dramatische nächste Geschichte werte Forum-Gemeinde, die es aber in sich hatte, ganz aktuell (vor zwei Tagen passiert):
Patient,männlich, 55 Jahre, berufstätig, Schweißer, positive Nikotin und Alkohol-Anamnese, kommt nachmittags vom Lungenfacharzt, dort jährliche Routinekiontrolle bei Nikotin Abusus mit COPD II, zu mir - "Befundbesprechung", da etwas verunsichert.
Diesmal wäre das Röntgen etwas anders gewesen berichtet er:
im Befund wird eine starke fibröse Gerüstvermehrung, streifig-narbige Veränderungen und multiple rundherdartige Veränderungen beschrieben, daher sandte ihn der Pulmologe zum CT:
Befund:
multipelste rundherdartige, zum Teil zentral nekrotische Veränderungen, disseminiert über beide Lungen, apical 5x7cm große Konsolidierung mit zentral cavernös-nekrotischem Bezirk. Weitere Abklärung dringend empfohlen, differentialdiagnostisch Malignom, Sarkoidose, Tb, Schweißerlunge, Coccidiose.
Mit diesem Befund wieder vorstellig beim Pulmologen ( ich war bis vor 2 Tagen ja nicht involviert): dieser terminiseirt eine Vorstellung auf dem Uni Klinikum zwecks Terminisierung einer Bronchiallavage und Bronchoskopie in Narkose zur weiteren Abklärung.
Ebendort neuerliche Befundevaluierung, Termin zur Bronchiallavage vergeben in 6 Wochen, danach (= weitere ca 2 Wochen) Besprechung des zytologischen und bakteriologischen Ergebnisses und Planung des weiteren procedere....( = 8 Wochen )
Das war also der Stand, als der Patient zu mir kam.
Nach Durchsicht der doch etwas beunruhigenden Befunde war ich zugegebenermaßen etwas neugierig, denn 8 Wochen bis zur Diagnose und Therapieentscheidung bei so einem CT , naja.

Da Sputum Untersuchungen scheinbar nicht mehr so gerne gemacht werden dank Bronchoskopie in Narkose (mit entsprechenden Wartezeiten) etc, das ist ja dann viel genauer, fragte ich ihn, ob er nicht so freundlich wäre, mir eine Probe seiner Expectorationen zu geben, was er nach Bereitstellung eines Bechers bereitwillig tat ( Bild 1)
Nach Ordinationsschluß, dann um ca 21 Uhr, Anfertigung der Ziehl Neelsen Färbungen ( Bild 2)
und siehe da Bilder 3 und 4.....( Obj 100x): Diagnose offene Tuberkulose der Lunge.
was so eine Kleinigkeit, die aber heute eben kein Arzt mehr macht ( denn das macht ja die MTA und der Labormediziner irgendwo und irgendwann nach der Bronchoskopie) bewirkt:
wie an den Bildern schön erkennbar, leidet der Patient an einer offenen Lungentuberkulose und hätte in den vom Klinikum avisierten 8 Wochen nicht nur sich selbst gefährdet, sondern unzählige Menschen mit Mycobakterium tuberculosis geschwängertem Husten "beglückt".
Mycobacterium tuberculosis wurde entdeckt von Robert Koch 1882, der dafür den Nobelpreis für Medizin erhielt.
Tuberkulose war eine der verheerendsten Seuchen Europas, verlief im 19 Jh. fast immer tödlich, 15 % der Bevölkerung starb an Tuberkulose, darunter Prominenz wie Frederic Chopin, Friedrich Schiller, Kaiser Josef II von Österreich.
Die "Schwindsucht" wurde zum Thema der Kunst: in Dumas' "Kameliendame", Verdis "La Traviata" ( Violetta=Marie Duplessis, u.a.Geliebte von Franz Liszt, starb kaum 20 jährig daran), Puccinis "La Boheme", Thomas Manns "Zauberberg".
Doch die Tuberkulose ist brand-aktuell: 1.5 Milliarden (!!!) Menschen sind zur Zeit weltweit daran erkrakt! Multiresistente Tuberkulose Erreger nehmen zu, die Therapie ist auch heute noch sehr aufwändig, langwierig und nebenwirkungsreich. Während der "offenen" Phase ( =Erreger werden im Sputum ausgehustet) Unterbringung in Spezialeinheit erforderlich, die Krankheit ist behördlich meldepflichtig.
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Erklärung der Bilder für Nicht-Mediziner:
Mycobacterium tuberculosis ist ein sehr kleines "säurefestes" Stäbchen. Es ist mit einer Wachshaut überzogen und dadurch nicht färbbar. Der Trick: Bei der Ziehl-Neelsen Färbung wird nach der Fixierung der Ausstrich in Fuchsin 3x bis zur Dampfbildung erhitzt ( furchtbare Patzerei, das erhitzte Fuchsin färbt alles in der Umgebung intensivst inkl behandschuhte Finger), dringt so in die Wachsschicht ein und ist dort nicht mehr entfernbar. Nach Spülung wird der Ausstrich mit Salzsäure-Alkohol entfärbt, nur säurefeste Stänbchen wie Tuberkulose- oder der verwandte Lepra-Erreger behalten die rote Farbe, Gegenfärbung mit Methylenblau. Die Erreger leuchten intensiv rot aus dem blauen Hintergrund hervor.
Als ich am nächsten Tag den Patienten einberief und die nächstgelegene Pulmologie zwecks sofortiger Aufnahme vorinformierte, glaubte mir die diensthabende Pulmologin einfach nicht, dass irgend jemand heute noch in einer Ordination Ziehl Neelsen Färbungen macht und insistierte auf dem "Laborbefund" des Hygiene-Insitutes.
( Dass mir die Krankenkassen dafür keinen cent zahlen, versteht sich von selbst)
hier die Bilder ( diesmal mit der neuen Canon EOS

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