Die Stauungslunge aus den Blöckchen von Robin Wacker

Begonnen von Ralf Feller, Oktober 20, 2018, 15:38:25 NACHMITTAGS

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Ralf Feller

Die Stauungslunge in Paraffin und Plastik

Auch zur Stärkung der Histologie hier im Forum, mit der Bitte zum Mitmachen,
Es ist auch nicht teurer als ein guter DIC.

Liebe Kollegen,
die Stauungslunge entsteht durch Druckerhöhung im Lungenkreislauf, wodurch
die Lungenkapillaren eine deutliche Erweiterung wegen der Überfüllung mit
Blutzellen und Flüssigkeit zeigen. Es kommt dann zur Abpressung von Flüssig-
keit in die Lungenbläschen (Lungenödem) und auch zu einem Übertritt von
Erythrozyten. Makrophagen fressen die Erythrozyten und speichern ihr Eisen
als gelb-braunes Hämosiderin. Diese Makrophagen, die man auch im Sputum
finden kann nennt man Herzfehlerzellen, denn die häufigste Ursache einer
solchen Stauungslunge ist eine Linksherzschwäche. Das sauerstoffreiche Blut
aus der Lunge wird normalerweise über den linken Herzvorhof und die linke
Kammer, über die Aorta  im großen Kreislauf verteilt. Hat nun das linke Herz
eine Pumpschwäche, z.B. nach Infarkten oder einer Herzmuskelentzündung,
so staut sich das Blut in der Lunge. Die Folge sind Atemnot und Husten und
oft kommt es zum Tot durch Herz-Lungenversagen.

Um die Unterschiede zu einer normalen Lunge zu zeigen, stelle ich an den
Anfang einen 3µ Schnitt einer gut in Formalin fixierten Rattenlunge.
Die Schnitte zeigen übrigens auch sehr schön, dass man eine gute Histologie
auch an Paraffinschnitten erzielen kann, ohne die später gezeigte Kunststoff-
Technik zu bemühen. Nur ist die Kunststofftechnik, wenn man ein entsprechendes
Mikrotom hat, präparativ oft einfacher als die Paraffintechnik weil die
Paraffinisierungs- und Entparaffinisierungsschritte unterbleiben können.


Abb.1


Rattenlunge in der Übersicht (Br = Bronchiolen)

Abb.2


In der 400fachen Vergrößerung erkennt man Pneumozyten Typ 1 (P1, Wände der
Alveolen mit Spindekkern), Pneumozyten Typ 2 (P2, mit rundem Kern, machen
Surfactant) und Alveolarmakrophagen (M).

Abb.3 (Stauungslunge, Paraffin, HE)


Zeigt eine Lunge mit deutlich gestauten, also blutreichen, alveolären Kapillaren.
Die Alveolen (A) sind auch teilweise erweitert. In einigen Bereichen findet man
einen rosafarbenen Hintergrund. Hier ist Blutflüssigkeit in die Alveolen übergetreten,
was man als Lungenödem (Ö) bezeichnet.

Abb.4


Zeigt, dass auch Erythrozyten in den Luftraum übergetreten sind.
Daneben findet man viele eisenbeladene Makrophagen (M), so genannte Herzfehlerzellen,
als Ausdruck einer Stauung vor dem linken Herz. Die gestauten Kapillaren zeigen
auch eine Bindegewebsvermehrung (Fibrose).

Umbetten der Proben in Technovit 7100:
Kunststoffschnitte sind einfacher zu gewinnen als Paraffinschnitte, besonders wenn sie
sehr dünn werden sollen (Semidünnschnitte um 1µm). Man muss den Block nicht
kühlen und in der Färbung bleibt der Kunststoff einfach drin. Was oft vergessen wird,
ist dass das Auflösungsvermögen eines Mikroskops nicht nur von der numerischen Appertur
von Objektiv und Kondensor und der Lichtwellenlänge abhängt, sondern auch von der
Schnittdicke bestimmt wird.

