Zucker auf dem Spindeltisch

Begonnen von Florian D., Dezember 25, 2018, 23:02:01 NACHMITTAGS

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hugojun

Hallo Florian,
OK, kleine Meteoritenkunde:
Mehr als 90% der auf die Erde fallenden mini-Asteroiden gehören vom Gesteinstyp der Klasse der Chondrite an. Chondrite deshalb, da diesem Gestein Chondren, kleine Silikat-Kügelchen, eigentümlich sind. Diese Chondren sind von einer Matrix aus feinem Staub; Mineralbruchstücken und metallischem Eisen umgeben.
Diese Chondren bestehen im Wesentlichen aus den beiden Silikaten Olivin und Pyroxen.
Die Klassifizierung der Chondrite erfolgt über diese Silikate:

Chemisch unterscheidet man mit steigendem FeO Gehalt im Olivin (=Fayalit-Gehalt in mol%)
zwischen den Gruppen der  E-  , H-  , L-  , und LL-Chondriten ( Liste nicht vollständig).

Gruppe        Metal
                    (wt %)           Fayalite
                                        (Fa mole %)   
   E        17–23              1   
   H        15–19              16–20   
   L        1–10                21–25   
   LL         1–3                26–32   

Zudem waren diese Gesteine auf ihren Mutterkörpern unterschiedlichen Temperaturen ausgesetzt.
Bei 450°C bis circa 950°C sind die Silikat-Kügelchen mit der Matrix zunehmend rekristallisiert und der Fayalit-Gehalt wurde über alle Olivin Kristalle homogenisiert.
Dies Metamorphose-Stadien werden mit den Graden 3 bis 6 signalisiert: Grad 3 keine Metamorphose, Grad 6 höchste Metamorphose, bis hin zur vollständigen Umwandlung der Chondren aber immer unterhalb des Schmelzpunktes des Gesteins.

Kriterium für den Übergang von Grad 3 zu Grad 4 ist die Homogenität der Olivine: Schwankt der Fayalit Gehalt der Olivine innerhalb der Chemischen Gruppe um mehr als 5% Standard-Abweichung, besteht Grad 3,liegt er darunter, ist der Grad >3.
Für noch höhere Metamorphose-Grade, also 4 bis 6, kommen andere Kriterien hinzu: z.B.

Auskristallisierung von Plagioklas aus der Matrix:
Korngröße < 2µm            Grad 4
Korngröße < 50µm          Grad 5
Korngröße > 50µm           Grad 6


Beispiel : Eine Enstatit-Chondrit ( Fayalit mol% < 1 % )mit Plagioklas-Nadeln > 50µm  entspräche der Gruppe der  E6 Chondriten

Mit dem Thema ,,Zucker auf dem Spindeltisch" hat es nur soweit etwas zu tun, als ich nach einer geeigneten Methode zur Auswertung der Kristall-Optischen- Messung des Olivins am Spindeltisch suche , am Besten numerisch  , um möglichst genau den Fayalit-Gehalt  bestimmen zu können.


Gruß
Jürgen

Florian D.

Super interessant!
Olivine sind ja othorhombisch, d. h. es darf keine Dispersion der Achsen auftreten.
Um hier das Letzte an Genauigkeit herauszuholen, schlage ich folgendes vor:
Man kann die Extinktionskurven durch die S Werte der 3  Hauptachsen sowie den Winkel 2V parametrisieren.
(Statt durch die S und  MS Winkel der beiden optischen Achsen).
Die S Werte der Hauptachsen sind nun für alle Wellenlängen gleich.
Man könnte also die Extinktionskurven, die bei verschiedenen Wellenlängen aufgenommen wurden, gleichzeitig fitten und so
sowohl die Präzision der 2V Winkel als auch der S-Werte der Achsen noch einmal erhöhen.

