit dem 100er Objektiv beobachtet werden. Die unteren Fotos sind so entstanden. Bis auf das letzte Bild wurde bei allen das PL Apo 100 bei einer Belichtungszeit von 1/8 s (bei schiefer Beleuchtung) verwendet. Dieser Trick klappt auch bei vielen anderen "grünen" Ciliaten (z.B. bei Euplotes daidaleos oder Paramecium bursaria).

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

anne

Hallo Michael,
Coleps steht auch noch auf meiner to do -Liste.

Richtig schwierig, da Aufnahmen eigentlich nur mit dem 100er Objektiv möglich sind.
Danke Dir für den Tip und für die schönen Bilder!

lg
anne

Michael

Hallo Anne,

es freut mich, dass mein Beitrag für Dich von Interesse war!
Coleps ist für den Fotografen wirklich eine harte Nuss. Solltest Du den obigen Tipp ausprobieren wollen, musst Du im Vorfeld die kleinen Freunde in Dunkelheit in einer feuchten Kammer oder einem Mikroaquarium einige Zeit "aushungern". Erst dann schalten die Ciliaten auf ihr Notfallprogramm und werden unbeweglich.

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

Michael Plewka

hallo Michael,

Vielen dank für den Beitrag und auch die schönen Fotos. Allerdings hat Dein Beitrag mein Interesse aus einem anderen Grund geweckt: da ich hauptsächlich an den biologischen Inhalten der Beiträge hier interessiert bin, hier eine kritische Anmerkung: deine Überlegung ....
ZitatOffensichtlich geht den Tieren bei Dunkelheit der "Treibstoff" aus und wird erst bei Helligkeit von den Algen nachgeliefert.
provoziert  zum Nachdenken,  vor allem das "offensichtlich": einerseits ist es naheliegend, dass Ciliaten von ihren  Zoochlorellen  Energie bereitgestellt bekommen; andererseits formuliere ich mal die provokante Frage: stehen die Autos auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt, weil ihnen der Treibstoff ausgegangen ist?

Anders ausgedrückt: ich habe erhebliche Zweifel, dass die lichtinduzierte Energiebereitstellung durch die Algen innerhalb von Sekunden erfolgen kann (habe allerdings keine konkrete Literatur dazu  gefunden, nach welcher Zeit die ersten Kohlenhydrate in (zuvor ausgehungerten) Algenzellen nach Lichtbestrahlung nachweisbar sind. Meine Vermutung ist jedoch, dauert es aber mehr als einige Sekunden, wie ja schon die klassische Untersuchung der Photosynthese durch Calvin nahelegt.

Fakt ist allerdings:

1. Auch Ciliaten, die keine Zoochlorellen enthalten, starten und stoppen ihre Bewegung.
2. Die Bewegung von Ciiliaten wird grundsätzlich über Membranpotentiale gesteuert (siehe z.B.: MACHEMER, u.a. in "Cilia and Flagella..."
3. Die Cilienbewegung auch nicht zoochlorellenhaltiger  Ciliaten kann über Licht gesteuert werden. Dies ist z.B. bei Stentor coeruleus oder Blepharisma nachgewiesen worden, wobei Photosysteme, an denen die farbigen Pigmentkörnchen beteiligt sind, eine Rolle spielen.

Es stellt sich also für mich die Frage, ob der von Dir dargestellte Zusammenhang zwischen dem Besitz von Zoochlorellen und der Motilität in dieser ursächlichen Weise existiert. Weitere Beobachtungen in dieser Richtung sind sicherlich wünschenswert.

