Mikro-Dichtebestimmung mit dem Mikroskop

Begonnen von Reinhard, Oktober 26, 2018, 16:52:54 NACHMITTAGS

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Reinhard

Hallo Freunde,

mit dem im Folgenden vorgestellten Aufbau lassen sich Bestimmungen der Dichte (des "spezifischen Gewichtes") im Mikro- und Ultramikrobereich durchführen. Zeigen möchte ich das an einem Beispiel
im einstelligen Milligramm-Bereich.
Die Dichte ist eine wichtige charakteristische Materialeigenschaft eines Stoffes und gibt die Masse einer bestimmten Volumeneinheit an, also zum Beispiel: Die Dichte von Eisen ist etwa 7,8 g/cm³.
Wenn diese Materialeigenschaft an einer Menge im Milligramm- oder Mikrogrammbereich bestimmt werden soll, so ist zum einen eine sehr genaue Bestimmung des Gewichtes (der Masse), zum anderen
eine ebensolche Bestimmung eines winzigen Flüssigkeitsvolumens erforderlich.

Das Gewicht wurde überwiegend mithilfe einer Fadenwaage (Lupus) bestimmt; hier wird die Durchbiegung eines unter 10µm dicken Glasfadens als Funktion des Gewichtes mithilfe eines geeichten Okularmikrometers gemessen.
Das Volumen wurde dadurch bestimmt, daß das zu messende Objekt in einer inerten Flüssigkeit,die in einem geeichten Kapillarröhrchen eine genau definierte Höhe einnimmt, versenkt wird.
Die Höhenzunahme des Meniskus der Flüssigkeit wird mehrmals gemessen und so zum verdrängten Volumen in Beziehung gesetzt.

mit der Formel:    rho=m/V 
wird schließlich die Dichte berechnet.

Im Bild 1 ein um 90° stabil kippbares Mikroskop von Hertel&Reuss.
Es wird beleuchtet von einer alten Leitz-Mikroskopleuchte. Im Vordergrund die von Rolf hergestellte Winkeloptik, sodaß der Anstieg des Meniskus auch als solcher sichtbar wird und die Seiten "stimmen".
Für die vorgestellte Messung wurde ein 4er Objektiv verwendet, ein 10er ist für noch genauere Messungen gedacht.
Auf dem Kreuztisch (Bild 3) habe ich ein kleines Acrylblöckchen, vor Zeiten von Olaf zu anderen Zwecken hergestellt, geklebt, das eine senkrechte Bohrung für 1mm-Kapillarröhrchen hat.
So ist insbesondere eine feste Basis für die Höhenmessungen gegeben. Mit den Schrauben wird der Meniskus genau auf die "Null" des Okularmikrometers eingestellt. (Bild 3)




Bild 2 zeigt ein etwa 2,8 mm großes Stück eines Drahtes mit 0,3mm Durchmesser. Die Flüssigkeit ist Dibutylphthalat, eine Flüssigkeit, die praktisch nicht verdampft.






Die Rechnung sieht dann folgendermaßen aus:

Das Drahtstückchen hat ein Gewicht von 3,142 mg
Im Röhrchen, dessen Innendurchmesser mit 0,785mm bestimmt wurde, führt das Einbringen des Drahtes zu einem Anstieg des Meniscus um exakt 27 Teilstriche der 100er Skala.
1 Teilstrich (4er Objekt.) wurde mithilfe eines Mikrometer-OT's zu 14,5 µm bestimmt. Anstieg also um 0,393 mm.
Dieser Anstieg bedeutet bei gegebenem Innendurchmesser ein Volumen von 0,189 µl.

Somit: Dichte= 3,142mg/ 0,189µl = 16,62 [g/ml]
Es handelte sich hier um ein Stückchen Tantal-Draht, was zu beweisen war. Die Messungen streuten um etwa 2-3 %. Wichtig sind energische Zentrifugationen nach Einbringen
der Flüssigkeit und der Probe.

viel Spaß beim Nachrechnen
und Schönes Wochenende

Reinhard
seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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reblaus

Hallo Reinhard -

Wahnsinn!
Aber noch zwei dumme Fragen: Du schreibst von "energischer Zentrifugation" - dazu muss doch die Kapillare aus dem Plexiglashalter entnommen und nach Einbringen des Objekts und Zentrifugation  wieder zurückgesetzt werden. Stört das nicht die Messgenauigkeit?
Und wie wird das Teilchen anschließend zwecks weiterer Analyse wieder aus der Kapillare herausgeholt?

Weiter viel Erfolg!

