Ein mir unbekannter Ciliat, geklärt: Litonotus fasciola-jetzt mit Video!!!

Begonnen von MikroMicha, August 19, 2019, 22:31:15 NACHMITTAGS

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MikroMicha

Hallo liebe Mitforisten,

vor einiger Zeit ist mir mal wieder ein Wimpertierchen in meinen Proben aufgefallen, welches ich nicht eindeutig zuordnen kann.

Hier in bewegten Bildern (zum Anschauen des Videos auf das Bild klicken):



Hier das Exemplar mit Fokus auf die Zellmitte:



Könnte es sich eventuell um den Ciliaten Litonotus fasciola handeln? Das Viech habe ich im Gartenteichwasser einer befreundeten Familie aus der Nachbarschaft gefunden. Dieses Wimpertierchen ist ein eleganter Schwimmer und kann kurzzeitig "zurückschrecken" und rückwärts schwimmen. Außerdem kann es ab und zu leicht kontrahieren. Auffällig ist die "Wimpermähne" am Zellmundbereich. Die Größe der Zelle beträgt 90 bis 100 µm (siehe Maßstabbalken rechts im Bild). Von daher würde mein Bestimmungsversuch recht gut auf Litonotus fasciola passen. Könnte das hinkommen?

Hier das Exemplar mit Fokus auf die Wimpermähne:



Hier das Exemplar mit Fokus auf die (vier?) Wimperreihen:



Aufgenommen habe ich das Tierchen im Phasenkontrastverfahren mit meinem Zeiss-Mikroskop Axiolab A1, Objektiv war das LCI Plan-Neofluar 63x (Wasserimmersion), N. A. 1,30, Kamera Canon EOS 5 D MarkII, achromatischer/aplanatischer Kondensor N. A. 0,9.

Für weitere Bestimmungshilfen von euch wäre ich dankbar und wünsche viel Freude beim Betrachten der Bilder.
Herzliche Grüße sendet

Michael (MikroMicha)

güntherdorn

hallo michael,

ich mach´mal n´versuch....

ein ganz junges (kleines) schlieftierchen (trachelophyllum sigmoides)
im wasertropfen-buch seite 249 nr.6
sieht doch schon sehr ähnlich aus.
dann verweisst streble/krauter noch
auf seite 341 nr.7 wobei mir 9 (gr.glockentier-fresser) eher passend wäre.

und noch was: die fotos sind sehr gut!
- gerne per du -
günther dorn
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=444.0
www.mikroskopie-gruppe-bodensee.de
gildus-d@gmx.de

limno

Hallo liebe Mitstreiter Michael und Günther,
dieser Fall hat sich unvermutet als einigermaßen chaotisch herausgestellt und der "Streble/Krauter" ist wahrscheinlich auch in der aktuellen Ausgabe total veraltet:
Des Chaos 1.Teil.
Im KAHL, den ich ja als Buch habe, hat der Druckfehlerteufel unvorstellbar gewütet: Statt Litonotus steht da durchgängig (S.185ff. u.a.) Lionotus.
Des Chaos 2.Teil.
Im FOISSNER (Band IV der "Ciliatenrevision") ab S.276 ist L. fasciola gestrichen und es wird vermutet, es sei L. cygnus (so auch meine Vermutung)
@Michael: Ist die Apertur Deines Kondensors nicht zu klein? Bei den "Innereien" des Ciliaten habe ich so meine Schwierigkeiten, mit der Bewimperung nicht, auch weil ich  in der Betrachtung mit Phasenkontrast noch recht ungeübt bin, wenngleich ich mir vor einiger Zeit für kleines Geld eine Phakoausrüstung bei unserem Forenmitglied Timofeij (timizas) erstehen konnte. Versuch doch mal selbst den Bestimmiungsgang anhand Deiner Bilder im KAHL nachzuvollzuziehen, dann wirst Du mich besser verstehen.
@Günther
Du solltest auch die Beschreibungen genauer lesen, das hilft ;) ;) ;) Vielleicht kann uns Martin Kreutz weiterhelfen
Beste Grüße von
Heinrich

So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

MikroMicha

Hallo Heinrich,
hallo Günther,

erst einmal herzlichen Dank für eure Einschätzungen. Ich werde später noch detaillierter antworten.

Ich habe meinen Artikel um mein Video ergänzt, welches ich mit eingefügt habe. Bewegte Bilder helfen vielleicht ein wenig bei der Bestimmung mit.
Herzliche Grüße sendet

Michael (MikroMicha)

MikroMicha

#4
Hallo Günther,

hier jetzt mal meine Stellungnahmen (sorry, dass es dieses Mal etwas länger gedauert hat).

