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Unappetitlich

Begonnen von Michael Plewka, Mai 19, 2019, 10:53:43 VORMITTAG

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Michael Plewka

Hallo zusammen,

hier in NRW gibt es u.a. im Bergischen Land, aber auch im Sauerland einige Talsperren zur Trinkwasserversorgung. Diese, aber auch andere (relativ) nährstoffarme Gewässer wie z.B. Kiesgruben o.ä. sind der typische Lebensraum für Planktonbewohner.

Ein Charakteristikum dieser "Lebensgemeinschaft" ist dabei die relativ geringe Dichte der Organismen. Aus Sicht eines solchen tierischen Plankton-Individuums ergibt sich daraus eine weite Suche nach Nahrung, aber auch nach Fortpflanzungpartnern.
Als Anpassung daran ergibt sich dann die Verbreitung von Organismen entweder diekt durch mitotische Zellteilung wie bei vielen  Algen oder durch Partenogenese bei Rädertieren oder Wasserflöhen.

Im Gegensatz zu einer solchen "biologischen Wüste" stehen dann Stellen im Wasser, an denen Wasservögel ihr "großes Geschäft" erledigt haben. Aufgrund der Cellulosefasern hat dieses Material, das außerdem Reste von leicht abbaubaren organischen Stoffen enthält, einen mechanischen Zusammenhalt, so dass dort  eine relativ hohe Konzentration an "Dünger" im Wasser vorhanden ist, welcher wiederum zu einer starken Vermehrung von (planktischen) Organismen führt, die zufällig gerade in dieser Umgebung sind. Das sind u.a. (fädige) Algen und Cyanobakterien, wobei letztere wiederum die Tendenz haben zu aggregieren, was man z.B. hier sehen kann:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Procaryota/e-procaryota/e-source/Phormidium%20sp..html

so dass das "Häufchen" weiterhin zusammenbeleibt und damit quasi eine "Oase" an Nährstoffen in dieser "Wüste" entsteht. Als Konsequenz daraus ergibt sich an solchen Stellen eine Gemeinschaft von Organismen, die sich ziemlich von den Planktonorganismen der Umgebung unterscheiden.

Als ein Beispiel sei hier der Ciliat Frontonia leucas angeführt, bei dem man sehr schön unterschiedliche Verdauungsstadien dieser Cyanobakterien erkennen kann.
Man erkennt weiterhin an der starken Quersstreifung der Trichome den Angriff der Verdauungsenzyme des Ciliaten:



mehr dazu hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenProtista/01e-protista/e-Ciliata/e-source/Frontonia%20leucas.html


Auch dieses Rädertier (Itura viridis) befindet sich in der Nähe von diesen Cyanobakterien:



mehr dazu hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Itura%20viridis.html


Das nächste Bild bekommt bestimmt keinen Schönheitspreis, zeigt aber etwas, das für die Algen-Experten  hier im Forum ein alter Hut sein mag, mir persönlich zuvor nicht bekannt war:  ein "flotter Dreier" bei dieser Spirogyra, soll heißen: der innere der drei Fäden hat  mit zwei anderen Fäden konjugiert, d.h. genetisches Material ausgetauscht. Die (mittlerweile leeren) Spenderzellen sind mit Pfeilspitzen markiert; die Empfängerzellen (Zygoten) mit Pfeilen:




Eine relativ  seltene Rädertier-Art (gemessen daran, wieviel google-Einträge man dazu findet) habe ich auch gefunden: Cephalodella stenroosi. Diese Rädertier-Art  kann man leicht für C. forficula verwechseln, weil sie im Habitus ziemlich ähnlich ist, insbesondere die charakteristische sichelförmige, nach dorsal gerichtete Form der Zehen ist identisch; allerdings sind die Auswüchse an den Zehen bei beiden Arten sowie andere Merkmale unterschiedlich. Hier der Fuß/Zehen (die Auswüchse sind durch Pfeile markiert) von einem mazerierten Exemplar:




Mehr dazu hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Cephalodella%20stenroosi.html


Man sieht also, dass es in einem solchen "Häufchen" durchaus spannende Sachen zu beobachten gibt.....

Viel Spaß beim Anschauen & beste Grüße
Michael Plewka

Hugo Halfmann

Tolle Fotos!

Eine Frage bleibt aber noch: Hast Du imWasser , dort wo die Gänse kacken, gefischt, oder leben die gezeigten Viecher im Häufchen? Ich kenne an der Bevertalsperre eine bei den Gänsen sehr beliebte Stelle und würde dieses von Dir gezeigte Experiment auch gern mal machen.
Viele Grüße aus dem Bergischen Land

Hugo Halfmann

Michael Plewka

Hallo Hugo,

die auf den Fotos gezeigten Organismen sind keine Darmbewohner, insofern kommen sie auch nicht direkt im Kot vor.

In der Praxis spielt das auch gar keine Rolle: ich verwende ein Plankton-Netz mit Stange; wenn man damit "fischt", wird mit Feststoffen natürlich jede Menge Wasser aufgenommen. Von diesem Gemisch kommt dann halt ein gewisser Anteil in das Probengefäß. Insofern: einfach ausprobieren!

Ich habe vor, am kommenden Samstag zum Mikroskopiker-Treffen in Hagen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34204.0

neben anderen Proben auch eine solche Probe mitzubringen, die dann untersucht werden kann.

Beste Grüße
Michael Plewka

M.Butkay

Hallo Michael,

Danke für die tollen Bilder und Deinen Beitrag dazu. Am Sonntag hatte ich eine Frontonia unter dem Mikroskop die eine Nematode ingestiert hat, dass habe ich noch nie gesehen. Werde diesen Cili in Zusammenhang mit einem anderen Beitrag hier einstellen.

Danke nochmals fürs zeigen,
Michael
Captain Kirk (Wächter des Plankton...)