Planktonkurs am Heiligen Meer 2019

Begonnen von Michael Plewka, Mai 13, 2019, 13:03:39 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

Hallo zusammen

Auch in diesem Jahr fand (Ende April) der Planktonkurs am Heiligen Meer statt, den ich im letzten Jahr bereits vorgestellt hatte:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=31325.0



Selbstverständlich gab es auch in diesem Jahr jede Menge interessanter Organismen, von denen ich hier einige vorstellen möchte:
Als Rädertier-Fan war ich natürlich begeistert, zum ersten Mal Floscularia janus beobachten zu können, die sich an den verzweigten Blattern des Wasser-Hahnenfußes  (Ranunculus circinatus) angesiedelt hatten:



mehr dazu hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Floscularia%20janus.html

Teilweise direkt daneben findet man des Rädertier Collotheca campanulata:



mehr dazu hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Collotheca%20campanulata.html

in diesem Jahr waren im Plankton des Großen Heiligen Meers sehr viele Rädertier-Männchen von Brachionus urceolaris zu finden. Die meisten  monogononten Rädertiere  haben Geschlechtsdimorphismus, d.h. die Männchen sind kleiner als die Weibchen, sehen meist ganz anders aus (bei B. urceolaris hat das Männchen beispielsweise einen viel kleineren Fuß) und haben keinen Kauer.

hier das Bild:


zum Vergleich:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Brachionus%20urceolaris.html


In einem weiteren Gewässer (,,Vergessener Kolk)" haben wir den ,,Falltür-Infusor" Thuricola folliculata angetroffen. Der Pfeil weist auf die ,,Klappe" hin, mit welcher das Gehäuse nach Rückzug des Ciliaten verschlossen werden kann. Man kann andeutungsweise erkennen, dass die Membran dieser Reuse aus Cilien Fibrillen (nachträglich geändert) besteht.


mehr dazu hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Ciliata/e-source/Thuricola%20folliculata.html



Algen: Zu dem Vorkommen von der Goldalge Synura habe mich  ja an anderer Stelle bereits geäußert.:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=33844.0


In manchen Gewässern, z.B. dem Heideweiher, kann man die einzellige Alge Gonyostomum semen finden, deren Besonderheit u.a. darin besteht, dass sie Trichocysten besitzt, die man am Rand der Zelle erkennen kann:


weitere Bilder hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Other_Algae/e-source/Gonyostomum%20semen.html


Spannend ist  auch immer die Untersuchung der zuvor ausgesetzten Objektträger. (einige davon beobachte ich jetzt immer noch) Neben den schon im letzten Jahr hier vorgestelten Organismen sei an dieser Stelle noch folgendes erwähnt:

Viele cyrtophoride Ciliaten, davon einer in Konjugation:





Im Lauf der Zeit wachsen diese Objektträger natürlich zu, so dass das Fotografieren immer schwieriger wird. Dennoch hier ein Bild vom Protisten Cochliopodium vestitum, der hier m.W. schon lange nicht mehr gezeigt wurde.



mehr dazu hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Rhizopod/e-source/Cochliopodium%20vestitum.html



Daneben fielen eine große Anzahl von ovalen Körperchen auf, die ich bisher noch nie gesehen habe:




Offenbar sind immer zwei Individuen in einer solchen ??Cyste?? vorhanden. Man erkennt jeweils einen Zellkern sowie eine Kontraktile Vakuole. Im Bildausschnitt erkennt man desweiteren eine Streifung, die zu peritrichen Ciliaten passen würde. Auffällig war auch die Häufigkeit eines peritrichen Ciliaten, den ich für  Gerda crassicaule halte. Allerdings habe ich in meiner Literatur keinen Hinweis auf Cysten gefunden:





Über weitere Hinweise zur Bestimmung  der Gebilde würde ich mich freuen.

