Kaufempfelung Stereomikroskop

Begonnen von Born123, Mai 08, 2019, 15:10:56 NACHMITTAGS

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Born123

Hallo allerseits,

ich bin Biologiestudent und habe mir überlegt ein Binokular anzuschaffen. Da ich mich aber nicht wirklich auskenne wollte ich hier mal nachfragen: Ich habe leider nicht so viel Geld um mir ein neues Gerät zuzulegen und bin daher im Internet auf die Geräte Lomo MBS-10 und Zeiss West Stemi DR gestoßen. Vielleicht kann mir hier jemand weiterhelfen ob es sich generell "lohnt"   ein älteres Gerät anzuschaffen, welche dieser beiden Geräte besser geeignet sind( Zur Pflanzen und Insektenbestimmung) und wie viel ein "angemessener Preis" für diese Geräte ist, da ich beim MBS-10 Preise von 350-600 Euro gesehen habe :D. vielen Danke im Vorraus!

liftboy

Hallo Born (ein Name wäre hübscher),

mit einem MBS-10 kannst Du nichts falsch machen!
Näheres siehe hier: http://www.mikroskopfreunde-nordhessen.de/dateien/MBS-10-manual-de.pdf
Wenn Du in der Nähe von Kassel bist, kannst Du das sogar im Vergleich ausprobieren.
Ein brauchbares MBS sollte für ~150€ zu haben sein; ist natürlich Vertrauenssache, weil bei den meisten Geräten die Prismen verschoben sind und Du ein Doppelbild erhältst. (lässt sich aber reparieren, wenn die Prismen noch ganz sind). Wenn die Linsen im galiläischen System der Schaltwalze einen mitgekriegt haben, ist das Ding Schrott; das repariert Dir keiner! Du siehst also, bei Gebrauchtgeräten muss man sich auskennen und Rückgaberecht haben. Einstellarbeiten und Kleinreparaturen könnte ich Dir machen. Zusatzgeräte hätte ich auch da.

Grüße
Wolfgang
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Dr. Jekyll

Hallo Born,

Das MBS-10 ist mit 350€ deutlich zu teuer, auch wenn es technisch und optisch o.k. ist.
Wie Wolfgang schon schreibt ist 150€ in Ordnung. Dabei ist das Preis/Leistungsverhältnis auch akzeptabel. Wenn Du 100€ drauf legst bekommst Du mit etwas Glück auch ein Leitz TS-Großfeldmikroskop. Das ist dem MBS-10 optisch deutlich überlegen. Ich hatte beide Geräte hier und habe den Unterschied gesehen.
Zum Zeiss DR kann ich nichts sagen, ich kenne es nicht. Ich habe allerdings ein Zeiss Stemi IV und das  ist auch sehr brauchbar. Ist jedoch noch etwas teurer als das Leitz und wird nicht so oft angeboten.
Beste Grüße
Harald

Dünnschliffbohrer

Das Zeiss DR kann ich auch sehr empfehlen. Ich hab jahrzehntelang damit gearbeitet. Es ist im Grunde ähnlich zu dem Leitz TS - man hat nur eine Vergrößerungsstufe weniger weil das Leitz ein fest eingebautes 1X Objektiv besitzt, welches wirksam wird wenn kein anderes Objektiv davor geschoben ist. Achte ggf. darauf, ein Exemplar zu erwischen, bei dem drei Objektive dabei sind. Es ist schwer, noch Objektive einzeln zu finden! Ansonsten ist es von der Konstruktion her etwas eleganter und einfacher als das Leitz TS, und optisch sind natürlich beide einwandfrei. Beide sind Greenough-Mikroskope, während das optisch auch sehr gute MBS-10-10 vom Abbe-Typ ist (vgl. Wikipedia-Artikel "Stereomikroskop"). Ansonsten könnte man noch die Zeiss-Jena Stemi´s empfehlen, die optisch dem MBS-10 entsprechen (und wie dieses serienmäig Planobjektive haben), aber mechanisch zwischen dem MBS-10 (=russischer Traktor) und den westlichen Modellen anzusiedeln sind.
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

Alex H.

Hallo Born123,

ich befasse mich nun zwar erst seit einem Jahr mit der Mikroskopie und möchte als Anfänger keine Empfehlung abgeben, aber da ich selber ein MBS-10 besitze und dieses ähnlich anwende wie auch du es beabsichtigst, möchte ich dir zumindest meine Eindrücke und Erfahrungen die ich mit diesem Gerät bisher gemacht habe mitteilen.

