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Blut-Knochenmark-Leukämie

Begonnen von Ralf Feller, Oktober 01, 2009, 17:34:53 NACHMITTAGS

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Ralf Feller

Blut-Knochenmark-Leukämie

Liebe Forumskollegen,
eigentlich zeige ich hier ja meist Bilder von meinen Stechmücken,
doch liegt hier gerade ein interessanter Fall aus meiner beruflichen
Arbeit unter dem Mikroskop, und so möchte ich doch einige Bilder
aus einem Arbeitsbereich (der Hämatologie) zeigen, in dem das
Mikroskop unverzichtbar ist.

Normales Blut wird auf einen Objektträger ausgestrichen,
20 Minuten luftgetrocknet und dann nach Pappenheim
gefärbt (5 Minuten wasserfreie May-Grünewaldlösung,
in Puffer nach Weise pH 6,88 abwaschen, dann 15 Minuten
in Giemsa 1 Teil + 4 Teile Weisepuffer, abwaschen in
Weisepuffer und dann in Wasser), gleiches gilt für
Knochenmark, wobei sich die Trocknungszeit auf wenigstens
3 Stunden verlängert und 20 Minuten in Giemsa gefärbt wird.

Im Blutausstrich findet man (Bild 1 und 2):
Leukozyten (Segmentkernige als Neutrophile (größte Gruppe),
Eosinophile und Basophile, Monozyten und Lymphozyten).
Erythrozyten (rote Blutkörperchen = Sauerstoffträger)
Thrombozyten (sehr klein, dienen der Gerinnung)

Bild 1:

Bild 2:

Diese Zellen entstammen dem Knochenmark (mit Ausnahme
der Lymphozyten, diese werden hauptsächlich in Lymphknoten,
Milz und Mandeln gebildet).
Das Knochenmark gewinnt man meist durch Beckenkamm-
Punktion und streicht es dann ebenfalls als Quetschpräparat
aus oder man fertigt histologische Schnitte.
Bild 3 zeigt einen Ausstrich. In der Übersicht sieht man die
Lockere Struktur mit vielen Fettvakuolen, man erkennt als
größte Zellen die Megakaryozyten, von denen die
Thrombozyten abgeschnürt werden.
Bild 3:

Die stärkere Vergrößerung (63 Planapo) zeigt ein buntes
Bild. Basophile Proerythroblasten und Normoblasten
bilden in der Ausreifung die Erythrozyten.
Myeloblasten (nicht gezeigt)-Promyelozyten-Myelozyten-
Metamyelozyten-Stabkernige reifen zu Segmentkernigen
aus. Daneben finden sich monozytäre Zellen (nicht gezeigt),
Lymphozyten und daraus hervorgegangene Plasmazellen.
Bild 4:

Nun kann es vorkommen, dass im Blut Zellen auftauchen,
die hier nicht hingehören. In diesem Fall (Bild 5) sind
es Leukämie-Blasten einer akuten myeloischen Leukämie.
Bild 5:

Schaut man ins Knochenmark, so findet man hier eine
Viel größere Zelldichte als normal.
Bild 6:

Die stärkere Vergrößerung zeigt, dass die normalen
Knochenmarkszellen verdrängt sind. In diesem Fall
durch Leukämieblasten, die hier als Besonderheit
Auerstäbchen in besonderer Bündelung (Faggots)
aufweisen. Auerstäbchen beweisen den myeloischen
Charakter der Leukämie (im Gegensatz zu den lymphatischen
Leukämien). Liegen die Auerstäbchen, wie hier, als
Bündel vor, so spricht das für einen Sondertyp der
Leukämie, die so genannte Promyelozytenleukämie,
die eine besonders große Heilungsaussicht hat.
Bild 7:

Die Bilder sind mit eimem Axioskop, einer Hitachi HV-C20,
Framegrabber und dem Discus-Dokumentationssystem
gemacht, also mit einem professionellen System, und
ich finde sie schlechter als das meiste was ich hier mit
unseren Eigenadaptationen sehe.
Gruß aus Mülheim-Ruhr

Fahrenheit

Lieber Herr Feller,

vielen Dank für diese interessante Dokumentation! Durch Ihre Gegenüberstellungen und Erläuterungen ist es auch mir als Laien möglich, die Unterschiede nachzuvollziehen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Druse

Vielen Dank für diese interessanten Bilder und die Erklärungen dazu.

