Matrerial der Kunststoff Zahnräder in Leitz-Trieben

Begonnen von Klaus Herrmann, Mai 31, 2020, 14:08:40 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Klaus Herrmann

Hallo Leitz-Experten,

kann mir jemand sagen welcher Kunststoff bei den Zahnrädern der Mikroskoptriebe von Leitz eingesetzt wurde?

Hier 2 Beispiele.

Ja ich weiß, dass man einen Zahn rausschneiden könnte um ein IR-Spektrum zu machen. Aber der zuverlässige Hinweis auf eine Literaturquelle wäre mir lieber.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Florian Stellmacher

Moin Klaus,

mir wurde erzählt, dass es sich um Nylon handelt.

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

jochen53

Hallo Klaus,

es kommen prinzipiell nur 2 Werkstoffe in Frage: PA und POM. PA 6 und PA 6.6 sind Standardwerkstoffe für Zahnräder, sind aber bei kleinen Zahnrädern mit hohen Anforderungen an die Maßhaltigkeit nicht so gut geeignet, wie POM-C (Copolymer). POM muß aber geschmiert werden. Für ein ATR-IR müßtest Du nicht mal ein Zahnrad zerstören, wir haben schon an Original 8 mm-Dübeln ATR-IRs aufgenommen. POM hat eine Dichte von ca. 1,4 g/cm³, PA 6.6 nur ca. 1,14 g/cm³. Durch hydrostatische Dichtebestimmung müßte man die leicht und zerstörungsfrei unterscheiden können.

Viele Grüße, Jochen.

Klaus Herrmann

Hallo Jochen, vielen Dank! Ich hatte auch PA vermutet aber POM wäre wohl noch besser geeignet. Die Transparenz könnte jedoch auf PA hindeuten?

Beides ist mir aber Recht es darf nur kein EPDM sein. Meine Tochter hat mir einen Hochleistungs-Schmierstoff beschafft der sehr gut geeignet ist für Materialpaarungen Kunststoff-Metall, und eben auch Triebe und Gleitflächen. Somit für unsere Mikroskope. Nur EPDM ist nicht kompatibel mit diesem Schmierstoff.

Diana wird ein Döschen zum Testen bekommen und dann warten wir mal ab, was sie sagt.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

jochen53

Hallo Klaus,

Du hast völlig Recht, EPDM ist absolut unverträglich mit Schmierstoffen auf Mineralöl- oder synthet. Kohlenwasserstoffbasis.
Aber: EPDM ist kein Kunststoff, sondern ein Elastomer ("Gummi"). Es wird z.B. für Teichfolien, Abdichtplanen und Dichtungen in Trinkwasserarmaturen und Fahrzeugbremsanlagen verwendet. Die Transparenz des einen Rads ist mir auch aufgefallen und ich würde daher auch eher auf PA tippen. Heute werden die unzähligen Zahnräder für die zahlreichen Kleingetriebe im Kfz-Bereich (Spiegelverstellung, eletr. Sitzverstellung, Scheinwerferhöhenverstellung usw.) aus POM hergestellt. Es läßt sich mit hervorragender Maßgenauigkeit spritzgießen. Es ist allerdings empfindlich gegen Säuren, da es dadurch zu seinem Monomer Formaldehyd depolymerisieren kann. Bei PA ist das Problem der Wasseraufnahme bekannt, die bis zu 10% betragen kann, aber auch da gibt es heute verbesserte Typen. Aber "Leitz" bedeutet ja heute auch schon "historisch".

Viele Grüße, Jochen.

Jürgen Boschert

Hallo Jochen und Klaus,

nun ich bin kein Chemiker, aber irgendwie geht Ihr auf Florian gar nicht ein. Wie er habe auch im Hinterkopf, dass die Kunststoffräder bei Leitz aus Nylon gemacht seien.

Gruß !

JB
Beste Grüße !

JB

Werner

Doch, sie sind darauf eingegangen.
Nylon ist ein Polyamid, die Abkürzung ist PA.

Ich habe einige Nylonzahnräder, die sehen auch so aus. Manchmal kann man ein Spänchen an einer unwichtigen Stelle abschneiden, die Brenn-/Stink-Probe schafft dann Gewißheit.

Gruß - Werner

Jürgen Boschert

Hallo Werner,

danke für die Aufklärung.

Noch ein schönes Wochenende !

JB
Beste Grüße !

JB

Klaus Herrmann

Hallo Jürgen. Der Chemiker hat ja schon erklärt. Aber zum Namen eine schöne - aber wahrscheinlich erfundene Erklärung des Namens gibt es in Wikipedia

ZitatDarüber hinaus existiert als Erklärung für den Namen Nylon auch das Gerücht, der Erfinder des Materials, Wallace Carothers, hätte über den Erfolg der Faser mit dem Ausruf Now You Lousy Old Nipponese (oder Now You Look Old Nippon) triumphiert – in Schadenfreude, endlich selbst eine Faser als Konkurrenz zur japanischen Naturseide entwickelt zu haben.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

jochen53

Hallo,

es gibt noch eine andere tragische Anekdote zu dem Thema: Als Paul Schlack bei der I.G. Farben ein alternatives Herstellverfahren für PA 6 (Nylon) erfunden hatte und das Produkt Perlon nannte, ohne den Patentanspruch der DuPont für Nylon zu verletzen, verfiel Carothers in starke Depressionen und begang mit Cyankali Selbstmord.

Viele Grüße, Jochen.

Wutsdorff Peter


jochen53

Hallo Peter,

PTFE ist als Konstruktionswerkstoff für mechanisch stark beanspruchte Teile absolut ungeeignet. Es ist sehr weich, es kann mit den Fingernagel geritzt werden und es hat eine negative Eigenschaft, die noch viel schlimmer ist: Es neigt bereits unter mäßiger mechanischer Belastung zum Kaltfließen, ohne seine ursprüngliche Form wieder zurück zu erlangen. Deswegen kann man auch einmal verwendete Teflon-Dichtungen i.d.R. nicht noch einmal verwenden. Zudem hat PTFE beim Abkühlen in der Nähe von ca. 20° - 25° C (also um Raumtemperatur) eine reversible Modifikationsumwandlung, die unter deutlicher Volumenschrumpfung verläuft. Es gibt zwar PTFE-Compounds, die gefüllt sind (Graphit, Bronzepulver, mineralische Füllstoffe, Kohlefasern, MoS2), aber an die mechanischen Eigenschaften von PA oder POM oder gar Messing oder Bronze kommt PTFE nicht ran. Sehr gut geeignet ist es dagegen wegen seiner niedrigen Reibungszahl als Gleitpartner, allerdings nur unter sehr niedrigen spezifischen Flächenpressungen, sonst tritt wieder Kaltfließen ein. Gleitbahnen von Werkzeugmaschinen kann man damit z.B. beschichten um das gefürchtete Stick-Slip zu verhindern. Durch die Weichheit setzen sich außerdem Abriebpartikel und Schmutz in der Oberfläche fest und wirken dann abrasiv. Die beste Paarung für Zahntriebe ist Bronze (z.B. G-CuSn12) oder Messing gegen gehärteten und geschliffenen Stahl.

Viele Grüße, Jochen.