Ich bin bei meiner Beschäftigung mit der allgemeinen Botanik schnell an einen Punkt gekommen, an dem mir klar wurde, dass es ohne Stereomikroskop (Stereolupe) und mikroskopischen Kenntnissen "nicht geht". Deshalb habe ich mich dann auch hier angemeldet, interessiert mitgelesen, irgendwann meine Situation erklärt, und promt wurden mir daraufhin verschiedene gebrauchte, aber durchwegs sehr gute Geräte angeboten. Meine Wahl ist dann nach längerer Überlegung auf das MBS-10 gefallen, und mir war bereits nach den ersten Mikroskopierversuchen klar, dass ich für meine persönliche Art der Verwendung kein geeigneteres Gerät, und auch keines mit einem besseren Preis/Leistungs-Verhältnis hätte erwerben können. Die Gesamtkosten des Stereomikroskops und dem reichlichen Zubehör (Durchlichttisch, 3 Okularpaare, ein zusätzliches Okular zum Messen ...) lagen sogar deutlich unterhalb des Preisrahmens den du definiert hast.
Was das Gerät schlussendlich genau kosten "darf" ist denke ich auch sehr davon abhängig was alles im Paket enthalten ist.
Am meisten arbeite ich mit den 8x Okularen und Vergrößerungen von 4,8-fach, 8-fach und 16-fach, gelegentlich noch mit den 6x bzw. 14x Okularen und einer Vergrößerung von 24-fach oder 28-fach, da ich in der Praxis selten Vergrößerungen von über 30-fach benötige. Bei den von mir zum Einsatz kommenden Vergrößerungen empfinde ich die Abbildungsqualität mehr als ausreichend. Bei höheren Vergrößerungsfaktoren wird die Bildqualität zunehmend schlechter. Zudem nimmt die Schärfentiefe dann schnell ab, was aber allgemein eine Schwäche von Stereomikroskopen - eigentlich Mikroskopen allgemein - ist. Vergrößerungen unter 30-fach reichten mir für morphologische Untersuchungen von Pflanzen und Flechten bisher vollkommen aus. Für die Pflanzenanatomie sowie für die Untersuchung von Pollen usw. werde ich mir aber sicher irgendwann noch ein klassisches Durchlichtmikroskop anschaffen, aber das hat noch Zeit (glaub' ich).

Erwähnen möchte ich noch den großen Arbeitsabstand und die hohe Säule des MBS-10 die es sogar ermöglicht, dass lebende Pflanzen mit samt Topf unter das Objektiv passen. Entbehrlich hingegen ist die originale Beleuchtung. Diese ist zu klobig, unpraktisch, qualitativ m. E. inakzeptabel und wird schnell sehr heiß. Als Ersatz habe ich mir zwei Jansjö-Arbeitsleuchten gekauft die ich sowohl manchmal für das schräge Auflicht, aber auch als Lichtquelle für die Durchlichtbeleuchtung einsetze. Viele Mikroskopiker - auch viele hier im Forum - verwenden ebenfalls die Jansjö für die Auflichtbeleuchtung. Hauptsächlich verwende ich aber eine am Objektiv angebrachte Ringleuchte.

Fazit: ich bin auch nach einem Jahr mit meinem MBS-10 rundum zufrieden. Allerdings möchte ich auch noch anmerken dass ich kein Mikroskopiker im engeren Sinne bin, sondern für mich ist das MBS-10 "nur" ein Hilfsmittel für die Botanik, wenn auch ein mittlerweile sehr wichtiges.

Grüße
Alex



Botanik, vorrangig heimische Wildpflanzen, die Morphologie der Sporen, Pollen, Blüten, Früchte und Samen, Blütenökologie, Kryptogamen im Allgemeinen;
Stereolupe: optimiertes LZOS MBS-10; Mikroskop: gut ausgestattetes LOMO Biolam;

Born123

#5
Ganz vielen Dank für die ausführlichen  und äußerst nützlichen Tipps!! Ich denke ich werde nocheinmal an der Uni nachfragen ob es da zufällig noch alte Geräte gibt oder nach Angeboten in und um Raum Hamburg Ausschau halten, dann kann ich mir die Geräte nocheinmal angucken :D

