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Zählkammern

Begonnen von ammererlutz, Januar 05, 2019, 14:05:51 NACHMITTAGS

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ammererlutz

als Addendum zum Alltagsgebrauch: diese Bilder aus dem medizinische Alltag sind vielleicht ästhetisch nicht gerade aufregend, die inzwischen in Vergessenheit geratene Verwendung der Zählkammern halte ich dennoch für eine tragende Säule der Diagnostik und bei ausreichend Routine reichen wenige Sekunden, um zu einer entscheidenden Diagnose zu kommen.

Das Foto zeigt das Vollbild einer Leukämie, Zufallsbefund (!) anläßlich einer scheinbar banalen Erkältung.
Die Zählkammer liefert natürlich nur die Verdachtsdiagnose, bei so einem Bild fertigt man dann natürlich eine Färbung mit Differntialzählung an zur Identifizierung der Zellpopulationen.

Ich verwende im Gegensatz zu den meisten Protokollen nicht das 10er, sondern das 20er Objektiv zur Zählung, da es für die Augen wegen der größeren Abbildung der Leukos auf die Dauer angenehmer ist.
Als Kontrastverfahren hat sich die alte schräge Beleuchtung am besten bewährt ( die entsprechende Blende muss man selbst anfertigen und in ein leeres Fach des Kondensor-Revolvers einschrauben), da die Zählkammer ja 0,1mm Dicke aufweisen und die geringe Tiefenschärfe des Objektivs in HD oder Ph zu Zähl-Fehlern führen kann. 
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

Peter V.

Hallo Lutz,

wann und wie oft führst Du denn solche Untersuchungen in Deiner Praxis durch? Der übliche Weg wäre doch die Blutabnahme für ein Labor zur automatisierten Blutbilderstellung. Treibst Du diesen "Aufwand" aus rein privatem Interesse und wie oft am Tag und bei welchen Patienten machst Du das? Du wirst doch nicht bei jedem "Erkältungspatineten" eine mikroskopische Leukozählung durchführen, oder?

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

ammererlutz

#2
Danke für die Frage Peter,
doch, in unserer Ordination wird fast bei jedem Erkältungspatienten ( banaler Schnupfen ohne Zusatzsymptome einmal ausgenommen) eine Zählung durchgeführt, meist in Kombination mit einem CRP Schnelltest, das Erkennen einer bakteriellen Infektion ist nur dadurch schnell und mit größtmöglicher Sicherheit möglich: siehe unteres Bild: pathologisches Blutbild links, normales rechts.

Das Mikroskop läuft ca 5 Stunden träglich, neben Abstrichen und Harnsedimenten fallen so je nach Frequenz schon zwischen 10 und 30 Blutanalysen pro Tag an, bei bestimmten Fällen wie dem oberen folgt dann Ausstrich, Färbung und Differentialblutbild.
( histologische Schnitte, die wir auch durchführen, fallen eher unter die Rubrik "persönliches Interesse", da diese aus forensischen Gründen immer vom pathologischen Speziallabor mitbegutachtet werden müssen)

Der Aufwand ist dadurch sehr gering, Hämolyse und Färbung erledigt die Sprechstundenhilfe oder MTA, Zählung erledige ich selbst, dauert vielleicht eine Minute mit Reinigung der Zählkammer.

Blutbilder bei Infekten einzuschicken ist ja relativ sinnlos, da das Ergebnis erst einige Tage später eintrifft, die Entscheidung ob und welches Antibiotikum muss aber sofort getroffen werden ( manchmal ist daher bei Abstrichen sogar die lästige Gram Färbung nötig) , eingeschickt werden hingegen Blutproben für screeening Untersuchung oder Routine-Verlaufskontrollen. 
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

Peter V.

Hallo Lutz,

na ja, ein Blutbild bekomme ich schon innerhalb 24 Stunden per Fax oder per App aufs Handy etc. und bei Blutentnahme vor Laborabholung noch am gleichen Tag. Aber natürlich nicht "sofort".

Deine mikroskopische Tätigekeit ist aber sicher auch in österreichischen allgemeinärztlichen Praxen eher ungewöhnlich, oder? Sogar Harnsedimente - darauf wird hierzulande sogar oft bei Urologen verzichtet und stattdessen nur der Teststreifen genommen  :-\ . Natürlich ist Deine Engagement lobenswert, erspart es vielen Patienten unnötige Antibiosen. Der Klassiker ist ja die mehrfach frustrane Behandlung vermeintlicher Harnwegsinfekte bei - beschwerdefreien!!- Patienten (meist Patientinnen) aufgrund eines allein auffälligen Harnbefundes; weil das Ery-Feld auf dem Teststreifen positiv ist! (Die meistverwendeten und von den Kassen übernommenen Teststäbchen haben kein Leukocyten-, sondern nur ein Erythrocytentestfeld und das ist sehr störanfällig). Ist dann der Befund auch nach dem zweiten oder dritten Antibiotikum immer noch pathologisch, wird der Pateint an den Facharzt überwiesen. Und siehe da: Im Katheterurin und -sediment findet sich - nix!!! Alles sehr sinnvoll in Zeiten zunehemender Antibiotikaresistenzen.  >:(


Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Carsten Wieczorrek

Hallo,

ZitatSogar Harnsedimente - darauf wird hierzulande sogar oft bei Urologen verzichtet und stattdessen nur der Teststreifen genommen

ich lebe beruflich nicht nur von Fotometern, sondern auch von diesen Teststreifen. Alle Urologen, mit denen ich beruflich zu tuen habe, mikoskopieren Sedimente!