Darf ich diese Fotos evtl. ausdrucken und meinen Altenpflegeschülern zeigen? Ich hatte gerade das Thema "Gerinnungsaktive Arzneimittel" und demnächst kommt das Thema "Zytostatika" an die Reihe.

Das wäre sehr nett,

vielen Dank nochmal, histo- und cytologische Präparate sind super interessant!

Ralf Feller

Hallo Mila und Jörg,
danke für das Lob!

@ Mila
Ja natürlich kannst Du die Bilder für Deinen Unterricht verwenden.

Dazu aber noch folgender Kommentar an Dich als Apothekerin.

Die hier gezeigte Leukämie ist etwas ganz besonderes, es ist für
die Patienten oft ein Spiel um Alles oder Nichts.
Die Promyelozytenleukämie (AML M3) zeichnet sich dadurch
aus, dass die Inhaltsstoffe der Zellen eine Gerinnung auslösen
können, die sich dann im ganzen Körper abspielt. Es kommt
zu kleinen Thrombosen in den Organen, andererseits werden
aber die Gerinnungsfaktoren des Blutes verbraucht und die
Patienten bluten aus Mund, Nase, unter die Haut und oft auch
ins Gehirn, woran sie dann sterben. Diese Situation nennt
man Verbrauchskoaggulopathie (auch DIC) mit schnellem
Absinken aller Gerinnungsparameter (Quick, Ptt) im Blut.
Auf der anderen Seite ist dies die einzige Leukämie die sich
mit einem Vitamin-A Präparat (All-trans-Retinsäure, ATRA)
zur Ausdifferenzierung bringen lässt. Damit erreicht man
Heilungsraten von über 70%, wenn ATRA zur Verfügung steht,
und das ist seitens der Apotheken oft schwierig. Bei einer
M3 Leukämie hat man also entweder sehr gute Heilungs-
möglichkeiten oder man stirbt schnell an Blutungen.
Bei anderen akuten myeloischen Leukämien liegen die
Heilungsraten (Langzeitüberleben) dagegen eher zwischen
20 und 40%. (Mikroskopie ist manchmal Überlebenswichtig!)

Gruß Ralf

Druse

Hallo Ralf,

Dein Beitrag macht mich sehr nachdenklich und betroffen, ich weiß gar nicht so recht, was ich schreiben soll.

Mikroskopie ist lebenswichtig, ja, das hast Du uns heute sehr eindrucksvoll gezeigt und geschildert.
Ich werde mich in diese Thematik einarbeiten, ATRA interessiert mich und die Lieferfähigkeit (warum nicht verfügbar? Wie unfassbar ist das?) werde ich hinterfragen.

Danke Dir sehr für diesen Beitrag und dass ich die Aufnahmen verwenden darf.

Viele Grüße, Mila

bewie

Hallo Ralf,

das war wirklich ein schöner, eindrucksvoller und informativer Beitrag, ganz hervorragend!

Wird das ATRA eigentlich zur Dauermedikation oder kann man es irgendwann absetzen?

Schöne Grüße
Bernd

Ralf Feller

Hallo Bernd,

Die Therapie gliedert sich in eine Induktion und eine Konsolidation mit
ATRA und Idarubicin.
Es folgt eine Erhaltungstherapie die über 2 Jahre läuft. In dieser Zeit
bekommen die Patienten noch 6 x ATRA, danach ist die Behandlung
üblicherweise abgeschlossen.

Gruß Ralf