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Prorodon margaritifer

Begonnen von Martin Kreutz, Februar 18, 2019, 21:42:08 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

vor einigen Tagen schwamm mir Prorodon margaritifer durch das Bildfeld. Diesmal ein besonders attraktives Exemplar. Außer ein paar Öltropfen von der letzten Beute war das Plasma recht klar. Ich habe Prorodon margaritifer schon früher gefunden, aber immer undurchsichtige, vollgefressene Exemplare. Nach dem isolieren des Exemplars habe ich ein paar Fotos gemacht. Diesen großen Ciliaten finde ich selten, aber regelmäßig, etwa alle zwei bis 3 Jahre ein Exemplar. Als einzige Literaturstelle, die Prorodon maragritifer erwähnt und beschriebt, habe ich den Kahl. Außer seiner sehr kurzen Beschreibung habe ich sonst nichts zu dieser Art gefunden. Auch im Internet habe ich weder Bilder noch eine Beschreibung gefunden. Deshalb möchte ich ihn hier mal vorstellen.

Die folgenden 3 Aufnahmen zeigen Übersichtsaufnahmen von Prorodon margaritifer. Dieses Exemplar war besonders stattlich mit 320 µm Länge (Kahl gibt 250 – 350 µm an):



Wie erkennt man nun, dass es sich um Prorodon margaritifer handelt? Man erkennt auf diesen drei Bildern schon wesentliche Merkmale:

- eine apikale Reuse (linkes, oberes Bild)
- Körper kegelförmig, hinten verjüngt
- eine deutliche Dorsalbürste (ganz rechte Aufnahme)
- holotrich bewimpert

Das trifft auch auf Holohrya zu. Wie unterscheidet man jetzt Holophrya von Prorodon. Dies erkennt man an der Reuse. Bei Holophrya reichen die Reusenstäbe bis zur Zelloberfläche und der Mund (die Reuse) ist oft von einem Wulst umgeben. Bei Prorodon enden die Reusenstäbe unterhalb der Pellikula und erscheinen deshalb eingesenkt. Kahl hat dies in einer Zeichnung verdeutlicht:


1: Holophrya
2: Prorodon

Man erkennt auf der linken der oberen Aufnahmen, dass die Reusenstäbe nicht bis an die Zelloberfläche reichen. Es handelt sich also um Prorodon. Die Dorsalbürste und die holotriche Bewimperung passen dazu.

Kahl schreibt selbst, dass die Bestimmung von Prorodonarten schwierig ist. Dies liegt auch daran, dass es viele ungenügend beschriebene Arten gibt. Bei Prorodon margaritifer sind die Merkmale jedoch leicht zu erkennen und lassen eine klare Abgrenzung zu. Der Makronukleus soll zweiteilig sein mit einem besonders großen Mikronukleus dazwischen. Weil die Öltropfen im Plasma so fotogen waren, will ich hier meine Aufnahme des Kerns mit Öltropfen als schmückendes Beiwerk zeigen:


Ma 1 = Makronukleus 1
Ma 2 = Makronukleus 2
Mi = Mikronukleus

Prorodon margaritifer hat keine terminale kontraktile Vakuole sonders viele kleine Vakuolen über den ganzen Körper verteilt. Jede einzelne hat einen deutlichen Exkretionsporus, wie man auf folgende Aufnahme erkennt.


Pfeile = Exkretionspori der kontraktilen Vakuolen

Die schon auf den Übersichtsaufnahme erkenntbare Dorsalbürste hier nochmal im Detail. Sie ist außergewöhnlich lang und reicht bis zum ersten Körperdrittel. Sie ist dreireihig und mir kurzen Borsten besetzt, die schwierig zu erkennen sind:


DB = Dorsalbürste

Die Pellikula ist mir 3,5 – 4 µm langen Extrusomen bestückt. Ich hatte den Eindruck, dass es auch Nester von Extrusomen in speziellen Vakuolen gibt, die Bestandteil der Pellikula sind. Es mag aber auch sein, dass es einfach die kontraktilen Vakuolen in lateraler Ansicht sind, denen durch den Deckglasdruck die Extrusomen auflagen:


EX = Extrusome

Die Mundöffnung ist deutlich rechteckig geformt und war bei meinem Exemplar aus 98 Reusenstäben aufgebaut. Die folgende Aufnahme hat schon etwas "Weißer Hai"-Charakter:




DB = kurze Borsten der Dorsalbürste

Auf der letzten Aufnahme erkennt man auch die kurzen Borsten der Dorsalbürste.

