einige weitere Objekte aus der Faulschlamm-Zone

Begonnen von Ole Riemann, Dezember 14, 2018, 21:58:57 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Ole Riemann

Liebe Kollegen,

als Ergänzung zu Michaels Beitrag zu Benthosproben aus dem sauerstoffarmen Bereich (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=33014.0) und meinen eigenen Funden aus der Faulschlamm-Zone (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=32799.0) möchte ich noch einige weitere Bilder von Organismen zeigen, die ich in der letzten Zeit gefunden habe.

Vasicola ciliata, ein Ciliat, der in einem zarten Gehäuse lebt, das er bei Störung wie Deckglasdruck schnell verlässt. Typisch sind die rot/violett gefärbten Nahrungsvakuolen, bedingt durch die aufgenommenen Purpur-Schwefelbakterien:



Eine Metopus-Art mit Zelltorsion und auffallender adoraler Membranellenzone:



Besonders reizvoll finde ich Aufnahmen, die Organismen zusammen bzw. mit Ausschnitten ihres Lebensraumes zeigen. Hier ein Loxodes mit einer kleinen Dexiotricha granulosa am Rande dichter Detritusflocken und rötlicher Purpur-Schwefelbakterien (oben). Dieser für menschliche Begriffe unaufgeräumt wirkende, kleingliedrig strukturierte Mikrokosmos ist die unmittelbare Umwelt für die Bewohner im Faulschlamm:



Zwei Exemplare von Dexiotricha granulosa in anmutigem Synchronstrudeln:



D. granulosa zeigt im Cytoplasma merkwürde ringförmige Einschlüsse, vermutlich Reservestoffe (Mö=Mundöffnung, Man=Makronukleus, kV=kontraktile Vakuole):



Eine Charakterart des Sapropels ist die bizarre Saprodinium dentatum:



Bei einem gepressten Exemplar von S. dentatum erkennt man zahlreiche symbiontische Bakterien - z.T. ausgetreten, teilweise auch noch in der Zelle verblieben (Pfeile):



Auch Urocentrum turbo kommt in meinen Proben in hoher Dichte vor. Hier möglicherweise eine Konjugation zweier Exemplare:



Bedanken möchte ich mich ganz herzlich bei Martin Kreutz für seine Hilfestellung bei Bestimmungsfragen und für seine Bereitschaft, seine jahrelange Erfahrung in unserer Disziplin zu teilen.

Beste Grüße

Ole

MikroMicha

Hallo Ole,

unglaublich, dass sich noch niemand zu Deinen (wie immer) tollen Aufnahmen gemeldet hat, dann will ich mal den Anfang wagen und sage einfach mal "Danke" für die tollen Aufnahmen.

Bei mir ist zur Zeit leider etwas "saure-Gurken-Zeit", was die Mikroskopie anbelangt. Einerseits waren aufgrund der langen Trockenheit hier einige intressante Fundgebiete (z. B. meine Krautwiese) gänzlich ausgetrocknet, zum anderen steht mir zur Zeit ein beruflicher Umbruch ins Haus, so dass ich kaum Zeit habe und andere Dinge wichtiger sind. In meiner Not greife ich zur Zeit auf die Vogeltränken im Garten zurück, die sind inzwischen wieder gefüllt. Proben habe ich bereits genommen und es bildet sich eine Kahmhaut darauf. Drück mir die Daumen, dass ich darin fündig werde.
Herzliche Grüße sendet

Michael (MikroMicha)

RainerM

Hallo Ole und liebe Kollegen,

nur als kleine Ergänzung zu den von Ole gezeigten Funden aus der "Faulschlammzone" oder "Metabolisierungszone", wie sie Martin Kreutz genannt hat, ein paar weitere Bilder zu den hier anzutreffenden Ciliaten.

