Mikroskopisch kleine Sensation

Begonnen von Michael Plewka, Februar 18, 2024, 16:32:07 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

Hallo zusammen,

Man stelle sich vor, man würde beispielsweise am Strand der Nordsee oder meinetwegen auch an einem an einem Badesee in Deutschland  einem Pinguin begegnen. Das wäre sicher sehr ungewöhnlich und man könnte sich fragen, ob dieser aus einem Zoo ausgebrochen ist oder ob diese Anwesenheit möglicherweise  schon eine Folge der Klimaveränderung ist.  Bestimmt wäre der  Fund dieses recht "großen" Tieres aber eine Notiz in entsprechenden Nachrichten oder sozialen Medien wert.  Vielleicht erinnert sich ja jemand noch an Berichte von einem weißen Wal im Rhein vor mehr als 60 Jahren...
 Bei Mikroorganismen ist die Sache schon etwas anders. Diese Viecher  sind nicht so bekannt. Man braucht in jedem Fall auch ein Werkzeug, nämlich das Mikroskop, um sie überhaupt entdecken zu können. Dieses steht nicht jedem so ohne weiteres zur Verfügung. Hinzu kommt noch die vielfach fehlende  Formenkenntnis.


Vor einigen Tagen bekam ich die Anfrage, um welches Rädertier es sich bei diesem Viech handeln könnte.  Eigentlich sieht es ganz "normal" aus, es stammt aus einer Felspfütze im Landesinneren von  Spanien, und sieht auf den ersten Blick solchen Rädertieren ähnlich, die ich auch in solchen Granit-Felspfützen (in Frankreich) gefunden habe:   



 Videos zeigen, dass diese Form  in den Pfützen in ziemlichen Mengen aufgetreten ist. Den einwöchigen Transport von Spanien nach Deutschland haben die Viecher ohne weiteres überlebt. Sie sind also ziemlich robust.


Erst im etwas kontrahierten  Zustand wird deutlich, dass es sich bei diesen Viechern um etwas Besonderes  handeln muss.  Dann nämlich wird sichtbar, dass an den Seiten des Rumpfs zwei Auswüchse  erkennbar sind, die bei anderen Rädertieren  nicht auftreten (Der Pfeil im oberen Bild weist auf dieses Merkmal im kriechenden Zustand hin):
 



Bisher ist nur eine Rädertier-Art beschrieben worden, bei der genau dieses Merkmal zu finden ist, nämlich die Art Philodina alata. Diese Art ist von J. Murray 1910 in Funden der Britischen Antarktis Expedition beschrieben worden. Die morphologischen Merkmale der jetzt gefundenen  Form stimmen weitestgehend  mit der antarktischen Form überein.
Mehr dazu hier: https://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Philodina%20alata.html


Weitere Fundorte außerhalb der Antarktis sind  für diese Art m.W. nicht bekannt bzw. noch nie  dokumentiert worden. Diese Art ist deshalb für mehr als 1 Jahrhundert als endemisch angesehen worden.

Somit ist also  dieser Fund des Kollegen aus Spanien der erste Fall, dass zumindest der gleiche Morphotyp auch auf einem anderen Kontinent zu finden ist, und dann auch noch in einem ökologischen Umfeld, das sich wahrscheinlich  sehr von demjenigen der Antarkis unterscheidet.

Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich der Kenntnisstand  über Verbreitungsgebiete von den Mikro-Viechern ist. Von manchen Arten  gibt es -wie in diesem Fall- nur sehr wenige Beobachtungen, andere Arten scheinen überall an Land oder im Wasser auffindbar zu sein, wobei es dann auch immer wieder die Frage ist, ob es wirklich dieselbe Art ist, die beobachtet wurde.




Soweit erst mal


Beste Grüße
Michael Plewka

Heiko

Hallo Michael,

Deine Begeisterung kann ich nachvollziehen. Aber Voraussetzung für diesen ,,Volltreffer" ist ja Deine Formenkenntnis!
Nun gilt es, die Sequenzierer von den Biestern fernzuhalten, denn die machen wahrscheinlich eine andere Art daraus, die erst noch zu beschreiben wäre ... wobei Latein wohl mittlerweile obsolet ist.  ;)

Viele Grüße,
Heiko

Michael Plewka

Hallo Heiko,

vielen Dank für die Empathie!

Die Sequenzierenden  ;-)  sind schon am Start...

Beste Grüße
Michael Plewka