Was das Fotografieren angeht: es ist -gerade bei Coleps- eine Frage der sorgfältigen Präparation: meiner Erfahrung nach lassen sich die Zellen sehr wohl zerstörungsfrei mit dem Deckglas festlegen. Evtl ist aber das Zerbrechen des Panzers gar nicht mal so unerwünscht: die Arbestimmung der Coleps-Arten  beruht vor allem auf der Analyse dieser Panzerplatten. Diese kann man am besten bei komprimierten Exemplaren dokumentieren.
Tipp: mit NaOCl ("Chlorix") kann man die Platten sehr schön mazerieren, siehe z.B. hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Ciliata/e-source/Coleps%20amphacanthus.html


beste Grüße
Michael Plewka

Michael

Hallo Michael,
ich weiß natürlich, dass man Coleps auch mit dem Deckglas festlegen kann - schließlich kenne ich ja Deine Fotos. Nur mir ist das nie gelungen und die Versuche haben mich und den Ciliaten enttäuscht!  ;D

Aber auch mich interessiert die Biologie des beschriebenen Verhaltens mehr als fototechnische Fragen. Leider kenne ich mich mit der Biochemie der Photosynthese nicht aus und kann nur einige Beobachtungen beitragen:
Wenn man Algen mit einem großen Chloroplasten - z.B. Micrasterias - in hoher Vergrößerung betrachtet kann man manchmal die Transportströme vom Chloroplasten ins Innere der Zelle beobachten. Das sieht aus, als ob kleine Bläschen (Vesikel?) in Reih und Glied hintereinander ins Zellinnere strömen. Diese Transporte habe ich immer als Stofftransporte von Photosynthese-Produkten gehalten. Dimmt man die Beleuchtung bei der Beobachtung, hören die Transportströme innerhalb weniger Sekunden auf. Eine Erhöhung der Beleuchtungsstärke dagegen startet diese Strömungen wieder in wenigen Sekunden. Wenn diese Ströme also mit der Photosynthese zu tun haben, ist das ein recht schnelles System, das flott der Beleuchtungsstärke folgt. Wie lange dann der Transport in eine Wirtszelle dauert, kann ich natürlich nicht sagen.
Ciliaten, die einige Zeit in einem Präparat waren und die erste Panik überwunden haben, zeigen dann ihr natürliches Bewegungsverhalten. Da gibt es Arten, die zufrieden an einer Stelle verharren, andere streifen langsam durch Präparat und weiden Detritusflocken ab. Wieder andere sind auch nach langer Zeit unermüdlich und flott unterwegs. Bei Coleps habe ich noch nie erlebt, dass die Individuen minutenlang ruhig an einer Stelle verharren.
Wenn die Ciliaten aus dem Dunkeln kommen, liegen - bei dunkler Beleuchtung - alle Exemplare ruhig im Präparat. Solange man die Beleuchtung nicht erhöht, bleibt das auch stundenlang so (na ja - ich habs nur ca. 15 min. beobachtet, dann habe ich die Geduld verloren). Wenn man die Beleuchtungsstärke erhöht, beginnen sich alle Individuen innerhalb weniger Sekunden wieder zu bewegen (es gibt geringfügige Unterschiede in der Zeit, aber nach 10 s sind alle wieder unterwegs). Dies bleibt solange, bis man die Beleuchtung wieder dimmt. Nach einiger Zeit (die mir von der vorherigen Beleuchtungszeit abhängig zu sein scheint) werden wieder alle Individuen unbeweglich.
Den selben Effekt kann man durch die Verwendung eines Grünfilters bei höheren Beleuchtungsstärke erreichen. Mit Filter bleiben die Ciliaten unbeweglich, entfernt man den Filter werden sie wieder aktiv. Der Effekt scheint also eine spektrale Abhängigkeit zu haben, die sich mit den Absorptionsbanden des Chlorophylls deckt.
Den Effekt habe ich bisher nur bei "grünen" Ciliaten beobachtet. Die Lichtempfindlichkeit von Stentor und einigen anderen Arten ist mir natürlich bekannt, äußert sich aber anders. Stentor ist im Dunkeln recht zufrieden, setzt sich fest und strudelt Nahrung ein. Das Tier ist also nicht inaktiv. Erhöht man die Beleuchtung, löst sich Stentor und versucht aus dem Licht zu fliehen. Deshalb beobachtet man Stentor am besten mit einem Grünfilter und entfernt diesen nur zum Fotografieren kurzzeitig. Ähnliches Verhalten zeigen einige Rädertiere - aber wem sage ich das. Hier verwende ich dann - wegen der roten Augen der Tiere - einen Rotfilter, den ich für die Fotos kurz entferne.
Mir scheint also die Photosynthese-Hypothese recht plausibel.