Zitat von: güntherdorn in September 08, 2019, 15:07:19 NACHMITTAGS
hallo michael,

ich mach´mal n´versuch....

ein ganz junges (kleines) schlieftierchen (trachelophyllum sigmoides)
im wasertropfen-buch seite 249 nr.6
sieht doch schon sehr ähnlich aus.
dann verweisst streble/krauter noch
auf seite 341 nr.7 wobei mir 9 (gr.glockentier-fresser) eher passend wäre.

Ich kann mir nicht wirklich Vorstellen, dass es sich hier um ein kleines Schlieftierchen (Trachelophyllum sigmoides) handelt. Ich konnte kein Schlundrohr beobachten, welches schief in den Halsteil hineinragt. Ich habe ein solches Schlieftierchen (das meine ich jedenfalls, dass es eines ist) KORREKT ist: Spetazoon australiense in einem Video aufgenommen: https://www.youtube.com/watch?v=qpkAzVwVgio. Guck Dir mal die Sequenzen ab 2 Minuten und 38 Sekunden an. Ab da ist das Schlundrohr und der Mundzapfen recht gut zu sehen. Eine Beobachtung hat mich jedenfalls irritiert: Ich konnte um den mittleren Zellteil immer einen mehr oder weniger hell ausgeprägten "Heiligenschein" beobachten, egal ob ich ich auf die Zellmitte oder auf die Pellicula fokussiert habe. Das könnte eventuell auf eine umgebende Schleimhülle hindeuten, was ja bei Trachelophyllum Spetazoon typisch ist. Ich bin mir wirklich unsicher, meine Tendenz geht eher in Richtung Litonotus. Ich meine auch, vier Wimperreihen auf dem Tierchen gesehen zu haben. Leider habe ich im Foissner darüber nichts gefunden.

Hallo Heinrich,

Zitat von: limno in September 08, 2019, 19:05:18 NACHMITTAGS

Des Chaos 2.Teil.
Im FOISSNER (Band IV der "Ciliatenrevision") ab S.276 ist L. fasciola gestrichen und es wird vermutet, es sei L. cygnus (so auch meine Vermutung)

Ich habe ja auch den FOISSNER in Form einer PDF-Datei hier und war genau über das, was Du schreibst, gestolpert und das ganze hat mich noch mehr verunsichert. Im FOISSNER geht man ja davon aus (deshalb hat man es gestrichen), dass es sich bei dem als "fasciola" bezeichneten Litonotus um "leidende" Zellen handelt, die mehr oder weniger kontrahiert sind. Im Foissner habe ich auch nichts über die Cilienreihen bei Litonotus gefunden. Das würde ja auch schon helfen, ich meine nämlich, dass ich davon 4 Reihen auf dem Zellkörper beobachten konnte. Wenn man im "Wassertropfen-Buch" (welches ja keinesfalls vollständig und nicht immer ganz korrekt ist) auf Seite 251 die Figur 11 anschaut, passt das meiner Meinung am besten, auch was die Größe von ca. 100 µm und die "Wimpermähne" anbelangt. Ich lande immer wieder bei Litonotus (fasciola). Vielleicht einigen wir uns schlicht und ergreifend vorläufig auf Litonotus sp. Alles andere ist wirklich nur Spekulation meinerseits. Sollte ich dieses Tierchen wiederfinden, mache ich zu aller erst Hellfeldaufnahmen.

Zitat von: limno in September 08, 2019, 19:05:18 NACHMITTAGS

[/i]@Michael: Ist die Apertur Deines Kondensors nicht zu klein? Bei den "Innereien" des Ciliaten habe ich so meine Schwierigkeiten, mit der Bewimperung nicht, auch weil ich  in der Betrachtung mit Phasenkontrast noch recht ungeübt bin, wenngleich ich mir vor einiger Zeit für kleines Geld eine Phakoausrüstung bei unserem Forenmitglied Timofeij (timizas) erstehen konnte.

Bezüglich der Kondensorapertur ist es ja so, dass diese möglichst mit der Objektivapertur übereinstimmen soll. Mein aplanatischer/achromatischer Kondensor hat NUR eine Apertur von 0,9, seitens Zeiss hat man mir aber versichert, dass diese Kondensorabertur auch mit einer Objektivapertur von 1,3 im Phasenkontrast harmoniert. Ich habe mal mit dem achromatischen/aplanatischen Kondensor mit der Apertur von 1,4 von Zeiss geliebäugelt. Ich habe aber nie eine befriedigende Antwort bekommen, ob dieser Kondensor (der dann ja geölt werden muss) auch im Phasenkontrast die volle Beleuchtungsapertur von 1,4 bringt oder ob die 3er Phasenblende die Apertur nach unten drückt.

