Graphik zur anomalen Doppelbrechung

Begonnen von Florian D., November 02, 2019, 23:25:44 NACHMITTAGS

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Florian D.

Glückauf Forum,

nach der Beschäftigung mit Vesuvian und Epidot sah ich mich gezwungen, mich näher mit der sogenannten Dispersion der Doppelbrechung auseinanderzusetzen. Damit ist gemeint, dass die Doppelbrechung in einigen Kristallen mehr oder weniger stark mit der Wellenlänge variiert. Dann stimmen die Interferenzfarben, die man im Dünnschliff bei gekreuzten Polarisatoren beobachtet, nicht mehr mit jenen überein, die in der Michel-Levy Tafel abgebildet sind und die man an Kompensatoren beobachtet.

Man unterscheidet dann "übernormale" und "unternormale" Interferenzfarben. Bei übernormalen Interferenzfarben, sind die Interferenzfarben der ersten Ordnung leuchtender, und ähneln mehr jenen die man nach der Michel-Levy Tafel für die normale 2. Ordnung erwarten würde.  Bei sehr niedriger Doppelbrechung erscheinen die Schliffe zudem blau statt grau.
Dies tritt auf, wenn die Doppelbrechung mit wachsender Wellenlänge abnimmt, also im Roten kleiner ist als im Blauen.

Bei unternormalen Farben sind die Farben der ersten Ordnung hingegen dumpfer und manchmal beobachtet man sogar eine Inversion der Farbfolge. Bei niedriger Doppelbrechung erscheinen die Schliffe blau oder lederbräunlich.
Dies tritt auf, wenn die Doppelbrechung mit wachsender Wellenlänge zunimmt, also im Roten grösser ist als im Blauen.

ich habe jetzt versucht, diesen Effekt zu simulieren, siehe Graphik.
Dazu habe ich angenommen, dass der Brechungsindex linear mit der Wellenlänge variiert.
Bezogen auf die Wellenlänge ist die "Dispersion von Delta n" also negativ im übernormalen Fall und positiv im unternormalen Fall.

Entlang der mittigen Horizontalen Linie findet man die normalen Farben, wie man sie für einen Schliff der Dicke 25 mikron erwarten würde (Michel Levy).
Die nach oben oder unten verschobenen horizontalen Linien entsprechen dem, was man sieht, wenn man einen unter- oder übernormalen Schliff betrachtet und dabei einen Kompensator verwendet, denn dieser kann zwar die effektive Doppelbrechung verändern, nicht aber die Dispersion derselben.
Hätte man schliesslich einen Keil eines dispergierenden Kristalls, so würde der Brechungsindex entlang von Linien die durch den Ursprung verlaufen, variieren.
Olaf hat hierzu auf seiner Homepage ein schönes Beispiel:
ftp://ftp.min.rub.de/pub/Medenbach/Kristalloptik/spezielles.ppt

Was ich persönlich besonders bemerkenswert finde ist, dass das Bild eine Periodizität aufweist. Es gibt ein Motiv, dass entlang einer Diagonalen wiederholt. Dieses Motiv ist zudem spiegelsymmetrisch. Dies erklärt, dass man im unternormalen Fall eine Inversion der Farben im vergleich zum normalen oder übernormalen Fall beobachtet. Die Periodizität erklärt auch, warum man in den verschiedenen Ordnungen immer wieder eine ähnliche Farbreihung beobachtet.

Noch etwas Technisches: Die Farben wurden unter der Annahme einer Schwarzkörperlichtquelle mit 4100 Grad berechnet.
Meine LED hat diese Farbtemperatur, wenngleich sie doch vor allem im Blauen stark von einer thermischen Lichtquelle abweicht.

Viele Grüsse
Florian












olaf.med

Lieber Florian,

es ist grandios was Du alles machst (und kannst - ich wäre damit völlig überfordert). Meine höchste Hochachtung.

Zwei Anregungen habe ich zu Deiner Grafik:


  • Kannst Du den normalen Farbverlauf als Band in der Mitte darstellen, evtl. sogar mit feinen Linien nach oben und unten gegen die anomalen Bereiche angegrenzt. Das würde sicher die Betrachtung erleichtern.
  • Ich würde diese schöne Grafik einer breiteren Interessentengemeinde zugänglich machen. Dafür bietet sich der "Leitfaden zur Dünnschliffmikroskopie" von Raith, Raase und Reinhardt an. Ich könnte da gerne vermitteln, da ich zwei der Autoren sehr gut kenne.

Nochmals - Hut ab!

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

derda

Hallo Florian,

sind diese anomalen Interferenzfarben durch anormale Dispersion verursacht? Wenn ja, würde man dann nicht für jedes Mineral mit anomalen Interferenzfarben einen eigenen Farbverlauf errechnen müssen?

Neugierige Grüße

Erik

Florian D.