Grüße

Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

Peter V.

#5
Hallo Carsten,

Zitatich lebe beruflich nicht nur von Fotometern, sondern auch von diesen Teststreifen. Alle Urologen, mit denen ich beruflich zu tuen habe, mikoskopieren Sedimente!

sicher - auch! Sogar meistens. Aber keinesfalls immer!!!! Manche (nicht alle) Urologen verwenden zunmächst nur Teststreifen (ggf. mit fotometrischer Auswertung) und untersuchen nur noch in unklaren Fällen das Sediment. Und das kannst Du mir glauben, auf dem Gebiet kenne ich mich möglicherweise sogar noch etwas besser aus als Du  ;)

Herzliche Grüße
Peter
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ImperatorRex

Hallo Lutz,
vielen Dank für Deinen interessanten Bericht und Dein Engagement - finde ich top! Ich freue mich schon auf Deine weiteren Berichte aus Deiner Praxis :)

viele Grüße
Jochen

Jürgen Boschert

Hallo Lutz,

Deinen Einsatz finde ich toll, Medizin, wie sie viele von uns gerne betreiben möchten, aber in mancher Hinsicht in Deutschland nicht mehr dürfen. Z. B. wär edie Exzision und histologische Aufarbeitung meines Wissens hierzulande nicht mehr für einen niedergelassenen Allgemeinmediziner erlaubt, das muss bei uns über entsprechende Institutionen erfolgen. Ob das wirklich nötig und immer gut ist, sei dahingestellt.


Gruß !

JB
Beste Grüße !

JB

ammererlutz

als Ergänzung: Exzisionen sind bis zu einer gewissen Tumorgröße kein Problem, eine Ausnahme sind immer kosmetisch problematische Regionen ( z.B Basaliome im Gesicht, hier sind koplizierte Schwenklappenplastiken nötig, das gehört auf ein Klinikum, ebenso fortgeschrittene Melanome mit sentinel Lymphknoten Biopsien etc), die histologische Aufarbeitung lasse ich aus forensischen Gründen grundsätzlich parallel vom pathologischen Labor durchführen.
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

Wutsdorff Peter

Hallo Jürgen,

Zitat:"die Exzision und histologische Aufarbeitung meines Wissens hierzulande nicht mehr für einen niedergelassenen Allgemeinmediziner erlaubt, das muss bei uns über entsprechende Institutionen erfolgen. "
Warum, hält man einen niedergelassenen Allgemeinmediziener für unfähig??
Oder wäre das unerwünschte Konkurrenz zu den Laboren?

Gruß vom (zeitweisen) Oxalatträger und Inschenör Peter

ammererlutz

die Situation in D kenne ich natürlich nicht, aber hier ist es selbstverständlich "erlaubt".
Bei der histologischen Aufarbeitung ist ein histopathologiesches Institut in jedem Fall unbedingt ( zusätzlich) nötig, weder Allgemeinmediziner noch Chirurgen oder Dermatologen können das erledigen, da HE Präparate zwar als Standard gefertigt werden, bei Malignitätsverdacht aber histochemische Spezialfärbungen nötig sind zur Identifiziertung bestimmer Tumorzellen.
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

Klaus Schloter

Nun,erlaubt ist es dem Allgemeinarzt in D noch immer kleine Chirurgie zu betreiben.
In der Genetration 55+ gibt es noch einige "Fossilien",die mehr als nur die vorgeschrieben 12 Monate im "operativen Gebiet" verbracht haben und das gelernte auch heute noch praktizieren.Unser hausärztlicher Nachwuchs verbringt heute leider einen grossen Teil der Weiterbildungszeit mit dem Ausfüllen von "DRG"Bögen und anderweitigen Dokumentationsarbeiten.

Schönen Abend
Klaus

Jürgen Boschert

Lieber Klaus,

die kleine Chirurgie beinhaltet aber nach den aktuellen Vorgaben sicher nicht die OP von Melanomen, dies hat in entsprechenden Zentren zu erfolgen; zumindest begibt man sich damit sicher auf erhebliches Glatteis.

Gruß !

JB
Beste Grüße !

JB

Klaus Schloter

Lieber Jürgen,
..die Vorgaben,-das ist das Problem,zu meiner Assistentenzeit war die Excision von Effloreszenzen der Haut eine übliche Aufgabe von Assistenten .Solche Tätigkeiten erforderten natürlich,das man sich mit den notwendigen Standarts für einen solchen Eingriff (Resektionsgrenzen,Histologie,Nachsorge) vertraut machte.
Inzwischen gibt es Vereinbarungen der KV zum Hautkrebsscreening ,die das excidieren von verdächtigen Hauteffloreszenzen dem Facharzt zuführen.
So verarmt langam aber sicher unser Leistungsspektrum.
Dass es jenseits unserer Landesgrenzen noch anders zugeht,zeigt uns unser Kollege mit seinen Beiträgen.
Ich beneide ihn darum.
Klaus

Jürgen Boschert

Lieber Klaus,

genau das wollte ich ja auch mit meinem Beitrag erhellen- eben, dass es offensichtlich auch anders und bestimmt nicht schlechter geht.

Liebe Grüße !

JB
Beste Grüße !

JB