Phasenkontrastbilder sind in der Interpretation generell etwas schwieriger zu deuten, als reine Hellfeldaufnahmen. Gerade, was die "Innereien" des Ciliaten betrifft. Durch die phasenkontrastbedingten immer vorhandenen Halos um die Objekte kommt es bei dich beieinanderstehenden Details immer zu Überlagerungseffekten, was eine richtige Interpretation von Details nicht immer einfacher (aber auch nicht ganz unmöglich) macht. Bei zukünftigen Bestimmungsgesuchen werde ich hier nur noch reine Hellfeldaufnahmen reinstellen.

Trotzdem allen, die bei den Bestimmungsversuchen bisher mitgeholfen haben, von meiner Seite ein herzliches Dankeschön  :).

Für weitere Vorschläge und Hilfen bedanke ich mich schon jetzt.
Herzliche Grüße sendet

Michael (MikroMicha)

limno

Hallo Michael,
weil Du den Thread jetzt weitergeführt hast, doch noch einige Anmerkungen:: Ich habe weiter auf der Homepage FOISSNERs nachgesehen und in der Zeitschrift Denisia eine Monograph of Dileptids gefunden, zu denen die von Dir gezeigten Exemplare  gehören. Zu einem schlüssigen Ergebnis bin ich nicht gekommen. Aber in Fritz Clemens Werners Lexikon "Wortelemente lateinischer-griechischer Fachausdrücke in den biologischen Wissenschaften" gibt es den Wortbestandteil "Lito" (nicht zu verwechseln mit Litho) garnicht ! ??? Wohl aber  "Lio", was auf griechisch soviel wie "glatt", bzw. "ohne Körperfortsätze bedeutet (S.240) "Lio" ist von "lei" abgeleitet. "Notos" ist Buckel" Demnach hätte KAHL die korrekte (sinnvolle) Schreibweise gewählt, während alle nachfolgenden Autoren von irgendwoher irgendwelchen Unsinn abgepinselt haben. Und dass sämtliche Exemplare von Dir bzw. von KAHL beschädigt sein sollen????.....Sonderbar! Ich für meinen Teil komme jedenfalls nicht weiter,  obwohl ich Deine Aufnahmen in Zeitlupe durchgekämmt habe und bleibe bis zum Beweis des Gegenteils bei Lionotus fasciola, (EHRBG. WEZESENIOWSKI, 1870) wie es KAHL auf S.187, 7 abbildet , und  auf S. 194 beschreibt.
Schöne Mikrogrüße von
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Martin Kreutz

Hallo Michael,

die Bilder zeigen Litonotus, aber die Bestimmung der Art ist damit nicht möglich, weil Details wie Kernverhältnisse, Verteilung der Extrusome und Form der Extrusome nicht zu sehen sind. Das alles sind Bestimmungsmerkmale von Litonotus. Wenn Du bis zur Art runter willst, kommst Du um Detailaufnahmen und flach legen der Individuen nicht herum. Auf Grund der Form und Größe würde ich mich der Vermutung von Heinrich anschließen, dass L. fascicola vorliegt. Das Video zeigt einen ganz anderen Ciliaten. Das ist (ziemlich sicher) Spetazoon australiense. Vorne sieht man den deutlichen Mundzapfen (typisch). Aber um sicher zu sein, braucht man auch hier die Kernverhältnisse und möglichst die Form der Schuppen in der Schleimhülle (die Du offensichtlich erkannt hast).

Martin

Martin Kreutz

Hallo Michael,

ich hatte nicht ganz realisiert, dass in dem Beitrag zwei Videos gezeigt werden. Bezüglich des Videos, welches Du in Deinem dritten Beitrag zeigst und welches Trachelophyllum sigmoides zeigen soll, bin ich der Ansicht, dass es sich hier um Spetazoon australiense und nicht um Trachelophyllum handelt, denn Trachelophyllum hat keinen hervorstehenden Mundzapfen sondern einen gerade abgestutzten Mund. Tut mir leid für Verwirrung!

Martin

MikroMicha

Hallo Martin,

Zitat von: Martin Kreutz in September 22, 2019, 22:08:36 NACHMITTAGS
Bezüglich des Videos, welches Du in Deinem dritten Beitrag zeigst und welches Trachelophyllum sigmoides zeigen soll, bin ich der Ansicht, dass es sich hier um Spetazoon australiense und nicht um Trachelophyllum handelt, denn Trachelophyllum hat keinen hervorstehenden Mundzapfen sondern einen gerade abgestutzten Mund. Tut mir leid für Verwirrung!
Martin

ich danke Dir für Deine nochmalige Rückmeldung. Jetzt ist bei mir alles "entwirrt" = klar!  :). Das Video bei YouTube mit dem vermeintlichen Trachelophyllum sigmoides werde ich dann gleich mal (natürlich mit Verweis Deines Namens) in Spetazoon australiense umändern.

Vielen herzlichen Dank für alles!
Herzliche Grüße sendet

Michael (MikroMicha)