Eins der seltensten schwarzen Leitz-Mikroskope: das Phasenkontrast-Trichinenmikr

Begonnen von ortholux, November 18, 2018, 13:33:31 NACHMITTAGS

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Eins der seltensten schwarzen Leitz-Mikroskope: das Phasenkontrast-Trichinenmikroskop

Liebe Kollegen,

vielen Dank an Martin und Falk, die mich auf diese Auktion aufmerksam machten. Ich hätte das Angebot wahrscheinlich ohnehin entdeckt, aber die ebay-Suche ist manchmal wundersam, so daß ich auf solche Hinweise immer angewiesen bin und mich sehr darüber freue.

Worum geht es?
Da drum:



Foto: ebay "Laborfundgrube"

Ein Laborlux I. Oder doch nicht?

Sofort erkannte ich es als DAS Trichinoskop, das mir noch fehlte. Ich kenne dieses Mikroskop schon seit einigen Jahren, da mir John Field, ein Sammlerkollege aus den USA, ein Bild davon schickte, weil er es nicht zuordnen konnte. Irgendwann - ich glaube vor rund 2 Jahren - konnte ich dann einen Prospekt ersteigern, der dieses Gerät porträtiert:





Bemerkenswert finde ich die handschriftliche Anmerkung auf dem Prospekt: "1953. Vor Ausgabe zurückgezogen, da Unfug". Herrlich!
Wer das auf dem Prospekt vermerkt hatte, werden wir wohl nicht mehr ergründen können. Dennoch ist diese Anmerkung für einen Sammler Gold wert. Entspricht sie doch der Empirie.
Ich kenne nämlich nur noch ein weiteres dieser Geräte, und das weilt, wie bereits geschrieben, in den USA.

Die Seriennummer 456695 weist auf das Jahr 1953 hin und deckt sich mit dem Datum auf dem Prospekt.

Es war bei Leitz offensichtlich immer so, daß selbst Studien und Prototypen veräußert wurden, weil sich dann doch noch jemand dafür interessierte.


Aber nun zum Gerät.

Das Angebotsfoto ließ einen großen Interpretationsspielraum, was den kosmetischen Zustand anging. Die optische Ausstattung war hingegen klar: Nix!
Als es ankam war ich dann doch recht aufgeregt. Und es entpuppte sich nach dem Reinigen als wirklich schönes Gerät. Ein kleiner Abplatzer an einer Kante, ansonsten tadellos mit wunderschönem Lack. Auch die Mechanik ist noch leichtgängig.

Die Kompletttierung nach Prospekt gestaltete sich relativ einfach. Ein Heine, der auf Steckhülse umgeschraubt werden mußte, und ein Pv 10:1. Sowas hat man in der Bastelkiste "rumliegen".


Und so sieht es jetzt aus:











Tatsächlich handelt es sich um ein Derivat des Laborlux I (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=28757.0), welches von 1948 - 1952 im Programm war. Das Trichinoskop sollte 1953 auf den Markt kommen.

Zunächst fällt auf, daß es keinen oberen Triebkasten gibt, der Grob- und Feintrieb beherbergt. Stattdessen gibt es nur einen Grobtrieb, der auf den Tisch und nicht auf den Tubus wirkt. Die Logik erschließt sich mir nicht, ist doch ein Kompressorium deutlich schwerer als ein Objektträger. Und das spricht für einen feststehenden Tisch.

Wahrscheinlich ist es einfach eine Frage der Ergonomie. Tiefliegende Triebknöpfe sind nunmal ermüdungsfreier zu bedienen als oben liegende.

Eigenartig sind auch die beiden Klammern für den Objektträger. Denn ein Kompressorium kann man damit nicht befestigen, dafür sind die Stifte zu kurz.

Stellt man nun das Laborlux I daneben, dann wird schnell klar, daß es lediglich eine Verwandschaft gibt. Zunächst dachte ich, daß dieses Mikroskp aus Resten des Laborlux I zusammengestellt wurde. Ein wenig gefräst, damit man den Triebkasten unter den Tisch montieren konnte. Fertig.

Aber so ist es nicht. Es wurde ein neuer Gußkörper geformt. Man sieht das deutlich an der weniger tiefen Ausbuchtung am Hals hinter dem Tisch. Außerdem ist der Lichttunnel organischer geformt und es ist rund einen Zentimeter höher.





Der Spiegel im Fuß ist beim Laborlux in einer Achse drehbar gelagert um Fremdbleuchtung oder Sonnenlicht nutzen zu können. Beim Trichinoskop ist er fest auf 45° montiert.

Der Knicktubus ist ein Standardbauteil und war wohl in 30°- und 45°-Ausführung erhältlich.

Eine weitere Seltenheit ist das kleine Lampmpenhaus 6V 2,5 A (15 Watt)





Dieses Lampenhaus wurde auch zum Laborlux II und Dialux angeboten (s. Prospekt oben), jedoch ist meins das einzige, das ich kenne. Der Steckdurchmesser entspricht nämlich dem des kompatiblen 30 W Lampenhauses des Ortholux. Und es war früher noch so, daß man immer die "fettere" Ausstattung wählte, wenn der Leitz-Mann die Bestellung aufnahm. Ansonsten wurden zum Ende des Jahres die Budgets gestrichen.

Viel Freude beim Lesen!
Wolfgang

A. Büschlen

Hallo Wolfgang,

eine interessante Geschichte! So macht sammeln Spass.

Gruss Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

beamish

Lieber Wolfgang,

phantastisch, wie du das schöne Gerät wieder im alten Glanz hast erstehen lassen!
Trichinenmikroskope sitzen wegen ihrer Schlichtheit und eingeschränkter Anwendungsmöglichkeiten sonst ja eigentlich am "Katzentisch".
Ein paar Exemplare müssen aber schon in Umlauf gekommen sein, da das Gerät mehrfach in der Fachliteratur erwähnt wird (z.B. Kotter&Degenfeld 1954, Über die Bedeutung des Dunkelfeldes für die Trichinenschau, Zentralblatt für Veterinärmedizin 1, H.5: 479-493 oder Sielaff 1962, Trichinenschau, Fischer, Jena: 71). Das Mikroskop entstand demnach auf Anregung des Veterinärmediziners Fritz Schönberg.

Herzlich
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

olaf.med

Lieber Wolfgang,

schön dass Du das Gerät bekommen hast und herzlichen Dank für die gute Beschreibung ...... nein, ich nerve jetzt nicht wegen des "Lehmann" ;D ;D ;D

Beste Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0