Viele Grüße

Lukas

Dünnschliffbohrer

ZitatIch denke ich werde nocheinmal an der Uni nachfragen ob es da zufällig noch alte Geräte gibt

Hallo Lukas,
die gibts bestimmt, aber werden erfahrungsgemäß von den akademischen Mitarbeitern nicht gerne abgegeben, um dann aber in einer Hau-Ruck-Aktion auf einmal plötzlich in den Müll geschmissen zu werden. Besonders, wenn ein neuer Prif. kommt und seinen Platz beansprucht, und auch Geld mitbringt, um irgendwelche neuen Geräte zu kaufen. Egal ob die nun besser sind oder nicht. Frag deshalb doch vieleicht mal bei den Uni-Feinmechanikern nach, die oftmals mehr Verständnis dafür haben, und die gute alte Qualität der Geräte die noch für eine potentiell unendliche Lebensdauer geschaffen wurden, noch zu schätzen wissen. Vieleicht haben die etwas gerettet, oder die haben zumindest den Überblick, wo noch gute alte Geräte stehen, die sie vieleicht selbst gewartet hatten. Viel Erfolg!
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]

Peter V.

Hallo,

na ja, so schwer ist die realistische Preisfindung ja nicht, wenn man nicht in laufende Festpreisangebote, sondern in die abgelaufenen Auktionen bei Ebay schaut:

https://www.ebay.de/sch/i.html?_odkw=stereomikroskop+mbs+10&_fsrp=1&_sop=10&_sadis=10&_dmd=1&LH_Complete=1&_osacat=0&LH_SALE_CURRENCY=0&_ipg=50&_from=R40&_trksid=p2045573.m570.l1313.TR1.TRC0.A0.H0.Xstereomikroskop+mbs-10.TRS0&_nkw=stereomikroskop+mbs-10&_sacat=0

Dass eine Nachfrage in der Uni etwas bringt, wage ich zu bezweifeln, da es leider so ist wie zuvor beschrieben: Niemand wird ein solches Mikroskop abgeben bzw. sich trauen, über öffentliches Eigentum zu entscheiden. Irgendwnn kommt dann der Zeitpunkt, zu dem ein Raum leergeräumt werden muss und dann verschwinden für uns wertvolle Geräte (die von den Mitarbeitern nur als alter Plunder angesehen werden von heute auf morgen in der "Gitterbox" der Entsorgungsstelle. Das ist leider so... :'(  :'(  :'(

Herzliche Grüße
Peter


Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

mhaardt

Ganz so einfach ist das nicht.  Die Sachen werden zwischengelagert, solange es geht, um den arbeitsintensiven Prozeß der Deinventarisierung auf kommende Generationen verschieben zu können.  Ist der Tag gekommen, muss ermittelt werden, ob das Material noch irgendwo in der Uni gebraucht werden kann.  Erst, wenn das ergebnislos abgeschlossen ist, werden die Dinge versteigert, und wenn das nicht geht, dann entsorgt.

Bis dahin wird bei der Inventur weiter geprüft, ob noch alles da ist.

Michael

Born123

Danke für die Antworten! An der Uni gestaltet es sich wirklich ziemlich schwierig. Ich bin nun im Internet auf ein Amgebot für das Zeiss Stemi DV4 gestoßen. Ist das Gerät empfelenswert?

Viele Grüße

Lukas

Dünnschliffbohrer

Hallo Lukas,
prinzipiell sind alle Stemi´s von Zeiss gut und für deine Zwecke brauchbar. Beim DV4 gibt es zwei sehr unterschiedliche Modelle. Das alte graue, und das neue weisse mit vielen schnell vergilbenden Plaste-Oberflächen. Mir persönlch wäre das alte graue lieber, wenn auch das neue eine sehr gute Optik hat. Ausbaufähig sind beide wohl eher begrenzt. Achte darauf, dass es nicht bereits aüsserlich zerschunden ist. Solche Werkstattmikroskope haben oft viel mitgemacht: z.B. zusätzliche "Antireflexbedampfung" der Frontlinse mit Kollophonium-Rauch aus der Elektronik-Lötwerkstatt. Und Doppelbilder sind zwar wie oben beschrieben mit höherem Aufwand reparabel, aber die Kosten erreichen schnell den Gebrauchtwert des Gerätes.
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]