Rolf

Reinhard

Hallo Rolf,

das ist richtig, daß die Kapillare nach Zentrifugation wieder eingesetzt werden muß, aber sie steht in der Bohrung hart auf und die Schraube des Kreuztisches für "oben und unten"
ist sehr fest eingestellt. Ich habe da nach entsprechenden Vorversuchen keine messbaren Änderungen feststellen können, ebensowenig eine Abhängigkeit von der Dauer der Zentrifugation.
Wieder heraus bekomme ich den Inhalt durch "umgekehrte Zentrifugation", d.h. die Kapillare wird umgekehrt auf etwas Watte in einem wenig größeren Gefäß zentrifugiert.
Das größte Problem ist das Einfüllen der Probe, ohne daß diese auf Nimmerwiedersehen aus der zuführenden Pinzette springt.

viele Grüße
Reinhard
seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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Lupus

Hallo Reinhard,

sehr schön, mal wieder ein klassisches Experiment vorgeführt zu bekommen, da wird es mir ganz warm ums Herz. Eignet sich fast ideal als Versuch in einem Physik-Praktikum, vielleicht nur mit etwa größeren Objekten.   ;)

Zitatviel Spaß beim Nachrechnen
da fällt mir aus meiner Praxis sofort eine Bemerkung ein:
Du solltest neben dem Ergebnis auch den Messfehler angeben. Meine Erfahrung sagt mir, dass man immer etwas optimistisch ist, wenn man ein bestimmtes Ergebnis erwartet.   ;D

Die einfachsten Grundsätze:
Das Messergebnis nie genauer als den Messfehler angeben (16.62 g/ml erscheint etwas optimistisch).
Den Messfehler nur auf eine Stelle angeben.
Die relativen Fehler der Einzelgrößen addieren sich, wenn das gesuchte Ergebnis Produkt oder Quotient zweier Messwerte ist. Bei einer Potenzfunktion multiplizieren sich die Fehler mit dem Exponenten.

Aus ρ = m/V folgt uρ/ρ = um/m +uV/V (u=Messfehler).
Da sich V ebenfalls aus Messungen und Kalibrierungen zusammensetzt, V = (π/4)d2h, ist der Gesamtfehler für die
Dichte uρ/ρ = um/m +2ud/d + uh/h.

Für die Messung von h hast Du bereits als Streuung 2-3 % angegeben, dazu kommt möglicherweise der systematische Kalibrierfehler der Messskala. Letzteres gilt auch für d. Und eine vierstellige Genauigkeit der Masse dürfte schwer zu erreichen sein, zumindest nicht mit der Fadenwaage - mit einer guten elektronischen schon.

Das soll natürlich nicht im geringsten die Qualität Deines Experimentes schmälern, und das Ergebnis sieht ja tatsächlich sehr gut aus  :)

Hubert

olaf.med

Lieber Reinhard,

ich bin absolut und ohne Einschränkung begeistert. Ach hätte ich Dich doch schon vor 20 Jahren gekannt (und Du Dich damals schon mit solchen Problemen beschäftigt!). Was habe ich mich mit Dichtebestimmungen an Mineralien herumgequält, und meist gefrustet durch schlechte Ergebnisse. Diese Messung ist in der Mineralogie ganz wichtig und wird bei der Beschreibung neuer Mineralien sogar verlangt. Sie ist zur Berechnung der sog. Kompatibilität von physikalischen Daten und dem kristallographischen Aufbau sehr wichtig. Meist hat man nur sehr geringe Mengen und muss sich über die Schwebemethode annähern, das ist aber sehr problematisch und mit großen Fehlern behaftet. Da wäre diese Mikro-Pyknometrische Methode Gold wert gewesen.

Herzlichen Glückwunsch und Danke,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Reinhard

Hallo Hubert,

mit der Fehlerrechnung sollte man sich befassen, wenn man sich nach so vielen Jahren in einem "nichtexakten" Beruf auf das Glatteis der exakten Naturwissenschaften wagt.
Aber auch deshalb der Aufruf zum Nachrechnen.
Meine Fehlerangabe bezieht sich auf die Abweichungen der letzten Messungen, die dennoch natürlich nur eine scheinbare Richtigkeit vorspiegeln können.
Für wirklich genaue Messungen müßte ich wahrscheinlich weitaus mehr Messungen durchführen.
Mein Vorschlag: Du schickst mir irgendwann ein Stückchen Metalldraht (0,2-0,4mm Durchmesser), von dem nur Du die Dichte kennst und dann bestimmen wir gemeinsam den Fehler.

Hallo Olaf,

die Vorstellung dieser Methode sollte eigentlich am Beispiel eines Kristallsplitters von BOLEIT erfolgen, dessen Dichte bei über 5 [g/cm³] liegt; weil ich glaube, daß mir jemand
etwas anderes als Boleit verkauft hat.
Bei diesen Versuchen war aber die Messung deutlich unsicherer, sodaß ich auf das glatte feste Metallstückchen ausgewichen bin, um die Messapparatur zu demonstrieren.
Grund für die Schwierigkeit beim Kristall sind wahrscheinlich unterschiedliche Mengen Luft, die in den winzigen Spalten mitgezogen werden und die Dichte so stärker verringern.
Die früheren Beschreiber der Methode (z.B. Kirk) empfehlen deshalb oft viertelstündige Zentrifugationen.

Viele Grüße und Schönes Wochenende
Reinhard

seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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Lupus

Hallo Reinhard,

mir ging es hauptsächlich darum darauf hinzuweisen, dass es sich lohnt die Fehlerquellen aller Komponenten einzeln zu betrachten. Und dann kann man sich auf das schwächste Glied konzentrieren um die Genauigkeit zu verbessern. Z.B. auch die Kalibrierung des Durchmessers der Glaskapillare o.ä. betrachten.

Könnte man die Lufteinschlüsse nicht einfacher durch Vakuum oder Ultraschall entfernen?

Hubert