Viel Grüße

Michael (Müller)
Gerne per Du

Jürgen H.

Hallo Michael,

schöne Photos!

Vielleicht liegt die Abhängigkeit der Beweglichkeit von den Lichtverhältnissen nicht an veränderten Energieverhältnissen (Kohlehydrate), sondern an der Sauerstoffproduktion der Endosymbionten?
Die dürfte sich bei Lichteinfall schnell einstellen.
Weist auch Coleps ein Phototaxis auf, würde bei einem Helligkeitsgradienten also versuchen, ins Helle zu gelangen?

Schöne Grüße

Jürgen

Bernd

Hallo Michael (Müller),

eine Schreck(reaktion) auf Licht kann man durchaus auch bei farblosen Ciliaten beobachten. Besonders die kleinen Cyclidium-Arten reagieren nach meinen Beobachtungen sehr empfindlich auf intensive Beleuchtung und springen meist sofort und fast panisch davon.

Viele Grüße
Bernd

Michael

Hallo Jürgen und Bernd,

ob das Verhalten von Coleps an der Sauerstoffproduktion liegt, kann ich nicht sagen. Jedenfalls ist Coleps bekannt dafür, dass er mit sehr sauerstoffarmem Milieu zurechtkommt. schließlich hat er ja seine Sauerstofffabrik dabei!

Die Beobachtungen sind keine Schreckreaktion auf plötzliche Helligkeit. Da das sehr schwer mit Worten zu beschreiben ist, habe ich versucht, das Verhalten in einem kleinen (schlechten) Film festzuhalten, der hier abgerufen werden kann:

https://www.youtube.com/watch?v=DfKHaK0ghqQ

Man erkennt recht schön, dass Coleps bei geringer Beleuchtung inaktiv ist, bei Erhöhung der Beleuchtungsstärke "aufwacht" und bei neuerlicher Reduzierung der Beleuchtung wieder inaktiv wird.
Welche Beobachtungsmöglichkeiten sich dadurch ergeben, habe ich in einem zweiten Film festgehalten:

https://www.youtube.com/watch?v=FNcFWf_NiAI

Hier zeige ich die Ciliaten in unterschiedlicher Vergrößerung (10er bis 100er Objektiv) live während ihrer Ruhephase bei geringer Beleuchtung.

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

Michael Plewka

#8
hallo Michael,

mit den Videos bist du wahrscheinlich auf dem richtigen Weg, da m.E. nur mit der Videografie  eine Klärung solcher Fragen möglich ist. Optimal wäre dabei ein Versuch mit zwei Coleps-Arten: einer zoochlorellenhaltigen, z.B. C. viridis oder C. spetai und einer zoochlorellenfreien wie z.B. C. hirtus die sich beide in derselben Probe befinden sollten.

Es macht deshalb auch keinen Sinn, einfach nur von "Coleps" zu sprechen wie z.B. hier:
Zitat....Jedenfalls ist Coleps bekannt dafür, dass er mit sehr sauerstoffarmem Milieu zurechtkommt. schließlich hat er ja seine Sauerstofffabrik dabei!...

Ja, es gibt (wieder bei FOISSNER) eine entsprechende Grafik, die ein Häufigkeitsmaximum bei 0-1mg/l  Sauerstoff zeigt: allerdings bei Coleps hirtus, das keine!!! Zoochlorellen hat.  Das  zeigt m.E., dass die Rolle der Zoochlorellen  doch etwas komplexer als eine "Sauerstofffabrik" zu verstehen ist. Kennst Du entsprechende Daten für C. viridis?