Vasicola ciliata verlässt bei Störung wirklich sehr schnell sein hyalines Gehäuse, wobei mitunter ein Rest des Zellinhalts zurückbleibt. Der Prozess dauert nur wenige Sekunden:







Die Cilien von V. ciliata bilden auf der Kutikula ein ausgeprägtes rechteckiges Muster:



Die endosymbiontischen Bakterien, die Ole bei Saprodinium dentatum zeigt, finden sich ebenso bei Discomorphella pectinata, hier ebenfalls bei einem gepressten Exemplar. Laut Foissner handelt es sich - bei Discomorphella - um zwei Typen: methanogene Bakterien sowie solche, die als Wasserstofflieferanten für diese dienen.



Urocentrum turbo kommt massenhaft in dieser Zone vor. Der Einzeller verfügt über ein hübsches gezwirbeltes Cilienschwänzchen, das wohl zum einen zur Steuerung dient, zum andern an der Abscheidung eines Klebfadens beteiligt ist, mit dem sich die Zellen am Substrat festheften können (letztere Information von Ole). Linksseitig auf halber Höhe ist die Mundöffnung zu erkennen:



Hier noch ein Foto mit dem Fokus auf den Cilienbüscheln in der Äquatorialebene:



Die Funde stammen aus dem gleichen Fundort wie die von Ole gezeigten, dem Zypressensee auf dem Schwanberg bei Rödelsee (der wie das Simmelried heuer weitgehend ausgetrocknet ist, was ich noch nie erlebt habe).

Herzliche Grüße
Rainer

Rawfoto

Hallo Ole

Ich gehöre auch zu den faszinierten Betrachtern - danke für die Möglichkeit, gefällt mir sehr gut :)

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Peter Reil

Hallo,

bei den tollen Bildern bleibt mir der Mund offen stehen.

Freundiche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Michael Plewka

hallo Ole, hallo Rainer,

vielen Dank für Eure tollen Bilder aus "Eurem" Biotop.

@ Ole:
Zitat.....Hier möglicherweise eine Konjugation zweier Exemplare:

Als Ergänzung kann ich hier ein Bild anbieten (ganz unten):
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Ciliata/e-source/Urocentrum%20turbo.html, das die Teilung von Urocentrum (diese verläuft quer zur Längsachse der Zelle) zeigt.

In der Gegenüberstellung der Bilder zeigt sich, dass   es sich bei Deinem Bild, bei dem die beiden Zellen parallel zur Längsachse orientiert sind,  mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Konjugation (konnte ich bisher noch nicht bei Urocentrum beobachten) handelt.

@ Rainer:

als Legende zu Deinem schönen Bild von Urocentrum schreibst Du:

Zitat... Der Einzeller verfügt über ein hübsches gezwirbeltes Cilienschwänzchen, das wohl zum einen zur Steuerung dient....

Ich sehe ja solche mechanistischen Erklärungsansätze immer sehr kritisch. Es wäre sicherlich interessant zu überlegen, wie ein Experiment aussähe, mit dem man diese Hypothese  überprüfen/ bestätigen könnte...


beste Grüße
Michael Plewka

RainerM

Hallo Michael,

jetzt hast du mich - nach meiner Bemerkung über den angeblichen "Reusencharakter" von Collotheca - zum zweiten Mal bei einer zu unbedachten Hypothese erwischt! Wie KAHL schreibt, schwingt diese Caudalcirre beim freien Schwimmen "überaus hastig hin und her". Das habe ich beobachtet und naiv vermutet, dass das der Steuerung diene, wie man es vom Steuerruder her kennt. Ich habe nun nachgelesen: Weder KAHL noch FOISSNER sprechen von einem Gebrauch als Steuereinrichtung, beide nennen als Funktion lediglich das Absondern eines Schleimfadens, mit dem sich Urocentrum festheftet und dann schnell rotierend hin und her pendelt. Also erneut sorry - ich werde versuchen, meine vorschnellen Hypothesen künftig im Zaum zu halten! :-)

Allerdings würde mich sehr interessieren, wie ein Experiment zur Überprüfung aussehen könnte!

Herzliche Grüße
Rainer

Michael Plewka

hallo Rainer,



Zitat....ich werde versuchen, meine vorschnellen Hypothesen künftig im Zaum zu halten! :-)

das solltest Du meiner Meinung nach nicht tun! Im Gegenteil, genau solche Hypothesen sind es doch, die zum Nachdenken über die Welt der Mikroorganismen anregen und damit auch Möglichkeiten zur Erforschung aufzeigen. Insofern war mein Statement zuvor auch nicht als negative Kritik zu verstehen, sondern als Hinterfragen der Funktion dieses Cilienbüschels!

