Smartphone als Mikroskopkamera - Tests mit Celestron-Adapter und Kamera-App

Begonnen von Lupus, Dezember 22, 2018, 14:35:42 NACHMITTAGS

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Lupus

Hallo,

Smartphones sind bekanntlich seit einiger Zeit für viele Anwendungen eine fast vollwertige Alternative zu normalen Kameras. Die Adaption ans Mikroskop ist wegen der nur wenige Millimeter hinter dem Objektiv liegenden Eintrittspupille normalerweise immer möglich, auch an einfachen Huygens-Okularen. Ein Vorteil, wenn man auch Aufnahmen mit einfach ausgestatteten oder historischen Mikroskopen machen möchte. Der Hauptnachteil ist, dass das Bildfeld normalerweise nur als Kreis innerhalb der nutzbaren Sensorfläche abgebildet werden kann, weil das Objektiv (zumindest bisher) üblicherweise ein Weitwinkelobjektiv ist.

Für gute Aufnahmen sind ein paar Optimierungen sinnvoll:

Die Anpassung an die Okular-Austrittspupille ist nicht unproblematisch: Ein typisches Smartphoneobjektiv hat wegen des kleinen Sensors (typischerweise 1/2.3" bis 1/2.9") ein kurzbrennweitiges Objektiv und damit auch eine kleine Blendenöffnung. Ich verwende z.B. ein Samsung S5, das besitzt 5 mm Brennweite f/2.2, rechnerisch hat die Blende also etwa 2.3 mm Durchmesser. Der Mikroskopaustritts-Pupillendurchmesser liegt je nach Objektiv-Okular-Kombination meist bei etwa 1-1.5 mm, da ist nur wenig Spielraum für eine gleichmäßige vignettierungsfreie Ausleuchtung. Die Optiken sind jedoch von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich (das frühere iPhone 6 hatte z.B. nur 4.15 mm Brennweite bei gleicher Lichtstärke und größerer Pixelgröße), und der Trend geht zu größeren Blendendurchmessern oder zu Zweitobjektiven mit längerer Brennweite.

Ohne mechanische Halterung kommt man also nicht weit. Leider ist bei vielen Smartphoneadaptern die Objektivposition schlecht zu justieren, oft nur mit einer Schraube mit Langloch für die Smartphoneverschiebung, und die Querposition des Objektives wird dann durch Drehen der Halterung eingestellt. Der Objektivabstand vom Okular lässt sich manchmal nur durch Lösen der ganzen Halterung einjustieren. Der ist aber genauso wichtig, da das konvergent aus dem Okular austretende Strahlenbündel umso weniger Justierspielraum quer zur optischen Achse erlaubt, je weiter die Okularaustrittspupille von der Objektivblende entfernt liegt.

Ich habe interessehalber die Smartphonehalterung der Fa. Celestron (aus dem Astrobereich) besorgt, weil sie eine xyz-Verschiebung in allen drei Raumachsen ermöglicht (Bild 1). Man darf von einem solchen Gerät unter 70 € keine Stabilitätswunder erwarten. Es ist aus Kunststoff, hat aber immerhin echte Schwalbenschwanzführungen und metallische Zahnstangen (Bild 2). Das Hauptproblem besteht in der Justierung der Backen der Führungen, immerhin gibt es eine Art Justierschrauben. Man kann sehr vorsichtig nachjustieren, um nicht das Kunststoffgewinde auszubrechen. Ein Schwachpunkt ist die Okulartubus-Klemmung, die ist eigentlich für die größeren Durchmesser am Teleskop ausgelegt. Die beiden beigelegten elastischen "Adapterringe" sind ungeeignet, da sie nur in einen kleinen Teil der 3 cm Höhe der Klemmung anliegen und die Halterung dann wackelt und nach unten hängt. Ich habe stattdessen drei mehrere Millimeter dicke Stäbchen als Beilage verwendet, das funktioniert (Bild 3). Jedenfalls lässt sich die optimale Lage des Smartphoneobjektives mit dieser Halterung recht gut iterativ einjustieren.

Andere wichtige Punkte für optimale Bilder sind manuelle Fokussierbarkeit (d.h. zumindest das Sperren der gewählten Fokussierung), konstanter Weißabgleich, gleichbleibende Belichtungszeit und möglichst geringer ISO-Wert. Das meiste lässt sich an vielen Smartphonekameras direkt einstellen. Mein Smartphone macht aber Probleme bei der Scharfstellung, da es bei jeder Auslösung wieder neu fokussiert, was oft nicht optimal, und bei kontrastarmen Bildern fast gar nicht funktioniert. Ich verwende daher eine der zahlreichen Foto-Apps (Screenshot Bild 4 links), mit denen z.T. noch weitere Zusatzfunktionen zur Verfügung stehen (hängt aber vom jeweiligen Smartphone und z.B. der Betriebssystemversion ab!).