Viel Spaß beim Anschauen & beste Grüße

Michael Plewka

MikroMicha

Hallo Michael,

vielen Dank für das Einstellen Deiner - wieder einmal hervorragenden - Aufnahmen verschiedenster Tümpelorganismen. Dann auch noch aus einem Fundgebiet fast vor meiner Haustüre :).
Herzliche Grüße sendet

Michael (MikroMicha)

Martin Kreutz

Hallo Michael,

das werde ich natürlich schon wieder ganz schon neidisch in Anbetracht Deiner Fotos und der tollen Funde. Hier muss ich mich derzeit mit weniger aufregenden Funden begnügen. Besonders interessant sind natürlich Deine letzten zwei Bilder. Was zum knobeln. Ich habe so etwas auch noch nicht gesehen, wage aber mal einen Vorstoss. Auf den ersten Blick scheinen die Individuen in der Cyste keine Cilien zu tragen, aber eine feine Streifung ist sichtbar. Das erinnert mich an parasitische Ciliaten, die so etwas auch oft haben. Schwer zu sagen, ob es überhaupt ein Ciliat ist. Vielleicht ein Tomont der Apostomatia. Die sind oft Parasiten von Fischen, Amphibien und Krebstieren. Nur mal so ins Blaue!

Martin

beamish

Hallo,

obwohl ich keine Ahnung von sowas habe, wage ich einen Vorschlag für diese "Zwillingseier":
könnte es sich nicht um Gametozysten von sowas handeln:
http://cdn.biologydiscussion.com/wp-content/uploads/2016/04/clip_image010_thumb-4.jpg
würde auch die Streifen erklären.

Herzlich
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Fahrenheit

Guten Morgen Michael,

haben sich die beiden Individuen in den Cysten bewegt oder lagen die still?
Ich hatte auf dem Dörnberg 2017 auch so etwas in einer von Thilo mitgebrachten Probe. Da war ordentlich bewegung drin und wir haben zwei Tage auf so etwas wie einen "Schlupf" gewartet. Es ist aber nichts dergleichen geschehen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Michael Plewka

Hallo zusammen,
recht herzlichen Dank für die netten Kommentare und die hilfreichen Hinweise zu den ovalen Körperchen.
Die späte Antwort liegt  darin begründet, dass ich versuchen wollte, die weitere Entwicklung zu beobachten.

Diejenigen Tümpler, die ihre Organismen neben dem Beobachten auch dokumentieren (d.h. zeichnen, fotografieren, videografieren) wollen, haben immer das gleiche Problem:
ein Objektträger, ein Tropfen Probe, aber viele Organismen von verschiedenen Arten. Die alle kann man natürlich in der dortigen Umgebung genau und mit der nötigen Muße auch lange Zeit beobachten, aber wenn es darum geht, diese Organismen  möglichst präzise zu fotografieren, so heißt es zwangsläufig, Prioritäten setzen zu müssen. So halte ich persönlich  es z.B. für unmöglich, eine kleine Zieralge und einen Wasserfloh in derselben Probe, d.h. unter demselben  Deckglas sinnvoll zu fotografieren. Das bedeutet: eins der Viecher muss dann weg...
So auch in diesem Fall.
Als Ausgangsmaterial standen zwei bewachsene Objektträger zur Verfügung. Es wäre optimal, diese über mehrere Wochen zu beobachten, und das bei Apo- Objektiven von 10x bis 100x, am besten ohne Deckglas. Diese Möglichkeit habe ich leider nicht.
So werden die Objektträger jeweils in leeren  Quarktöpfchen in Regenwasser aufbewahrt.  Abgesehen von der Anfangsbeobachtung, als diese Objektträger direkt aufs Mikroskop kamen, habe ich später jeweils ein wenig von dem Material von den Ursprungs-Objektträgern abgekratzt und auf einen anderen transferiert. Der ursprüngliche kam dann zurück ins Regenwasser.
Der Schwerpunkt der Beobachtung lag, wie kann es bei mir anders sein,  auf einem Rädertier mit entsprechender chemischer Kauerpräparation, so dass diese Körperchen als  "Nebenprodukt" demzufolge  in diesem Präparat als Kollateralschaden zu verbuchen waren.

Im Laufe der Zeit (d.h. vom 28.4. an) habe ich immer wieder diese Körperchen vereinzelt gefunden, ohne dass eine großartige Veränderung feststellbar gewesen wäre. @ Jörg: eine Bewegung des Inhalts habe ich zu keinem Zeitpunkt feststellen können. Das letzte Bild stammt von einer Probe vom 16.5. Zwar ist eine Veränderung der Körperchen feststellbar, ob es sich dabei um eine normale Entwicklung handelt, kann ich  nicht sagen:




Beim Hinweis von Martin (wie bist Du darauf gekommen?) wäre natürlich noch die Frage nach dem Wirt zu stellen. Die genannte Monocystis-Art befällt  wohl (terrestrische) Regenwürmer, aber das muss ja nicht auf alle Sporozoa-Arten zutreffen. Allerdings habe ich weiter keine passende Art bei meiner Recherche gefunden. So muss  der zugehörige Organismus wohl erst einmal weiterhin ein Rätsel bleiben.