Viele Grüsse,
Florian

olaf.med

Hallo Florian und Jürgen,

schnell zwei Bemerkungen zu eurer Diskussion:

  • Die dispersion staining-Methode kann man sehr wohl noch verfeinern, indem man mit dem Verlaufsfilter die Wellenlänge für das Verschwinden des Korns bestimmt. Das wird dann sehr genau, wenn es die Qualität des Kristalls zulässt.
  • Im rhombischen Kristall darf es keine Dispersion der Lage der Indikatrix geben, aber sehr wohl des Achsenwinkels 2V (siehe entsprechende Bestimmungsdiagramme, wo man die chem. ZUsammensetzung direkt aus dem Wert für 2V ablesen kann). Daher kann man 2V nicht zur Steigerung der Genauigkeit hinzuziehen - oder habe ich etwas falsch verstanden?
Herzliche GRüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

olaf.med

Lieber Florian,

mein gestriger Kommentar erfolgte in Eile und unreflektiert, wobei ich zwei Dinge unzulässig verknüpft hatte. Die Dispersion von 2V im rhombischen System ist erlaubt (Paradebeispiel ist Brookit) und der Achsenwinkel bei Olivin ist eine Funktion der chemischen Zusammensetzung. Bei gegebener konstanter chemischer Zusammensetzung ist jedoch die Dispersion von 2V bei Olivin gering, sodass diese Größe möglicherweise doch zur Steiegrung der Genauigkeit dienen kann.

Entschuldigung und herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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Florian D.

Lieber Olaf,

ich denke, Dispersion von 2V ist immer erlaubt.  Mein Kommentar gestern hatte den Hintergrund, dass Jürgen die Möglichkeit erwähnt hatte, in Excalibr bei verschiedenen Wellenlängen zu messen.
Ist die Dispersion von 2V gross, werden die Extinktionskurven bei verschiedenen Wellenlängen unterschiedlich sein und vielleicht auch, verglichen mit einfachen Messwiederholungen, komplementäre Informationen über die Lage der Hauptachsen enthalten und somit die Unsicherheit der Achslagen verringern.  Nachdem im Allgemeinen der Schätzer von 2V mit denen der Lagen der Achsen korreliert wird dies auch zu einer Verringerung der Unsicherheit in 2V führen. Ob das viel bringt, wenn, wie Du sagtes, die Dispersion von 2V klein ist, ist dann aber eher zweifelhaft.

Viele Grüsse,
Florian

hugojun

Hallo Florian, Hallo Olaf,
vielen Dank für die angeregte Diskussion.
Die Diagrammwerte für 2 V sind mit einem Hinweis versehen: ,,Für Olivine von Ergussgesteinen können die Werte etwas niedriger liegen". Bei den Orthopyroxenen habe ich sogar eine zweite Linie für Ergussgesteine , in beiden Fällen bei gleicher molarer Zusammensetzung? Die Gründe dafür sind mir nicht bekannt.
Wenn die Dispersion für 2V bei verschiedenen Wellenlängen sowieso gering ist, ist es dann nicht besser, anstelle mehrerer Wellenlängen, die empfindlichste Wellenlänge zu benutzen und die Messung zu wiederholen?
Gruß
Jürgen

olaf.med

Lieber Jürgen,

die Unterschiede der 2V-Werte zwischen Tiefengesteinen und Ergussgesteinen liegen in dem Ordnungsgrad der Kationen im Kristallgitter (beim Olivin Fe und Mg auf den Oktaederplätzen). Bei den schnell abgekühlten Kristallen aus Ergussgesteinen sind sie statistisch verteilt, während sich beim sehr langsamen Abkühlen eine gewisse Ordnung einstellt, die sich auf die optischen Eigenschaften auswirkt. Bei Deinen Meteoriten gehe ich von sehr langsamer Abkühlung aus, es gelten also die Werte für Tiefengesteine.

Die Dispersion des Achsenwinkels beim Olivin ist an dickeren Präparaten ganz deutlich zu sehen, aber ich vermute, dass man sie nicht wirklich messen kann. Das Auge ist da extrem empfindlich.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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hugojun

Hallo Olaf ,
vielen Dank für den Hinweis zur Abkühlgeschwindigkeit.
Lipschutz et al. 1989 haben die Abkühlrate für Chondrite für ein Intervall von 670°C bis 870°C berechnet:
Sie kamen auf Werte 0,1 bis 1000 K/ Ma. (Median 500K/Ma )
Für ein Pluton habe ich folgendes recherchiert: Intervall 280°C – 950°C   90- 370K/Ma (Douglas M. Morton, ‎Fred K. Miller – 2014" Peninsular Ranges Batholith, Baja and Southern California".
Liegen also in dem Bereich, den du vermutest hast.