Mit der verwendeten App lässt sich vor allen Dingen die Fokussierung auf mehrere Betriebsarten einstellen und die letzte Scharfstellung fixieren, ebenso wie die Belichtung. Ideal ist auch, dass sich mit der App automatische Serienbilder mit einstellbarem Zeitabstand machen lassen (Screenshot Bild 4 rechts). In Verbindung mit der gesperrten Fokussierung kann man damit sogar halbwegs einfach Stacken, indem man lediglich nach jeder Aufnahme das Mikroskop eine Stufe tiefer fokussiert.

Bild 5 (im nächsten Beitrag wg. Bildbegrenzung) zeigt als Beispiel ein Flohbein im Durchlicht. Objektiv Achromat 10x, Huygens-Okular, 20 Einzelbilder, ohne weitere Bildbearbeitung mit der Grundeinstellung von PICOLAY - da könnte man sicherlich noch mehr heraus holen und die Schatten retuschieren. ;) Im unteren Teil ist zum Vergleich ein Einzelbild der Serie dargestellt.

Bild 6 zeigt die Bildqualität bei den drei untersten ISO-Einstellungen an einem 0.01 mm Objektmikrometer mit 10x Achromat. Gerade beim Smartphone mit seinen kleinen Kamerasensoren ist die Verwendung der geringsten ISO-Einstellung wichtig, also auf jeden Fall diesen Wert fest einstellen.

Hubert

Lupus


Carlos

Hallo Lupus,
ZitatSmartphones sind bekanntlich seit einiger Zeit für viele Anwendungen eine fast vollwertige Alternative zu normalen Kameras. Die Adaption ans Mikroskop ist wegen der nur wenige Millimeter hinter dem Objektiv liegenden Eintrittspupille normalerweise immer möglich, auch an einfachen Huygens-Okularen.
So habe ich auch gedacht. Für mich sind deshalb Deine Versuche zur Verwendung von Kameras mit sehr kurzer Brennweite sehr interessant. Ich habe selbst versucht, solche Kameras (z.B. eine ,,Dash cam-kamera", eine  ,,Si-pix"-kamera)  am Mikroskop einzusetzen. Als ,,normale" Kamera eingesetzt, liefern die recht gute Fotos, am Mikroskop allerdings ist vor allem die Justierung ein Problem.
Da allerdings die Austrittspupillen der eingesetzten Okulare (gemessen an einem Matscheibenbild) bereits einen Durchmesser in Größe des Frontlinsendurchmessers der Kameraobjektive  haben, habe ich die Versuche eingestellt. Möglicherweise war das voreilig.
Gruß Carlos

Lupus

Hallo Carlos,

das sind eigentlich keine Versuche mit dem Smartphone, deren Verwendung für den Zweck würde ich als Stand der Technik bezeichnen. :)

Eine Dashcam halte ich dagegen für wenig geeignet. Erstens ist die Auflösung zu gering (meist nur "Full HD"). Daher muss auch das Objektiv nicht mehr bringen. Zweitens sind die Bildwinkel im Allgemeinen viel zu groß, also ist die Auflösung nur teilweise nutzbar.....

Hubert

Fahrenheit

Lieber Hubert,

danke für den Test des Celestron Adapters und die weiterführenden Hinweise zur Kamera App auf dem Smartphone!

Ich benutze den Adapter auch seit einiger Zeit und kann Deine Einschätzungen bestätigen. Beim Anklemmen an das Mikroskopokular gibt es noch eine weitere kleine Hürde: die Moosgummibeschichtung der Klemme ist nicht durchgehend, am unteren Rand sind ca. 3 mm ausgespart. Klemmhilfen, die diesen Rand mit einbeziehen, führen wieder zu wackligen Adaptionen.