Hallo Erik,

gute Frage.
Nein, anomale Interferenzfarben sind nicht durch anomale Dispersion erzeugt.
Anomale Dispersion bedeutet, dass der Brechungsindex mit der Wellenlänge zu und nicht abnimmt, wie dies bei der normalen Dispersion der Fall ist. Dies ist nur im Bereich von Absorptionslinien der Fall.

Wenn es um Interferenzfarben geht, interessieren wir uns aber nicht für die Dispersion des Brechungsindex an sich, sondern der der Brechungsindexdifferenzen für 2 Polarisationsrichtungen.

Allerdings hast Du recht, dass anomale Interferenzfarben nicht gleich anomale Interferenzfarben sind, sondern materialabhängig. Das ist ja auch der Grund, weshalb ich diese Graphik erstellt habe.

Zumeist wird der Parameter N= Delta n_D/(Delta n_F-Delta n_C) angegeben, der von den Brechungsindexdifferenzen bei den Fraunhoferlinien C, D und F abhängt. Von anomalen Interferenzfarben spricht man im engeren Sinne nur, wenn N=0 bzw. Delta n_D =0.  Die Farben sind übernormal, wenn N>0 und unternormal, wenn N<0. Ist der Betrag von N >30, sehen die Interferenzfarben normal aus.

Viele Grüsse
Florian






hugojun

Hallo Florian  ,
die ΔnD u.s.w.  beziehen sich bei uniaxialen Kristallen also auf N=n₀D-nₑD/(n₀F-nₑF)-(n₀C-nₑC)  für optisch negative Kristalle und nₑ-n₀ für positive. Funtioniert dies auch für biaxiale Kristalle mit den minimal und maximal nα-nγ??

Gruß
Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

Die Graphik gilt zunächst einmal für jede Orientierung des Kristalls. Entlang jeder beliebigen Richtung wird man ein Delta n_D und auch eine Variation d Delta n/ d lambda beobachten.
Letztere kann man durch die Delta n_F - Delta n_C ausdrücken, wie du richtig angemerkt hast. Allerdings müssen sich die Delta n nicht unbedingt auf die ordentlichen und ausserordentlichen Richtugen beziehen, obwohl das für Tabellierungen natürlich vorzuziehen ist.
Daher kann diese Graphik auch für zweiachsige Kristalle verwendet werden.
Ich bin gerade dabei, die Graphik so umzugestalten, dass Delta n_F - Delta n_C als x-Achse verwendet wird und Delta n_D als y-Achse. Dann ist die Steigung von Geraden  N=Delta n_D/(Delta n_F-Delta n_C) was Rinne-Berek als die "Reziproke Dispersion der Doppelbrechung" bezeichnen, die man für die Hauptbrechungsindices wohl auch tabelliert finden kann.
Ich bitte noch um etwas Geduld.

Viele Grüsse
Florian

Florian D.

... hat man Dispersion der Achsen, sollte es doch möglich sein, allein durch Drehen des Dünnschliffs zwischen übernormalen und unternormalen Farben zu wechseln. Muss das mal mit meinem Brookit probieren.

Gruss,
Florian

hugojun

#7
Hallo Florian ,
da Du wohl gerade mit einem Brookit  experimentierst , interessieren dich vielleicht diese Daten, wenn Du nicht schon einen Satz hast. Dummerweise entsprechen die Wellenlängen nicht genau denen der Fraunhofer – Serie C-D-F. Sie liegen etwas höher oder tiefer.  Ist aber vielleicht nicht so kritisch.
           λ  nm     nα             nβ              nγ
          435,83   2,7695   2,7836     2,9416
          491,61   2,6717   2,6769   
          546,07   2,6154   2,6160     2,7402
          579,07   2,5904   2,5900     2,7091
          607,27   2,5739   2,5718     2,6882
          671,63   2,5443   2,5403     2,6519
          690,75   2,5375   2,5328     2,6429
          707,27   2,5317   2,5265   



            
Leider fehlen für nγ zwei Wellenlängen.
Die Daten stammen aus Radhakrishnan 1951 ,,The optical properties of Titanium-Dioxide",
hier die Variante Brookit

Gruß
Jürgen

Florian D.

Jürgen, vielen Dank!

Zum Abschluss des Abends noch eine kleine Einsicht, die mir gerade kam, aber vielleicht selbstverständlich ist:
Mein Anlass, mich mit dieser Dispersion näher zu beschäftigen war ja der, dass ich mit dem Kompensator im Falle der Epidote die Interferenzordnung nicht bestimmen konnte. Damit hatte ich bis gerade eben immer noch Schwierigkeiten.
Der Punkt ist der: Ob eine Interferenzfarbe unter- oder übernormal ist, wird durch das relative Vorzeichen der Doppelbrechung und der Dispersion der Doppelbrechung bestimmt. Normalerweise setzen wir das Vorzeichen der Doppelbrechung  einfach als positiv. Mit einem Kompensator verschieben wir die Doppelbrechung bei allen Wellenlängen idealerweise um den gleichen Betrag. Damit bleibt die Dispersion, die sich ja als Differenz der Doppelbrechung im Blauen und im Roten darstellen lässt, konstant. Ist der Kompensator jedoch in Subtraktionsstellung, kann sich das Vorzeichen der Doppelbrechung selbst jedoch umkehren. Dann wird man selbst für einen an sich übernormalen Epidot unternormale Farben beobachten. Insbesondere ist der Farbverlauf um  Delta n=0  herum nicht mehr symmetrisch, wie wir das von den normalen Farbverlauf her vielleicht erwartet hätten.