Bei Ergussgesteinen werden die raten in K/Minute oder K/Sekunde angegeben:
,,Cooling rates of mid-ocean ridge lava deduced from clinopyroxene spherulites" Gardner et al 2014:
>10-100K/min.

Gruß
Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

wenn Du Messwerte von Deinen Olivinen hast, kann ich mich gerne auch an einer Auswertung versuchen.

Viele Grüsse,
Florian

hugojun

Hallo Florian,
vielen Dank für dein Angebot.
Die Praxis gestaltet sich schwierig.
Für Olivine bis min. 50 mol % Fayalit müsste ich mit Immersionen von n > 1.70 arbeiten ( nz ca. 1.73; nx ca 1.69 ).
Mein Refraktometer von B&S ( Bellingham & Stanley )   Abbe60/70 hat einen Messbereich bis maximal n  max =1.7.
Die Bestimmung einer Mischung n > 1.7 ist also ausgeschlossen.
Für die Ablesung des Wertes für ,,S" am Spindeltisch, sollt eine Stelle, hinter dem Komma schon wichtig sein. Ich habe aber nur eine Gradierung von 5°.
Bei deinen Messungen am Zucker hast du auch mit Immersionen < nz gemessen (Zimtöl n=1.5713 vs. nz Zucker =1.5717). Wie würde sich eine Differenz von Δn>0.02 auswirken? Wie Genau sollte "S" sein?

Gruß
Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

ich dachte, deine Chondriten enthalten nur Olivine mit max. 33% Fayalit?
Hast Du zumindest schon Werte von 2V bestimmen können?
Die Ablesung von S könnte ich zwar auf 0.1 Grad genau vornehmen, aber in der Praxis bin ich schon froh, wenn ich mich auf 1Grad einigen kann.
Du siehst ja auch aus meinen Daten, dass die S Werte wo Auslöschung stattfindet, einiges an Fehler aufweist.
Die Genauigkeit, mit der sich S bestimmen lässt ist am niedrigsten, wenn man sich nahe an einem Maximum oder Minimum von f(S) befindet. Allerdings ist der daraus resultierende Fehler dann auch am geringsten.

Eine Fehlerrechnung habe ich aber noch nicht durchgeführt.
Vielleicht schaffe ich es ja mal am Wochenende, einen Olivin zu vermessen.

Viele Grüsse,
Florian

hugojun

Hallo Florian,


Zitat von: Florian D. in Februar 11, 2019, 13:27:03 NACHMITTAGS
Hallo Jürgen,

ich dachte, deine Chondriten enthalten nur Olivine mit max. 33% Fayalit?


du hast natürlich recht, aber die Liste war nicht vollständig und ich würde schon gerne den Bereich bis 50 mol % Fa nutzen wollen für die R- ( 35- 41 %)und C-Chondrite(0-50%).
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=31385.0     

     
Hier findest du die Daten für einen H5 mit genau ( Mikrosonde) 18 mol % Fa. Nur hatte ich damals falsch beschriftet, es handelt sich um NWA 514.
Die Bearbeitung mit dem EXCEL Programm liefert 2V 89,7 bei Mᵣ 225,4.
EXCALIBR   macht aus   Mᵣ 225,4 ,,Refined Reference Azimuth, Mr =  227.24" und liefert  " Optic Axial Angle, 2V (ese) =  87.418 (3.210)"
Dann hast du die Daten mal nachbearbeitet: "Ich habe mal Deine Daten genommen und die Messung mit S=150 weggelassen, da diese den größten Fehler hatte......
Ich komme dann auf

Axis angle 2V

   Estimate       SE    CI_l     CI_u
2V 84.14203 1.413869 81.3709 86.91316

der Fehler verringert sich also auf weniger als die Hälfte."


Zusätzliche Brechungs-Index Berechnungen könnte dann 2V Wert unterstützen, stammen sie doch von 6 unabhängigen Messungen .