Wer mehr lesen möchte, wird auf den Seiten des MKB fündig:
http://www.mikroskopie-bonn.de/bibliothek/mikroskopische_technik/274.html

Die dort gezeigten Aufnahmen sind mit einem iPhone 7 und der Standard Kamera App gemacht. Ich werde Deine Tipps zur festen Belichtung etc. auf jeden Fall ausprobieren, auch wenn die Adaption bei mir nur am Reisemikroskop zum Einsatz kommt.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Lupus

Hallo Jörg,

vielen Dank für den Link mit der sehr ausführlichen Beschreibung des Adapters!
Die Aufnahmen des Hundeflohs und des Objektmikrometers habe ich übrigens auch mit einem Leitz HM gemacht. Ein extrem praktisches Mikroskop, mit butterweicher Höhenfeineinstellung, die geradezu zum Stacken einlädt. ;)

Hubert

Lupus

Hallo,

noch eine Ergänzung: Ein typisches Problem mit vielen Smartphones ist auch, dass sie auf die 100 Hz Helligkeitsschwankungen von Glühlampen zumindest bei bestimmten Belichtungszeiten deutlich mit Bildstreifen reagieren. Das liegt an dem sequentiellen Auslesen der Pixel des Bildsensors. Und es hängt auch von der thermischen Trägheit der Lampe ab, nach meiner Erfahrung flackern die alten Glühlampen mit großer, dünner Glühwendel wie z.B. beim Leitz HM oder ähnlichen Aufsteckleuchten besonders stark. Ich habe bei den Aufnahmen daher einfach ein Stück Papier auf die Leuchtenöffnung gelegt und es mit einer LED-Schwanenhalslampe beleuchtet.

Zwei weitere Stacking-Beispiele mit dem Achromat 45/0.65 des Leitz HM mit PICOLAY an einer Diatomee und einer kleinen Radiolarie zeigen dann die optischen Grenzen der einfachen Smartphone-Objektiv-Kombination auf (je Stereo-Anaglyphe und -Kreuzblick). Außerdem war das Einschlussmittel leider schon deutlich vergilbt, daher ist die Radiolarie recht kontrastarm.

Hubert

Lupus


Lupus

Hallo,

vielleicht ist es in dem Zusammenhang auch nicht ganz uninteressant zu erwähnen, dass das Auflösungsvermögen typischer Smartphonekameras etwa dem des menschlichen Auges entspricht. D.h. dass man bei der Mikrofotografie mit dem Smartphone etwa die gleichen Details erfasst wie beim Blick durch das Okular. Physikalisch ist das naheliegend, da die beugungsbedingte Auflösung bei typisch etwa 2 mm Blendendurchmesser auch der des Auges bei gleichem Pupillendurchmesser entspricht. Und bei diesem Durchmesser hat das Auge normalerweise die höchste Auflösung. Bei größerem Augenpupillendurchmesser - bedingt durch eine Adaption an eine geringere Umgebungshelligkeit - sinkt die Sehschärfe wegen der zunehmenden Abbildungsfehler.

Mit Hilfe einer Augentesttafel mit Landoltringen kann man das leicht demonstrieren. 100% Sehschärfe (= Visus 1.0, Normalsehschärfe) entspricht dabei 1' Winkelauflösung, das ist der Winkel, in dem die Kreisunterbrechung der entsprechenden Objektzeile beim richtigen Betrachtungsabstand erscheint. Wie man im Vergleich zu der Sehtafel links sieht, hat mein Galaxy S5 etwa Visus 1.25, d.h. 125% "Sehschärfe", entsprechend einem sehr guten Auge. In dieser Zeile kann man die Kreisöffnungen noch eindeutig identifizieren. An den Aufhellungen der Kreisränder sieht man, dass da anscheinend die kamerainterne Software etwas nachschärft.

Hubert

Lupus

Hallo,

nachdem ich nach der konkreten Quelle der verwendeten Smartphone-App gefragt wurde, hier noch die zugehörige Info:

Ich verwende ein Android-Smartphone, also ist die App mit dem Smartphone aus dem Google Play Store herunter zu laden. Die App heißt "Open Camera", ist kostenlos und hat den Vorteil dass sie ohne Werbung verwendbar ist. Ich habe aber schon erwähnt, dass die verwendbaren Funktionen von der aktuellen Android-Version und vom Smartphonemodell abhängen. Hier ein Link zum nachlesen
https://play.google.com/store/apps/details?id=net.sourceforge.opencamera
Hier ist die Hilfeseite zu den Funktionen:
http://opencamera.org.uk/help.html#dro

Es gibt zahlreiche andere Apps, die meisten haben aber für die Mikroskopie keinen Vorteil sondern enthalten eher Spielereien. Eine Alternative ist m.E. die App "Camera FV-5", die gute manuelle Einstellmöglichkeiten bietet. Ich habe die kostenlose Version "Lite" getestet, sie läuft entgegen der zahlreichen negativen Kommentare problemlos, ist aber von der Bildgröße beschränkt. Daher würde sich bei Eignung die Bezahlversion für 3 € lohnen. Diese App zeigt u.a. zusätzlich die Blende (ist aber normalerweise fest), die Belichtungszeit und das Histogramm an (sogar alternativ die 3 Farbkanäle) oder lässt die Bilder alternativ zu JPEG auch als PNG abspeichern. Es lassen sich auch sehr lange Belichtungszeiten manuell einstellen u.a. Ein Screenshot der App in Funktion ist als Bild beigefügt, am Histogramm kann man schön die Unterbelichtung und fehlende Ausnutzung des Sensors im Bereich der Lichter im konkreten Beispiel erkennen.