Es stellen sich doch - ausgehend von Deiner Hypothese- Fragen wie beispielsweise:

- ist die Steuerung  analog gedacht zur Steuerung in einem Boot, das hinten ein Steuerruder  hat?
- dann ist zu fragen, ob bei diesen Größendimensionen und der Strömungsverhältnisse (>> Reynolds-Zahl) grundsätzlich      überhaupt  eine Steuerung nach dem Steuerruder-Prinzip möglicht ist.
-welche Steuerungsmöglichkeiten haben Ciliaten überhaupt?
-bewegt sich Urocentrum (aufgrund des caudalen Cilienschopfs) anders als ander Ciliaten ohne dieses Ding oder sogar "besser" (=effektiver)?

Nur mal so auf die Schnelle gedacht.....


Beste Grüße
Michael Plewka

Martin Kreutz

#8
Hallo Ole, hallo Rainer,

da habt ihr sehr schöne Bilder verschiedener Ciliaten aus der Metabolisierungszone eingestellt. Besonders gut gefällt mir die Aufnahme von Dexiotricha granulosa mit der gut sichtbaren Mundöffnung von Ole und die sehr gut getroffene ventrale Ansicht von Urocentrum turbo von Rainer. Beide Objekte finde ich auch sehr häufig und habe sie auch schon oft fotografiert (Dexiotricha granulosa, Urocentrum turbo). Die Frage zur Funktion der Caudalcilien bei Urocentrum ist interessant, aber wahrscheinlich nicht leicht zu beantworten. Meiner Ansicht haben sie in jedem Fall mit der Ausbildung des Schleimfadens zu zun, an dem Urocentrum oft schnell rotierend zu beobachten ist. Ich habe schon oft versucht diesen Schleimfaden fotografisch festzuhalten, was mit bisher nicht gelungen ist. Nach meinen Beobachtungen muss Urocentrum den Körper, an den der Faden angegeftet werden soll (z.B. eine Detritusflocke), nicht vorher berühren um ihn anzuheften. Dies erkläre ich mir so, dass der Faden ausgeschieden und hinterhergeschleppt wird. Sobald er eine Detritusflocke berührt, bleibt er dort haften. Während Urocentrum dann daran hängt und kreiselt, verlängert er sich ständig. Ich gehe also davon aus, dass über die Caudalcilien, wie Farbe aus einem Pinsel, weiterer Faden ausgeschieden wird. Ein anderer Ciliat, der ebenfalls sehr schnell schwimmt und einen Schleimfaden ausbildet, ist Strombilidium caudatum. Er hat erstmal scheinbar keine Caudalcilien, jedoch werden diese bei genauer Untersuchung des Hinterendes im Lichtmikroskop oder im REM sichtbar. Sie sind sehr kurz, aber vorhanden. Mir scheint also, dass Bündel von Caudalcilien etwas mit der Ausbildung eines Fadens zu tun haben. Das die Caudalcilien bei Urocentrum die Fortbewegung stabilisieren oder die Schwimmrichtung bestimmen, halte ich für unwahrscheinlich, da andere, schnell schwimmende Ciliaten ähnlicher Größe, wie z.B. Halteria grandinella oder Askenasia volvox, keine Caudalcilien besitzen.

Martin   

sushidelic

Auch wenn es wieder einmal fachlich nichts bringt, wollte ich mich für diesen Beitrag bedanken.
Es ist wirklich eine Freude, solchen ausgewiesenen Experten wie euch, Ole, Martin, Michael und Rainer bei der Bestimmung und beim Fachsimpeln über die Schulter schauen zu dürfen. Dafür müsste man eigentlich Eintritt bezahlen, soviel, wie man dabei lernen kann! Und das auch noch so unglaublich bebildert...
Danke, Michael

Ole Riemann

... ganz herzlichen Dank für die Rückmeldungen und fachkundigen Hinweise.

Viele Grüße

Ole