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Leben am Deckglas

Begonnen von Martin Kreutz, September 27, 2019, 20:38:36 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

bei der Bearbeitung meiner Proben arbeite ich gerne mit dem schwimmenden Deckglas, wie viele andere Mikroskopiker hier im Forum sicher auch. Die Vorteile sind bekannt. Alle Objekte, die sich am schwimmenden Deckglas anheften, kann man in Ruhe, ohne störende Detritusteilchen und mit einer unschlagbaren Schichtdicke von "0" betrachten, sofern die Objekte auf dem Deckglas aufgewachsen sind. Viele Amöben, Algen und natürlich Bakterien tun dies, aber man findet auch viele andere Objekte, die eher am Deckglas entlanggleiten und die man bei dieser Art der Probenpräparation nicht gleich vermuten würde. Das ist ja hier das Mikrofoto-Forum und ich möchte einfach mal ein paar meiner letzten Funde zeigen. Die Zuordnung der Objekte steht hier nicht im Vordergrund.

Vertreter von Arcella findet man sehr häufig auf dem schwimmenden Deckglas. Dieses Exemplar hatte eine sehr schön gefelderte Schalenstruktur. Wenn man sich die Struktur genau anschaut erkennt man ein komplexes Muster von regelmäßigen als auch verzerrten 5- und 6-Ecken:



Die Goldalge Synura uvella ist eher seltener Gast am Deckglas zu finden und immer wieder ein fotogenes Objekt:



Hier der nur 10 µm lange Flagellat Goniomonas truncata. Wegen seiner einzeiligen Reihe an Extrusomen wird er zu den Cryptomonaden gezählt:


KV = kontraktile Vakuole
EX = Extrusome
ZK = Zellkern

Obwohl dieser Flagellat sehr häufig ist, habe ich ihn mir noch nie genau betrachtet. So war für mich neu, dass er eine sehr feine Punktierung der Pellikula aufweist:



Ebenfalls ein häufiger Gast am Deckglas ist der kleine Ciliat Cyrtholophosis mucicola. Wie der Name sagt, baut er zarte Gallertgehäuse, in denen er lebt und das im DIK schwer zu sehen ist, wenn keine Bakterien darauf wachsen. Obwohl er so häufig, ist es nicht so einfach ihn in entspannter Strudelposition zu finden, da er bei einer Störung das Gehäuse sofort verlässt. Darum muss das Deckglas sehr vorsichtig aufgelegt werden, am besten mit einem Schluck extra Wasser (vorgelegt auf dem Objektträger). Im folgenden Bild war auch noch eine Spirogyra im Bild, die ich wegen dem schön getroffenen Zellkern nicht weggeschnitten habe:



Die volvococcale Alge Gonium pectorale. Dieses Exemplar war mit den apikalen Enden der Zellen, welche die Geißeln tragen, gegen das Deckglas gerichtet. An diesem Ende liegen auch die jeweils paarig angeordneten kontraktilen Vakuolen:



Fast schon ein Klassiker der Deckglas-Mikrofotografie ist die granuloreticulose Schalenamöbe Microgromia. Bei schön ausgebreiteten Exemplaren kann man sich nicht zurückhalten. Hier Microgromia haeckeliana:



Hin und wieder finde ich mir unbekannte Heliozoen, welche vergleichsweise schnell beweglich sind und ihre Axopodien teilweise hinter sicher her ziehen. Sieht dann fast kometenhaft aus:



Im Simmelried gibt es seit einigen Monaten einen Neuzugang, den ich vorher nie fand. Es handelt sich um den kleinen Phacus horridus, der einen warzige Zelloberfläche besitzt und der hin und wieder am Deckglas klebt und dann gut zu untersuchen ist:



Lässt man die Deckgläser länger auf den Proben liegen, siedeln sich auch gehäusebauende Ciliaten an. Bei einer Probe konnte ich so einige Aufnahmen von Tintinnidium im Gehäuse machen. Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster und behaupte, das ist Tintinnidium fluviatilis, ohne die Zelldetails (Dorsalbürste Kernverhältnisse) genau studiert zu haben:



In der gleichen Probe (Deckglas) wie Tintinnidium war Stylonychia vorax zu finden, einer der wenigen hypotrichen Ciliaten die ich identifizieren kann:



Fast immer am Deckglas zu finden ist Peranema trichophorum. Ich muss zugeben, dass ich die folgende Aufnahme eigentlich löschen wollte, weil die Schleppgeißel, welche dem Zellkörper dicht anliegt, nicht ganz scharf geworden ist, aber dafür die recht dicke Schwimmgeißel. Ich habe nochmal Gnade vor Recht ergehen lassen:


SG = Schwimmgeißel
ScG = Schleppgeißel

Zum Schluss noch ein Mikro-Ufo, welches schon einmal von Michael Plewka hier im Forum gezeigt wurde (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=31350.0). Es könnte ich um Pilzzellen handeln (Sporangium?), aber vielleicht weiß jemand mehr:



Viel Spass beim anschauen

Martin

Heiko

Hallo Martin,

unglaublich schön – danke.

Gruß, Heiko

Peter V.

Hallo Martin,

das sind mal wieder optische Highlights in diesem Forum! Vielen Dank.

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Peter Reil

#3
Hallo Martin,

die Methode des schwimmenden Deckglases werde ich jetzt auch mal ausprobieren - wenngleich da nicht so tolle Bilder rauskommen werden[.   :'(

Danke für den tollen Beitrag!

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

anne

Hallo Martin,
toller Beitrag in gewohnter maximal möglicher Qualität!!

lg
anne

cabo

Dem schließe ich mich an.


Finde aber trotzdem lustig dass Peter die Edit mit der Zitat-Funktion verwechselt hat :)

Bob

Hallo Martin,
danke für die tolle Präsentation dieser interessanten Funde, das macht richtig Lust, selbst Deckglasfischen zu gehen!

Viele Grüße,

Bob

sushidelic

Hallo Martin,

da hat der HR-DIC aber einen würdigen neuen Besitzer gefunden! Tolle Serie, das macht richtig Lust, auch wieder selbst auf Probensuche zu gehen.

LG Michael

Martin Kreutz

#8
Hallo,

herzlichen Dank für das motivierende Lob von allen!

@Michael: Ja, der neue DIK-HR ist toll! Ohne den wären z.B. die Aufnahmen von Goniomonas truncata nicht möglich gewesen. Das Arbeiten mit voll immergierten System war etwas gewöhnungsbedürftig, nachdem ich 25 Jahre lang von der Kondensor-Seite her "trocken" gearbeitet habe. Aber es wird langsam! Wie Du weisst, besitze ich bisher nur das U-ODP100HR Prisma. Obwohl ich fast ausschließlich mit dem 100 X fotografiere, hätte ich natürlich auch gerne die ODP-Prismen für die anderen Objektive, da ich jetzt jedes Mal den Kondensor wechseln muss, um DIK bei < 100 X zu realisieren. Wenn jemand noch Olympus U-ODP-Prismen hat und mir anbieten möchte, würde ich mich sehr freuen!

Martin