Prorodon margaritifer kann leicht mir Holophrya teres verwechselt werden, der ebenfall eine ovale (aber nicht rechteckige) Mundöffnung aufweist. Jedoch hat Holophrya teres nur einen einteiligen, runden Makronukleus und eine terminale KV, welche viele Exkretionspori am terminalen Ende besitzt. Außerdem ist die Körperform von Holophrya teres nicht kegelförmig sondern breit eiförmig. An Hand der oben beschriebenen und gezeigten Merkmale, dürfte die Zuordnung als Prorodon margaritifer also sicher sein.

Ich möchte hier auf einen früheren Beitrag von Michael Plewka verweisen, den er mit ,,Holophrya" betitelt hat:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=26760.0

Seine ersten 4 Aufnahmen zeigen aber eindeutig Prorodon margaritifer. Das haben weder Michael noch ich damals erkannt. Die im gleichen Beitrag gezeigten tollen Aufnahmen vom Fressverhalten zeigen jedoch Holophrya teres, was man an der terminalen kontraktilen Vakuole bei den fressenden Exemplaren erkennt. Nichts desto trotz sehenswerte Aufnahmen!

Viel Spass beim anschauen!

Martin

Michael

Hallo Martin,

vielen Dank für Deinen schönen Beitrag - es ist immer wieder ein Genuss, von Deinem Sachverstand zu profitieren.

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

Michael Plewka

Hallo Martin,

vielen Dank für diesen informativen  Beitrag. Die Bilder sind mal wieder sensationell; und natürlich ist das Detailbild der Kerne ein besonders Highlight!

Es fällt an Deinem Exemplar auf, dass die Stäbe der Reuse relativ kurz sind. Auch bei dem im von Dir erwähnten Beitrag "Holophrya verspeist Euchlanis"  zuerst gezeigten Exemplar habe ich bei der Durchsicht der ca. 80 Bilder, die ich von dem Viech aufgenommen habe, nur sehr kurze Reusenstäbe gefunden. Könnte das ein Artmerkmal sein?

Zu der Entscheidung  Holophrya-Prorodon brauche ich allerdings noch weitere Nachilfe:
Es gibt da noch einen weiteren hier bereits verhandelten Fall aus dem Griendtsveen Moor:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=32955.0

Du hattest die erste Form damals als "Holophrya teres" identifiziert.  Schon auf dem ersten Bild in diesem Thread, aber noch deutlicher durch den Vergleich der polarisierenden Eigenschaften der Mikrotubuli der Reusenstäbe hier im Vergleich (letztes Bild):
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Ciliata/e-source/Holophrya%20sp.1.html
wird m.E. deutlich, dass diese eindeutig nicht bis zur Zelloberfläche reichen; deshalb müsste es sich eigentlich nach Kahls Unterscheidungskriterium um Prorodon handeln.

Was meinst Du?


Beste Grüße
Michael Plewka

wejo

Hallo Martin,
ich kann leider keine Bilder sehen. Es sind nur so kleine Stellvertreter da und wenn ich diese anklicke komme ich nur auf die Anmeldeseite von Postimage.
Viele Grüße
Werner

Martin Kreutz

#4
Hallo Michael,

nicht nur Du brauchst Nachhilfe beim differenzieren von Holophrya und Prorodon. Auch ich! Tatsächlich ist die Nomenklatur der Prostomatida (zu denen die holotrichen gehören) sehr unbefriedigend strukturiert. Ich habe dazu auch nur sehr wenig Literatur. Die ganze Geschichte ist wohl auch noch im Fluss. So ist Holophrya teres synonym mit Prorodon teres. Im Kahl wird er auch unter Prorodon teres geführt. Foissner hat ihn in seiner Revision zu Holophrya gestellt. Zur Differenzierung der Gattungen schreibt Foissner in der Revision III, S. 316:

"Fromentel (1875) hat für Holophrya und Prorodon die Typusarten eindeutig festgelegt. Dies wurde von späteren Autoren übersehen, weshalb komplizierte Namensänderungen notwendig sind."