Gruß
Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

2V geht in meine Formel für f(S) de facto mit ein,
d. h. Du wirst, zumindest mit meiner Methode, genau den Wert für 2V erhalten, den auch Excalibr oder GrimR liefert.
Aber natürlich korrelieren auch die Absolutwerte des Brechungsindex mit dem Fayalitgehalt.
Welchen Eisengehalt erhältst du denn nun für deinen Olivin und welcher passt am besten zur Mikrosonde?
Viele Grüsse,
Florian

hugojun

Hallo Florian,
wie läuft deine Messung praktisch ab?
Bestimmst du zuerst die ,,klassisch" , also mit Excalibr oder GrimR die Lage der Haupt-Brechungsindices und dann bei jeweils für bekanntem ,,M" fährst du die 180 ° oder 360° für ,,S" ab und triffst dabei zweimal bzw. 4 mal auf Farbgleichheit in Punkt ,,S1....Sn?
Oder ist die Position von ,,M" völlig egal?
Reichen für GrimR  2 Positionen pro Immersionsflüssigkeit?

Gruß
Jürgen

Florian D.

#59
Hallo Jürgen,

ich habe gestern mal einen Olivin vermessen.
Ich bestimme  zunächst bei einer Immersion für 36 S Werte in 10 Grad Schritten die Extinktionen MS.
Dann mit GrimR 2V und die optischen Achsen als Input für das Index Programm, dass ich Dir ja geschickt hatte.
Dort lasse ich mir schon mal die f(S) Kurven zeichnen, damit ich später abschätzen kann, wo ich mich brechungsindexmässig befinde.
Dann suche ich die Lagen der Indexgleichheit mit Dispersion Staining und Verlaufsfilter. Der Kristall wird dann idealerweise wirklich unsichtbar.
Statt die MS Werte zu den S Werten aus der Extinktionskurve zu bestimmen, klappe ich meistens schnell den Polarisator ein und stelle MS auf Auslöschung.
Die genaue Einstellung auf Auslöschung ist hier nicht kritisch. Aufgrund der MS Werte weiss ich aber, auf welcher Extinktionskurve ich mich bewege.
2 Extinktionswerte sollten bei einer 180 Grad Messung von S eigentlich genügen, bei einer Messung im 360 Grad Bereich wird man natürlich versuchen, alle 4 Stellen der Indexgleichheit zu finden. Wenn ich mir unsicher bin, verwende ich auch mehrere Messwiederholungen. Findet man nur ein Maximum oder Minimum ist das auch ok.
Ich überprüfe dann aber mit dem Verlaufsfilter, ob ich bei der gegebenen Wellenlänge wirklich bei einem Maximum bin oder ob die Auslöschung erst bei anderen Wellenlängen perfekt ist.
In meinem Beispiel war der Kristall bei n= 1.6887 über einen weiten Bereich praktisch unsichtbar, weil die Z Achse fast parallel zur Spindelachse lag. Dies ist aber auch nicht tragisch, weil sich dann ja auch f(S) kaum mit S ändert. Glück ist, dann eine Mischung zu finden, die überhaupt in diesen schmalen Bereich trifft.

Konkret habe ich die Extinktionskurve in Bromnaphthalin gemessen und dort auch 4 Gleichheitspositionen gefunden.
Die Extinktionskurve selbst ist recht ungünstig um 2V genau zu bestimmen, weil Z nahezu parallel zur Spindelachse.

Weitere Gleichheiten fanden sich in einer Mischung aus Bromnaphthalin und Zimtöl (n=1.6560) und 2 Gleichheiten in Methyleniodid und Bromnaphthalin (n=1.6887).

Letztendlich finde ich 2V_z=87.54 (95% CI: 84.93-90.14). Daraus Fa= 7-8 % (CI: 0-15 %) mit Graphik aus Tröger). Also sehr mässige Genauigkeit.
Für die N finde ich
n_X=1.654 (Fa=10%)
n_Y=1.670 (Fa=8%)
n_Z=1.689 (Fa=13%)
Dem Wert von n_Z würde ich am ehesten glauben, weil der ja mit dem des verwendeten Immersionsmittels übereinstimmt. Das Maximum könnte also höchstens noch höher liegen.
Wenn man es genauer wissen wollte, müsste man die Messung wiederholen und auf eine bessere Orientierung des Kristalls achten. Weiss man halt leider erst, wenn man mit der Montage schon fertig ist. Es gibt da ja auch diesen 40 Grad Test.

Viele Grüsse,
Florian