Die von mir verwendete App "Open Camera" hat als interessante Anwendung neben dem erweiterten Belichtungsmodus HDR (den mittlerweile eigentlich die meisten Smartphones sowieso haben - in der App lassen sich jedoch alle drei Einzelbilder für weitere Anwendungen getrennt abspeichern) noch eine DRO genannte Variante für verbesserten Dynamikumfang, die nur auf einem Bild basiert und vermutlich aus dem RAW-Format gebildet wird. Für kontrastreiche Auflichtaufnahmen lässt sich das durchaus auch am Mikroskop verwenden, siehe Bild 2, ein Vergleich eines überstrahlenden, metallischen Objektes (ist die Hülle einer Süßigkeit  ;) )

Hubert

Peter V.

Hallo,

an der Bildqualität der Handykameras ist meine Erachtens nicht mehr viel auszusetzen und sie sind diesbezüglich für die "Routine"-Mikrofotografie sehr gut geeignet.
Ein jammer ist, dass es einfach keinen "gecsheiten" Adapter gibt - außer, man würde sich selbst einen für ein ganz bestimmtes Handy anfertigen. Das grundkonzept des Celestron-Halters ist wirklich gut - aber warum um alle sin der Welt muss es dann immer derart grauslig-chinesisch umgesetzt werden? Allein schon das klobige Star-Wars-Design und dazu offenbar eine Verarbieutngsqualität und präzision, die noch Luft nach oben hat. Ein jammer, dass es so einen Adapter nicht in handwerklich "ordentlicher" Qualität gibt.

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Lungu

Hallo Peter,

die Handys sind auch chinesisch, obwohl Gigaset stellt inzwischen auch welche in Deutschland her. Interessant wären einmal die Unterschiede der Kameras. Huawei arbeitet bei den Topmodellen mit Leica zusammen. Das Samsung S9 ist auch Super gut.


Grüße Lungu.

Grüße Lungu

Lupus

Hallo Peter,

ZitatDas grundkonzept des Celestron-Halters ist wirklich gut - aber warum um alle sin der Welt muss es dann immer derart grauslig-chinesisch umgesetzt werden? Allein schon das klobige Star-Wars-Design und dazu offenbar eine Verarbieutngsqualität und präzision, die noch Luft nach oben hat.
wieviel wärst Du denn bereit, für handwerklich "ordentliche" Qualität nach Zeiss- oder Leitz-Standards zu bezahlen?
Das Design ist material- und fertigungsbedingt optimal gewählt, Spritzguss mit Versteifungsrippen in Leichtbauweise (280 g).

Hubert

Mikroman

Moin & ein gutes NEUES JAHR,

ich habe mich vom allgemeinen Enthusiasmus anstecken lassen und den Celestron-Adapter bestellt. Grundsätzlich wohl brauchbar und besser verarbeitet als die 10€-Teile. Aber letztlich eine furchtbar fummelige und nervige Angelegenheit. Ich habe ihn wieder retourniert: für das Geld ziemlich unbrauchbar.

Gruß
Peter
Zu sehr auf sich selbst zu beharren,
ist ein unvernünftiges Vergeuden der Weltsubstanz (Juarroz, 9. Vertikale Poesie,1)

junio

Liebe Foristen,
hier noch eine Anregung für den Selbstbau eines Adapters.
Der optimale Abstand der Kamera zum Okular wird empirisch ermittelt. Dann wird eine entsprechende Hülse für die Okularaufnahme angefertigt und mit einer Grundplatte als Auflage für das Smartphone verklebt. Die Zentrierung des Smartphone-Objektivs zum Okular geschieht mit 3 kleinen Exzentern, die nach erfolgter Zentrierung fixiert werden.
Mit dieser Lösung kann ich die Einrichtung schnell an allen Mikroskopen, die bei mir im Einsatz sind, verwenden, ohne das Smartphone besonders zu befestigen. Die Verwendung an einem Schrägtubus kommt der Konstruktion besonders entgegen. Das Smartphone fällt dann beinahe automatisch in die richtige Position. 

Beste Grüße und alle guten Wünsche für 2019 von
Jürgen aus Hagen