Das parasitische Sauginfusor Sphaerophrya parameciorum

Begonnen von Bernd, Januar 06, 2019, 16:13:39 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Bernd

Liebes Forum,

in einer Anfang Dezember 2018 aus einem Fischteich entnommenen Wasserprobe befanden sich sehr viele Exemplare des allgemein bekannten Paramecium bursaria, der hier in zwei Fokusebenen gezeigt ist:





KV: kontraktile Vakuole; MA: Makronukleus; MI: Mikronukleus; NV: Nahrungsvakuole (mit Kryptomonaden gefüllt); OA: Oralapparat. Man beachte, dass bei P. bursaria normalerweise der Mikronukleus dem Makronukleus anliegt.

Der größte Teil der Paramecien, ca. 80%, waren von einem oder mehreren Exemplaren des parasitischen Sauginfusors Sphaerophrya parameciorum befallen. Hier zwei Fotos der Dorsalansicht:





KV: kontraktile Vakuole; MA: Makro-, MI: Mikronukleus (von P. bursaria oder S. parameciorum); Sp: Sphaerophrya parameciorum. Auf dem unteren Foto sind die beiden Kerne von P. bursaria weit auseinendergedrückt worden.

Wie kommt es zum Parasitenbefall? S. parameciorum bildet frei umherschwimmende, bewimperte Schwärmer, die kurze Tentakel (T) besitzen, an deren Spitze sich eine knopfartige Verdickung befindet.



Berührt ein Schwärmer seinen Wirt, heftet er sich erst mit einen, dann mit mehreren Tentakeln an dessen Pellicula. In den Tentakeln befinden sich spezielle Haptocysten, die aber nur ca. 0.3 µm groß und deshalb nur elektronenmikroskopisch sichtbar sind (Jurand & Bomford, 1965).  Allerdings konnte ich beobachten, dass nicht jede Berührung des Wirts zu einer erfolgreichen Anheftung führte. So ist z.B. auf dem nächsten Foto der rechte Schwärmer angeheftet, der linke nicht.




Pfeil: Der dünne Cytoplasmastrang ist die Verbindung zwischen Wirt und Parasit.

Die Anheftung des Parasiten kann, wie auf dem folgenden Foto gezeigt, prinzipiell an jeder Stelle des Wirts erfolgen.



Die bevorzugte und höchstwahrscheinliche ,,korrekte" Stelle für die Anheftung ist aber im Bereich des Oralapparats. Denn nur dort bietet sich dem Ektoparasiten S. parameciorum die Möglichkeit, sich in die Mundöffnung hineinzugraben, so dass nur noch ein kleiner Teil des Parasiten mit dem Medium in Kontakt bleibt. Das ist auf den nächsten beiden Fotos gezeigt. Bei dem ersten Foto ist auf die fünf Exemplare von S. parameciorum, beim zweiten Foto auf die Oberfläche von P. bursaria fokussiert.





Die Pellicua des Wirtes scheint zwar zum Zerreißen gespannt zu sein, ist aber intakt, da sonst das Cytoplasma herausströmen würde.

Hier noch zwei Fotos, bei denen auf die Oberfläche von P. bursaria fokussiert wurde. Der Pfeil auf dem zweiten Foto zeigt auf die Cilienreihen von S. parameciorum. Wie schon bei den Fotos der Schwärmer zu erahnen, ist ihr Körper nur teilweise mit Cilien besetzt.





Die Teilung von S. parameciorum erfolgt, wie auf dem folgenden Foto zu sehen, auf dem Wirt durch eine Art Knospung. Es ist deutlich zu sehen, dass sich der Makronukleus von S. parameciorum zum Teil in der Mutterzelle, zum Teil auch in der Tochterzelle befindet. Man beachte auch den bedauernswerten Zustand des Wirtes, der bereits zu einem erheblichen Teil aufgefressen wurde und dessen Makronukleus halb aus der Zelle heraushängt.



S. parameciorum nimmt, wie alle Suktorien, seine Nahrung, also das Cytoplasma von P. bursaria, durch seine Tentakel auf. Deshalb befinden sich in den Parasiten niemals Zoochlorellen oder Kerne von P. bursaria.

Viele Grüße,
Bernd


Literatur
Curds, C. R. (1986) A revision of the Suctoria (Ciliophora, Kinetofragminophora) 4. Podophrya and its morphological relatives. Bull. Br. Mus. nal. Hist. (Zool.) 50, 59-91.

Dovgal, I. V. (2002) Evolution, phylogeny and classification of Suctorea (Ciliophora). Protistology 2, 194–270.

Jurand, A., Bomford, R. (1965) The fine structure of the parasitic suctorian Podophrya parameciorum. J. Microscopie 4, 509-522.

Reukauf, E. (1939/1940) Sphaerophrya-Infektion bei Paramecium bursaria. Mikrokosmos 33, 11-14.

limno

Hallo Bernd,
sowas habe ich noch nie an Paramecium bursaria beobachten können!
Danke für diese interessante Dokumentation!
Beste Mikrogrüße von
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Michael

Hallo Bernd,

wunderschön und sehr detailliert dokumentiert!

Viele Dank fürs Zeigen,

Michael
Gerne per Du

Martin Kreutz

Hallo Bernd,

das ist eine super Dokumentation von Sphaerophrya parameciorum mit tollen Detailaufnahmen. Besonders gefallen mir die Aufnahmen, wo Du die Kontaktaufnahme des Parasiten mit dem Wirt erwischt hast. Ich weiß nicht, ob das schonmal fotografiert wurde. Ich habe es jedenfalls noch nie beobachtet. Auf der Suche nach eine Beschreibung von Spaherophrya parameciorum ist mir aufgefallen, dass diese Art wohl synonym ist mit Podophrya sol und Podophrya parameciorum. Die Unterscheidung zwischen den Gattungen Podophrya und Spaherophrya gelingt nur mit den Cysten. Die Cysten von Podophrya sind gestielt und die von Spharophrya nicht.

Auf Deinen Aufnahmen ist mit noch ein interessantes Detail aufgefallen. Durch den Befall mit Sphaerophrya verbraucht Paramecium seine ganzen Reserven. Zum Schluss werden sogar die Zoochlorellen verdaut. Einige der befallenen Exemplare sind ja auch schon recht "licht". Tatsächlich erkennt man auf der 3.,4., 8., 9. und 12. Aufnahme von Dir gelb-orange gefärbte Zoochlorellen, die offensichtlich gerade verdaut werden und sich teilweise auch in Nahrungsvakuolen befinden. 

Du hast den gesamten Lebenszyklus offensichtlich in frisch gezogenen Proben beobachten können. Dann muss die Durchseuchung mit S. parameciorum ja epidemisches Ausmaß gehabt haben!? Vielleicht gibt es noch die Chance die Cysten von S. parameciorum zu finden, um die Gattung dingfest zu machen. Ich habe bisher keine Abbildung der Cyste von S. parameciorum finden können. Oder liegt Dir eine vor?

Martin



Bernd

Hallo Martin,

ob es Sphaerophrya oder Podophrya parameciorum heißen soll, kann ich nicht beantworten. Dazu fehlt mir die Kompetenz. In verschiedenen Veröffentlichungen werden unterschiedliche Konzepte favorisiert.

Curds (1986) schreibt: It will immediately be noticed that the genus Sphaerophrya has here been treated as asynonym of Podophrya. The two genera were originally distinguished by the presence of a stalk in Podophrya and the absence of one in Sphaerophrya. However it has long been known that the stalk is often lost by several species of Podophrya and apparently some Sphaerophrya species occasionally develop one. The presence of a cyst with a stalk has also been used as a distinguishing character but it should be appreciated that this is based on few observations and a similar stage may yet be found in Sphaerophrya.... It is clear therefore that there is no stable character by which to distinguish the two genera and under such circumstances they must be synonymised.

Dovgal (2002) vertritt eine andere Auffassung: Currently this generic (d.h. Spodophrya) name is often used as the younger synonym of Podophrya Ehrenberg, 1834 because of the similarity in cysts morphology and the presence of stalked stages in the life cycle of parasitic sphaerophrians .... However, in a famous work by Matthes et al. (1988)* the genus was accepted as different from Podophrya in absence of stalk and structure of cysts. We also believe that the representatives of Sphaerophrya are different enough from Podophrya to relegate them into a separate genus.

* Matthes D., Guhl W. and Haider G. 1988. Suctoria und Urceolaridae. In: Protozoenfauna. Band 7/1. Gustav Fisher Verlag, Stuttgart, New York. pp. 1- 309. (Diese Literatur liegt mir nicht vor)

Ich habe mich – willkürlich – für Spharophrya entschieden.

Ja, es gibt eine Abbildung der Cyste von diesem Organismus:



Aus Curds (1986), nach Jankowski, A. W. (1963). Pathology of Ciliophora. II. Life cycles of suctoria parasiting in Urostyla and Paramecium. Tsitologiya, (Cytologia) 5, 428-439. (in Russian with English summary). Auch diese Literatur liegt mir nicht vor – und würde mir magels Sprachkenntnis nicht weiterhelfen.

Ja, die Durchseuchung hatte epidemisches Ausmaß. Ich hatte aus dem grünen Belag der Teichoberfläche eine 2,5 ml Probe genommen. Da waren neben verschiedenen Algen massenhaft P. bursaria drin und die waren zu geschätzt 80% von S. parameciorum befallen. Das typische Paramecium war parasitiert, nicht befallen Exemplare mußte ich suchen. Über mehrere Tage hinweg habe ich in meiner Probe nach Cysten gesucht, aber keine gefunden. Vier Tage nach Entnahme der ersten Probe habe ich den Teich nochmal aufgesucht und beprobt. Es waren sehr viel weniger Paramecien in der Probe und nur ganz wenige waren parasitiert. Ich war wohl per Zufall zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Viele Grüße
Bernd

Ole Riemann

Hallo Bernd,

vielen Dank für diese sehr eindrucksvolle Reportage. Besonders gelungen finde ich die Photos, die durch den Zellmund von Paramecium die parasitischen Sauginfusorien zeigen.

Beste Grüße

Ole


Eckhard

Hallo Bernd,

Was es alles gibt! Danke für die tolle Dokumentation!

Herzliche Grüße,
Eckhard
Zeiss Axioscope.A1 (HF, DF, DIK, Ph, Pol, Epifluoreszenz)
Nikon SE2000U (HF, DIK, Ph)
Olympus SZX 12 (HF, DF, Pol)
Zeiss Sigma (ETSE, InLens SE)

www.wunderkanone.de
www.penard.de
www.flickr.com/wunderkanone

MikroMicha

Hallo Bernd,

das sind ja spektakuläre Aufnahmen von dem Parasitenbefall bei Paramecium bursaria und dem Parasiten (Sphaerophrya parameciorum) selbst. Die Tentakeln des Schwärmers und wie er an seiner Wirtszelle andockt, das alles liegt ja schon beim Maximum des lichtmikroskopisch Machbaren. Mit welchen Objekten hast die hier gearbeitet?  Und sicher war auch der Kondensor immergriert?

Ich selbst habe soetwas leider noch nie beobachten können.
Herzliche Grüße sendet

Michael (MikroMicha)