Beste Grüße
Michael Plewka

beamish

Ich habe, wie gesagt keine Ahnung. Ich habe nur so zum Spass mit verschiedensten Stichwörtern rumgegoogelt. Dabei tauchte Monocystis immer wieder auf. Mir ist schon klar, daß es das wohl nicht ist (die Zysten von Monocystis sind z.B. globos und nicht ovoid). Ich dachte nur, daß das eine Richtung sein könnte, in der man weiter suchen könnte.

Herzlich
Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

Ole Riemann

Hallo Michael,

vielen Dank für Deine schöne Dokumentation.

Besonders gut gefällt mir Thuricula folliculata, die ich noch nie bewusst gesehen habe. Interessant finde ich Deine Erläuterung, dass die "Membran dieser Reuse aus Cilien besteht". Wie genau kann man sich das vorstellen? Wie sollten Cilien außerhalb des Ciliaten existieren? Oder besteht eine dünne cytoplasmatische Verbindung zwischen dem eigentlichen Zellkörper und einer Aussackung der Zelle, von der aus die Cilien der Klappe entspringen?

Beste Grüße

Ole

Manfred Melcher

Hallo Michael,

auch von mir vielen Dank für diesen schönen Beitrag. Erstaunt hat mich genauso wie Ole, dass die Membran von Thuricola folliculata aus Cilien bestehen soll. Ich habe Thuricola schon häufig beobachtet und fotografiert, aber dies ist mir noch nie aufgefallen und ich muss zugeben, dass ich noch skeptisch bin, wenn auch Deine Aufnahme solche Cilien zeigt. Die Membran meiner beobachteten Individuen liegt auch immer an dem Körper an, während die Cilien Deiner Aufnahme im freien Inneren des Gehäuses zu stehen scheinen. Bei meinem nächsten Fund werde ich versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen.

Liebe Grüße
Manfred

Michael Plewka

#9
hallo zusammen,


@ Martin: ... auf jeden Fall ein hilfreicher Versuch!

@ Ole:
ich bitte vielmals um Entschuldigung dafür, dass ich statt "Fibrillen"   "Cilien"  geschrieben   (ist wahrscheinlich eine Freudsche Fehlleistung gewesen)  und damit soviel Verwirrung gestiftet habe. 

Sorry, sorry!!!

Hier als Ergänzung noch ein Bild von einem weiteren Examplar ein paar Tage später. Hier sind die beiden Ciliaten kontrahiert. Der Pfeil weist auf die Klappe im optischen Längsschnitt hin; diese setzt sich als aus Fibrillen bestehende Membran fort, wobei die Fibrillen zum Teil in der Schärfeebene des Objektivs liegen (Fi). Diese Klappe wird geschlossen dadurch, dass ein  Häutchen (durch Pfeilspitzen markiert) welches die beiden Ciliaten umschließt ,  nach unten gezogen wird, wenn die Ciliaten kontrahieren und dadurch dicker werden. (Nachzulesen in der "Ciliatenrevision" vom Foissner):




@ Manfred:
Entschuldigung auch hier; allerdings habe ich den Eindruck, dass es Dir eher um die Struktur der Klappe geht. Schon im ,,Wassertropfen" ist diese Klappe "mit Strichen" dargestellt und so wird sie auch bei Foissner  (s.o.) beschrieben.

Rätselhaft bleibt allerdings u.a., wie eine solche Klappe überhaupt gebildet wird. Ich habe   bisher noch keine Literatur gefunden, weder solche, die sich mit der Ultrastruktur dieser Klappe (wodurch unterscheiden sich die Fibrillen denn nun von Cilien, wie man sie bespielsweise von  den adoralen Mebranellen von Ciliaten wie Lembadion kennt?) noch solche, die sich mit der Entstehung dieser Membran während  des Gehäuseaufbaus  beschäftigt.


Beste Grüße
Michael Plewka