Er nennt neben Kahl auch sich selbst, als Autor, der den Typusarten nicht gefolgt ist. Nach meinem jetzigen Kenntnisstand gestaltet sich die Situation wie folgt. Es gibt die "Kahl'sche" Definition von Prorodon. Die lautet:

- ellipsoider oder ovaler Körper bis zylindrisch
- Reuse aus Doppeltrichiten
- Reuse erreicht nicht Zelloberfläche
- Reuse im Querschnitt oval
- Zwischen die Reusenstabe senkt sich Schlundwandung wulstartig ein
- Um die Reusenöffnung ein Feld von Spezialwimpern, 4 Reihen
- Dorsalbürste erreicht nicht Schlundöffnung
- Hinterdende der Dorsalbürste meist nach rechts gebogen
- Kern nie bandförmig
- Ma stets mit Binnenkörper

Und es gibt die Foissner'sche Definition von Prorodon:

- holotriche Bewimperung
- asymmetrische Gestalt
- spaltförmige Mundöffnung
- Dorsalbürste fast körperlang

Letzteres Merkmal ist wahrscheinlich nur mit Silber zu sehen. So die Gemengelage! Um die vielen Arten von Holophrya, Prorodon und auch Pseudoprorodon wieder auseinanderzudividieren, müsste man sich erstmal auf einen Bestimmungsschlüssel einigen. Danach müssten alle Arten nochmal genau untersucht werden und gegebenfalls umbenannt werden. Soviel ich weiß, hat dieses Fass noch keiner aufgemacht.

Ich mache es jetzt so. Finde ich eine Art zu der kein synonymer Name vorliegt (wie Prorodon margaritifer) bleibe ich bei dem, auch wenn er auf einen alten Schlüssel beruht (den von Kahl). Bei Holophrya (Prorodon) teres nehme ich die aktuellere Bezeichnung (soweit mir bekannt).

Jetzt zu Deiner Frage und den beiden links: Ja, Holophrya teres hat die Merkmale für Prorodon nach der Kahl'schen Definition (versenkte Reuse) und wurde von Kahl auch Prorodon teres genannt. Foissner hat ihn wieder zu Holophrya geschoben und zwar nur "...auf Grund der oralen und somatischen Bewimperung". Das ist der vorerst letzte Stand. Ich bleibe bei Holophrya teres, den man auf Deinen Fotos sieht.

@Werner: Ich kann die Bilder auf meinem PC und meinem Handy einwandfrei sehen. Bisher hatte ich mit der Verlinkung von Postimage keine Probleme.

Martin

wejo

Hallo Martin,
sitze jetzt am Desktop-PC und da ist alles sichtbar - tolle Bilder!! Am Notebook gestern Abend war nichts zu sehen. Seltsam!?
Herzliche Grüße
Werner

Ole Riemann

Hallo Martin,

umwerfend schöne Bilder, besonders die Anblicke der Mundreuse von oben - vielen Dank!

Beste Grüße

Ole


MikroMicha

Hallo Martin,

auch ich bin wieder einmal von Deinen Aufnahmen geplättet. Besser geht doch beinahe nicht mehr. Ich bin inzwischen auch ein wenig am Üben mit dem Flachlegen meiner Viecher. Aber ob ich Dein Level je erreichen werde, ich weiß es nicht  ;).

Jedenfalls danke für's Zeigen, von mir beide Daumen hoch  :).
Herzliche Grüße sendet

Michael (MikroMicha)