Viele Grüsse
Florian 

hugojun

Hallo Florian ,
genau dieses Problem habe ich mit Deinem Diagramm. Wenn ich mir am Objekt nicht die Addition und Subtraktion nacheinander anschaue, würde ich wohl leicht die anomale Dispersion übersehen können (positive Steigung N).
Aber auch das weiß-grau im negativen Bereich, könnte als ,,normale" Subtraktion durchgehen, wenn die normale Doppelbrechung sich im Bereich von ROT I bewegt.
Da die anomale Dispersion sich nicht auf die ordentliche und außerordentliche Richtung beschränkt,
ist eine Überprüfung an jeder Kornlage möglich und auch erforderlich!?
Grüße
Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

Ja, das Problem, anhand der Interferenzfarbe festzustellen, welche Ordnung nun gerade vorliegt, ist genau das Problem, dass ich mithilfe des Diagramms lösen wollte.
Ein zweiachsiger Kristall kann durchaus entlang einer Achse übernormale und entlang einer anderen Achse unternormale Farben zeigen.
In triklinen Kristallen sind sogar die Richtungen extremaler Dispersion unabhängig von den Richtungen extremaler Doppelbrechung.
Man wird also im Extremfall tatsächlich für jedes Kristallkorn mit Kompensator und Diagramm  die Interferenzordnung ausfuchsen müssen.
Letztendlich ist man dann wahrscheinlich schon froh, wenn man die maximale Doppelbrechung zwecks Vergleichs mit tabellierten Werten angeben kann.
Für diese würde ich dann auch N abschätzen, wenn man es denn braucht.

Viele Grüsse
Florian


Florian D.

Hallo Jürgen,

jetzt bin ich auch ins Grübeln geraten. Du hast natürlich völlig recht: Sobald ich Dispersion zulasse, gibt es mehrere Kombinationen aus Doppelbrechung und Dispersion, die zu der selben Interferenzfarbe führen und auch die Farbfolge, die man mit Kompensator sieht, wird für Alle die Gleiche sein.

Gruss
Florian

hugojun

Zitat von: Florian D. in November 02, 2019, 23:25:44 NACHMITTAGS

was ich persönlich besonders bemerkenswert finde ist, dass das Bild eine Periodizität aufweist. Es gibt ein Motiv, dass entlang einer Diagonalen wiederholt. Dieses Motiv ist zudem spiegelsymmetrisch.
Die Lage der anomalen Dispersion ( braunes Feld )auf der X-Achse  ( siehe Diagramm oben ) sollte sich entlang derselben  mit veränderter Kornlage (höhe der Doppelbrechung )verschieben ?
Somit würde dein Diagramm eine spezielle Lage von vielen Möglichen sein? Lediglich der Hintergrund (Kornlage, Doppelbrechung) würde sich ändern?
Auf er anderen Seite, in deinem Versuch mit dem ,,falscher Epidot ,, hast Du  mit dem Berek ja die  Dispersion kompensiert, obwohl es Körner in verschiedenen Lagen gibt und dies über einen großen Bereich des Gangnterschiedes des Kompensators?

Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

versteh ich jetzt nicht. Das Diagramm liefert mir für jede Kombination aus Doppelbrechung und Dispersion die richtige Farbe. Aber jede Farbe kommt in dem Diagramm mehrmals vor. Deshalb ist der Rückschluss von der Interferenzfarbe auf Doppelbrechung und Dispersion nicht eindeutig. Kristalle mit verschiedener Lage haben verschiedene Werte der Doppelbrechung und Dispersion, das ändert aber nichts am Diagramm.
Die richtige Interferenzordnung kann man an einem Kristallkeil bestimmen. Dort wo die Dicke d=0, verschwinden sowohl Doppelbrechung als auch Dispersion. Damit hat man einen absoluten Bezugspunkt, ab dem man die Ordnung zählen kann.

Gruss
Florian 

hugojun

Hallo Florian ,

die Tabelle aus einer Arbeit zeigt , dass man , je nach dem , aus welchem Wertrepaar man die delta n bestimmt , für biaxiale Kristalle drei N`s bestimmen kann:



somit ist die Steigung N Richtungsabhängig.
Bemüht man nun  die Maxima und Minima , wie im Fall von Brookit , können über- oder unternomale Farben auftreten

               nγ-nα   nγ-nβ   nβ-nα

      N        18,74   22,82   -2,10

je nach Kornlage , beobachtet man in einer der obigen Richtungen , oder auch jede Lage dazwischen.


Gruß
Jürgen