Botanik: Sumpfschachtelhalm ist ein Uferschachtelhalm E. x litorale *

Begonnen von rekuwi, Oktober 14, 2009, 22:58:05 NACHMITTAGS

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rekuwi

Liebe Mikroskopiker/innen,

bei meinen Spaziergängen fand ich im Wald an einigen Stellen kleine Wäldchen vom Sumpfschachtelhalm, Equisetum palustre. Ich erinnerte mich, daß früher der Schachtelhalm, auch Zinnkraut genannt, zum Putzen von Töpfen benutzt wurde. Der Ackerschachtelhalm ist auch eine Heilpflanze.
Bei Wikipedia las ich daß der Sumpfschachtelhalm giftig ist, er enthält Alkaloide. Außerdem 10 % Silizium und noch andere Mineralien. Diese Mineralien sind wohl für die Putzkraft verantwortlich. Das wollte ich herausfinden und habe den Sumpfschachtelhalm mikroskopiert.
Hier erstmal eine Bild vom Standort im Wald an einer nassen Stelle (dort fand ich auch das Spagnum palustre):



hier mein Schnitt durch den Stengel, dieser ist sechskantig (die Ästchen sind vierkantig), 6.3x Objektiv:



im polarisierten Licht mit Glimmerplättchen zeigen sich die Substanzen mit einer Doppelbrechung (Silizium hat nur eine ganz Schwache!):



10x Objektiv:


25x Objektiv:


Wie auf den Bilder zu erkennen ist befinden sich die Mineralien hauptsächlich am Rand und in den Spitzen der Stengelkanten. Außerdem fällt die rauhe Oberfläche auf. Das würde die Putzkraft erklären. Wo sich die Alkaloide befinden weiß ich nicht, wie lassen die sich darstellen/extrahieren?

Liebe Grüße
Regi

reblaus

Hallo Regi,
Silikat in Pflanzen ist eine faszinierende Sache! Wenn man den Schachtelhalm oder auch andere Silikat einlagernde Pflanzen  in konzentrierter Schwefelsäure kocht (nicht im Hauslabor nachmachen!), dann bleiben die inkrustierten Zellwände als Skelette übrig. Interessant ist, dass dieses Silikat auch von Pflanzen, in denen man es normalerweise nicht findet, bei Abwehrreaktionen (z.B. als Antwort bei Mehltau-Attacken) in die Zellwände eingelagert wird, diese also härtet und gegen weitere Attacken resistenter macht. Gelegentlich will ich hierzu mal ein Bildchen nachreichen.
Hals- und Glasbruch für weitere schöne Bilder
Rolf

Ernst Hippe

Liebe Regi,

das wollte ich ja immer schon mal ansehen. Deine interessanten Bilder reizen mich zur Nachahmung!
Gruß Ernst Hippe
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Hugo Halfmann

Hallo Regi !

Schöne Aufnahmen sind das. Die ersten beiden Mikrofotos haben schon was weihnachtliches  ;D.
Solche kleinen Dokumentationen, bei denen auch die Pflanze in ihrem Lebensraum gezeigt wird, gefallen mir immer besonders gut.
Viele Grüße aus dem Bergischen Land

Hugo Halfmann

Fahrenheit

Liebe Regi,

vielen Dank für Deine schöne Dokumentation.

Jedesmal, wenn ich an Schachtelhalm vorbei komme, geht es mir wie Herrn Hippe: ich denke mir "Den müsstest du eigentlich auch mal ...".
Bisher habe ich es wegen der Silikateinlage und deren Auswirkung auf die Klingen immer sein gelassen. Das muss ich doch wohl noch mal überdenken ...  ;D

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

rekuwi

Lieber Rolf,
auf so ein Silikatgerüst bin ich gespannt. Da ich die Chemikaliendämpfe meide werde ich das bestimmt nicht selbst ausprobieren.

Lieber Hugo, Ernst, Jörg,
danke für Euer Lob, und viel Spaß beim Schneiden des Schachtelhalms! Ich habe mindestens vier Anläufe gebraucht um einigermaßen akzeptable Schnitte hinzubekommen. Die Pflanzen trocknen sehr schnell aus, also sammeln und direkt nach dem Heimkommen die Versuche starten. Da ich aber außer Alkohol und FCA keine anderen Mittel beim Präparieren einsetze sind mit den klassischen Methoden sicherlich weitaus bessere Ergebnisse zu erwarten.
Wo stecken die Alkaloide?

Liebe Grüße
Regi

Druse

Liebe Regi,

auch ich bin sehr angetan von den schönen Fotos, wirklich klasse!  :)

Die Alkaloide sind laut meiner Unterlagen in allen Pflanzenteilen anzutreffen (in den Vakuolen). Unter anderem ist Nicotin (1-2 ppm) enthalten, eine neue Art "Glimmstängel"?

Detlef Kramer

Liebe Regi,

ohne Frage eine schöne und interessante Dokumentation. Meiner Meinung nach stimmt aber die Artbestimmung nicht. Der Sumpfschachtelhalm (Equisetum palustre) sieht eigentlich völlig anders aus. Nun ist der Stengelquerschnitt, den Du ja wunderbar hin bekommen hast, ein wichtiges Bestimmungsmerkmal. Vom Habitusbild und dem Querschnitt komme ich auf den Uferschachtelhalm (E. x litorale). Das "x" bedeutet, dass es sich um eine Kreuzung handelt, das ist offensichtlich ein Problem bei den Schachtelhalmen: sie neigen zur Bastardierung.

Ich hoffe, ich liege richtig!