Ich habe einen kleinen Berich aus den Paraffinblöckchen ausgeschnitten, so 3mm dick,
dann 3 mal 12h in 60 Grad Xylol und einmal 12h in 60 Grad Isopropanol gebadet.
Danach folgte über abs. Ethanol eine Einbettung in Technovit 7100.
Geschnitten wurde mit einem Reichert Jung Supercut 2050 auf 1,5µm,
gefärbt mit Toluidinblau/Borax.

Abb.5 (Technovit)


Zeigt die gestauten Kapillaren, daneben Makrophagen mit Eisenpigment und eine
Bindegewebsvermehrung.

Abb.6


P = Eisenpigmentablagerungen

Abb.7


Eine Kette aus Makrophagen, wo sich vorher wohl die Alveolarwand befand.

Artefakte!!!
sind das größte Problem bei der mikroskopischen Betrachtung von feinen Strukturen.
Theoretisch sollte man die Umbettung von Paraffinproben in Kunststoff besser lassen.
Das Paraffinmaterial ist meist nur formalinfixiert, was für den Zweck ja völlig ausreicht.
Löst man dann das Paraffin in er Wärme, so kommt es zu Ausdehnungs- und
Schrumpfungsartefakten. Und so ist mir mangels Erfahrung auch nicht klar was bei
der sichtbaren Alveolarstruktur (Pneumozyten P1 und P2 sind nicht mehr unterscheidbar)
Artefakt ist und was der Realität nahe kommt. Umbettungsexperimente konnten da
Klarheit bringen. Ich werde in jedem Fall noch einige der Blöckchen, die mir Harald
vermacht hat auf diese Weise untersuchen.

Viele Grüße, Ralf


Dr. Jekyll

Hallo Ralf,

Es freut mich wieder einmal etwas von Dir zu lesen und zu sehen🙂.
Ein gelungener Beitrag und schöne Bilder, wie ich finde. Ich hätte nicht gedacht, dass eine Umbettung von Paraffin in Technovit noch so gute Ergebnisse ermöglicht.
Beste Grüße
Harald

Ulf Titze

#2
Lieber Ralf,

ein sehr schöner und gelungener Beitrag, der keinerlei inhaltlicher Ergänzungen bedarf. Ich erlaube mir nur ein paar Anmerkungen zur Vertiefung.

Solche Lungenpräparate kriegt man eigentlich nur im Rahmen von Obduktionen zu sehen. Aus den Veränderungen an der Lunge wird dann auf den (eingeschränkten) Funktionszustand des Herzen geschlossen. Früher habe ich mich oft gefragt, ob die intraalveolären Erythrozyten ein echter Befund oder ein Schnittartefakt sind. Bei dieser monströsen Hyperämie würde ich schon von einem Artefakt ausgehen.

Die Alveolarmakrophagen dagegen sind echt und eindeutig. Ob es sich bei dem zytoplasmatisch gespeicherten Pigment um Abbauprodukte des Hämoglobins (dann = "Herzfehlerzellen") oder Umweltpigment ("Anthrakose") handelt, kann man mit einer Berliner Blau Färbung herausarbeiten. Während heutzutage bei jedem von uns mit anthrakotischem Pigment in der Lunge zu rechnen ist, sind echte Herzfehlerzellen ein pathomorphologischer Befund, der eine bereits länger bestehende (=chronische) Schwäche des linken Herzventrikels dokumentiert. Dagegen zeigt das schön dargestellte Lungenödem ein akutes Versagen des linken Herzen an. Die von Dir beschriebenen Befunde sind also wichtige Eckpunkte bei der zeitlichen Einordnung des Krankheitsgeschehens.

Zum Thema Artefakte: Sicherlich stören diese die Detailfülle dieser Gewebe. Aber für die Diagnostik brauchen wir in der Pathologie vielleicht 20% der zytologischen Details! Dagegen gibt es einige Beispiele, dass wir auch Artefakte diagnostich nutzen. Beispielsweise die Bezeichnung des klarzelligen Nierenzellkarzinoms auf ein Artefakt bei der Entfettung des Gewebes zurück.

Fazit: wer die typischen Artefakte kennt, kann sie nutzen. Sie sind also nicht unbedingt etwas schlechtes!

Herzliche Grüße

Ulf
"Do not worry about your problems with mathematics, I assure you mine are far greater." (A. Einstein)

"Komm wir essen Opi!" - Satzzeichen können Leben retten!!!

Ralf Feller

@Harald,
lieber Harald, da siehst Du was du mir Arbeit gemacht hast mit den Bölckchen,
aber auch viel Freude!

@Ulf,
lieber Ulf, leider habe ich als Zeit und Gelegenheit war keine MTA geheiratet,
so muss ich alles selber machen, sonst währe sicher Platzt für Berliner-Blau gewesen.

Siehst Du als Pathologe eigentlich eine Einsatzmöglichkeit der Semidünntechnik in der Pathologie?
Sicher die Einbettung läuft nicht auf dem Automaten und Stufenschnitte sind nicht so einfach.

Beim Stufenschneiden kann man aber einen Minischraubstock so herrichten, dass mittels Schmirgelpapier in
Minuten oberflächenparallel einige mm Technovit abgetragen werden können.

Den genauen Einfluss der Fixierung auf die Semis versuchen wir noch herauszufinden, so der praktische
Einfluss von Glutaraldehyd und OsO4 auf die Semis, für das TEM wissen wir das ja schon.

viele Grüße, Ralf

Ulf Titze

#4
Zitat von: Ralf Feller in Oktober 20, 2018, 18:39:31 NACHMITTAGS
Siehst Du als Pathologe eigentlich eine Einsatzmöglichkeit der Semidünntechnik in der Pathologie?

In der Pathologie hat man es nur sehr selten mit Semidünnschnitten zu tun - die meisten Pathologen gar nicht. Für wissenschaftliche Fragestellungen könnten die Semis interessant sein, aber meist befinden wir uns da bereits in der subzellulären / molekularen Ebene. FISH-Techniken oder Sequenzierungen werden da weitaus häufiger publiziert.

In der Diagnostik gibt es sehr spezialisierte Fragen, z.B. bei der Diagnostik von Nierenbiopsien, wenn es um die Frage einer Podozytenerkrankung geht. Da bekommt man in der Regel vorab einen Semidünnschnitt von dem Material der angeforderten elektronenmikroskopischen Untersuchung angefertigt. Dieser Semi dient aber eher der Orientierung, ob die gesuchten Strukturen (Glomeruli) in dem Untersuchungsmaterial vorhanden sind. Solche Untersuchungen werden auch nicht in jeder Pathologie angeboten, sondern finden an spezialisierten Zentren statt.

Bei der 08/15-Diagnostik spielen Semidünnschnitte praktisch keine Rolle. Der hohe technische Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Erkenntnisgewinn. Für die Diagnose eines Tumors interessieren mich die Zellorganellen nicht, diese Diagnose findet auf der histologischen Ebene statt. Wenn es um die Charakterisierung von Tumorzellen, zum Beispiel bei einer Metastase oder in zytologischem Material geht, bringen mich Immunhistologie und ggf. molekulare Techniken ans Ziel - das werde ich nicht von irgendwelchen Mitochondrien oder Lysosomen abhängig machen.

Beste Grüße

Ulf
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Jürgen H.

Lieber Ralf,

wieder ein toller Beitrag von Dir, gut zu lesen und zu verstehen, und Danke auch an Ulf für seine ergänzenden Bemerkungen.

Bei der Frage, ob die intraalveolären  Erythrozyten in dieser Zahl Schnittartefakte sind, denke ich an Insektenschnitte von mir, bei denen sich plötzlich Spermien im Hodenepithel befanden. Das Problem einer Verschiebung von feinen Strukturen scheint es häufiger zu geben.

Schöne Grüße

Jürgen