Wie schon gesagt, ist eine solche Lichtreaktion, wie sie Deinem  Video zu beobachten ist,  auch bei zoochlorellenfreien Ciliaten nachgewiesen. (Fabczak et Fabczak, 2015)


Auch Deine Beobachtung, dass Partikel aus den Chloroplasten in das Cytoplasma strömen, sollte mal in einem Video dokumentiert werden. Zwar habe ich schon oft, gerade in Desmidiaceen, den Partikeltransport im Cytoplasma beobachtet und auch videografiert, aber wie im LM sichtbare Partikel durch die Doppelmembran der Chloroplasten gelangen sollen, ist mir ein Rätsel; auch in der Literatur ist davon nichts zu finden. Gerade bei Micrasterias, wo die Chloroplasten praktisch bis zur Zellwand reichen, halte ich es für besonders schwer, einen solchen Transport zu beobachten und zu dokumentieren. Ist also eine Herausforderung!


Beste Grüße
Michael Plewka

Michael

Hallo Michael,

Du hast natürlich Recht, dass es keinen Sinn macht, nur von "Coleps" zu sprechen - wo ich das in diesem Beitrag schlampigerweise gemacht habe, ist immer Coleps hirtus viridis gemeint.
Im Vorfeld hatte ich mich natürlich mit der Artdiagnose beschäftigt und war durch die Angaben in Foissners "Revision" etwas verunsichert, da hier nur für C. spetai Zoochlorellen beschrieben wurden und C. hirtus streng ohne Zoochlorellen angegeben ist. C. spetai besitzt aber in der vorderen Hauptplatte 5 Doppelfenster, in der hinteren nur 4. Außerdem sind die Hauptleisten flügelartig verbreitert. Diese Merkmale haben meine Exemplare nicht und gleichen - bis auf die Zoochlorellen  - in allem C. hirtus:


Coleps hirtus viridis: Stack; je 4 Doppelfenster in den Hauptplatten

In der späteren "englischen Version" "Identification and Ecology of Limnic Ciliates" hat Foissner dann seine Einschätzung revidiert und die Unterart Coleps hirtus viridis etabliert. Diese gleicht - bis auf die Zoochlorellen - der Art Coleps hirtus hirtus und ist ein Synonym für das älteren Coleps viridis. In dem englischen Buch wird dann auch bestätigt, dass C. hirtus viridis mit sehr wenig Sauerstoff auskommt.

Es wäre natürlich wünschenswert, die Beobachtungen mit einer zoochlorellenfreien Celops-Art zu wiederholen. In meinen Präparaten habe ich eine solche aber noch nicht gefunden. Auch gibt es - wieder nach Foissner - zoochlorellenfreie C. hirtus viridis, die in längerer Dunkelheit ihre Symbionten verloren haben. Die sind optisch dann aber nicht von C. hirtus hirtus zu unterscheiden. Aber wenn Du die beschriebene Lichtreaktion bereits bei zoochlorellenfreien Ciliaten beobachtet hast, wird der Grund wohl nicht in der Photosynthese zu suchen sein. Umso größer das Anwendungsspektrum dieser Beobachtungsmethode!

Der Partikeltransport in den Algen hast Du ja auch schon bei vielen Arten beobachtet. Ob sich Micrasterias dazu besonders eignet weiß ich nicht - ich hatte diese Art nur erwähnt, weil ich den Transport hier kürzlich beobachtet hatte. Videos habe ich nie gemacht. Hier ein Foto von den Strömungen in Spirogyna:



Die Lichtreaktion dieser Strömungen war deutlich - in Dunkelheit hören sie sehr schnell auf. Ob das mit der Photosynthese zusammen hängt, kann ich natürlich nicht sagen.

Ein schönes Wochenende

Michael
Gerne per Du