Bei dem Silizium handelt es sich übrigens um Siliziumdioxid, also Quarz - deshalb die schleifende Wirkung des "Zinnkrauts"

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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rekuwi

Liebe Mila,

daß sogar Nikotin darin ist finde ich interessant. Da können Raucher ja mal Versuche starten wie sowas schmeckt! ;D

Lieber Detlef,

habe gleich mal im Internet über den (mir völlig unbekannten) Uferschachtelhalm nachgeguckt.
Nun, da habe ich so meine Zweifel ob die Schnitte von diesem stammen. Das Übersichtsbild habe ich tatsächlich an einer sehr nassen Stelle am Rande eines Rinnsales im Wald aufgenommen. Die Pflanze die ich als Letzte geschnitten habe wuchs allerdings auf einem Blumenbeet hier in der Siedlung, weit und breit kein Bach, dort ist es eigentlich recht trocken. Mir schienen alle Pflanzen gleich. Ich habe nur einmal einen Schachtelhalm gefunden den ich für einen Ackerschachtelhalm hielt, er war deutlich kompakter und gelbgrüner. Die Sumpfschachtelhalme fielen mir durch ihre sehr dünnen langen Zweiglein und ihren höheren Wuchs auf. (So hatte ich es vor vielen Jahren von einer "Kräuterhexe" gelernt).
Was sind denn die eindeutigen Erkennungsmerkmale?

Liebe Grüße
Regi

Jürgen H.

Liebe Regi,


wunderschöne Bilder... Und ein schönes Untersuchungsobjekt. Ich habe es vor einigen Jahren unterm Messer gehabt, mich reizte die Gefäßverteilung an den Nodi, den Verzweigungen, und ich probierte das erste Mal Safraninfärbungen aus. Damals waren erst einige Schachtelhalme bei mir im Vorgarten. Seitdem hat er sich leider doch etwas vermehrt und zeigt mir verdichteten Boden und Staunässe an: An beidem krankt unser Garten.

Interessant ist aber neben den Nodi auch die Epidermis und wenn man sie sich betrachtet, ist unmittelbar einleuchtend, wieso man mit Schachtelhalm das Zinngeschirr scheuerte: Das reinste Schmirgelpapier. Ein Schnittchen von damals finde ich noch in meiner Sammlung. Mit einem Stackprogramm käme es besser, der Schnitt ist hierfür dick genug :-) Ein solches Programm besitze ich aber leider nicht und will auch nur zeigen, dass es sich lohnen würde, die Epidermis des Krautes näher zu betrachten:



40er Objektiv, Längsschnitt durch den Stengel, Aufnahme nur des Randes.

Mikrogrüße

Jürgen Harst



rekuwi

Lieber Jürgen,

danke für die schöne Ergänzung. Das kommt aber gut rüber - ich meine die Rauhheit der Epidermis. Im Schnitt ist das auch erkennbar, aber nicht so schön wie bei Deinem Bild mit dem 40x Objektiv.
Warum lädst Du Dir nicht picolay aus dem Internet runter. Damit ist Stapeln ganz einfach möglich. Oder CombineZM, gibts auch kostenlos im Internet.

Liebe Grüße
Regi

Jürgen H.

Liebe Regi,

ZitatWarum lädst Du Dir nicht picolay aus dem Internet runter.

Recht hast Du. Bisher habe ich ein Stackprogramm nur nicht so sehr nötig gehabt. Meine Insektenschnitte bewegen sich zwischen 5 und 7,5 µ. Sie liegen auch meist recht plan auf, sonst würden sie ja vom Objektträger während der Behandlung abschwimmen. Da macht ein Stacken nicht so recht Sinn, denke ich. Das Equisetumpräparat gestern war ein altes aus der Zeit, als ich mich recht intensiv mit  der Botanik beschäftigt habe.

Schöne Grüße

Jürgen

rekuwi

Liebe Mikroskopiker/innen,

nun habe ich mich überzeugen lassen, der vermeintliche Sumpfschachtelhalm ist ein Uferschachtelhalm. Detlef hat mir noch mehrere Links zu Vergleich geschickt. Eine doch weitläufig verzweigte Sippe diese Schachtelhalme. Ich war in meiner Unwissenheit davon ausgegangen daß es nur zwei gibt, den Ackerschachtelhalm und den "Wasserschachtelhalm". Aber grau ist alle Theorie! Danke nochmals an Detlef.

Und Danke auch an Mila, hatte ganz vergessen (vor lauter Nikotin) mich über die nun gefundenen Alkaloide zu freuen. Die Tiere jedenfalls wissen es auch so, sie fressen diese Pflanzen nicht.

Liebe Grüße
Regi

rekuwi

#13
Liebe Mikroskopiker/innen,

es hat mich noch doch sehr interessiert warum dies ein Uferschachtelhalm ist. Habe mir nochmals eine Pflanze gepflückt und den Stengel im unteren Bereich geschnitten. An diesem (leider überfärbten) Schnitt ist dieser Schachtelhalm nun eindeutig zu erkennen:



hier nochmals etwas größer und im pol. Licht mit Glimmer:



Ein neu erstandenes Buch (Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands) zeigt mir die Unterschiede der Schachtelhalmsippe.

Liebe Grüße
Regi


Klaus Herrmann

Hallo Regi,

gerade habe ich die Einladung zum Mikroskopieabend in Stuttgart am Freitag erhalten. Thema: Schachtelhalm mit Heinz Streble. Da ist wie immer bei ihm Praxis und Theorie gut gemixt. Zur Vorbereitung gabs einen schönen Link:

http://www.blumeninschwaben.de/Sporenpflanzen/schachtelhalme.htm

Sehr gut aufgemacht als Bestimmungsschlüssel mit guten Bildern. Einzig die mikroskopishen Bilder könntest Du deutlich verbessern mit Deinen!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken